12. Japan Filmfest Hamburg

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Meine sehr geehrten Damen und Herren in Hamburg,

mein Name ist Azusa Fukushima, ich bin Mitglied des Stadtrats der Stadt Iwaki.

In Iwaki, von wo aus ich Ihnen heute schreibe, herrschen erfrischend schöne Tage mit  einem klaren Himmel, jungen Blättern und Blüten, die das Auge verwöhnen. Fast scheint es, als wäre es der gewohnte Alltag.

Aber die Stadt Iwaki liegt in der Präfektur Fukushima und befindet sich im 40km-Umkreis der Atomkraftanlage Fukushima 1. Das Erdbeben der Stärke 9 am 11. März traf auch Iwaki, etwa 300 Leben fielen ihm zum Opfer, viele wertvolle Gegenstände, viele Erinnerungen gingen verloren. Die Stadt Iwaki wurde getroffen von Erdbeben, Tsunami, Krafwerkshavarie, Nachbeben und leidet darüber hinaus noch unter negativen Gerüchten im Zusammenhang mit dem Kraftwerkunglueck.

Nach dem Beben waren etwa einen Monat lang die Versorgungsleitungen zerstört, Benzin und andere Güter wurden knapp. Es mehrten sich die Menschen, die aus der 340 Tausend-Einwohnerstadt flohen, so dass die Stadt zeitweise wie ausgestorben war. Währenddessen lebten etwa Zehntausend Menschen, die zum Teil Angehörige verloren hatten oder denen ihr Haus und ihr Auto weggeschwemmt worden waren, in Notunterkünften.

Jeder hier versucht auf seine Art und Weise beim Wiederaufbau zu helfen und die Stadt befindet sich in Aufbruchstimmung. Jedoch höre ich während der Arbeiten immer wieder den Satz: “Wäre doch nur das Krafwerkunglück nicht…”  Die radioaktiven Substanzen, die durch die Havarie zerstreut wurden, verteilten sich in diesen blauen Himmel, in der grünen Landschaft, im tiefblauen Meer und verseuchten die Luft, die Erde, die Tiere, Pflanzen und Fische, sie verursachten immense Schäden an den Lanwirtschaftlichen Gütern. Und die Nachricht, dass die Havarie des Atomkraftwerks Fukushima 1 weiter andauert, lässt die Menschen nicht zur Ruhe kommen. Der psychische Stress, der von der unsichtbaren Gefahr ausgeht, ist zwei Monate nach dem Beben immer noch präsent.

Achzigtausend Menschen aus der unmittelbaren Umgebung vom Atomkraftwerk sehen sich in diesem Moment gezwungen, ihrem vertrauten Zuhause fern zu bleiben und in Ungewissheit ob einer Rückkehr zu leben. Auch wir leben in ständiger Sorge, bald vielleicht auch in dieser Situation zu sein. Es bleibt uns nur die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Havarie.

Ich bin Mutter von zwei Kindern, jeweils 3 Jarhre und ein Jahr alt. Es bereitet mir große Sorge, wie schädlich es sein würde, meine Kinder in Iwaki großzuziehen. In Kindergärten und Schulen sind Aktivitäten an der Außenluft eingeschränkt, es werden Vorsichtsmaßnahmen bei der Belüftung getroffen - ein normaler Alltag ist dort nicht mölich. Der Staat hob den Grenzwert der Strahlen, der ein Kind im Jahr ausesetzt werden darf, auf 20 Milisievert an und behauptet, dass damit die Sicherheit gewährleistet sei, aber Expertenmeinungen dazu gehen auseineinder und Eltern sind beunruhigt über die ungenaue Informationslage.

Ich wünsche mir, dass die Kinder ohne Sorge um radioaktive Strahlen so viel draußen toben können, wie sie möchten.
Ich möchte ihnen Lebensmittel aus Fukushima ohne Bedenken zu essen geben.
Ich möchte, dass sie stolz darauf sein können, in Fukushima geboren zu sein.
Die Sorge um die Kinder ist besonders groß.

Die Erdbebenkatastrophe und das Kraftwerksunglück sind noch lange nicht beendet. Aber die Betroffenen, die Menschen, die noch immer in Notunterkünften leben und solche wie ich, arbeiten Tag für Tag, der Realität ins Auge blickend, am Wiederaufbau.
Den Schutz der Kinder, den die Zukunft gehört, als oberstes Gebot, gehen wir Schritt für Schritt vorwärts, um Iwaki wieder zu der lebhaften Stadt zu machen, die sie einst war.

Wir Menschen sind nicht verseucht, und die Stadt wird wieder aufgebaut, davon bin ich überzeugt. Darum liebe Bürerinnen und Bürger von Hamburg, bitte unterstützen Sie die Stadt Iwaki und deren Kinder, geben sie uns Mut und Kraft.

Ich bedanke mich von ganzzem Herzen für die Gelegenheit, Ihnen diese Botschaft zu übemittelt zu haben und wünsche allen ein großartiges Gelingen des Filmfests。

20.5.2011
Azusa Fukushima
Mitlied des Stadtrats der Stadt Iwaki, Präfektur Fukushima


Die innere Wahrnehmung unterscheidet sich häufig stark von der Außenwahrnehmung. Dies hat sich auch im März 2011 wieder bewahrheitet. Nach den Ereignissen des 11. März 2011 in Japan wurde viel von der internationalen Presse über die Situation des Landes berichtet. Zwischen reinen Fakten und Annahmen zu unterscheiden war für Außenstehende oft nicht möglich. 

Die Ausstellung TEGAMI - Perspektiven japanischer Künstler lässt erstmals japanische Künstler ihre Wahrnehmung und Emotionen während der Monate März und April aus ihrer eigenen Sicht schildern. Die Ergebnisse umfassen das Spektrum der menschlichen Emotionen: Humorvoller Umgang mit der Situation, kritische Sichtweisen auf die Nutzung von Atomkraft, Trauer über einen Verlust, Hoffnung und Dankbarkeit über die weltweite Anteilnahme. 

Initiiert wurde die Ausstellung von der in Hamburg lebenden japanischen Künstlerin Nobuko Watabiki, die sich während des Erdbebens am 11.03.2011 in Japan in Tokyo aufgehalten und viele Gespräche mit betroffenen Freunden und Künstlern vor Ort geführt hat. Der Hamburger Markus Leibold hat die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Situation in Japan einerseits durch die Berichterstattung der deutschen Medien und andererseits durch die Schilderung von Freunden in Japan erleben können. Mit diesen verschiedenen Eindrücken haben beide zusammen die Ausstellung TEGAMI - Perspektiven japanischer Künstler konzipiert und umgesetzt. 

Anfang April 2011 wurden Künstler in Japan aufgerufen, ihre Emotionen und Gedanken zur aktuellen Situation auf Kunstwerken in der Größe von Postkarten zu verarbeiten und nach Deutschland zu senden. Dies wurde sowohl von den Künstlern selbst, als auch von den japanischen Medien sehr positiv aufgenommen. Die Resonanz auf den Aufruf hat die Erwartungen der Organisatoren übertroffen und zeigt auch, wie wichtig diese Möglichkeit des kreativen "Ventils" für die emotionale Situation der Künstler war. 

Der Begriff TEGAMI stammt aus dem Japanischen und bedeutet Brief. Der Name symbolisiert sowohl die Art und Weise, wie die Werke der Künstler nach Deutschland gesendet wurden, als auch den persönlichen und teilweise sehr privaten Charakter der Exponate. 

Die Ausstellung umfasst mehr als 300 Werke von über 200 Künstlern aus allen Teilen Japans. Alle Exponate sind exklusiv für die Ausstellung erstellt worden. 

Nobuko Watabiki und Markus Leibold
Ausstellung vom 25.05. bis zum 29.05.2011 in Hamburg 

Die Eröffnung der Ausstellung ist am Mittwoch 25.05.2011 um 19:00 Uhr im Kino Metropolis. Die Ausstellung findet im Rahmen des Japan Filmfest Hamburg statt. Ab dem 26.05 wird ein Teil der Ausstellung im Kino Metropolis im Foyer verbleiben, der übrige Teil in der Festival-Lounge PROJEKTOR ausgestellt werden. Die Ausstellung läuft bis zum 29.05.2011.
http://www.tegami-hamburg.de