LivideInhalt:Lucie (
Chloé Coulloud) hat ihren ersten Tag bei einem ambulanten Pflegedienst. Im Umkreis eines kleinen französischen Fischerdörfchens macht sie mit Madame Wilson (
Catherine Jacob) Hausbesuche bei alten, pflegebedürftigen Menschen. Im Verlaufe des Tages machen sie Station an einem uralten und ziemlich runtergekommenen Anwesen. Die abgelegene Villa beherbergt noch eine Bewohnerin. Madame Jessel (
Marie-Claude Pietragalla). Einst eine angesehene Ballettlehrerin die, über 100 Lenze zählend, seit Jahren in einem künstlich beatmeten Koma liegt. Um ihren Hals trägt sie einen Schlüssel der, so sagt Madame Wilson, zu einem Tresor und einem Schatz führt. In der darauffolgenden Nacht erliegt Lucie der Versuchung mit viel Geld im Gepäck dem drögen Leben im kleinen Küstenort entfliehen zu können und macht sich mit ihrem Freund William (
Félix Moati) und dessen Kumpel Ben (
Jérémy Kapone) auf, in das alte Haus einzubrechen und den Schatz von Madame Jessel zu finden. Ein schwerwiegender Fehler wie sich sehr bald herausstellen wird…
Meinung:Mit der Schlachtplatte
Inside (OT:
À l'intérieur) wirbelte das französische Duo
Alexandre Bustillo und
Julien Maury 2007 die Fangemeinde durcheinander. Ein Film der – nicht nur bei uns im Forum
– für reichlich Gesprächsstoff sorgte und polarisierte wie kaum ein anderer Genrebeitrag in den letzten Jahren. Für mich persönlich war es damals der intensivste und stärkste Horrorfilm nach
High Tension. Dementsprechend erwartungsvoll fieberte ich
Livid (außerhalb Frankreichs ohne das "e") entgegen und war froh die Ankündigung zu lesen, er werde auf den diesjährigen Fantasy Filmfest Nights laufen. Als ich im Kino saß wusste ich eigentlich nichts mehr über den Film. Die Inhaltsangabe hatte ich Monate zuvor gelesen und auch an den Trailer konnte ich mich kein Stück erinnern. Das sorgte also für noch mehr Spannung...
Vorwegnehmen kann ich nun im Nachhinein direkt,
Livide ist kein neuer
Inside.
Bustillo und
Maury verlassen die Terrorpfade und versuchen sich dieses Mal im Grusel-Genre. Und wie ich finde ist ihnen das Großteils ausgesprochen gut gelungen. Die Story fängt sehr gemächlich an ohne jemals langweilig zu werden und spätestens als das Trio des Nächtens in das alte Haus einsteigt, entfaltet der Film seine ganze Wirkung und man sieht was das Regieduo auf dem Kasten hat. Ich hatte es in meinem Kurzabriss vor einigen Tagen schon erwähnt und ich erwähne es gerne noch einmal. Für mich war das Haus von Madame Jessel mit das gruseligste Haus welches ich wohl jemals in einem Film gesehen habe. Von außen wirkt es schon dermaßen bedrohlich, dass man am liebsten nicht einmal in seine Nähe kommen möchte. Findet man sich dann im Innern wieder, so möchte man am liebsten nur noch seine Augen schließen. Spinnweben und Gerümpel im Keller, knarzende Holzdienen auf Fluren und Treppen. Vergitterte Fenster an allen Seiten. Die Wände gepflastert mit alten Bildern und staubbedeckten Tierköpfen. Im von Vorhängen bedeckten Schlafzimmer thront ein altes Bett was schon für sich alleine mehr als nur creepy ausschaut. Darin eine leichenblasse, alte Frau mit einer Beatmungsmaske auf dem Gesicht. Spiegel in den Ecken, verschlossene Türen, eine Szene mit einem grotesk anmutenden "Kaffeekränzchen" und so weiter und so fort. Optisch erinnert es ein wenig an die Welt von
Silent Hill. Teils verstörend, oft sehr gruselig, bedrohlich. Mit großartigen Bildern wird das meiner Meinung nach ausgesprochen gelungene Setdesign eingefangen, unterstütz von einem wummernden Sound den der Zuschauer so ähnlich schon bei
Inside auf die Ohren bekommen hat. Atmosphäre wird dadurch allemal aufgebaut und auf den ersten und auch zweiten Blick wurde der Spagat vom Terrorfilm zum Oldschool Gruselhorror gemeistert. Well done die Herren
Bustillo und
Maury. Ich hatte den Film lange Zeit bei einer ganz starken 9, weil er mich einfach fesseln konnte. Ich hatte zwar nicht sehr viele Momente die mich richtig zusammen zucken ließen aber er konnte mich sehr lange Zeit einfach nur fesseln. Leider, leider haben sich die Regisseure für mein Dafürhalten irgendwann etwas verzettelt und sich zu viel aufgeladen. Im letzten Drittel – obwohl gerade da die ein oder andere sehr drastische Splatterszene gezeigt wird (böse Zungen könnte man ein "aufgesetzt" sogar nicht mal verübeln) – baut er Film für mich etwas ab, denn es werden eine Handvoll Szenen eingestreut die für mich irgendwie nicht recht in das Gesamtbild passen bzw. unnötig erscheinen. Vielleicht wollte das Regieduo da einfach etwas zu viel, vielleicht wollten sie etwas "Besonderes" abliefern aber für meinen Geschmack war es letztlich sehr eigenwillig und teils gar unpassend. Eine Prise weniger Fantasy – denn genau das wird plötzlich dazu gemischt – und dafür weiter straight Grusel/Horror wäre für mich der weitaus bessere Weg gewesen.
Ohne weiter auf die Story einzugehen, möchte ich Hauptdarstellerin
Chloé Coulloud noch erwähnen, die ihren Job sehr souverän macht und zudem recht schnuckelig ist. Die weiteren Darsteller fallen weder negativ noch positiv auf und machen ihre Sache rundum ordentlich. Handwerklich gibt es meiner Meinung nach wenig zu meckern denn was man sieht (Setdesign grandios, Effekte spitze) und hört (wummernder, durch Mark und Bein gehender Sound) ist auf hohem Niveau. Wie aus Frankreich gewohnt. Storytechnisch läuft es langsam an, geht atmosphärisch sehr dicht weiter und driftet am Ende von der Spukgeschichte auf die Splatterschiene und mischt eine Brise phantastische Elemente dazu. Eine Mischung die mir am Ende zwar immer noch zugesagt, mich aber nicht vom Hocker gehauen hat. Die Zweitsichtung wird entscheiden ob es bei der guten Wertung bleibt oder ob
Livide an Boden verliert oder gar gewinnt. Fans der "Haunted House" Storys sollten auf jeden Fall einen Blick riskieren und auch Verächter von
Inside sollten
Alexandre Bustillo und
Julien Maury eine zweite Chance einräumen.
Livide