EMPFEHLUNG: "Treasure of Khan" - Der neue Hit von Pulp-Meister Clive Cussler

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Wie nicht anders zu erwarten, erwies sich der neue Roman von Pulp-Meister, Kollege und einem meiner Vorbilder Clive Cussler als Abenteuer-Lektüre erster Güte. Obwohl der Meister in die Jahre gekommen ist und daher für seine 600-Seiten-Schwarten längst Co-Autor Dirk Cussler mit an Bord genommen hat (der wohl irgendwann mal seine Nachfolge antreten soll), bietet auch das neue Abenteuer um Dirk Pitt und dessen Kumpel Al Giordino alles, was der Fan von der Pulp-Ikone erwartet - Historische Begebenheiten verwoben mit dramatischen Naturkatastrophen und sinistren Verbrechensplänen grausamer und größenwahnsinniger Bösewichter, die unsere Helden von einem Cliffhanger zum nächsten katapultieren, um am Ende alles in Wohlgefallen aufgelost vorzufinden. Dabei bleibt Clive Cussler seinem bewährten Schema treu und darf, ganz in der gewohnten Hitchcock'schen Manier, auch selbst in seinem Cameo-Auftritt wieder mal nicht fehlen. Aber diesr Anflug von Selbstgefälligkeit, die er als Gag bereits in zahlreichen Romanen eingebaut hat, sei ihm ebenso verziehen wie Sir Alfred dem Großen.

Diesmal hat sich Clive Cussler eines der großen Geheimnisse vorgenommen, das Historiker seit vielen Jahren bewegt und um das er seine actionreiche Story herum webt: Das Grab des Dschingis Khan und seines großen Herrn, Kublai Khan. In einer actiongeladenen Sequenz, die im 13. Jahrhundert nach Christus angelegt ist, legt Cussler für den Leser und seine Helden die Spur, die über einen ebenso dramatischen Abstecher in den Zweiten Weltkrieg zum Baikal-See und von dort in die tiefe Mongolei führt, wo es zum aktionsgeladenen Höhepunkt und dem Zusammenprall zwischen Gut und Böse kommt. Und über allem erhebt sich die unglaublich wichtige Gestalt des Dschingis Khan, die für die Menschen der Mongolei bis zum heutigen Tag gottgleich ist und selbst sowohl Buddha als auch den mächtigen Kublai Khan überflügelt. Der von Cussler (und zahlreichen Historikern) als der genialste und erfolgreichste Feldherr und Usurpator aller Zeiten gepriesene Dschingis Khan versucht dann zwar auch weite Teile des Geschehens zu beherrschen, doch immer wieder reißen Dirk Pitt und sein schnodderschnauziger Sidekick Al Giordino das Zepter an sich und dominieren den Roman, wie man das von den lieb gewordenen Helden gewohnt ist.




Pitt stolpert bei Vermessungsarbeiten am Baikal-See unversehens in eine von Naturkatastrophe, eine so genannte Seiche-Welle - eine Art Tsunami, die in Binnengewässern durch Unterwasserbeben erzeugt werden kann. Wieder mal erweist sich Pitt in einer halsbrecherischen und waghalsigen Aktion als Retter in letzter Sekunde, und seinem Einfallsreichtum ist auch in vorgerücktem Alter keine Grenze gesetzt. Doch die Seiche-Welle ist erst der Anfang einer Reihe von Desastern, die vor allem in der Golf-Region für Aufregung sorgen. Davon bekommt Pitt allerdings erst etwas mit, als man ihm das Forschungsteam, das er eben vor dem Ertrinken gerettet hat, direkt unter der Nase weg entführt und ihm selbige Nase dreht. Das mag Pitt nun gar nicht, und Al Giordino, der ein italienisches Auge auf die Leiterin des entführten Teams geworfen hat, stößt das Kidnapping doppelt sauer auf. Also verfolgen Pitt und Giordino die Spur bis in die tiefste Mongolei und geraten mitten in der Gobi-Wüste in eine Todesfalle, aus der es kein Entrinnen zu geben scheint. Doch während sie mit dem sandigen Tod ringen, stoßen sie auf ein Geheimnis, das so unglaublich ist, dass es die Überlebenssorgen rasch vergessen lässt - denn mitten in der Mongolei erfüllt sich nicht nur ihr Schicksal, sondern auch das des großen und mächtigen Heerführers Dschingis Khan... Und während Pitt und Giordino dem Sensenmann von der Schippe zu hopsen versuchen, passiert viele tausend Meilen weit entfernt vor der Küste von Hawaii etwas nicht minder Dramatisches: Dirk Pitts erwachsene Kinder Summer und Dirk Jr. entdecken beim Tauchen eine Dschunke aus dem 13. Jahrhundert - und stoßen dabei auf ein Geheimnis, das sie um ein Haar das Leben kostet...

Wie dies am Ende alles zusammenpasst, schildert Cussler auf gewohnt unnachahmliche Weise. Zwar merkt der Leser, dass Dirk Cussler doch einen etwas anderen Stil als Meister Clive hat und nicht ganz so wortgewandt ist wie sein alternder Partner, aber letztlich verstehen es beide doch, Spannung zu erzeugen, die bis zum Ende anhält. Offenbar konnten sich viele Fans nicht so recht damit anfreunden, dass Dirk und Summer im Vorgänger "Black Wind" im Mittelpunkt standen und Papa Dirk Pitt und Al Giordino relativ wenig zu tun bekamen, denn diesmal ist es genau umgekehrt. Nach "Black Wind" hätte ich persönlich mir mehr Action mit Dirk Jr. und Summer gewünscht, die ihren alternden Vorbildern in nichts nachstehen, aber sie spielen eine entscheidende Rolle in der Geschichte, und das ist ja auch schon was.

Der Roman erreicht nicht ganz die hochdramatische Wirkung und die Rollercoaster-Atmosphäre wie so manche Vorgänger, aber das ist auch nicht weiter schlimm. Clive Cussler hat eine leichte Brise verdient, um dann mit seinem nächsten Roman, der viel versprechend "Plague Ship" (Pestschiff) heißt, mit Sicherheit wieder granatenmäßig zuzuhauen. Ich habe mich glänzend unterhalten und - was ich mir allmählich wirklich abgewöhnen sollte - wieder mal an den Fingernägeln gekaut, bis ich das Buch durch hatte.

Für mich ist Clive Cussler immer ein Garant für hochkarätige Spannung, und das wird hoffentlich noch lange so bleiben (und sich auch auf Dirk Cussler übertragen). Den "Treasure of Khan" lege ich jedem Pulp-Fan wärmstens ans Herz - ein knapper Zehner für die englische Originalfassung lohnt sich allemal. Und gibt es was Schöneres, als unter Linden und Kastanien im Eiscafe zu sitzen, die kühle Köstlichkeit zu genießen und dabei den Helden Dirk Pitt und Al Giordino in die ebenso kühlen Tiefen der Ozeane zu folgen? Wohl kaum... Für Pulp Fiction Fans wie mich ist das jedenfalls purer Hochgenuss.

Der Lonewolf Pete