Neues von Breat Easton Ellies: "Lunar Park"

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    Er war nackt, als er einen Ferrari zu Schrott fuhr. Den ersten Bestseller hat er als 19-jähriger Student im Drogenrausch runtergehackt, später kamen Madonna und Warhol zu seiner Examensfeier. Er trat bei David Letterman auf und dinierte im Weissen Haus. Er hängte Keanu Reeves eine Vaterschaftsklage an. Er war mit Christy Turlington und George Michael im Bett. Bono betete ihn an, und auf seinem Konto stapelten sich Milionen.

    Mit anderen Worten: Bret Easton Ellis war die grösste Glamour-Nummer der amerikanischen Literatur seit F. Scott Fitzgerald und Truman Capote. Oder auch nicht.

    Denn man muss ja nicht alles glauben, was Bret Easton Ellis über Bret Easton Ellis, den Helden seines neuen Romans «Lunar Park», schreibt. Dabei lesen sich die ersten fünfzig Seiten tatsächlich wie die Autobiografie eines Autors, der zum Star der Klatschspalten geworden ist.

    Diese Romanfigur nennen wir sie zur Unterscheidung schlicht BEE hat ebenso wie der reale Ellis die Romane «Unter Null», «Einfach unwiderstehlich», «American Psycho» und «Glamorama» geschrieben, ist damit zum Skandalautor aufgestiegen und zur Stimme seiner Generation ernannt worden. Aber die Drogenexzesse, Champagnerpartys und die überraschende Distanzierung von dem Yuppie-Killer-Thriller «American Psycho» (BEE: «Das Buch schrieb sich selbst und fragte nicht danach, was ich davon hielt») alles wahr?

    Bret Easton Ellis, 41, hat in Dutzenden von Interviews zu «Lunar Park» in der angelsächsischen Presse sehr unterschiedliche Antworten auf diese Frage gegeben. «Manches, was ich schreibe, stimmt, vieles aber auch nicht», heisst es einmal. Dann wieder: «Vielleicht 60 Prozent» seien wahr. Oder auch: «Ich will diese Frage nicht beantworten, um den Text nicht zu demystifizieren.»

    Vermutlich findet sich die ehrlichste Antwort auf Romanseite 34: «Ich war ein Rätsel, ein Mysterium, und das war von Bedeutung das war es, womit man Bücher verkaufte, wodurch ich noch berühmter wurde.» Und dabei soll es bitte auch bleiben.

    Seit Ellis als Student «Unter Null» veröffentlichte, ist er eine Medienfigur, bei der Wahrheit kaum von Dichtung zu unterscheiden ist. Und dessen Pressepräsenz alle Schriftstellerkollegen an den Rand drängte. Die Diskussionen darüber, ob er Moralist oder Nihilist ist, Frauenhasser oder Menschenfreund, ob er grossartig oder bloss grössenwahnsinnig ist, ob hetero, schwul oder bi, haben den realen Bret Easton Ellis hinter dem Promi verschwinden lassen.

    Mit eben dieser Ambivalenz spielt «Lunar Park», sein erster Roman seit sieben Jahren. Nach dem äusserst viel versprechenden 50-seitigen Gewaltritt durch BEEs literarische und mediale Karriere begegnet man dort einem ausgebrannten Autor. Mit seiner Filmstar-Gattin Jayne Dennis (die es nicht gibt, trotz der Website jaynedennis.com , auf der ein Foto des Paars zu sehen ist) und den beiden Kindern Robby und Sarah zieht er in einen Vorort nahe L.A.

    Doch unter der glitzernden Oberfläche Porsche, Pool und Party-Gäste wie der Schauspieler David Duchovny modert es gewaltig. BEE und Jayne machen schon drei Monate nach der Hochzeit eine Ehetherapie, der Autor kokst wieder und will eine Studentin flachlegen (BEE unterrichtet Creative Writing am College), die Kinder werden mit Medikamenten ruhig gestellt.

    In den folgenden zwölf Tagen bricht das neue Leben vollends zusammen. Und es wird ziemlich irre. Das Haus häutet sich, einige Jungen aus dem Ort verschwinden, ein Stofftier der Tochter verwandelt sich in einen Racheengel, Patrick Bateman (die Hauptfigur aus «American Psycho») und Clayton (aus «Unter Null») suchen den Autor heim, der obendrein noch obskure Mails von der Bank bekommt, in der die Asche seines Vaters im Safe liegt.

    Die Katastrophe namens Bret Easton Ellis

    Die Vergangenheit holt BEE ein, und der Roman wird zur Horror-Story à la Stephen King. Mit maliziöser Unnachgiebigkeit steuert von nun an alles auf einen Abgrund zu. Bestialische Morde, die die Verbrechen in «American Psycho» imitieren, haarige Monster und eine zunehmende Vermischung von «Realität» und Fiktion treiben den armen BEE an den Rand des Irrsinns.

    Und dann meldet sich auch noch Patrick Bateman am Telefon und zischt: «Ich will, dass du über dein Leben nachdenkst. Ich will, dass du dir bewusst machst, was für schreckliche Dinge du getan hast. Ich will, dass du dieser Katastrophe namens Bret Easton Ellis ins Gesicht siehst.»

    Für Ellis sind das ganz neue Töne, die man nicht mit dem Narzissmus-Vorwurf abtun kann (wie die US-Kritik). Einerseits scheint der Autor mit der Spiegelfechterei tatsächlich um Vergebung für seine Untaten zu bitten seine früheren Bücher könnte er heute jedenfalls nicht mehr schreiben, sagt Ellis.

    Andererseits schliesst diese Dämonenaustreibung auch den eigenen Vater ein, dem der Roman gewidmet ist. Als Kind hatte Ellis Angst vor dem Alkoholiker, der 1992 starb und zehn Millionen Dollar Schulden hinterliess. Ellis hatte den Kontakt schon früher abgebrochen, der Hass war zu gross. Durch «Lunar Park» habe er den nun überwunden.

    Vermutlich verdankte sich dem Vater bereits jener düstere Schluss am Ende von «Unter Null», als dem Erzähler Clayton Bilder im Kopf herumspukten: «Bilder von Eltern, die so hungrig und unausgefüllt waren, dass sie ihre eigenen Kinder assen.» Und nun nimmt dieser Clayton Rache an seinem literarischen Vater.

    Vielleicht ist Ellis also nicht nur älter, sondern sogar erwachsener geworden. Dafür spricht die intelligente Romankomposition wie auch der lyrische Schluss, der nichts mehr von der zynischen Oberflächenbeschreibung früherer Zeiten hat. Oder sollte doch alles bloss ein Jux gewesen sein, eine kleine Fingerübung?

    Wer weiss. Die Wahrheit kommt manchmal ganz unerwartet. In «Lunar Park» erbt BEE die Armani-Anzüge des Vaters. Anfangs ist er erfreut, doch dann entdeckt er die Blutflecken im Schritt sie stammen von einer verpfuschten Penisverlängerung.

    Gut erfunden, bemerkte der Interviewer der Londoner «Times» gegenüber Ellis. «Nö», erwiderte der Autor, «das stimmt.» Der Journalist erbleichte. «Sorry», entschuldigt sich Bret Easton Ellis artig. «Aber Sie wollten es ja unbedingt wissen.»

    Bret Easton Ellis: «Lunar Park»
    Deutsch von Clara Drechsler und Harald Hellmann. Kiepenheuer & Witsch, 457 Seiten, 40 Franken. Der Roman erscheint am 16.1.06

    http://www.sonntagszeitung.ch/dyn/news/kultur/579468.html




    klingt seehr interessant !  8)