Der Giallo-Thread

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    Blow up (1966)

    Eigentlich hat Antonionis „Blow up“ nichts im Giallo Genre zu suchen. Oder vielleicht doch? Durch Christan Kessler inspiriert, hab ich den doch mal zwischengeschoben und stellte fest, dass es tatsächlich Aspekte gibt, die das italienische Kino geprägt haben. Besonders Argento muss von Antonioni beeinflusst gewesen sein, denn so wie Argento Räume inszeniert oder weite Plätze, erinnert stark an Antonioni.
    Die Story ist eigentlich recht simpel. David Hemmings spielt einen erfolgreichen Modefotograph, der lieber als Künstler anerkannt werden möchte. Zum Beispiel schleicht er sich in eine Obdachlosenunterkunft und macht dort heimlich Fotos, die er für einen Bildband über Menschen mit schweren Schicksalen nutzen möchte. Des Weiteren will er einen Antiquitätenladen in einer angesagten Gegen kaufen und lichtet Models für Modemagazine ab. Insgesamt ist er mehr ein Anti-Held, weil Hemmings den Mann als arrogantes Arschloch verkörpert. In einem Park fotografiert er heimlich ein Liebespaar. Die Frau (Vanessa Redgrave) rennt ihm nach und verlangt den Film, den er nicht rausrückt. Später taucht sie in seinem Atelier auf  – doch er gibt ihr am Schluss nur eine leere Filmdose. Er entwickelt den Film und entdeckt, dass er wohl einen Mord geknipst hat. Denn auf den Vergrößerungen ist ein Mann mit Waffe zu sehen, sowie auch eine Leiche. Er fährt in den Park und findet den ermordeten Mann. Als er ins Atelier zurückkommt, ist eingebrochen worden und die Beweise verschwunden. Der Fotograph fährt zu seinem Manager, um ihm von der Sache zu erzählen, aber dem ist der Mord total egal...
    „Blow up“ ist bekannt geworden, durch seine kühle Darstellung der Figuren im London der Swinging Sixties. Die Menschen sind untereinander arg entfremdet und trotz der bunten Zeit, vermittelt der Film eine unangenehme emotionale Kälte. Dass es Antonioni nie um den Kriminal-Fall ging wird einem schnell bewusst, denn man wartet lange auf die Entdeckung des Mordes. In einem Spiegelartikel von 1967, der nach den Filmfestspielen in Cannes geschrieben wurde, erläuterten die Nebendarsteller, dass es im Drehbuch auch mehr um den Mord ging. Warum der Liebhaber erschossen wurde, wer es war und wie die Figuren zusammenhingen. Doch den Regisseur ging das am Arsch vorbei (Er sagte einem Reporter damals: „Ich hasse alle meine Filme, deswegen spreche ich nicht über sie.“). Warum ist „Blow up“ dann so wichtig? Nun, Antonioni behandelt hier Elemente, die im Giallo später zum Fundament werden sollten. Eine Person, die ein Rätsel entschlüsseln will und sich auf die Suche begibt. Immer wieder überprüft die Hauptfigur, was sie gesehen hat oder zu sehen geglaubt hat. Was ist Realität und was ist Einbildung? – Der Gedankengang „Was habe ich gesehen? Irgendetwas war da, aber ich komme nicht mehr drauf“ wird sich in vielen italienischen Krimis wiederholen – besonders bei Dario Argento. Doch die späteren Gialli werden meist mit logischen oder öfters auch unlogischen Lösungen aufwarten. Ich spoiler nicht, wenn ich hier bereits verkünde: bei „Blow up“ ist es eben nicht so. Aber darauf kommt es auch nicht an.


    "Wir laufen keinen Trends hinterher, wir SETZEN welche!"


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      Den kenne ich zwar noch nicht - aber er steht zu Hause im Schrank. Ist wohl ein sehr guter Fulci-Giallo.

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        Die Mörderklinik / Das Monster auf Schloß Morley (1966)

        Einige Worte hatte ich bereits zu meiner Erstsichtung geschrieben:

        Die Mörderklinik
        - gilt als Frühgiallo, der echt super funktioniert. Spannendes Setting vor der Jahrhundertwende (spielt so 1870) in einer Nervenklinik. Ein unheimlicher Mörder geht um und Patientinnen verschwinden. Optisch sieht das einem Hammer Film der 60er nicht unähnlich und hat eine sehr sichte Atmosphäre. Auch farblich geht es etwas in die Bava-Ecke. Insgesamt ein sehr unterhaltsamer Grusler, der kurz vor der Giallo-Welle entstand, aber schon Anleihen nimmt.

        Jetzt habe ich den Film zum zweiten Mal eingelegt und bin höchst zufrieden. Mir gefällt bei diesem Frühgiallo vor allem das Setting (die Kulissen wurden wohl auch für Fredas „Dr. Hichcock“ genutzt) und die Hammer-ähnliche Atmosphäre, denn die „Mörderklinik“ ist mehr Kostümfilm. Die Geschichte spielt um 1870 – in dem privaten Sanatorium von Dr. Vance (William Berger). Hier geht ein unheimlicher Mörder um, der es auf die Patientinnen abgesehen hat. Mit einer Rasierklinge bewaffnet, ist er auf der Jagd nach hübschen Frauen. Das erste Opfer wird von der jungen Krankenschwester Mary, die neu in der Anstalt arbeitet, vermisst, doch Dr. Vance behauptet, sie wäre entlassen worden. Stattdessen vergräbt er die Tote im Garten, wo er von einer Frau beobachtet wird. Diese heißt Giselle und landete zur nachtschlafenden Zeit zufällig im Wald, nachdem ihr Mann durch einen Kutschunfall zu Tode kam. Dr. Vance findet Giselle und nimmt sie als Gast auf. Doch schnell kommt die neugierige Frau dem Geheimnis auf die Spur. Denn nachts hört man immer unheimliche Schritte aus dem ersten Stock. Hier wohnt nämlich die Schwester seiner Frau, die nach einem Unfall beim Bau des Sanatoriums furchtbar entstellt ist. Der Doc gab sich die Schuld daran (und kam deswegen auch vor Gericht). Deshalb arbeitete er in seinem Labor an Hauttransplantationen, unterstützt von der Haushälterin und strengen Wärterin Sheena (bekanntes Gesicht aus unzähligen Hollywood-Filmen ... nicht nur Horror: Harriet White Medin). Dass die entstellte Frau immer den Mantel des Killers trägt, soll den Zuschauer natürlich auf eine falsche Spur bringen – denn das wäre zu offensichtlich. Giselle versucht den Doktor zu erpressen ... doch sie hat die Rechnung ohne den Mörder gemacht...

        Auch wenn Barbara Wilson als Mary die weibliche Hauptrolle innehat, ist Francoise Prévost der heimlich Star des Filmes. Denn Giselle (die untreue Ehefrau) ist ein echtes Biest und bleibt nicht ganz so farblos wie Mary, die allerdings auch ihre großen Momente hat (zum Beispiel wenn sie einem psychopatischen Patienten beruhigt, um ihm eine zerbrochene Flasche abzunehmen, mit dem er der guten Giselle den Hals durchschneiden wollte). William Berger gibt wieder einen zwielichtigen Charakter und Harriert White Medin spielt wie immer großartig. Die Atmosphäre von der „Mörderklinik“ ist ebenfalls phantastisch – toll gedreht in Technicolor mit einer stimmigen Beleuchtung und vielen unheimlichen Szenen – ist es der perfekte Mix aus Hammer und Edgar Wallace Streifen. Der geübte Zuschauer kommt dem Killer schnell auf die Spur, wenn er aufpasst. Doch das tut der Spannung kein Abbruch. Bis zum Schluss möchte man wissen, warum und wieso die Morde passieren. Die Auflösung ist das etwas haarsträubend, aber noch nachvollziehbar. Bis dahin bekommt man jedoch einen durchweg spannende Gruselmär, die keine Minute langweilig ist.

        Erschienen ist der Streifen auf Blu-ray bei Filmart und auch noch erhältlich. Für Giallo-Fans und Freunde alter Gruselfilm ist die „Mörderklinik“ sehr zu empfehlen.

        Hier der Trailer - der allerdings zu viel verrät, wie ich finde. Leute, die sich für den Film intreessieren, sollten vom Trailer abstand nehmen. Doch er vermittelt schon einen tollen Eindruck von der Atmosphäre.
        « Letzte Änderung: 24. Oktober 2020, 16:33:32 von Elena Marcos »

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          Das dritte Auge (1966)

          Eigentlich ist es schon witzig, dass Franco Nero und Erika Blanc in einem Schwarz/Weiß-Film zu sehen sind. Aber Guerrinis „Il terzo occhio“ ist ein echter Kracher, der eigentlich mehr dem Horrorfilm als dem Giallo zuzuordnen ist. Außerdem ist er quasi das Original zu D‘Amatos „Sado – stoß das Tor zur Hölle auf“ und genau das ist hier Programm.

          Die Story ist eben durch das berüchtigte Remake eigentlich bekannt. Hier spielt Nero einen jungen Aristokraten, der ein perfektes Muttersöhnchen ist und gemeinsam mit Mama und der Haushälterin Martha in einem alten Kasten lebt. (Am Rande: das Gebäude ist die „Mörderklinik“ aus dem gleichnamigen Film.) Er möchte jedoch die hübsche junge Laura heiraten (Erika Blanc), die sich alle Mühe gibt, aber von der „Familie“ gehasst wird. Von Mama, weil sie ihr den Sohn wegnimmt, und von Martha, weil sie ihm die heimliche Liebe entreißt. Das Komplott ist perfekt – Martha scheidet die Bremsleitungen durch und Laura verunglückt im Auto. Den Unfall muss der junge Mann Mino (Nero) leider mitansehen. Natürlich findet die Polizei keine Leiche, denn Mino hatte schon vorher einen an der Waffel und ist ein absoluter Profi im Ausstopfen. Leider wird in der Zwischenzeit Mama ermordet und Mino ist alleine mit Martha, die sich gerne um den labilen Mann kümmert. Das muss sie nämlich, denn Mino hat das Problem, Frauen aufzugabeln, sie mit ins Bett zu nehmen, wo auch die tote Laura liegt und murkst diese dann im Wahn ab. Martha sorgt dafür, dass die Körper verschwinden (und zwar ganz) – als Gegenleistung will sie seine Frau werden. Leider taucht plötzlich Daniela auf, Lauras Zwillingsschwerster – und das Grauen nimmt eine neue Wendung.

          Der Film ist eine absolute Bombe, vor allem spielt Franco den „italienischen Norman Bates“ absolut überzeugend. Kaum zu glauben, dass er kurz vorher noch als Django auf die Kacke gehauen hat und nun voll den Psycho gibt. Der heimliche Star ist mal wieder die Haushälterin. Denn Gioia Pascal spielt die verschmähte Angestellte, die in dieser Familie aufgewachsen ist, aber immer wie eine Sklavin behandelt wurde, mit einer Kälte und Skrupellosigkeit, dass es einem echte Gänsehaut verpasst. Insgesamt ist der Film unheimlich rabiat. Nicht nur der eindeutige Umgang mit Nekrophilie oder Inzucht (Mino schläft bei seiner Mutter im Zimmer), sondern auch die bösen Mordszenen (ich weiß nicht, ob ich dabei nicht auch Vergewaltigung reininterpretieren soll – das zeigt der Film zwar nicht, aber es „fühlt“ sich so an... wenn Nero, die Frauen erwürgt und in Ekstase gerät). Wir erleben mit, wie Mino immer weiter in den Wahnsinn abdriftet – bis zum bösen Finale, das ebenfalls etwas Interpretationsspielraum lässt (Die Zigarettenszene erklärt nicht eindeutig, ob er nun verhaftet wurde oder nicht...).
          Im Endeffekt ist es ein kalter, zynischer, böser Film, dessen 18er Freigabe damals wohl gerechtfertigt war,  und der hierzulande nur 77 Minuten geht. Die DVD von ems und Carol Media beinhaltet leider nur die gekürzt Fassung. Es gibt im Ausland eine Fassung mit 83 Minuten, die gegen Ende noch etwas mehr zeigt, wie die Polizei ihm auf die Spur kommt – und eher die Theorie stützt, dass Mino am Ende doch verhaftet wird. Angegeben wird der Film im Original mit 98 Minuten, wobei ich glaube, dass die Zensur schon vorher einschritt und etwas Nacktheit und Gewalt entfernen ließ. Dennoch: „Das dritte Auge“ ist ein Film, den man als Italo-Fan gesehen haben sollte. Klasse gespielt, mitreißend und recht rabiat – für 1966. Fazit: Empfehlung für alle kleinen und großen Psychopathen.

          Den Trailer habe ich leider nicht gefunden - hier die 83 Minuten Version mit engl UT:

          « Letzte Änderung: 19. September 2022, 12:52:21 von Elena Marcos »

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            Das klingt sehr interessant.
            Das Video hat eine Laufzeit von knapp 103 Minuten, was hat es damit auf sich?

            Das Video fängt dann wieder von vorne an. Ich hab einen Verdacht, dass die Uploader so etwas machen, weiss aber nicht ob ich damit richtig liege.
            « Letzte Änderung: 27. Oktober 2020, 18:59:34 von Elena Marcos »

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              Puh, sehr schnelle Dialoge, sehr schnelle Untertitel, hmmm. Respekt fürs Durchhalten. Aber mal sehen, vielleicht bekommt der eine Chance.
              Das hat wohl auch damit zu tun, das illegal hochgeladene Filme nicht direkt aufgespürt werden. Ich empfehle die deutsche V.ö. , die YT Fassung hat eben am Schluss sechs Minuten erweitere Handlung. Das merkt man bei YT auch an einem Qualitätswechsel.

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                A... come assassino  (1966)

                Mal wieder ein kleines und eigentlich total unspektakuläres Frühwerk von Angelo Dorigo. Mit 77 Minuten ist das Ding einfach nicht nur schnell vorbei, sondern man merkt, dass das ganze mal ein Theaterstück war, das Ernesto Gastaldi in ein Drehbuch umgepflanzt hat. Leider ist der Film etwas uninspiriert gedreht, was ihn zwar nicht langweilig macht, aber im Endeffekt nicht über den Durchschnitt hebt. Nun: ein reicher Minenbesitzer ist ermordet worden. Zur Testamentseröffnung rückt dann die ganze Familie an. Der Tote hat seinen letzten Willen auf Band gesprochen, was der Testamentsvollstrecker den Gästen abspielt (guter Kniff, weil der Ermordete auch alle Figuren und ihre Beziehungen zueinander vorstellt). Von der Schwester, die auf den schwachsinnigen Sohn aufpasst, über den schnieken Sekretär bis zur gierigen Nichte, sind alle Typen vertreten. Der Witz ist – alle sollen ihre Zeit auf dem Schloss verbringen und nur drei dürfen am Stichtag (haha) das Erbe abholen und teilen. Dem Mann war klar – dass sich die Familie nach seinem Tod eh dezimiert... und so kommt es auch.

                Der Film spielt in einem Haus (oder auf einer Bühne) und nach und nach sterben die Leute wie die Fliegen. Der Kommissar, der zudem den Mord an dem alten Mann aufklären muss, ist immer wieder vor Ort und versucht dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Dabei erwischt er alle beim Lügen und Betrügen – denn jeder hat irgendwas mit dem anderen zu schaffen, was am Schluss kompliziert wirkt, aber eigentlich nicht ist. Am Schluss kommt es nochmal zum Knall und Plottwist mit doppelten Boden und der Film ist aus. Mary Arden als Angela und Alan Steel als Giacomo stechten aus dem Cast noch heraus, aber das war‘s auch. Eigentlich ist „A... come assassino“ nur eine Fußnote im italienischen Giallo-Wust, die mehr in Richtung Agatha Christie geht, weniger in Richtung Agento, Lenzi oder Martino.

                Fazit: Für einmal unterhaltsam, aber auch nicht mehr. Kein Wunder, dass der Film nirgends erschienen ist – aber mal wieder auf YT zu finden:


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                  "Nackt über Leichen" klingt auch sehr interessant. Der basiert auf dem gleichen Buch wie Vertigo und nimmt DePalmas Splitscreen vorweg, las ich gerade. Das klingt schwer sehenswert. Fulci hatte scheinbar mehr zu bieten, als ich dachte.

                  Ja - "Nackt..." kann ich sehr empfehlen. Absoluter Spitzen-Krimi.

                  Fulci hatte ja mit Komödien angefangen und ging eher Richtung Neorealismus. Er war aber irgendwie in jedem Genre bewandelt. Western, Krimi ... bis eben zum Splatter. Seine Filme sind oft unterschätzt. Die Fulcis sind auf meinem Stapel eh ganz weit oben...

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                    La Jena di Londra / Hyena of London (1964):

                    Ich springe nochmal grad zurück, denn diesen Film hatte Peter Osteried in seinem Giallo-Buch aufgeführt. Auch wenn er in den Morden mit Giallo-Elementen arbeitet (z.B. POV), ist der Film eigentlich mehr in der Italo-Gothic-Ecke anzusiedeln. Gino Mangini hat einen kleinen Horror-Krimi gedreht, der eigentlich hübsch gefilmt ist. Einige Kulissen sollten dem Zuschauer aus Freda Klassiker „Das schreckliche Geheimnis des Dr. Hichcock“ vorkommen – etwa das Haus und der Gang am Anfang des Films.
                    Nun – die Hyäne ist zwar typisch italienisch, spielt jedoch in England – z.B. London oder Bradford und einem kleinen Dorf, die auf der Karte nie zusammenliegen, aber im Film immer nebenan sind, so wie die Figuren hin und her hüpfen. Die Story spielt Ende 19. Jahrhundert und beginnt mit der Hinrichtung von Martin Bauer, der Hyäne von London, einem gefährlichen Serienkiller. Als später der Leichnam verschwindet und die Morde in einem kleinen Dorf weitergehen, könnte man denken, dass die „Hyäne“ wieder da ist. Doch im Laufe des Films lernen wie eine Unzahl von Verdächtigen kennen. Muriel ist die Tochter des bekannten Arztes im Ort, die sich heimlich mit ihrem Geliebten Henry trifft (unglaublich: der junge Tony Kendall). Doch auch der Kollege ihres Vaters, Dr. Finney ist hinter der hübschen Frau her. Doch der finstere Wissenschaftler ist Alkoholiker und hat ein sexuelles Verhältnis mit Elisabeth aus London. Des Weiteren haben wir ein Hausmeisterpärchen (yes - Luciano Pigozzi, dessen finsteres Gesicht wir im Italo-Kino oft gesehen haben) und einen Butler, der eine heimliche Affäre mit der „Hausmeisterin“ hat. Dann haben wir noch einen überforderten örtlichen Inspektor und einen wortkargen Kollegen von Scotland Yard. Zunächst wird der Mann des ersten Opfers verhaftet, der sich allerdings das Leben nimmt. Später wird eine schrecklich zugerichtete Leiche gefunden, die noch zu identifizieren gilt und weitere hübsche Mädchen des Ortes, werden tot aufgefunden. Zwar gerät Henry in Verdacht, doch auch alle anderen haben Dreck am Stecken…
                    Der Schwarz-Weiß Streifen ist zwar recht atmosphärisch, aber wirklich nicht spektakulär. Die Morde sind meist offscreen und sind daher nicht das Highlight. Mich hat der Film einigermaßen bei Laune gehalten, da er mit 75 Minuten recht knackig ist und bei dem ganzen wirren Hin- und Her keinen Hinweis auf den Täter gibt. Das Finale kommt mit einer kruden, absurden Auflösung, die ich nicht so kommen gesehen habe und total an den Haaren herbeigezogen ist, was mir aber doch egal war – denn auf sowas kommen echt nur Italiener.

                    Ich hatte den auf YouTube gefunden – in mieser Qualität. Ich weiß nicht, ob diese Fassung besser ist, aber der Film ist auch nirgends sonst erschienen:

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                      Ich bin, wie ich bin / Deadly Sweet / Col cuore in gola (1967)

                      Wenn man an Tinto Brass denkt, dann kommen einen erst Titten und Ärsche in den Sinn. Doch der Mann hat in den 50ern als Experimentalfilmer angefangen und das wirkt sich ebenfalls auf seinen einzigen Giallo aus. Denn hier nutzt Brass, vor dem Hintergrund der Swinging Sixties in London, so manche Spielerei, die den Film aus der Masse der üblichen Krimis herausstechen lassen.
                      Jean-Louis Trintignant ist Bernard, ein Schauspieler, der in London in Nachtclubs abhängt und dort auf Jane und ihre schräge Familie stößt. Jean und ihr Bruder Jerome haben grad ihren Vater verloren, der einen tödlichen Autounfall hatte. Martha, die Stiefmutter, hat sofort wieder einen neuen Lover an ihrer Seite, den sie überallhin mitschleppt. Bernard verguckt sich sofort in die 17-jährige Jane, die das Leben in vollen Zügen genießt. Als Bernard im Nachtclub keinen Kredit mehr bekommt, will er dem Besitzer Ruby Presscott noch was aus den Rippel leiern. Doch der liegt tot in seinem Büro. Jane steht verschreckt an der Wand und stammelt: „Ich war’s nicht.“ Bernard flüchtet mit Jane und gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach der Wahrheit und dem Killer…
                      Sicher sind hier jede Menge Elemente des Gangsterfilms vorhanden, denn nicht nur der Schauspieler ist scharf auch Jane, sondern auch andere Typen, die das Mädchen entführen und Lösegeld fordern. (Lustig ist, dass Bernard die Entführung sieht, aber nicht eingreifen kann, weiß er von einem Zwerg zusammengeschlagen wird… oops – darf man nicht mehr sagen – ein Kleinwüchsiger also.) Brass veredelt die Rätselsuche mit Splitscreen-Technik und vielen Comic-Verweisen. Tatsächlich gibt es, ähnlich wie beim 60er Batman, kurze Einblendungen von Puff und Päng, etwa bei Prügeleien. Die „Comic“-Kommentare lassen hier auch Tintos Humor aufblitzen, der sich hier nicht ganz ernst nimmt. (Bernard zitiert Alfred E. Neumann, bevor er von David „Darth Vader“ Prowse aufs Maul bekommt.) Albern wird es bei der Sequenz im Fotostudio – Jane strippt, was wir als Schatten auf einer weißen Wand sehen. Bernard sitzt hinter einem Schlagzeug und spielt immer schneller, je mehr Jane ablegt. Als sie ihm den Slip durch die Wand reicht, springt er in Lichtgeschwindigkeit auf, reißt sich die Klamotten vom Leib und schwingt nach einem Tarzan-Schrei an einem Seil durchs Studio, wo er die weiße Wand komplett zerlegt – das ist so surreal, dass ich es kaum glauben wollte. Typische Szenen, die nichts zur Story beitragen…
                      Auch der Wechsel von Farbe und Schwarz-Weiß hat den damaligen Kinozuschauer wohl verwirrt. Das wirkt zwar künstlerisch, war aber dem Budget geschuldet, denn die Crew hatte bei manchen Szenen kein Geld für eine vernünftige Ausleuchtung, so dass Brass diese Szenen dann in Black & White drehte.
                      Am Anfang zog sich das Ganze ein bisschen, aber im Laufe des Films steigert sich die Spannung, wenn Bernard und Jane dem Mörder immer näherkommen. Die beste Sequenz war ohne Zweifel die Befreiung von Jane aus den Händen ihrer Entführer – auch hier wird mit Splitscreen, Schwarz-Weiß, Einstellungen von Blicken und Soundeffekten gearbeitet. Auch ohne viel Geld schaffte Brass einen ordentlichen Krimi, der leider hier noch nicht auf Scheibe veröffentlicht wurde. Es gibt eine um zehn Minuten gekürzte VHS, die allerdings nur Dialoge vermissen lässt. Es wird eigentlich hier mal Zeit für eine vernünftige V.Ö. – denn der Streifen ist eigentlich filmhistorisch recht interessant und setzt auch London ganz gut in Szene.
                      Fazit: Interessanter Kunst-Giallo, der etwas aus dem Rahmen fällt.

                      Ich hab keinen richtigen Trailer gefunden, aber dieser Clip funktioniert ähnlich:

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                        Agent 3S3 setzt alles auf eine Karte / Omicidio per Appuntamento (1967)

                        Der Eurospy/Giallo-Hybride ist eigentlich keiner. George Ardisson, der zuvor zweimal den Agenten 3S3 Walter Ross, im Fahrwasser der Bond-Welle, gegeben hat, hat zwar hier immer noch den gleichen Namen, ist aber quasi „im Urlaub“. In der Originalfassung ist er kein Agent, sondern Privatdetektiv, der zufällig auf seinen alten Kumpel Dempsey trifft. Der ist Biochemiker und möchte in Rom seine große Liebe wieder sehen, die er gerne heiraten möchte. Doch als Walter zum verabredeten Zeitpunkt eintrifft, ist sein Freund verschwunden. Er macht sich auf die Suche nach ihm und mischt die Unterwelt auf, was allerdings dem ermittelnden Polsizisten Giunta nicht gefällt. Er hat Vorurteile gegen den schießwütigen Amerikaner…
                        Nun, sicher ist es irgendwie kein Giallo und doch gibt es schon einige kleine Elemente, wie etwa den Ausländischen Helden auf Schnitzeljagd nach der Lösung des Rätsels. Die deutsche Fassung ist gut 20 Minuten kürzer, was dem Film ganz guttut. So stolpert Walter Ross von einem Problem zum anderen – lässt sich von bösen Jungs entführend, schlägt einen Kleinganoven zusammen, killt einen größeren Ganoven, jagt den nächsten Ganoven über die Dächer der Stadt usw. Der Film ist an sich nicht großartig spannend, auch wenn das Drehbuch von Fernando di Leo ist, doch ich fand den Streifen von Mino Guerrini ganz unterhaltsam. Das lang vor allem an Günther Stoll als Commissario, der irgendwie steif wirkt, was aber mit seiner Bürokratieliebe perfekt harmoniert. Er muss ständig mit Walter Ross zusammenarbeiten, obwohl er ihn nicht leiden kann – eine gute Grundlage für eine Kooperation. Zucker ist auch Halina Zalewska als Fidelia, eine verzogene Göre, auf die Walter nebenbei noch als Bodyguard aufpassen soll. Fidelia gehört zur Beatgeneration, ist rebellisch und trägt bestimmt im Film zwanzig verrückte Perücken zur Schau. Manche Frisuren sind echt atemberaubend.
                        Fazit: Kein großer Film, aber durch so manche schräge Kameraeinstellung, einer ruppigen Grundstimmung, Rom als Location und die typische 60s Atmosphäre, ist der Krimi doch mal einen Blick wert.
                        Es gab wohl eine kleine DVD-Auflage, die schon seit Jahren OOP ist. Film ist wohl auf Prime verfügbar – einen Trailer hab ich nicht gefunden.
                        « Letzte Änderung: 02. September 2022, 09:12:39 von Elena Marcos »

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                          Killer ohne Gesicht / Assasino senza volto (1967)

                          Dieser Giallo gehört wieder in die klassische Kategorie „Whodunit“. Der Schwarz/Weiß-Streifen von Angelo Dorigo beginnt mit einem Mord an einer Frau, die von den Zinnen einer Burg stürzt. Das Ungewöhnlich kommt dann – statt die Schauspielernamen einzublenden, werden die Figuren mit Gesicht, Namen und Funktion eingeblendet.
                          Es geht um einen Architekten, der auf die Burg geholt wird, um Umbauarbeiten zu erledigen. Die Besitzerin des Schlosses, Barbara, benimmt sich allerdings sehr merkwürdig. So als ob sie eine gespaltene Persönlichkeit besitzt. Ihr Mann versucht sie stets zu beruhigen, wenn sie sich wieder aufregt. Auf dem Schloss wohnt neben jeder Menge Personal auch Francis, eine alte Freundin des Architekten, die dafür gesorgt hat, dass der Mann den Job bekam.
                          Allerdings häufen sich im Laufe des Films die Leichen – immer wieder verschwinden Bedienstete. Als das Zimmermädchen Mary ermordet wird, kommt bald mit Betty Ersatz. Die ist zwar etwas überdreht, aber sehr aufgeschlossen. Sie freundet sich sogar mit dem stummen Gärtner an. Doch dann beißt auch Sie ins Gras … und man vermutet, dass die Schlossbesitzerin nicht weiß, was sie nachts in den Gängen des Gruselschlosses treibt.
                          Nun – es ist allerdings schon früh klar, dass nicht Barbara, sondern jemand anders hinter den Morden steckt. Die Auflösung kann sich der geübte Zuschauer bereits denken. Der Film selbst ist etwas wie ein durchschnittlicher Wallace-Film, den man auch aus Deutschland hätte erwarten können. Nun – richtig gut ist er nicht, aber am Ende war er auch nicht schlecht.
                          Mir lag eine italienische Fassung mit englischen Untertiteln von YT vor. Die Qualität ist grausig, aber der Film ist sonst nirgends erhältlich, also nimmt man den auch so… Allerdings ist der Streifen nicht mehr online.

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                            Die Falle / La Morte ha fatto l'uovo (1968)

                            Kommen wir mal ins Jahr 1968 – nach „Deadly Sweet“ nun der nächste Kunst-Kracher mit Ewa Aulin. Ich hatte den bereits vor einiger Zeit gesehen. Hier nochmal mein Ersteindruck:

                            Die Falle

                            - der italienische Krimi von Giulio Questi rockt wie Hulle. Zuerst dachte ich: hm, naja mehr Kunstfilm als Giallo. Doch nach und nach entwickelt sich ein psychologischer Thriller mit doppeltem Boden. Jean-Louis Trintignant spielt einen Besitzer einer Hühnerfabrik, der in seiner Freizeit als Frauenmörder unterwegs ist. Nun - er ist selbst ein etwas unbeholfenes armes Würstchen, da ihm weder die Firma noch das Geld gehört - sondern seiner Frau Gina Lollobrigida. Im Haus wohnt noch die süße Ewa Aulin als Sekretärin, mit der Onkel Jean-Louis ein Techtelmechtel hat, und schon ist das Trio infernale perfekt. Ganz ehrlich - der Film führt den Zuschauer ständig aufs Glatteis - bis zum Knallerfinale. Der Schluss rockt ohne Ende, deshalb will ich den nicht verspoilern, aber wie so oft - nichts ist, was es scheint. Wenn Hollywood immer wieder ausländische Filme remaked - warum bedient man sich nicht an diesen alten Italo-Shockern? Mal abgesehen, dass Questi eine dichte Atmosphäre schafft und diese in stilisierten Bildern packt. Obendrauf kommt noch eine Portion Sozialkritik - denn die Familie hat alle Arbeiter rausgeschmissen und ersetzt diese durch Maschinen. Gleichzeitig forscht ein Wissenschaftler an Mutationen - und schafft ein Huhn, das zu 90 Prozent aus Fleisch besteht - ohne Kopf und Flügeln... dieser Moment ist so bizarr, dass mir bald die Spucke wegblieb. Doch - die "Falle" von 1968 ist kein richtiger Giallo, aber dafür ein sehr vielschichtiger Thriller, der unter die Haut ging und am Schluss einen geilen WTF-Moment (oder auch zwei) bereithielt. Fazit: Spannender ging es kaum - der Eiermann hats drauf!

                            Die Zweitsichtung hat meinen Eindruck nochmal bestätigt. Da ich zwar wusste, wo es hingeht und wie der Film endet, konnte ich mich mal auf andere Dinge konzentrieren. Die Optik ist grandios – Farbe und Design unterstreichen den stilisierten Charakter enorm. Die Musik von Bruno Maderna ist unheimlich bizarr und passt perfekt zu den Bildern. Beim Cast ragt vor allem die Lollobrigida heraus, die in ihrem Alter noch „hot“ ist (die Aulin fällt eher unter die Kategorie süß). Jean-Louis Trintignant gibt den „Marco“ mit ausdrucksloser Gesichtsmimik, so dass man alles hineininterpretieren kann. Auch der ungewöhnliche Giallo-Plot mit den Irrungen und Wirrungen, wie auch die „Gesellschaftskritik“, die manchmal schon satirische Züge hat, ergänzt das Gesamtbild. Also – ich bin immer noch voll des Lobes. Schade, dass Regisseur Guilo Questi, nicht allzu viele Filme gemacht hat. Zuvor machte er den Western-Knalle „Töte, Django“ und hinterher noch den Horrorfilm Arcana. „Die Falle“ ist auf DVD und BD bei Illusions in Österreich erschienen. Auf der Scheibe befinden sich die deutsche und italienische Schnittfassung, die sich in manchen Szenen leicht unterscheiden. Beides ist jedoch der sogenannte Giallo-Cut, denn es gibt noch eine weitere Fassung, in der ein Handlungsstrang mit einem alten Freund von Marco den Film etwas streckt. Zwar wird die deutsche Fassung als „cut“ bezeichnet – ich finde sie jedoch mit 85 Minuten genau richtig.

                            Hier der Trailer - aber Vorsicht - Leichte Spoiler:
                            « Letzte Änderung: 02. September 2022, 09:13:22 von Elena Marcos »

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                            Offline Elena Marcos

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                              Das Geschlecht der Engel / Il sesso degli angeli (1968):

                              Das Drama von Ugo Liberatore ist eigentlich auch nur ein entfernter Giallo. Trotzdem ist es ein kaltes, fieses Stück Film. Nora, Nancy und Carla sind reiche verwöhnte Gören und wollen das Leben an der Adria genießen. Sie kapern die Yacht von Noras Vater und nehmen sich auf die Reise den gutaussehenden Marco als Sexspielzeug mit. Nancy packt am Abend auch etwas LSD aus und prompt startet die Party. Am nächsten Morgen schauen alle etwas schlapp aus der Wäsche, besonders Marco, der eine Kugel im Bauch hat. Niemand kann sich erinnern, was passiert ist. Marco möchte eigentlich in ein Krankenhaus, aber die Weibsbilder wollen sich nicht den Urlaub versauen lassen. Carla hegt aber Gefühle für den armen Burschen und drängt die anderen sich um Marco zu kümmern. Zwar besorgt man auf unkonventionelle Weise Morphium, doch Marco hat keine Chance den Fängen der Bitches zu entkommen...
                              Der Film ist ruhig erzählt und dadurch eigentlich unerträglich. Die tollen Urlaubsbilder beißen sich mit der unangenehmen Atmosphäre der Herzlosigkeit. Denn wir erleben Marcos Leiden mit, wie auch die Unbeteiligtheit der Mädchen. Hinter den schönen Gesichtern befinden sich widerliche empathielose Wesen, vielleicht mit Ausnahme von Carla, die sich jedoch gegen die anderen nicht wehren kann. Die Botschaft des Films – lasst uns nicht am Status Quo rütteln und leben lieber sorglos im Luxus – denn was geht uns das Schicksal der anderen an.
                              Ugo Liberatore sollte übrigens später auch „Die Wiege des Teufels“ (Nero Veneziano) inszenieren. Hier beweist er ein Händchen fürs Dramatische.
                              Der Film ist leider auf  VHS gekürzt rausgekommen, was dem Film aber nicht gut tut, denn die letzten zwei Minuten treten dem Zuschauer nochmal so richtig in die Eier. Ich hab eine ungekürzte Fassung auf Italienisch gefunden, die aber trotz fehlender Untertitel gut nachvollziehbar war. Also – kein üblicher Giallo, aber eine wunderschöne Fingerübung rund um Gleichgültigkeit und Gefühlskälte. 

                              Nicht zu fassen  – YT bietet den Film jetzt auf Englisch (ab 18) an:


                              "Wir laufen keinen Trends hinterher, wir SETZEN welche!"


                              Offline Elena Marcos

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                                Sieben Jungfrauen für den Teufel / Nude... si muore (1968)

                                „Naked You Die“ verspricht der englische Titel, aber das ist leider nicht ganz richtig. Denn in Antonio Margheritis Giallo geht es eigentlich recht züchtig und unblutig zu (bis auf eine Deleted Scene, die eine explizite Duschszene darstellt). Das hat dem Film den Ruf eingebracht „mieser Müll“ zu sein. Aber das ist nach meiner Erstsichtung nicht richtig. Denn „Anthony Dawson“ hat hier einen augenzwinkernden, selbstironischen Krimi abgeliefert, der 94 Minuten super unterhält. Mal abgesehen davon, dass der Film mit knalligen Farben und hervorragender Ausleuchtung daherkommt, was ihn super aussehen lässt. Auch die Musik von Carlo Savina lässt Spannung aufkommen und hält die eine oder andere Ohrwurm Melodie parat. Aber worum geht es… Der Film beginnt mit einem Mord. Der Killer packt, die Leiche in einen Koffer, der im Sankt Hildas College landet. Mit dem kleinen Bus kommen nämlich der Reitlehrer Richard Barret (Mark Damon aus Cormans „Die Verfluchten“), der Gärtner La Forret (natürlich wieder Luciano Pigozzi), die Lehrerinnen Miss Martin und Mrs. Clay, sowie der Schwimmlehrer Di Brazzi, an. Abgeholt werden sie vom Faktotum Simon. Nun sind die Mädels auf das neue Schuljahr gespannt. Die Oberherrschaft hat Miss Transfield, die streng auf ihre Mädchen achtet. Darunter befinden sich unter anderem Lucille (die ein Techtelmechtel mit dem Reitlehrer hat), die überdrehte Jill (die den Zuschauer nerven soll, aber für viele lustige Szenen sorgt… sie will nämlich Kriminalschriftstellerin werden und steht auf alte Männer) oder Betty Ann, die dem Reitlehrer nachstellt. Nun – es kommt natürlich zum nächsten Mord. Betty Ann beißt ins Grass und wird nachts von Lucille im Vogel- und Insektenhaus auf dem Schulgelände entdeckt. Der Killer ist nicht untätig und heftet sich an Lucilles Fersen, erwischt unter der Dusche aber nur Cynthia. Da muss natürlich Inspektor Durand dran (Michel Rennie aus „Der Tag, an dem die Erste stillstand“), der allerdings die Ruhe weghat und auch bei akuter Bedrohung es nicht einsieht, seinen Schritt zu beschleunigen.
                                Der Film ist ein klassischer Whodunit mit vielen verdächtigen Figuren. Ich hatte am Ende zwei Favoriten, wo es tatsächlich einer war. Die Auflösung und den Plottwist kann sich der aufmerksame Zuschauer schon denken, was aber nicht ins Gewicht fällt, denn der Film hat sehr viele humorvolle Szenen, wo man merkt, dass sich das Ganze nicht ganz ernst nimmt. Und dass macht echt Spaß – gerade die nervige Jill mit ihren Spionage- und Mördergeschichten fügt sich da sehr gut ein. Auch wenn die Mordszenen nicht blutig sind, macht die Mördersuche schon Laune. Es gibt viele absurde Situationen. Beim Mord an Lucilles Freundin Denise trägt der Mörder einen Taucheranzug. Die Polizei stellt später den Schwimmlehrer, der in der Nacht eine Taucherhose trägt („Ich war trainieren. Ich binde mir sogar Folie um den Bauch, um abzunehmen.“). Lustig fand ich auch, dass Mrs. Clay in einer Kalkgrube umkommt – ich hätte es für eine „Tongrube“ gehalten…
                                Egal – für Giallo-Freunde ist der Film echt ein Blick wert. Er ist spannend, spritzig, sieht gut aus und ist nett inszeniert. Immer noch ist der Film nur auf DVD von X-Rated erhältlich, aber irgendwie kursieren noch genügend Exemplare, so dass man den eigentlich noch über die üblichen Portale ergattern kann. Fazit: Harmloser Krimispaß von Margheriti – für Italo- und auch Edgar Wallace-Fans absolut empfehlenswert.

                                Den deutschen Trailer gibt es nur auf Vimeo unter
                                Das Kuriosum ist dabei, die deutsche Kinofassung damals, war, wie der Trailer, in Schwarz/Weiß. Diese Fassung ist als Bonus auf der DVD enthalten.

                                Sieben Jungfrauen für den Teufel (1968)

                                - Zweitsichtung der aktuellen Bluray. Schönes Bild und der Film macht immer noch Laune. Mir sind noch ein bis zwei Kleinigkeiten aufgefallen, etwa, dass die Direktorin mit einer Lehrein ein sexuelle Verhältnis pflegt. Kein Wunder, dass sie dem Reitlehrer die Eskapaden durchgehen lässt.
                                Der Film bleibt zwar ein typisch klischeebeladener Krimi, sieht aber auf BD schon schick aus. 
                                « Letzte Änderung: 06. März 2024, 12:18:44 von Elena Marcos »

                                "Wir laufen keinen Trends hinterher, wir SETZEN welche!"


                                Offline Elena Marcos

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                                  Der schöne Körper der Deborah / Il Dolce corpo di Deborah (1968):

                                  Jetzt kommen wir zu einem wegweisenden Klassiker, der auch noch nicht ganz den üblichen Pfad mit finsteren Mördern im Regenmantel beschreitet, ohne den es jedoch wohl Streifen wie „Der Killer von Wien“ nicht gegeben hätte. Ernesto Gastaldi und Luciano Martino haben eine Story entwickelt, die zunächst etwas zäh und käsig verläuft, aber dennoch mit einem hübschen Plot-Twist aufwartet.
                                  Nun – Carroll Baker ist Deborah und Jean Sorell ist Marcel. Beide haben in den USA geheiratet und sind nun auf dem Weg in die Schweiz, weil Deborah die Wurzeln ihres Mannes kennen lernen will. Hier begegnen sie (bei einem Besuch in einem Striplokal) Marcels altem Freund Philip, der aber gar nicht gut auf ihn zu sprechen ist. Er beschimpft Marcel als Mörder, da er die hübsche Suzanne zurückgelassen hat, als er in die USA ging. Die Dame litt sehr darunter und hat Selbstmord begangen.
                                  Das lässt dem jungen Paar keine Ruhe und sie fahren zu Suzannes Eltern. Das Haus ist allerdings verlassen. Nur eine unheilvolle Musik ertönt aus dem Wohnzimmer. Als beide das Zimmer betreten, ist es leer. Bald häufen sich auch Telefonanrufe, wo eine Stimme den unheilvollen Tod von Deborah ankündigt. Das Paar flüchtet nach Italien und mietet sich eine luxuriöse Villa. Aber auch hier werden sie noch verfolgt – nicht nur Philip ist verdächtig, sondern auch der Nachbar Robert, ein Künstler mit auffälligem Gehabe – der wieder mal grandios zwielichtig von George Hilton verkörpert wird. Die Situation eskaliert, als nachts Philip eindringt und versucht Deborah zu ermorden…
                                  Auf der ofdb sollte man bloß nicht die Inhaltsangabe lesen, denn die verrät schon wieder alles. Der Streifen von Romolo Guerrini hat einen langsamen, ruhigen Aufbau. Dieser könnte beim Zuschauer vielleicht etwas Langeweile erzeugen, denn wir sehen das glückliche Paar auf Ausflügen, unter der Dusche (sehr züchtig – der Film hat eine FSK 12 bekommen) usw. Allerdings sind Ausstattung und Kostüme absolut stimmungsvoll – gerade Carroll Bakers grüner Bodysuit, wenn sie mit Sorell Twister spielt, ist schon sehenswert. Dennoch spürt man durchweg das Geheimnis, denn es benehmen sich alle verdächtig – auch Deborah, die sich in einer Szene etwa mit Philip trifft. Bis zum Finale, wo das Geheimnis (mit doppeltem Boden natürlich) aufgedeckt wird, transportiert der Film immer eine seltsame Atmosphäre.
                                  Mir persönlich hat der Film sehr gut gefallen, auch wenn ich gegen Ende wusste, wohin die Reise wieder mal geht. Aber für die Entwicklung des Giallo ist der Film auf jeden Fall ein Meilenstein – nicht ganz so extravagant wie die „Falle“ oder stylisch wie die Argentos und Martinos, aber dennoch hübsch anzuschauen.
                                  Erhältlich ist der Film auf BD und DVD, wo das Mediabook von X-Rated ein ausführliches Tenebre-Booklet von Martin Beine enthält. Es existiert auch eine BD-Auflage (1 oder 2-Disc Edition) von VZM und VZ-Handelsservice.
                                  Wer die Gastaldi-Krimis mag oder Baker, Sorell und Hilton gerne sieht, kann bedenkenlos zugreifen.

                                  Hier der Originaltrailer:
                                  « Letzte Änderung: 19. September 2022, 11:03:59 von Elena Marcos »

                                  "Wir laufen keinen Trends hinterher, wir SETZEN welche!"


                                  Offline Elena Marcos

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                                    Una Iena in cassaforte / A Hyena In The Safe (1968)

                                    Das knallbunte Bonbon von Cesare Canevari ist ein recht kostengünstiger Krimi, der in ähnlicher Form später von Mario Bava inszeniert wurde. Doch Canevari schafft es mit wenig Aufwand ein Kammerspiel zu drehen, das mit hübschem Setting, toller 60er Atmo und schmissigem Soundtrack aufwarten kann. Die Story ist eigentlich simpel wie effektiv: Boris ist der Chef einer Gangsterbande, der leider das zeitliche segnet. In seiner Villa kommen die anderen Komplizen zusammen, um ihren Anteil am letzten Raub abzustauben. Zwar haben die Gangster in einer Bank in Amsterdam einen riesigen Haufen Diamanten mitgehen lassen. Das Aufteilen der Beute sollte passieren, wenn Gras über die Sache gewachsen ist. Nun – ist es soweit. Die zwielichtigen Gestalten wie etwas Klaus der Deutsche, Steve der Brite, der Spanier Juan, der Franzose Albert und Anna aus Tanger hocken wie die Geier im Wohnzimmer des Verstorbenen. Anna, die Ehefrau des Verstorbenen, hat den Safe im Pool versenkt und kann diesen mit einer Vorrichtung nach oben fahren lassen. Eigentlich sollten nun alle ihren Schlüssel auspacken, um den Tresor zu öffnen. Leider kann der (drogensüchtige) Albert seinen Schlüssel nicht finden – und somit bleibt das Ding zu. Alle stürzen sich auf die Freundin des Franzosen, weil sie der Meinung sind, dass diese den Schlüssel gemopst hat (und reißen ihr die Kleider vom Leib – doch finden sie leider nichts).
                                    Kurze Zeit später beißt Albert ins Gras – und das Sterben beginnt...
                                    Ein unheimlicher Unbekannter bedroht später zusätzlich die Gruppe, die natürlich beginnt sich gegenseitig zu misstrauen. Nach und nach kommen die Jungs (und Mädels) ums Leben – wobei die Morde noch nicht so ausgefeilt sind. Aber als klassischer WhoDunIt mit Edgar Wallace Flair schafft Canevari es, den Zuschauer 86 Minuten bei der Stange zu halten. Der Film ist zwar kein großer Wurf wie sein Italo-Meilenstein „Willkommen in der Hölle“, doch als Snack zwischendurch ist er goutierbar. Das Haus ist hübsch, die eine oder andere Falle ist recht nett, die Kostüme (besonders der Frauen) sind 60s Pur und nett anzusehen. Ein recht unbekannterer Film, abseits der üblichen Giallo-Pfade, mit einem guten Plot-Twist am Ende.

                                    Der Streifen ist in Italien auf DVD erschienen, leider ohne Untertitel.
                                    Auf YT findet man den ganzen Film, aber ohne UT – hier der Trailer für den ersten Eindruck:

                                    "Wir laufen keinen Trends hinterher, wir SETZEN welche!"


                                    Offline Elena Marcos

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                                      Das Geheimnis der jungen Witwe / A Black Veil for Lisa / La Morte non ha sesso (1968)

                                      Ein früher Krimi/Giallo-Hybride von Massimo Dallamano, der später mit „Das Geheimnis der grünen Stecknadel“ und „Der Tod trägt schwarzes Leder“ noch weitere Meisterwerke drehen sollte. Doch sein „A Black Veil For Lisa“ ist trotz einiger kleiner Ungereimtheiten (und Anschlussfehler) ein richtiger Knaller.
                                      Der Film handelt von Inspektor Bulon (im Film wird immer Bulov gesagt), der für die Drogenfahndung in Hamburg arbeitet (auf dem Schild steht zwar Interpol, aber wir nehmen das nicht so genau). Er ist auf der Jagd nach Gangsterboss Scheurermann, doch immer, wenn er eine Spur hat, ist der Bösewicht ihm einen Schritt voraus. Der Film beginnt mit einem Giallo-typischen Mord an Willy Zoll, der nach einem Kneipenbesuch in einer Seitengasse von einem Mann in Regenmantel und Handschuhen abgestochen wird. Eigentlich wollte Bulov sich mit dem Typen treffen, um mehr über den Big Boss zu erfahren, doch der kam natürlich nicht zum verabredeten Treffpunkt (Zoll ist ja tot). Bulovs Chef setzt ihn unter Druck, den Fall so schnell wie möglich zu klären – doch der Inspektor hat dafür keinen richtigen Kopf, denn er hat zu Hause mit Lisa eine junge hübsche Ehefrau sitzen, der er nicht über den Weg traut. (Sexy und verführerisch: Feuerball-Bondgirl Luciana Paluzzi) Mehrmals am Tag ruft er zu Hause an und folgt ihr später auch, um Lisa zu kontrollieren. Denn er ist er Meinung, sie belügt und betrügt ihn. Lisa ist darüber nicht sehr glücklich, kann aber den Verdacht ihres Mannes immer wieder entkräften. Mittlerweile lernen wir den Killer Max Lindt kennen, der abergläubisch ist und für Scheurermann die Drecksarbeit macht. Leider verlässt ihn das Glück beim vierten Mord, so dass Bulov ihn verhaften kann. Auf dem Weg zur Polizei sieht der Inspektor wieder seine Frau auf der Straße, wie sie bei jemanden in einen Roten Porsche einsteigt. Der „gehörnte“ Ehemann macht einen Deal mit dem Killer – er lässt ihn laufen, wenn er etwas für den Polizisten „erledigt“…
                                      Dallamano bringt hier wieder Polizeifilm, Giallo und Hitchcock-Thiller unter einen Hut. Der Brite Sir John Mills spielt einen von seiner Frau besessenen Polizisten, der eigentlich den ganzen Tag an nichts anderes denken kann und quasi seine Arbeit vernachlässigt. Nun so ganz falsch liegt er vielleicht nicht, denn Lisa benimmt sich wirklich merkwürdig. Auch der Zuschauer wird bewusst auf eine bestimmte Fährte gelockt (Ich habe schon vermutet – Lisa ist Scheurermann). Der Film hat eine extrem spannende verschachtelte Story, die in Hamburg spielt. Mit den Anschlüssen nimmt der Regisseur das nicht so genau. Eine Einstellung stammt wohl aus einem anderen Film, wie das wohl Nazis in Uniform rumlaufen. Oder es wird gesagt, dass ein Verdächtiger sich in der Sonett Straße 23 aufhält, die Polizei stürmt aber eine Hausnummer 56. Egal … der Film ist spannend von der ersten bis zur letzten Minute – Mills spielt den Inspektor hervorragend, die Paluzzi ist eine Augenweide und Robert Hoffmann gibt den Killer Max als Gentleman a la Roger Moore. Man bekommt einen tollen Krimi mit vielen Wendungen und roten Heringen, der von der Atmo auch an die Wallace Filme anknüpft.
                                      Ich war bei der Sichtung rundum begeistert – leider gibt es die deutsche Version, die 1969 unter dem Titel „Das Geheimnis der jungen Witwe“ im Kino lief, nicht auf VHS oder Scheibe. Mir lag die BD auf 88 Films aus UK vor, mit gutem Bild und englischer Sprachfassung, die wohl Originalton ist. Denn der Chef des Inspektors ist mit seinem Akzent deutlich als Italiener zu identifizieren, während Mills natürlich ein perfektes Englisch spricht.

                                      Ich kann jedem Italo- oder auch Hitchcock Fan „A Black Veil For Lisa“ an Herz legen. Ein cooler Krimi aus der Zeit, wo die Giallo-Blaupause noch nicht so übermächtig war.

                                      Hier der Trailer:

                                      « Letzte Änderung: 06. Oktober 2023, 18:23:48 von Elena Marcos »

                                      "Wir laufen keinen Trends hinterher, wir SETZEN welche!"


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                                        Tödliches Erbe / L’Assassino ha le mani pulite a.k.a. Omicidio per Vocazione (1968)

                                        Hier habe ich mal wieder eine Zweitsichtung. Und ich gebe zu, der Film hat mir diesmal etwas besser gefallen, vielleicht weil ich auch besser aufgepasst habe.

                                        Folgendes hatte ich mal gepostet:
                                        Tödliches Erbe

                                        - Früh-Giallo, der schon mal die bekannten Krimi-Muster "Wer ist der Täter" abspult. Die Morde sind unblutig, aber eigentlich recht interessant umgesetzt (z.B. Golfschläger). Die Farbgebung ist 60s typisch, aber nicht Bava. Das Rätselraten macht Spaß - ich bin nicht ganz auf die Lösung gekommen - war aber nah dran. Eigentlich geht es um eine Erbschaftsgeschichte - in der ein Bahnarbeiter (!!?!) zu Geld kam und nach seinem Tode die Kohle seinen Kindern überlässt. Bedingung war: der geistig zurückgeblieben Sohn muss erst 18 werden, bevor die restlichen Kids das Geld bekommen. Nun - der Adoptivsohn, der einen an der Waffel hat (und nach 25 statt 15 Jahre aussieht), landet, wie Papa, ebenfalls unterm Zug. Aber aus dem Selbstmord wird schnell Mord, denn der Rest der Familie lebt einer nach dem anderen ab. 
                                        Fazit: totz gutem Finale und Auflösung, eher durchschnittlicher Krimi, da die bekannte Form des Giallos noch nicht den Durchbruch hatte. Aber dennoch mal nett zu sehen - leider war die dt. Synchro recht mager.

                                        Also – Bahnwärter Cesar wird vom Zug überollt und hinterlässt seinen drei Töchtern und dem Adoptivsohn ein großes Vermögen. Nun – Cesar war ein erfolgreicher Unternehmer, dessen Firma aber bankrottging. Er hat dies kommen sehen und rechtzeitig Geld beiseitegeschafft, bevor er sein Leben als Bahnwärter fristete. Nun konnte der der gierigen Verwandtschaft dann doch genügend hinterlassen, doch daran ist die Bedingung geknüpft, dass die erst das Geld bekommen, wenn sein geistig zurückgebliebener Adoptivsohn volljährig wird. Leider trägt sich in der folgenden Nacht ein weiterer Unfall zu – der Adoptivsohn Janot schmeißt sich selbst vor einen Zug. Selbstmord? Inspektor Greville und Kommissar Etienne ermitteln. Leider beißt einer nach den anderen Erben ins Gras. Verdächtigt wird Leon, der unbeherrschte Mann von Rosalie, der einen Sack voll Schulden hat. Doch auch Colette und Simone haben Geheimnisse…

                                        Der Film ist an sich ein recht durchschnittliches WhoDunIt mit Edgar Wallace Flair. Ungewöhnlich ist, dass der Film in Frankreich spielt und somit alles Franzosen sind. Tom Drake, der den Inspektor spielt, wirkt wie eine 60er Jahre Variante von Daniel Craig, hat auf Simone ein Auge geworfen (wie Etienne auf Colette) und verfolgt mit bestechender Logik den geheimnisvollen Mörder. Aus dem Rahmen fällt vor allem Ernesto Colli, der einen 15-Jährigen spielt, aber wie 25 aussieht (und es auch ist). Aber damit hatten die Italiener noch nie Probleme (siehe Die Rückkehr der Zombies von Bianchi). Der Film ist an sich spannend genug als One-Timer. Der Film wartet mit einigen unblutigen Morden auf und unterhält mit fröhlichem Rätselraten. (Ich hatte die Auflösung schon vergessen… und war vom Plottwist doch nochmal überrascht). Der Score hat wieder schmissige 60er-Jazz/Rock-Klänge, so dass sich der Krimi-Freund sofort wohlfühlt. Eigentlich ist das Spielfilmdebüt von Vittorio Sindoni ganz unterhaltsam. Ist natürlich auch kein großer Wurf und von den Gialli-Meisterwerken meilenweit entfernt. Man bekommt aber einen hübschen „Wer war der Täter“ Plot in farbkräftigen Bildern. Krimifreunde können mal in den Trailer reinschauen – ansonsten nur für den Giallo-Komplettisten von Interesse. Der Film ist in guter Qualität in der damaligen Giallo-Box Nummero Uno von Koch enthalten, die leider wohl OOP ist. Alternativ greift man zur alten VHS vom Label Sauerland Kunststoffe GmbH & Co KG, die vielleicht gekürzt ist (obwohl es nicht zu cutten gibt).

                                        Hier der italienische Trailer:
                                        « Letzte Änderung: 23. September 2023, 09:22:27 von Elena Marcos »

                                        "Wir laufen keinen Trends hinterher, wir SETZEN welche!"


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                                          Più tardi, Claire, più tardi... / Run Psycho Run (1968)

                                          Dieser Film von Brunello Roni ist ein furchtbar geschwätziger Film und eher im Gothic-Horror verankert. Er wirkt wie eine langweilige Version von Rebecca – es geht um einen Mann, dessen Frau und Sohn ermordet wird. Jahre später kommt er mit einer Frau an, die der Toten wie aus dem Gesicht geschnitten ist, die ebenfalls einen kleinen Sohn hat.
                                          Die gierige Verwandtschaft ist im Übrigen nicht erbaut über die neuen Ehepläne.
                                          1965 in Schwarz/Weiß gedreht und drei Jahre liegen gelassen, bevor er das Licht der Öffentlichkeit erblickte. Nach dem Film wusste ich wieso – pure Langeweile – viel Dialog, aber wenig Mystery. Die Auflösung kommt plötzlich und ist kaum nachvollziehbar.
                                          Fazit: Leider doof

                                          Für die ganz harten unter euch – hier auf YT:

                                          "Wir laufen keinen Trends hinterher, wir SETZEN welche!"


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                                            Der Phantom-Killer schlägt zu / L‘Assessino fantasma / Viaje al vacio (1969)

                                            Nun ein kleiner Schlenker Richtung Spanien, denn der „Phantom-Killer“ ist eine Koproduktion, die oftmals bei der „gelben“ Liste unterschlagen wird. Zu Unrecht, denn auch wenn der Film in Spanien spielt und mit zum größten Teil spanischen Darstellern aufwartet, kann man diesen Früh-Giallo doch auf die Liste setzen.
                                            Nun – wir haben hier wieder mal einen abstrusen Plot, der vielleicht auch Brian de Palma inspiriert haben könnte. Denn wir haben den US-Darsteller Larry Ward, der ein Zwillingspaar spielt. John ist Apotheker und mit der eiskalten Denise verheiratet (Teresa Gimpera), die ihren Mann hasst und eine Affäre mit dem Bruder Peter hat, der in der Apotheke angestellt ist. Zu Beginn taucht dann ein alter Verflossener von Denise auf – Gert Müller – der nach einem Unfall mit einer Narbe entstellt ist und den Finstermann gibt. Natürlich möchte er Denise und Peter erpressen, sonst würde er dem Ehemann alles stecken. Doch Denise und Peter haben andere Pläne: sie wollen John in den Wahnsinn treiben – sie setzen ihn unter „Insulin“ und Schlafentzug. Dann trichtern sie ihm einen Seitensprung und einen Mord ein… der Mord an Gert Müller.
                                            Eigentlich ist der Film der Wahnsinn in Tüten. Hitchcock hätte seine Freude an dem Verwirrspiel und der Abgebrühtheit des Gangsterpärchens gehabt, die den armen John so fertigmachen wollen, dass sie über sein Vermögen verfügen können. Nur sterben darf er nicht, denn laut Testament bekommen die Bösewichter nichts. Sie haben es jetzt mit einem Erpresser zu tun, mit Ärzten und leichten Mädchen – und bauen ein Lügenkonstrukt auf, das sich gewaschen hat. Auch der Zuschauer kommt nicht immer mit, aber das ist egal. John leidet ohnehin schon an einer Krankheit, die Anfälle hervorruft, so dass man seinen Gesundheitszustand eh schnell zerrütten kann. Der arme John wird zum Spielball und zweifelt an seinem Verstand.
                                            Larry Ward macht seine Sache in der Doppelrolle sehr gut, die Gimpera ist ein eiskaltes Luder und Giacomo Stuart als Erpresser ein mieser Typ. Sicherlich sieht der Film nicht nach italienischem Farbgewitter aus, sondern wirkt eher wie ein nüchterner Polizeifilm, aber das verleiht ihm diese düstere und zynische Atmosphäre. Ich fand den nicht nur durchweg spannend (auch wenn man so manchen Blödsinn über sich ergehen lassen muss) und die Musik ist sehr stimmungsvoll. Es gibt manche Tracks, die den Goblinsound vorwegnehmen, aber auch Stücke von Morricone, obwohl ein anderer Komponist genannt wird. Man merkt, dass der Score nicht eine Linie fährt. Hämmernde Tracks wechseln sich ab mit Orchesterstücken, die aus einem Gruselfilm stammen könnten. Egal – der Film ist sehr unterhaltsam, auch wenn die deutsche Synchro leider etwas minderwertig daherkommt. Angeblich wurde die wohl für die VHS angefertigt. Klingt nicht immer gut, tut aber ihren Dienst. Die Bluray von Cineploit hat ein sehr gutes Bild für diesen raren Streifen und kann jedem ans Herz gelegt werden. Im Bonus gibt es ein tolles Feature mit Christian Kessler, der improvisiert über den Film sinniert. Macht Spaß. Giallo-Freunde, die keine messerschwingenden Killer brauchen (denn der Phantom-Killer ist hier nur ein Phantom), sei der Streifen empfohlen. Trailer habe ich keinen gefunden – es gibt den Film in der italienischen Fassung auf YT. Die Bluray ist jedoch noch erhältlich.

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                                              Corte d'Assise / Before The Jury (1931)

                                              Ein kurzer Exkurs in die frühe Filmgeschichte. „Corte d'Assise“ von Guido Brignone gilt als Wegbereiter des Giallo – im Sinne des Kriminalfilms. Im Grunde ist der rund 70 Minuten dauernde Streifen ein Gerichts-Film, der im Nachgang den Mord an Bankdirektor Calendari aufklären soll.
                                              Der wird nämlich im Park einer herrschaftlichen Villa erschossen. In der Nähe der Leiche findet man … den Gärtner. Und der Schuss kam wohl aus der Waffe des Gärtners. Im Laufe der Gerichtsverhandlung wird so manche Teufellei des Bankers aufgedeckt, denn er war selbst ein Erpresser, der auch gerne den Frauen nachstieg. Als der Mord geschah gab es in der Villa eine Gesellschaft, wo die Teilnehmer alle einen Grund hatten, den Arsch aus dem Weg zu räumen.
                                              Doch der Gärtner wird verhaftet und vor Gericht gezerrt – die Frage ist: war er es oder nicht?

                                              Der Film ist natürlich sehr statisch und dialoglastig, aber nicht minder spannend. Handelt es sich um ein klassisches WhoDunIt. Die Auflösung war einfach wie auch überraschend. Hätte ich eigentlich nicht drauf getippt.
                                              Die italienische Fassung, die es mal auf YT gab, hatte allerdings für das Alter eine hervorragende Qualität. Leider lag diese nur im O-Ton vor, was es schon schwer macht, dem ganzen im Detail zu folgen. Offenbar ist er heute nicht mehr auf der Plattform aufzufinden. Schade…

                                              "Wir laufen keinen Trends hinterher, wir SETZEN welche!"


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                                                Una Ragazza piuttosto complicata / A Rather Complicated Girl (1968)

                                                Dieser feine kleine Film ist ein Frühwerk von Damiano Damiani, der später einige Klassiker des italienischen Polit-Thrillers und Polizeifilms abliefern sollte. Manch einer kennt ihn auch als Regisseur von Amityville 2.
                                                Das das „komplizierte Mädchen“ ist nur ein Hauch Giallo, vielmehr ein verschachtelter Psychothriller, der viel Spielraum für Interpretationen lässt.
                                                Der Film beginnt mit Alberto (Jean Sorell), der in einer Apotheke Sauerstoff für seinen todkranken Bruder besorgen soll. Als es um eine Rückfrage per Telefon geht, wird er in ein Telefongespräch von lesbischem Gesäusel geschaltet. Hier lauscht er und stellt sich die Gespielinnen in seiner Phantasie vor. Anscheinen kann er aus dem Gehörten genügend Informationen entnehmen, denn er macht Claudia aus und freundet sich mit dem offenherzigen Mädchen an. Die steckt in einer Beziehung mit dem Lebemann Pietro, der sehr eifersüchtig ist und Claudia nachstellt. Das Telefongespräch hatte Claudia mit ihrer Stiefmutter Greta, die sie wohl als Teenager für ihre lesbischen Wünsche missbrauchte. Leider verfällt Alberto immer weiter Claudia, bis sie ein Gedankenspiel von sich gibt, bei dem ihre Stiefmutter Greta ins Gras beißen soll. Alberto gibt dem Verlangen gerne nach…
                                                Im Grunde ist weniger Claudia der Mittelpunkt der Geschichte, sondern Alberto, denn er ist ein mieser Charakter. Er gibt sich als stark, dabei ist er feige, schüchtern und lässt sich von Claudia immer weiter manipulieren. Das zeigt sich bei einer Szene deutlich, wo Pietro der gulten Claudia eine scheuert, nachdem sie mit ihm Schluss gemacht hat. Doch Alberto schaut der Szene nur zu, was Claudia ihm vorwirft – also geht Alberto zu Pietro und schlägt ihn nieder. Aber auch die unangenehme Szene, wo die beiden eine minderjährige Schülerin unter falschen Versprechungen in eine abgelegene Ruine locken, um sie zu quälen (und zu missbrauchen? Aber so weit geht der Film nicht – der Anschein reicht aus).
                                                Man merkt schnell, dass Alberto ein schwacher, labiler Kerl ist. Denn er erfindet immer Ausreden, um seinen todkranken Bruder nicht zu besuchen oder ihm beizustehen. Das weiß er zwar auch selbst (und bricht in Tränen aus), aber er kann nicht über seinen Schatten springen – bis sein Bruder dann auch stirbt. Zum anderen besitzt Alberto auch eine kräftige Phantasie – was man zu Beginn beim Telefonat sieht, aber auch am Schluss zur Geltung kommt. Im Grunde erleben wir mit, wie Alberto von Claudia regelrecht besessen ist und in den Wahnsinn abdriftet (das ist meine Interpretation am Ende des Films). Denn nachher weiß man nie genau, ob das, was Claudia von sich gibt, so der Wahrheit entspricht oder ob er das ihm Gesagte nur anders interpretiert. Wir, als Zuschauer wandeln auf genau denselben unsicheren Pfaden (Da kann wohl nur eine Zweitsichtung helfen, um den Film aus einem anderen Blickwinkel zu sehen). Ganz gleich – der Film ist ein sehr gut inszeniertes Psychodrama, das von Damiani, der auch als Art Director gearbeitet hat, in farbenfrohe Bilder umsetzt.
                                                Kein Üblicher Giallo, aber ein intelligentes Werk, das zu Unrecht immer unter dem Radar läuft. Der Film ist leider nicht in Deutsch erschienen. Mir lag die spanische DVD vor, die auch O-Ton und englische Untertitel besitzt.
                                                Fazit: überraschendes kleines Highlight aus der Giallo-Frühphase über Liebe und Besessenheit.

                                                Finde leider keinen Trailer … schade.

                                                "Wir laufen keinen Trends hinterher, wir SETZEN welche!"


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                                                  Salvare la faccia / Psychout for murder (1969)

                                                  Der einzige Giallo von Schauspieler Rossano Brazzi ist man wieder ein typisches Beispiel, wie man einen italienischen Krimi hinbekommt ohne einen messerschwingenden Killer.
                                                  Der Film ist auf „veoh“ mit englischen Untertiteln zu bekommen und basiert auf der italienischen Schnittfassung. Die Story ist eigentlich wieder recht simple: Licia ist die Tochter einen Großindustriellen und hat sich mit dem falschen Typen eingelassen. Mario ist ein typischer Schmierlappen, der sich heimlich mit der süßen Maus trifft. Leider werden die in flagranti von Reportern erwischt und um einen Skandal zu vermeiden, lässt Daddy seine Jüngste einfach in die Klapse einweisen. Als sie wieder als „geheilt“ entlassen wird, spielt sie der Familie richtig gut was vor und plant derweil ihre Rache…
                                                  Die ersten zehn Minuten sind ein richtiges Schnittgewitter, das heute Hollywood zu Ehren gereicht hätte. Wir bekommen alle Figuren um die Ohren gehauen … nicht nur Licia und ihren Lover, sondern auch Schwesterchen Giovanna mit ihrem Mann Francesco, natürlich Daddy Marco Brignoli und den Lokalpolitiker, den Daddy in der Tasche hat. Ich habe zwar nicht verstanden, warum Licia „geopfert“ werden soll, aber das weis die Kleine wohl auch nicht so recht. Für Daddy geht sie aber in die Anstalt. Leider ist das kein Zuckerschlecken und der Hasst türmt sich durch die tägliche Folter hübsch auf.
                                                  Das Spannende ist, dass wir als Zuschauer von Beginn an auf der Seite des Bösen stehen, denn wir verfolgen, wie Licia nach und nach ihre Familie zerstört. Und mir hat es eine diebische Freude gemacht, wie das süße Mädchen ihre Intrigen spinnt – bis zum Mord. Dabei kann man der immer lächelnden Adrienne Larussa kaum böse sein. Ohnehin ist die der absolute Gewinn des Films. Leider sollte sie später die Hauptrolle in Lucio Fulcis „Beatrice Cerci“ (Die Nackte und der Kardinal) spielen, was ihr wohl so ein Trauma beschert hat, dass sie wieder nach Amerika ging und nur noch TV-Serien machte. Dennoch ist das eine zauberhafte junge Dame, der man sofort verfällt und ihr auch alles durchgehen lässt – dabei ist die dermaßen durchtrieben, dass selbst Schwesterchen Giovanna (ebenfalls schnuckelig: Paola Pitagora), die eigentlich noch die letzte Fürsprecherin von Licia ist, ihr Fett wegbekommt.
                                                  Nun – der Schluss ist recht traurig wie obskur, denn der Drahtzieher Vater Marco kommt zwar davon, wird aber sein Lebtag nicht mehr froh.
                                                  Der Streifen ist eigentlich mehr Psychodrama statt Giallo, aber hervorragend gespielt und manipulativ. Für die Larussa hätte ich mich auch sofort auf den Boden geworfen – was für eine Frau. Dafür wirft man gerne seine Moralvorstellungen über Bord. Im Übrigen hat der Streifen wieder einen sehr hübschen Score, wobei das Titellied der italienischen Fassung richtig Spaß macht: „Love your neighbour as yourself …. Kill them!“
                                                  Die US-Fassung ist zwar 15 Minuten länger, ist jedoch anders geschnitten und besitzt eine andere Musik. Die Szenen wurden auf englisch nachgedreht und haben nur einen Mehrwehrt: Nacktszenen von der Larussa – vor allem eine Masturbastionsszene. Leider ist diese Fassung auf frei zugänglichen Portalen nicht zu sehen. Vielleicht kann ich irgendwann mal eine DVD auftreiben. Die italienische Fassung lohnt sich unbedingt:

                                                  Hier komplett: https://www.veoh.com/watch/v124071167RcS2cdJR

                                                  "Wir laufen keinen Trends hinterher, wir SETZEN welche!"


                                                  Offline Elena Marcos

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                                                    Orgasmo (1969)

                                                    Umberto Lenzis erster Giallo ist ein „Home Invasion“ Film der etwas anderen Art. Hier ist es Carroll Baker, mit der Lenzi später noch öfters zusammenarbeiten sollte, die als reiche Witwe in die Luxusvilla nach Rom zieht, um nach dem Tod ihres Mannes etwas auszuspannen und nur ihrer Leidenschaft, der Malerei, zu frönen. Plötzlich steht Peter vor der Tür, der mit seinem Wagen liegen geblieben ist. Der junge Typ, der Geld verabscheut, beginnt eine intime Beziehung mit der etwas älteren Frau und nistet sich irgendwann bei Kathryn ein. Als dann plötzlich Eva, Peters Schwester, vor der Tür steht, beginnt eine erotische Dreiecksbeziehung. Doch der Einfluss der Geschwister wird zum Fluch. Die Partys, die Orgien und auch der Alkoholgenuss treibt Kathryn in Abhängigkeit und Wahnsinn. Kein Wunder, denn die fiesen Parasiten unterstützen das Ganze zusätzlich noch mit Drogen, die sie der Witwe heimlich verpassen.
                                                    Derweil bemüht sich der Anwalt und Freund der Familie Brion Sanders sich um Kathryn, die jedoch nicht mehr heiraten will. Sie versucht das Erbe schnell abzuwickeln (und überlässt den Tanten den Familienstammsitz in Amerika), um sich wieder auf das lustvolle Leben mit Peter und Eva zu konzentrieren. Doch irgendwann merkt sie, dass da was nicht in Ordnung ist – schwört dem Alkohol ab und will die miesen Geschwister rausschmeißen – doch leider wird sie die nicht mehr los. Denn es gibt kompromittierende Bild von so manchem heißen Spielchen. Doch die Kids wollen kein Geld - nur Kathryn und das süße Leben.
                                                    Nun, wieder mal kein Giallo mit Messern, aber eine kleine fiese Tour de Force. Denn wir sind als Zuschauer immer auf Seite von Kathryn, die von den jungen Leuten verführt und ausgenutzt wird. Das machen Lou Castell (Peter) und Colette Descombes (Eva) meisterhaft. Je länger der Film läuft, desto mehr hasst man diese Parasiten. Sie halten die Hausherrin gefangen, setzten die Bediensteten vor die Tür und halten selbst den Anwalt Brion zum Narren. Kathryn muss nachher in ihrem Haus ums eigene Überleben kämpfen.
                                                    Am Anfang hatte auch ich den Glauben, den Verlauf vorher zu sehen, war jedoch am Schluss doch etwas überrascht. Klar, kann man sich denken, wo die Reise hingeht und das hinter dem böswilligen Verhalten von Peter und Eva mehr stecken muss, doch natürlich kommt auch hier die Auflösung mit doppeltem Boden daher. Der Soundtrack ist 60s typisch und komponiert, denn die Musikstücke der modernen Popkultur sind natürlich nicht zu hören (die Plattencover werden demonstrativ ins Bild gerückt – allerdings werden die Interpreten nicht gespielt). Hervorzuheben ist auch Carroll Baker, die es schafft, die Witwe bei ihrer Talfahrt perfekt zu skizzieren. Auch das Makeup tut einiges dazu, denn je mehr sie dem Alkohol verfällt, desto blasser ist sie geschminkt (auch die Lippen sind blass und die Augen bekommen dunkle Ränder). Das Ende des Films kommt (teils) überraschend und auch zynisch daher. Hübsch gelöst, aber deprimierend auch für den Zuschauer. Egal – Lenzis Einstand im Giallo ist empfehlenswert, auch wenn der Film sind am Anfang etwas zieht.
                                                    Der Titel „Orgasmo“ war den Amis zu obszön, weshalb er in USA „Paranoia“ getauft wurde. Leider hat Lenzi später selbst einen Film mit dem Titel gedreht, also nicht verwechseln.
                                                    Leider ist der Film nicht auf Deutsch erschienen, war aber Teil der „Lenzi/Baker Giallo Collection“ von Severin, die 2020 erschienen ist. Hier ist der Film auch als „Director‘s Cut“ enthalten, der etwas mehr nackte Tatsachen der Hauptdarstellerin offenbart. Auch die eine oder andere Handlungsszene ist darunter – erkennbar an den italienischen Dialogen, die in der Ursprungsfassung gefehlt haben. Die Box, mit drei weiteren Lenzi Gialli, sowie zwei Soundtrack-CDs, ist leider wohl oop und nicht mehr zu bekommen.

                                                    Hier der Trailer des Films:

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