Interview mit Andreas Bethmann

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Offline Bloodsurfer

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    "Jason Krueger" (ap und kaufi, der dürfte euch noch bekannt sein ;) ) hat im Inside-Forum ein Interview mit Andreas Bethmann geführt, um dieses in einer Schülerzeitung zu veröffentlichen.

    Zitat von: "Jason Krueger"
    Wenn du (und alle anderen, die das Interview weiterverbreiten möchten) bei deiner Weiterverbreitung dazu schreibst, dass es für ne Schülerzeitung in Hamburg ist, dann hab ich nix gegen einzuwenden. :)

    Also poste ich das Interview mal einfach hier.


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    Interview mit einem Geplagten

    Andreas Bethmann ist Chef des Labels "X-Rated", das sich nahezu außschließlich dem sogenannten unterschlagenen Film widmet.
    Über ein Internetforum habe ich Kontakt zu ihm aufgenommen. Beruflich hat er täglich mit der Zensur-Thematik zu tun.

    Herr Bethmann, Sie sind Chef des DVD Labels "X-Rated", einem Label, das sich dem sogenannten unterschlagenen Film widmet. Beschreiben Sie doch mal die Anfänge. Wie kamen Sie dazu, was ist Ihre genaue Tätigkeit, wie entwickelte sich das Label und wie viele Filme haben Sie schon herausgebracht?

    Nun, ich bin eigentlich gelernter Industriekaufmann und Buchhalter und betrieb die Filmgeschichte von 1988 bis 1997, knapp 10 Jahre lang, eher als Hobby. In diesem Zeitraum habe ich mir nicht nur ein großes Filmarchiv aufgebaut, sondern auch billige Amateurfilme auf Video gedreht, die lediglich durch Kopierungen eine kleine unbedeutende Verbreitung fanden. Erst 1997 machte ich mich selbstständig, eröffnete eine Videothek, gründete das Label X-Rated und baute mir ein Studio zusammen, welches mir ermöglichte, professionell Filme zu veröffentlichen, ganz egal ob eigene oder fremde. Mittlerweile wurden ungefähr 60 Video- und 80 DVD-Titel auf den Markt geschmissen. Dazu kommt etwa pro Jahr ein Filmbuch und seit 1996 genau 1 neuer Film von mir selbst.  

    War es früher schwieriger an einen bestimmten Film heranzukommen als heute?

    Ja, vor 5 Jahren war die Branche zugegeben neuer und man musste Kontakte knüpfen. Seit 2 Jahren hingegen muss ich fast nur noch E-Mails und Telefonanrufe abchecken und mir wie ein Kind im Bonbonland meine Lieblingsfilme zur Veröffentlichung aussuchen. Es gibt natürlich auch kleine Ausnahmen, wenn ich speziell einen Film suche.

    Seit wann können Sie ausschließlich von "X-Rated" leben?

    Die Frage muss man anders stellen. Seit wann kann ich von meiner eigenen Firma ?Bertucci Film Entertainment? leben? "X-Rated" ist ja nur das Label und ein Teil davon. Jedenfalls klappt das seit ungefähr 4 Jahren. Die Jahre 1997-1999 waren zugegeben etwas knapp.  

    Was steckt eigentlich dahinter, einen Film "heraus zu bringen"? Und was für Kosten entstehen dabei?

    Man muss eine Lizenz kaufen, bei dem X-Rated-Programm bedeutet das in der Regel 10.000 - 20.000 Euro pro Film (Ausnahmen außerhalb des Bereiches gibt es in den seltensten Fällen allerdings auch). Man muss sich ein Master beschaffen (Kosten zwischen 500 - 4000 Euro), die DVD authorn (den Film digitalisieren und Bild und Ton überarbeiten), Menüs kreieren, Cover entwerfen und pressen (auch mit vielen Kosten verbunden). Dazu kommt der ganze Papierkram, wie Verträge wälzen, Dialogbücher bearbeiten usw. Deshalb schaffe ich auch nicht mehr als einen Titel pro Woche zu bringen.  

    Wann bekamen Sie zum ersten Mal handfeste Probleme mit den Gesetzen und was passierte dabei genau?

    Wenn ich mal von mittlerweile 500 Bußgeldern wegen Falschparken absehe, hatte ich meine erste Hausdurchsuchung 1995, wegen indizierter Filmtitel im X-Rated. Mittlerweile kamen noch andere Sachen dazu, meist Anzeigen von Neidern. Man muss sich mal vorstellen, dass ein Videothekenkunde, der sich über eine von ihm selber verursachte Nachgebühr aufregte, einfach zur Polizei ging und behauptete, alle 3000 Verleihkassetten wären Raubkopien. Das Verfahren läuft seit 3 Jahren, seit 2 Jahren alleine bearbeitet die GVU im Auftrage der Staatsanwaltschaft Hannover die Videothekenfilmliste. Die haben null Ahnung. Das ist wirklich eine der größten Verschwendungen von Steuergeldern seit der Erfindung von Politessen. Die überheblich ignorante beleidigende Art bei Hausdurchsuchungen ist ebenfalls scheiße. Sprüche wie ?Sind Sie Alkoholiker?? (wegen meiner Hausbar) oder ?Sind Sie pervers?? (wegen ein paar läppischen Dildos im Vorratsschrank) sind echt anmaßend und frech.    

    Haben Sie jemals daran gedacht "X-Rated" deswegen aufzugeben?

    Ich bin ein Stimmungsmensch und habe nach solcher Ungerechtigkeit schon so manche Dummheit gemacht.  

    Sie sind in dem Internetforum der Seite http://www.dvd-inside.de/ aktiv. Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach der direkte Kontakt zur Szene?
     
    Sehr wichtig! Sonst wäre ich nicht täglich präsent. Leider ist das Internet auch der Tummelplatz von Feiglingen, die sich hinter ihrer Anonymität verstecken, um zu beleidigen oder gar rumzupöbeln. Das Ganze nennen sie dann Kritik. Auf Börsen sehe ich solche Pappenheimer ständig. Sie stehen mit Händen in den Hosentaschen in den Ecken und ärgern sich, dass es mich gibt. Zu mir herkommen und den Mund aufmachen trauen sie sich nicht. Schade eigentlich. Der Großteil der Leute ist aber echt cool und der persönliche Kontakt auf Börsen ist oft noch genialer als im Internet.  

    Wie hat sich die gesetzliche Lage in Deutschland verändert, seit Sie im Geschäft sind?

    Sie hat sich verschlechtert. Seit 2 deutsche Anbieter massiv aus Habsucht gezielt und öffentlich bereits verbotene Filme in Massen herausgebracht und diese auch noch unter diesem Gesichtspunkt beworben haben, wurden schlafende Staatshunde geweckt. Alle anderen Anbieter haben seitdem darunter zu leiden und es werden auch neue ?unschuldige? Filme dadurch verboten.    

    Sind Sie der Meinung etwas Positives oder auch Negatives dazu beigetragen zu haben?

    Ich habe dazu gar nichts beigetragen. Ich habe höchstens viel Aufklärung bei den Fans betrieben, aber an den Gesetzen und deren unsachmäßigen Auslegungen nichts bewirkt. Mittlerweile weiß ich, dass man nicht dagegen ankommt und man kann nur versuchen, geduckt das beste herauszuholen. Machen wir uns nichts vor: zu viel Staat gefährdet die Gesundheit.  

    Wie beurteilen Sie die gesetzliche Lage in anderen Ländern in Bezug auf Deutschland? In Amerika zum Beispiel werden meines Wissens eher Sex- als Gewalt-Szenen gekürzt.

    Die Amis sind ja auch verklemmt. In einigen Bundesstaaten ist ja sogar Oralsex verboten. Das ist schon ein unverantwortlicher Griff in die Privatsphäre. Das ist ja so, als ob ich mir beim Autofahren verbieten lassen würde, mit einem Handy zu telefonieren. Jedes Land hat unterschiedliche Gesetze und damit ganz individuelle Vor- und Nachteile. Deutschland empfinde ich als besonders unangenehm, bürokratisch und anmaßend.

    Warum stehen Ihrer Meinung nach so viele Menschen in Deutschland mit dem Horrorfilm auf Kriegsfuß?

    Das ist die Mentalität der Deutschen. Horrorfilme sind irgendwie nicht gerade das Sinnbild eines ordentlichen, guten Deutschen. Die Gesellschaft und die Medien putschen sich da gegenseitig hoch und irgendein Sündenbock muss gefunden werden. Hier sind es die sogenannten "Killervideos".  

    Was halten Sie vom deutschen Jugendschutz? Was wird richtig gemacht, wo liegen noch verbesserungswürdige Punkte?

    Der Jugendschutz wird hier nicht nur falsch angegangen, sondern auch oft nur als Grund für Zensur vorgeschoben. Was interessiert es ein Kind, dass ich als Erwachsener geschnittene Filme sehe. Das ist übelste Zensur. Besonders die ganze Indizierungsthematik ist unfug. Warum wird ein Film mit "ab 18", der nur für Erwachsene gedacht ist, indiziert, weil er Jugendliche schädigen könnte. Das hätte ich denen auch vorher sagen können, ist schließlich ?ab 18?! Warum darf man den Film gesetzlich nicht bewerben? Tut das Cover in einem öffentlichem Magazin weh? Dann sollen die eine Coverkontrolle machen und nicht den Film einschränken! Die sollen sich mal lieber fragen, warum deutsche Kinder laut aktuellen Studien dümmer sind, als in all den anderen Ländern. Wahrscheinlich werden sie statt gefördert nur durch den Jugendschutz verweichlicht und verhätschelt. Dreck reinigt bekanntlich den Magen!  

    Sind Sie der Meinung, dass ganz speziell auf die Jugend bezogen, der Jugendschutz etwas bringt?

    Vielleicht, wenn es um Alkohol und Rauchen geht, sollte schon eine gewisse Einschränkung gegeben sein. Ich selber habe erst mit 18 angefangen zu trinken und zu rauchen. Heute tun es die 12 jährigen auf öffentlichen Plätzen. Das ist schädlich, aber nicht irgendwelche Splatterkomödien!

    Wie beurteilen Sie den Jugendschutz im Bereich des Internets,
    in dem es zum Teil möglich ist, kostenlos an (verbotene) Filme zu gelangen?

    Gerade verbotene und indizierte Medien sind reizvoller, als normale. Wer es will, bekommt es auch. Das Internet tut da weitere Vorteile auf. Die Gesetzeslage hat den Konsum solcher Filme eindeutig angeheizt, statt unterdrückt.

    Inwiefern sind Sie selbst von der Piraterie betroffen?

    Sagen wir mal so: meine eigenen Titel sind davon nicht betroffen. Allerdings finde ich es schade, dass mittlerweile alle meine Mitbewerber Raubkopien und Bootlegs (nicht lizensierte DVDs) herstellen und sich damit mir gegenüber einen illegalen wirtschaftlichen Vorteil verschaffen.

    Wie beurteilen Sie die Arbeit der FSK? Was haben Sie diesbezüglich erlebt?

    Ich will jetzt nicht beleidigend werden.

    Planen Sie irgendwann einmal X-Rated zu beenden und etwas neues anzufangen oder ist X-Rated mittlerweile zu einem der wichtigsten Bestandteile Ihres Lebens geworden, so dass Sie sich im Grunde nichts anderes mehr vorstellen können als das Label und Ihre eigene Filmerei?

    Schwierige Frage. Ich schätze mal, dass entweder gesundheitliche oder schwer einschneidende Schicksalsschläge Gründe für das Ende sein könnten. Wer weiß?

    Ist im Allgemeinen eine Veränderung in Deutschland abzusehen? Wird es z.B. irgendwann einmal möglich sein, jeden Film im freien Handel erwerben zu können?

    Nein, auf keinen Fall, aber ich warte nur darauf, dass man mir gesetzlich vorschreibt, beim Autofahren einen Sturzhelm oder beim Sex mit meiner Frau Knieschützer tragen zu müssen.

    Gibt es etwas, dass Sie noch unbedingt los werden möchten? Vielleicht gerade in Bezug auf die Zielgruppe dieser Zeitung?

    Ja! Als ich noch zur Schule ging, war ich noch unverblümt und dumm. Deshalb lasst euch gesagt sein: Lasst euch nichts gefallen und schaut immer hinter die Kulissen. Glaubt nicht alles und versucht euren Weg nach eurem Gefallen durchzuziehen. Wichtig ist dabei nur, seine Ideale nicht zu vergessen und trotzdem irgendwie ehrlich und gerecht zu bleiben.

    Vielen Dank für das Interview, Herr Bethmann!

    (Die alte Rechtsschreibung, "ß" statt "ss", in Bethmanns Antworten wurde nach den Regeln der neuen Rechtsschreibung geändert. Er bat mich darum, dies noch in meinem Artikel zu erwähnen.)