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Detroit (Kathryn Bigelow)

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JasonXtreme:


Wirklich viele Filme hat die amerikanische Regisseurin Kathryn Bigelow in ihrer bisherigen Laufbahn nicht auf dem Zettel, aber dafür (in meinen Augen) qualitativ sehr hochwertige! Mit Near Dark – Die Nacht hat ihren Preis legte sie einen wohl einzigartigen Vampirfilm hin, gefolgt von Blue Steel, einem Thriller der mir persönlich auch heute noch gefällt, trotz seiner Einfachheit. Gefährliche Brandung mit Swayze und Kenau Reeves rockt einfach nur, dicht gefolgt vom Sci-Fi Millenium-Thriller Strange Days. Für The Hurt Locker – Tödliches Kommando bekam Bigelow dann sogar einen Oscar für die beste Regie, auch das  Folgewerk Zero Dark Thrity wurde für fünf Oscars nominiert. Dank dieser Vita freute ich mich ungemein auf ihr neuestes Werk Detroit, sofort als ich den dazugehörigen Trailer gesichtet hatte.

Die Story führt uns ins Jahr 1967 in besagte Stadt Detroit, die nebenbei größte Stadt im Bundesstaat Michigan. Dank der boomenden Automobilbranche zog es massenhaft Immigranten und Schwarze aus den Südstaaten in die Stadt, die dadurch in den 50er und 60er Jahren zwischen 1,8 und 1,6 Millionen Einwohner hatte. Zum Vergleich: Heute sind es noch ca. 700.000, davon ca. 80 % Afroamerikaner! Nach einer Polizeikontrolle in einer illegalen afroamerikanischen Bar brachen unverhofft Rassenunruhen aus, die Tage anhalten sollten. Inmitten der Plünderungen wurde die Nationalgarde eingesetzt. Die Musiker der Band The Dramatics gehen mit zwei weißen Mädchen ins Algier Motel um dort etwas abzuhängen. Einer der Leute schießt aus Übermut mit einer Schreckschußwaffe aus dem Fenster, was drei rassistische Polizisten auf den Plan ruft…

Genauer möchte ich auf die Handlung eigentlich nicht eingehen, und ich möchte alle Leute auch bitten, sich mit dem realen Vorfall erst nach Genuss des Films auseinanderzusetzen, um sich die Spannung der Geschichte nicht nehmen zu lassen. Ich ging selbst ohne Vorwissen an Bigelows Film heran, und war selbst überrascht von ihrer Herangehensweise an Detroit. Der Film gliedert sich grob in drei Bereiche. Der Anfang zeigt kurz die Razzia, ohne dabei groß auf einzelne Personen einzugehen, gefolgt von einer mehr oder weniger dokumentarischen Collage an Szenen der Unruhen, Anrücken der Nationalgarde, Klärung der Gesamtsituation sozusagen. Dann erst wird langsam in Richtung der im Film bedeutsamen und agierenden Personen gerückt.

Die drei Polizisten um Philip Kraus werden krass aber bezeichnend eingeführt, das allgemeine Chaos immer im Rücken des Zuschauers. Schon lernt man die Jungs der Band Dramatics kennen, die ihren Abend im Algier verbringen wollen, die Schüsse, und das Gezeigte dreht sich abermals. Von da an gibt es knapp eine Stunde ein superintensives, fast greifbares und sehr hartes Kammerspiel, dass sich fast ausnahmslos im Flur des Algier Motel abspielt. Nach diesem Hauptteil folgt dann abermals ein Richtungswechsel, und als Abhandlung und Resümee des Ganzen schwenkt Bigelow Richtung Justizdrama. Diese ganzen Wechsel gelingen ihr ziemlich gut, lediglich die erste halbe Stunde hätte man sich etwas zusammenhängender gewünscht.

Dennoch verständlich, da sich die Regisseurin absolut auf den Hauptteil konzentrierte, in dem eine so dichte Atmosphäre vorherrscht, dass man meint die Luft schneiden zu können, die Angst zu spüren. Glücksgriff dabei sind im Grunde alle Darsteller, allen voran aber Will Poulter (Wir sind die Millers, Maze Runner) als hasserfüllter und berechnend gnadenloser Philip Krauss. John Boyegas (Star Wars: Das Erwachen der Macht) Charakter fungiert fast nur als Beobachter, und dennoch ist seine Rolle einer der tragenden Charaktere für die Story. Anthony Mackie (Marvels Avengers) , Algee Smith und alle anderen Darsteller der afroamerikanischen Besucher des Motels machen ihre Sache ausnahmslos super! Aufgrund der gezeigten Aufnahmen und Aktionen hier halte ich die FSK 12 für äusserst fragwürdig, das muss definitiv gesagt werden! Blutige Einschüsse, Quälereien und heftige Beleidigungen sind hier ständiger Begleiter, und verdeutlichen die ausweglose Situation die dort herrschte.

Die realen Bezüge sind wohl nicht vollständig zu klären gewesen damals, was aber auch der Hergang und die eigentlichen Taten zeigen sollten. Verlässliche Aussagen ect. gab es, wie die Verhandlung auch zeigt, um das Alles verfilmen zu können nimmt sich Bigelow aber natürlich auch einige Freiheiten, die aber so groß nicht gewesen sein dürften. Dies bestätigte auch Melvin Dismukes, dessen Charakter John Boyega hier spielt. Diese Tatsache räumt Bigelow im Abspann aber auch ein. Wieder einmal zeigt uns aber die Realität, wie grausam der Mensch sein kann, und vor allem wie die Maschinerie damals in den USA so lief, und teilweise auch bis heute noch läuft. Bigelow hat mit Detroit nicht nur ein Drama mit 60er Jahre Zeitkolorit geschaffen, sondern ein Mahnmal gegen Rassenhass und Gewalt, trotz der nicht von der Hand zu weisenden Tatsache, dass die Bevölkerung an den Unruhen im Grunde die alleinige Schuld trägt, wenn man sich die Gründe für deren Ausbruch mal vor Augen ruft. Für Freunde von Filmen denen wahre Begebenheiten zugrunde liegen ist Detroit ein gefundenes Fressen, was das handwerkliche angeht hat Bigelow ein weiteres Mal bewiesen, dass ihr Name für Qualität steht!

Max_Cherry:
Das klingt echt gut. Klasse Review!
Mal sehen, ob ich mich irgendwann mal da rantraue.
Vorher muss unbedingt Hurtlocker endlich bei mir laufen.

Max_Cherry:
Detroit :prime: (99 Cent Angebot)

Hier herrscht ja gähnende Leere.
Sehr schade eigentlich, denn der Film ist wirklich verdammt gut. Ich hatte ihn mir neulich an einem Freitag nach einem Tipp von Ash bei Amazon für 99 Cent geliehen. Gerade habe ich Marcos review noch einmal gelesen und kann das fast alles komplett genauso unterschreiben. Witzigerweise habe zu ihm in WhatsApp fast wörtlich den Teil in der Mitte bezeichnet. Heilige Scheiße, da hat die Bigelow echt mal eine knappe Stunde absolute Hochspannung abgeliefert. Das ist packend, dramatisch, bedrückend, tragisch, und schmerzhaft. Ich finde, dass in manchen Momenten sogar die situationsbedingte Hilflosigkeiten der Ordnungshüter durchkommt, die sind völlig überfordert. Dadurch wirken die Figuren nicht zu schwarz/weiß (haha). Das alles vereint besonders Will Poulter in seiner Rolle. Wow, was für eine Leistung, absolut oscarreif. Aber generell ist der Film bis in die kleinste Nebenrolle hervorragend besetzt.
Kleine Kritikpunkte wären bei mir, dass das letzte Drittel nicht mehr ganz so packend ist und vielleicht eine Spur zu lang, aber trotzdem mindestens gut. Das Kammerspiel in der Mitte ist aber auch wirklich herausragend.
Weiter wird quasi den ganzen Film über Handkamera benutzt, um einen dokumentarischen Stil einzufangen. Das finde ich in manchen Phasen sehr sehr gut und passend, hätte mir an anderen Stellen aber auch mal etwas weniger Bewegung in der Kamera gewünscht.
Das bleiben aber wirklich Kleinigkeiten daher kommt von mir auch eine absolute Empfehlung.
:8:

Erwähnenswert ist noch der ausnahmslos gute Soundtrack. Ich stehe ja eh auf Motown und die Auswahl hier ist wirklich toll. Viele Songs die man jetzt nicht von jedem zweiten Soundtrack kennt.

JasonXtreme:
:thumb: anschauen Leute. Das letzte Drittel war ja auch mein Manko, wobei das zu hart ausgedrückt ist, denn den Mittelteil noch zu toppen ist schon schwer möglich. Und man brauchte ja nen adäquaten Abschluss. Hier ist halt nicht das Finale der Höhepunkt,  dafür dauert der Höhepunkt verdammt lange

Max_Cherry:

--- Zitat von: Ash am 12. Juni 2018, 01:19:01 ---Detroit :prime:  :8: Dreckig, mies, böse, fies. eine wahre Begebenheit, die Einen einfach nur sprachlos macht. Und jetzt ziehe ich mir noch ein paar Songs von The Dramatics rein!

--- Ende Zitat ---

Da sind wir uns ja alle einig bisher.  :thumb:

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