Devil's Knot

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Offline JasonXtreme

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    Die Hochzeiten spannender Thriller waren für mich definitiv die 90er Jahre! Ganz klare Spitzenreiter, die bis heute wegweisend sind, dürften Demmes DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER und David Finchers SIEBEN sein. Neben diesen fiktiven Geschichten, die stellenweise höchstens von realen Fällen inspiriert wurden, spaltete sich aber auch ein Subgenre ab, welches sich mit wahren Begebenheiten beschäftigte. Die Meisterwerke hieraus sind für mich Oliver Stones JFK – TATORT DALLAS und Finchers ZODIAC, welcher vor ein paar Jahren entstand. Einem ebenso echten Fall um ein grausiges Verbrechen widmet sich aktuell der Streifen DEVIL’S KNOT vom eher unbekannten Regisseur Atom Egoyan.

    Die Geschichte beginnt in einer Kleinstadt in Arkansas, in einem Arbeiterviertel. Ein kleiner Junge geht mit zwei Freunden raus zum Fahrradfahren. Die drei verschwinden spurlos. Suchmannschaften und die besorgten Eltern durchforsten die Gegend, bis am nächsten Tag die Polizei in einem nahe gelegenen Waldstück, in einem Bach die nackten und misshandelten Leichen der Jungen bergen. Schon nach kurzer Zeit werden drei Jugendliche verdächtigt, die aufgrund ihres Aussehens und er Vorliebe für Horrorfilme und Metal sogleich ins Rampenlicht der Polizei rücken. Nachdem einer der Jungen nach längerer Vernehmung die Taten zugibt, wird der Sack zugemacht und die Gruppe wird inhaftiert. Ein Anwalt aus der Großstadt interessiert sich für den Fall, da die Jungen zum Tode verurteilt werden könnten, und gesellt sich zu den Pflichtverteidigern und Provinzanwälten des Countys, um diese im Kampf um das Leben der drei zu unterstützen. Nach und nach kommen immer mehr Beweise zu Tage, die die Schuldfrage erneut stellen lassen.
    Dass dieser bei uns eher unbekannte Fall der so genannten „West Memphis Three“ (die drei verurteilten Jungs) eine Filmauswertung bekommt, liegt sicher auch am immensen medialen Interesse, welches er in den USA erhalten hat. Das ging vom Tatzeitpunkt 1993 über die Jahre bis heute. Sogar Henry Rollins lies mit einigen Rockstars Songs einspielen, um die Verurteilten zu unterstützen. Durch ein Filmteam, welches eine dreiteilige Dokumentation (Paradise Lost 1-3) kamen abermals neue Fragen und Beweise zu Tage, welche die Schuld von Damien Echols, Jason Baldwin und Jessie Misskelley anzweifelten.

    Am meisten erinnert hat mich der Film stellenweise an den Thriller PRISONERS, zumindest was die trostlose Gegend der Tat angeht, und die Personen die an der Sache beteiligt waren. Die Jungs stammen eher aus einer White Trash Wohnwagensiedlung, während die Opfer und deren Eltern in schlichten Arbeiterverhältnissen leben. Erst nach einer Weile schwingt der Streifen in eine andere Richtung, und wandelt sich zum Justizthriller mit größerem Anteil an Gerichtsszenen. Vor allem bleibt der Film aber eines: Völlig unaufgeregt in der Erzählstruktur. Das bedeutet allerdings nicht, dass er emotionslos oder unspannend wirkt. Wie schon bei ZODIAC kennt man im Grunde den Ausgang der Geschichte, ist aber stets durch weitere Verwicklungen und Entwicklungen gespannt, was sich nun weiter abspielt. Gerade die Szenen in denen die Leichen der Kinder entdeckt werden, waren allerdings sehr packend inszeniert, und ließen einen mit einem enorm unguten Gefühl zurück.
    Die schematische Abhandlung zur Findung der Täter erfolgt mittels gestellter Polizeivideos von Vernehmungen von Miskelley und einem kleinen Jungen der aussagt er wäre bei der Tat dabeigewesen. Der passende Stempel durch Aussehen und Vorlieben der vermeintlichen Täter tut sein Übriges. Lange Zeit bleibt Colin Firth als freiwilliger Ermittler völlige Nebenfigur, und überhaupt hat Regisseur Egoyan keinen Film geschaffen, der sich mit einer strahlenden Hauptfigur hervorstellt, sondern einen kühl kalkulierten Film, der die Fakten ins rechte Licht rücken möchte. Vor allem natürlich das Unvermögen der Polizei und Justiz, der manchmal zweifeln lässt, ob man wirklich eine Aufklärung leisten wollte, oder sich auf Satansrituale, schlimme Musik und verrohte Jugend stützen wollte.
    In meinen Augen ein Fall, der sehr schön verdeutlicht, wie schnell man abverurteilt werden kann, wenn man in gewisse Schemata passt, und eine verschworene Gemeinschaft (in diesem Fall die Einwohner und Verwandten der Opfer) um alles in der Welt die Täter wollen. Ich denke das derartige Fälle in den USA keine Seltenheit sind, und diverse Justizirrtümer die in den letzten Jahren aufgedeckt wurden belegen dies ja auch (siehe Fall Hurricane Carter, um einen bekannten zu nennen).

    Handwerklich hat man hier ordentliche Arbeit geleistet, wenngleich hier kein zweiter ZODIAC entstanden ist, mit dem sich bei mir mittlerweile jeder Streifen dieser Art messen muss. Es fehlen einfach ein wenig die Feinheiten, die Spannungsspitzen, die man auch in realen Fällen absolut einbauen kann, ohne zu Übertreibungen zu neigen. Manche Figuren bleiben einfach ein klein wenig zu blass, und ich hätte mir ein wenig mehr Hintergrundinformationen über den Fall gewünscht, zu dem ich mich mittlerweile selbst eingelesen habe. Da der Fall in den 90ern spielt, fiel das Setting auch dementsprechend aus, und das kann man nur als gelungen bezeichnen. Darstellerisch ist Egoyan ebenso auf der richtigen Seite gelandet. Reese Witherspoon macht ihre Sache großartig, in weiteren Rollen sehen wir Leute wie Elias Koteas, Bruce Greenwood oder Stephen Moyer. Besonders hervorzuheben sind aber die Darsteller der drei Täter, die einerseits optisch den realen Vorbildern sehr ähneln, aber auch einfach superb ihre Rollen ausfüllen. Einziger Kritikpunkt bleibt für mich unverständlicherweise Colin Firth, der mir etwas zu glatt und manchmal deplaziert wirkte. Schade, denn auf ihn hatte ich am meisten gebaut.

    Wer sich von „based on true events“ angezogen fühlt, und hier stimmt diese Aussage wenigstens einmal, der sollte mit DEVIL’S KNOT richtig liegen!
     :7.5:
    « Letzte Änderung: 27. November 2014, 11:04:26 von JasonXtreme »
    Einmal dachte ich ich hätte unrecht... aber ich hatte mich geirrt.


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    Offline Bloodsurfer

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      Das klingt super. Von derartigen Filmen, gerade Richtung Zodiac/Black Dahlia darf gerne mehr Nachschub kommen!


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      Wohl nicht meine Baustelle, aber danke für dein Review ;) :)


      Offline JasonXtreme

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        @ Bloody
        Definitiv! Der hier geht teilweise klar mehr Richtung Gerichtsfilm später, aber die mag ich einerseits aus :D und andererseits bleibt alles ziemlich Doku-artig, weil es eben null auf Reißerisch oder Geschichte zum Spielfilm ausbauen setzt.
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