TCs Buchregal -Skippy stirbt von Paul Murray

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Offline Thomas Covenant

  • Die Großen Alten
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    Ich weiss gar nicht mehr wann und wie ich auf diesen Roman aufmeksam geworden bin. Seit Monaten steht er ungelesen im Regal, der Kindle ist so bequem geworden, und wartet auf seine Entdeckung.
    Skippy ist einer dieser Romane die man wohl ein Leben lang nicht vergisst. Ähnlich wie in Heldensommer gehts hauptsächlich um schwer pubertierende Jungs die sich durch Leben schlagen. Hier alle Schüler in einem christlichen Internat in Dublin. Es kommt noch so ein Club der toten Dichter Element dazu weil einige Handlungstränge die Lehrer begleiten, die wie auch die Schüler ihre Päckchen zu tragen haben.
    Ich habe selten so gelacht wie über die derben Sprüche von Skippy und Co. Murray gelingt es glänzend die Sprache der Jugend und deren ständige Geilheit in aberwitzige Situationen einzubauen und die Glorie und Graussamkeit der Pubertät einzufangen.

    Hier mal der Starring des Romans

    - Daniel "Skippy" Juster: Gewinnt einen Schwimmwettkampf, hat "Hopeland" schon fast durchspielt und verliebt sich am Vorabend einer Halloween Party unsterblich in Lorelei Wakeham.
    - Ruprecht Van Doren: Ein übergewichtiger Junge mit leidenschaftlichem Interesse für komplexe mathematische Gleichungen, multiple Universen und die Suche nach außerirdischer Intelligenz. Skippys bester Freund und Zimmergenosse.
    - Lorelei 'Lori' Wakeham: Eine Schönheit aus der Mädchenschule, hat reiche Eltern, ist Bethany-Fan und Skippys große Liebe.
    - Carl Cullen: Der Schulpsychopath mit einer ausgeprägt zerstörerischen Veranlagung ist ebenfalls in Lori verliebt, kann seine Gefühle aber nicht zeigen. Mit seinem Freund Barry ist er ständig auf der Suche nach dem nächsten Kick.
    - Mario Bianchi, Geoff Sproke und Dennis Hoey: Freunde von Skippy und Ruprecht, nie um einen schlüpfrigen Spruch verlegen und bei jeder Aktion dabei, die verspricht, die Langeweile des Internatslebens ein wenig zu lindern.
    - Howard 'Hasenherz' Fallon: Frustrierter Geschichtslehrer und ehemaliger Schüler von Seabrook, langweilt sich in seiner Beziehung mit Halley und fühlt sich stark von seiner Kollegin Aurelie McIntyre angezogen.
    - Aurelie MyIntyre: Vertretungslehrerin für Geografie, bei der selbst die Eiszeit heiß erscheint. Objekt der Begierde, sowohl der Schüler als auch einiger Lehrer.
    - Mr. Farley: Biologielehrer und engster Vertrauter von Howard, überzeugter Single mit einer Vorliebe für junge Mädchen und düstere, zynische Tiraden.
    - Tom 'Tombo' Roche: Sozialkundelehrer und Schwimmtrainer, war mal eine vielversprechende Hoffnung des Seabrook Rugby Teams, bis ihm ein Unfall, in den Howard verwickelt war, die glänzende Karriere verdarb.
    - Pater Jerome Green: Französischlehrer und Koordinator der Wohltätigkeitsarbeit der Holy Paraclete Fathers, die das Seabrook College leiten. Die furchteinflößendste Persönlichkeit der Schule. Hasst Französisch und die Moderne, hält Anstand, Moral und Gottesfürchtigkeit hoch.
    - Gregory 'Automator' Costigan: Unterrichtet Wirtschaft und ist - dank der Erkrankung von Pater Furlong - erster nicht geistlicher kommissarischer Direktor des Seabrook College. Er will die Exzellenz von Seabrook offensiv vermarkten und die Schule radikal modernisieren.

    Der Roman wandelt sich im Laufe der Handlung von Einer Komödie in ein waschechtes Drama.
    Da Skippy schon auf den ersten Seiten stirbt erzählt der Roman rückwirkend wie es dazu kam und weiter wie die Jungs mit dem Tod des Freundes weiterleben müssen und wie er sie verändert, genauso wie die Lehrer und die Schule damit umgehen.
    Der Roman beschönigt nichts, er spart nicht die Graussamkeit aus mit der Jugendliche oft unterwegs sind. Was Ruprecht, den alle Blowjob nennen an Mobbing erleiden muss ist olympisch.
    Murray hat einen zeitlos aktuellen Roman geschrieben in einem Stil der erfrischend und hart ist.
    Man wird schnell von den Figuren vereinnahmt, mal sind sie symphatisch und mal widerlich und man erkennt doch einige Figuren aus der eigenen Jugend wieder. Ist Skippy ein CoA Roman? Ja, wenn auch kein lupenreiner. Er ist auch Gesellschaftskritik, an Schule, am Unterricht, an den Medien und an der Kirche.

    Stellvertretend mal zwei Passagen aus diesem Buch



    Das Onanieren hat sich von Grund auf gewandelt, seit ich ein Junge war. Zu meiner Zeit haben wir's gemacht, alle Kids in unserer Siedlung; auf dem unbebauten Grundstück haben wir onaniert, gegen die Hauswand ' Ich weiß noch, wie meine Mutter rausgekommen ist und gerufen hat: 'Hör auf zu onanieren und komm zum Abendbrot! Aus dir wird nie was, wenn du immer nur ans Onanieren denkst!' Wir waren richtig wild aufs Onanieren. Aber die heutigen Onanisten, denen geht's immer nur ums Geld, um Agenten und um Werbeträge. Manchmal habe ich Angst, das Onanieren kommt ganz aus der Mode.

    »Man verbringt ja einen großen Teil seiner Kindheit vor dem Fernseher und denkt, dass man alles, was man da sieht, eines Tages selbst erleben wird; ein Formel 1-Rennen gewinnen, Trainhopping machen, einer Terroristengruppe das Handwerk legen, zu jemandem 'Geben Sie mir die Waffe' sagen usw. Dann kommt man in die höhere Schule, und plötzlich fragen einen alle nach beruflichen Plänen und langfristigen Zielen, und mit Zielen meinen sie nicht die, die man dereinst im FA-Cup zu erreichen hofft. Nach und nach dämmert einem die schreckliche Wahrheit ' dass die Zukunft nicht die Achterbahnfahrt sein wird, die man sich vorgestellt hat, dass die Welt der Eltern, die Welt, in der man abwaschen, zum Zahnarzt gehen und am Wochenende im Baumarkt Bodenfliesen kaufen muss, weitgehend das ist, was die Leute meinen, wenn sie 'Leben' sagen. Jeden Tag scheint sich jetzt eine weitere Tür zu schließen, die etwa, auf der PROFISTUNTMAN oder KAMPF GEGEN BÖSEN ROBOTER steht, bis dann im Lauf der Wochen auch die Türen mit Aufschriften wie VON EINER SCHLANGE GEBISSEN WERDEN, DIE WELT VOR EINEM ASTEROIDEN RETTEN oder IN LETZTER SEKUDNE EINE BOMBE ENTSCHÄRFEN eine nach der andere zufallen und man das Geräusch allmählich sogar mag und anfängt, einige Türen selbst zu schließen, auch solche, die ruhig offen bleiben könnten '«

    Allein diese Passagen sind das Buch wert und der Roman liefert solche Sachen am laufenden Band bis Murray ausholt, den Leser in die Eier tritt, den verklärten Schleier der Jugend wegreisst und seine Helden demontiert und in die Mangel nimmt.

    Skippy stirbt ist ein ehrliches mitreissendes Buch, welches abseits all des Horrors, Action und Thriller Genres  zu begeistern weiss. Ein Buch dass noch lange beschäftigt.
    « Letzte Änderung: 21. Februar 2014, 15:16:02 von Thomas Covenant »




    Offline Thomas Covenant

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      Ach was, lass dich davon nicht abhalten.
      Das Buch fällt sicher etwas aus dem CoA Canon, es ist sicher auch literarischer und quer.
      Trotzdem für mich ein sehr sehr starkes Werk das nachhallt.
      Bloody zieht sich gerade eine CoA Granate nach der anderen rein seine Kritikpunkte liegen auf hohem Niveau.