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Super Dark Times

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JasonXtreme:

Kevin Phillips war bisher als Nebendarsteller in Filmen und Serien zu sehen, und präsentiert uns nun mit Super Dark Times sein Regiedebüt. Auch für die beiden Drehbuchautoren Ben Collins und Luke Piotrowski war dies der erste Spielfilm, vorher schrieben die beiden lediglich für Kurzfilme. Für die Geschichte katapultieren uns die Schreiberlinge zurück in die 90er Jahre. Eine nicht näher bezeichnete Kleinstadt in den USA, herbstlich-winterliche Stimmung, düsteres Wetter, karge Umgebung. Zach und Josh sind unzertrennliche Freunde, verbringen auch die Zeit nach der Highschool jeden Tag miteinander, und sie sind beide in die hübsche Allison verknallt. Eines Tages treffen sie sich mit Daryl und Charlie, verbringen den Nachmittag damit mit dem Samuraischwert von Joshs Bruder Milchtüten zu zerteilen. Plötzlich kommt es zum Streit, durch einen tragischen Unfall tötet Josh Daryl mit dem Schwert, die Jugendlichen beschließen den Vorfall nicht zu melden und verstecken die Leiche…

Phillips führt uns in eine düstere Zeit, zusammen mit seinen Protagonisten. Aber prinzipiell geht es primär erst einmal nicht um die Tat, die erst nach einem symbolträchtigen (oder auch nicht) Prolog und der gemächlichen Einführung der Jungs stattfindet. Der schnöde und immer gleiche Alltag der Kids wird gezeigt. Abhängen, sinnfreie Dialoge führen, anhand des Jahrbuchs überlegen wen man denn ficken würde, und wenn ja wie und wo. Radfahren und vor sich hin leben. Alles ist wie immer, das Leben normaler Jugendlicher, potenzierter Gebrauch von Fäkalsprache, abkapseln von den Eltern, die in der Regel tagsüber ohnehin nicht zu Hause sind. Ein Tag gleicht dem anderen, wäre da nicht der verheerende Zwischenfall mit Daryl, der das Leben für alle Beteiligten für immer verändern wird.

Dies alles vermag der Regisseur wirklich sehr realistisch und nachvollziehbar darzustellen. Jugendliche die zwar nerdig und nicht angesagt sind, aber eben auch nicht gleich völlige Außenseiter und Loser. Man arrangiert sich mit dem Leben und auch den Bullies im Ort, man bleibt unter sich. Kurioserweise blendet Phillips die Erwachsenen fast gänzlich aus! Der Prolog, ganz kurz am Ende, dazwischen ist noch Zachs Mom im Grunde die einzige wirklich greifbar vorhandene erwachsene Person, auch wenn diese nur eine Randfigur bleibt. So kann man sich völlig auf die eigentlichen Figuren konzentrieren, und die bleiben Zach und Josh, während auch Charlie mehr oder weniger zur Randfigur wird. Der Grund liegt auf der Hand, da sich so das Auseinanderdriften und Abkapseln noch besser zeigen lässt, als es zwischen Zach und Josh ohnehin schon stattfindet. Charlie kam von außen, und er geht wieder nach außen.

Aber Allison betritt den Plan immer mehr. Sie wird dann auch zur zentralen Handlungsfigur für die Entwicklung und Auflösung der Geschichte, auch wenn sie erst Stück für Stück eingeführt wird, und auch nicht einmal so viel Screentime inne hat. Sie ist sehr bedeutend für die Punkte erste Liebe, Eifersucht, Zurückhaltung oder auch Schüchternheit. Gleichwohl aber natürlich auch Sinnbild für das Verlangen und den körperlichen Aspekt. Ja Phillips hat Super Dark Times trotz der sehr gemächlichen und ruhigen Erzählweise wirklich vollgepackt mit allen Sorgen, Ängsten und Aspekten von Jugendlichen und dem Erwachsenwerden. Vieles davon wurde mir auch nicht gleich beim Ansehen, sondern beim Sinnieren hinterher bewusst. Das Auseinanderdriften von Freunden zu den Zeiten der Pubertät, das Entdecken der eigenen Sexualität, erst unterbewusst in Gedanken und Träumen, dann realer in zwischenmenschlichen Begegnungen mit dem anderen Geschlecht. Diese komplexen Vorgänge behandelt der Film eigentlich schon sehr umfänglich.

Vieles blitzt dabei nur in einzelnen kurzen Szenen auf, dann doch wieder etwas mehr. Natürlich spielen dabei auch Alkohol und Drogen eine kleine Rolle, erste Kontakte damit. Partys, angesehen sein, ältere Geschwister die hier nicht wirklich vorhanden sind. Und doch wird auch der Konflikt den man mit älteren/jüngeren Geschwistern so hat ebenso angerissen. Darstellerisch setzt Phillips ebenso auf unbekannte Gesichter, die beiden Hauptakteure Owen Campbell und Charlie Tahan könnte man dabei noch aus manchen Serien kennen (The Americans, Gotham, Wayward Pines), während sonst lediglich Amy Hargreaves (Blue Ruin, Tote Mädchen lügen nicht) als Zachs Mutter noch bekannt sein dürfte. Heraus stechen aber schlicht alle Darsteller, da sie einfach sehr authentisch agieren, allen voran noch Elizabeth Capuccino als Allison, die nebenbei den Spagat zwischen kindlichem Charme und sexy Heranwachsender fabulös packt.

Was mir bei einer Punktewertung etwas zu schaffen macht ist Phillips Art der Inszenierung, wenn man sich Super Dark Times insgesamt ansieht. Der Prolog wird in keiner Form mehr im Film aufgegriffen, steht also sinnbildlich für den Film selbst, was die Konsequenz angeht, oder erschließt sich mir nicht wirklich. Ebenso ist nach einer gewissen Spieldauer der Weg den die Handlung gehen wird irgendwo klar, die Frage ist ob das in dieser Art hätte sein müssen. Das Finale ist, entgegen der ruhigen und fast nebensächlichen Ruhe des Mittelteils, straight, schnell und hart abgearbeitet. Man möchte fast sagen es wird per Holzhammer serviert. Ehrlicherweise war ich überrascht und erschrocken gleichzeitig. In der Quintessenz verdeutlicht es zwar alles auf was der Film hingearbeitet hat, aber es passt auch nicht hundertprozentig. Vielleicht liegt mir das Ende auch deswegen etwas quer, weil ich die Intention Phillips etwas missverstanden habe, da lege ich mich nach der Erstsichtung aber nicht fest.

Wer den Film nur wegen dem 90s Flair schauen will, wird sicher nicht so zufrieden sein. Er stellt diese Zeit zwar dar, aber eben auch nur so wie sie ist. Die Zeit ist gegeben, und wird nicht wie bei Stranger Things ect. pp gefeiert oder gar absichtlich auf die Spitze getrieben. Der Soundtrack ist zeitgemäß, wird aber eher beiläufig eingestreut und ist somit eher sachdienlich, und Sachen wie alte PCs oder eine Playstation sind auch nur Randerscheinungen. Dass es keine Handys gibt, und bei einem Nebendarsteller mal ein Pager piept sind nur Mittel zum Zweck, vertiefen nur den Eindruck den man selbst aus der Jugend noch kennt, wenn man in den 70er oder 80er Jahren geboren wurde. Ich möchte auch behaupten dass es nicht relevant wäre ob Super Dark Times nun in den 60er, 70er, 80er oder 90er Jahren spielt – es ist nur essentiell wichtig, dass er nicht danach spielt! Das würde in der Form nicht funktionieren. Für eine Reise in die Vergangenheit taugt der Film nur wenig, dafür ist er zu dramatisch. Für eine gelungenes Regie-Debüt und glaubhafte darstellerische Leistungen, sowie eine tiefgehende CoA-Story ist Super Dark Times eine Reise wert. Man muss sich aber drauf einlassen können!

Was Kevon Phillips Werk keinesfalls ist, was aber andernorts angedeutet wird… Stand by me, Donnie Darko… das alles sind andere Filme, mit denen würde ich diesen hier nie vergleichen!

Bloodsurfer:
Wow, das klingt mehr als interessant!

Crash_Kid_One:
Hast du gut geschrieben und präsentiert Marco :thumb:

Habe schon einiges vom Film gehört und einige Reviews gelesen und glaube, das es eher nichts für mich ist.

JasonXtreme:
Der wird ganz sicher spalten. Ich war wegen der tristen Langsamkeit auch erst verschreckt, aber der wirkt echt nach, auch wenn es cool wäre, wenn einer mehr drin sieht und es mir erklären kann - auch wenn er jetzt wie gesagt WEIT entfernt von einem interpretationsfähigen Donnie Darko ist!

Max_Cherry:
Wow, wieder ein tolles, umfangreiches Review.
Bei Zeiten vielleicht mal.

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