Der Fall Barschel

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Offline JasonXtreme

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    Es gibt kein Cover



    Obgleich dies heute vielen nicht mehr geläufig sein dürfte, war 1987 die Barschel-Affäre, auch bekannt als „Waterkantgate“, einer der großen Politskandale unseres Landes. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Uwe Barschel ging seinen Konkurrenten Björn Engholm mit einer groß angelegten Verläumdungsaktion an, wurde aber überführt und trat von seinem Amt zurück. Eine Woche nach seinem Rücktritt reiste Barschel von seinem Feriendomizil auf Gran Canaria nach Genf, um sich dort mit jemandem zu treffen, er wurde von Stern Reporter Sebastian Knauer tot in seinem Hotelzimmer im Beau-Rivage aufgefunden. Er lag angezogen in der Badewanne, Alkohol und vier verschiedene Medikamente im Blut, das Foto von Knauer wurde skandalös öffentlich präsentiert. Die offizielle Todesursache wird als Suizid ausgegeben, und bis heute ranken sich Verschwörungstheorien um den Tod des ehemaligen Ministerpräsidenten Barschel, dem hoher Tablettenkonsum und wechselnde Liebschaften nachgesagt wurden. Es hat dann auch lange Zeit gedauert, bis sich nun die ARD dem Stoff annahm, und von Regisseur Kilian Riedhof daraus einen Spielfilm drehen ließ. Riedhof bewies bereits mit „Sein letztes Rennen“ Gespür fürs Metier, und drehte auch einige TV-Serien wie z. B. „Dr. Psycho“. Hier zeichnete er sich neben der Regie auch fürs Drehbuch des mit knapp drei Stunden durchaus monumentalen Werkes „Der Fall Barschel“ aus.

    Statt einen gewöhnlichen Thriller um die Person Barschel und den Tod zu drehen, besann sich Riedhof anderer Wege, und präsentiert uns Der Fall Uwe Barschel als waschechten Verschwörungsthriller Marke „Die Unbestechlichen“, der nicht von ungefähr auch Erinnerungen an Finchers „Zodiac“ weckt, von der Machart und Präsentation her. Barschel selbst, hervorragend verkörpert von Matthias Matschke („Pastewka“), ist kurzerhand nach knapp 30 Minuten tot, kurz und gut wird er als Person eingeführt, die Engholm-Affäre erläutert, und auch wichtige Personen wie Medienreferent Pfeiffer werden vorgestellt. Die eigentlichen Protagonisten des Streifens sind die Journalisten Olaf Nissen und David Burger der fiktionalen Neue Hamburger Zeitung. Vor allem David ist überzeugt, dass Barschels Tod kein Selbstmord war, und jagt Zeugen, Mitwissern und Beweisen hinterher. Nissen unterstützt ihn mit Kontakten und hilft ihm weiterzukommen. Chefredaktuer Brauneck, genial: Edgar Selge, pfeift seine Jungs gelegentlich etwas zurück, ist aber nicht uninteressiert an deren Schaffen. Irgendwann ergibt es sich aber nach etlichen Jahren, dass Nissen berufliche Ambitionen hegt, und David hängen lässt. Der ermittelt alleine weiter, immer wieder an seiner Seite ist seine Affäre Giselle, von der seine Familie über die lange Zeit nie etwas erfahren hat. Doch je mehr David in den Untiefen politischer Machtspiele und Verfehlungen gräbt, desto mehr gerät auch sein Leben aus den Fugen, oder gar in Gefahr?

    Natürlich erreicht Riedhofs Streifen nicht die Qualität der großen Vorbilder! Man sollte sich aber vor Augen halten, dass es sich hier um einen absolut ambitionierten TV-Film handelt, der mit Sicherheit mit Preisen bedacht werden wird, und das zu Recht! Die Besetzung ist mit den genannten Edgar Selge („Das Experiment“), Matthias Matschke und des Weiteren Alexander Fehling („13 Semester“, „Homeland“), Fabian Hinrichs („Stereo“, „Becks letzter Sommer“), Antje Traue („Pandorum“, „5 Days of War“) und Martin Brambach hinreichend superb, und die Umsetzung lässt fast nichts zu wünschen übrig. Sehr gut gefällt auch die zeitgeschichtliche Kulisse, erst die späten 80er, dann die kompletten 90er, was eben in Musik, Kleidung, Frisuren und vor allem Verhalten in Bezug auf Nikotinkonsum allerorts ziemlich adäquat eingefangen wurde. Action gibt es hier überhaupt keine, weswegen die 177 Minuten vielleicht erst abschrecken könnten, durch die ständig fortschreitenden Ermittlungen Davids kommt aber sowas wie Langeweile im Grunde nie auf, wobei die Frage nach Straffung sich natürlich an manchen Stellen ein klein wenig stellen darf. Es werden hier auch Fakten mit enorm viel Fiktion verwoben, da Riedhof soviele Theorien über Barschels Ableben mit einflechten wollte wie es ihm möglich war. Das ist ihm definitiv gelungen, worüber hinaus man als Zuschauer auch einen guten Querschnitt an erschreckenden Einblicken in die Verwicklungen Deutschlands in Punkto Waffenhandel, Iran-Cotra-Affäre, U-Boote nach Südafrika, geheime Treffen von Lobbyisten ect. Bekommt.

    Wieviel Glauben man dem allen schenken möchte, das überlässt der Regisseur im Grunde dem Zuschauer selbst, wobei es in Anbetracht der Fakten in meinen Augen nicht viel zu überlegen gibt, und lediglich die Frage nach dem „wer war es“ im Raum stehen bleibt. Vor allem gegen Ende hin wird es zunehmend düsterer, und der Sumpf der internationalen Verwicklungen wird immer morastiger. Schön bleibt da zu sehen, wie Riedhof seinen fiktiven Charakter David angelegt hat – als Abziehbild Barschels selbst! Zumindest mit zunehmender Spielzeit, und in aller Konsequenz. Alles in allem ist „Der Fall Barschel“ definitiv kein Film den man nebenbei schauen kann! Die ganzen Namen, Machenschaften und Querverweise verlangen schon Aufmerksamkeit ab, wobei man hier keineswegs politisch interessiert sein muss, trotz der Thematik! Um aber noch einmal auf Genreverwandte zu verweisen: Wer „Die Unbestechlichen“, „JFK – Tatort Dallas“ oder eben „Zodiac“ mag, und Verschwörungstheorien gegenüber aufgeschlossen ist, der wird hier absolut hervorragend bedient werden!

     :7.5: bis  :8:
    « Letzte Änderung: 11. Februar 2016, 19:09:53 von nemesis »
    Einmal dachte ich ich hätte unrecht... aber ich hatte mich geirrt.


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    Online Max_Cherry

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      Grundsätzlich interessant, aber im Moment zieht Drama nicht so bei mir.


      Offline JasonXtreme

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        Hab auch erst später gesehen, dass es den auf Scheibe gibt :D
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