Dan-Simmons-Thread

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Offline wendigo2002

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    Hallo Flightcrank

    "Das leere Gesicht" ist nur für Komplettisten. Die Story wirkt sehr konstruiert. Spannend war lediglich die Idee des Autors, dass sich der Held quasi in den Geist eines schwerbehinderten Menschen (körperlich und geistig) begeben konnte, wobei dieser Geist einen eigenen Kosmos geschaffen hat. Das tönt zwar vordergründig durchaus interessant, findet aber nur im Schlussteil der Geschichte statt. Da ich bis auf Olympos alles von Simmons gelesen habe, bin ich der Meinung, dass sich der Meister schlicht vertan und aus einer vielleicht akzeptablen Idee für eine Kurzgeschichte einen zähen, konfusen Roman fabriziert hat. Wer's nicht gelesen hat, hat nichts verpasst.

    Ganz anders "Kraft des Bösen". Hier handelt es sich um ein episches Werk über Gedankenvampire, die Menschen wie Marionetten für ihre eigene Zwecke missbrauchen. Ausgehend von der heutigen Zeit macht der Autor immer wieder Schritte zurück in der Geschichte und greift auch den Holocaust auf. Der Held der Geschichte stellt sich am Schluss einem ehemaligen Nazi, dessen Fähigkeiten als Gedankenvampir übermächtig erscheinen.

    Natürlich ist die Geschichte viel komplexer, und Simmons schafft es, das Potential des Gedankenvampirismus und der telekinetischen Manipulation von Menschen voll auszuloten. Man ist zugleich fasziniert und angeekelt, wenn ein solcher Manipulator eine ihm völlig fremde Stewardess in Gedanken sexuell stimuliert und sich gefügig macht, weil ihm gerade danach ist und er die Macht hat, seine Fantasien im wahrsten Sinne des Wortes auszuleben. Im gleichen Moment stellt sich die moralische Frage (à la Spiderman: grosse Kraft bringt grosse Verantwortung): was würde ich an seiner Stelle tun? Würde ich solche Macht für das Wohl der Menschheit einsetzen, versuchen, damit Positives zu bewirken? Oder würde ich in erster Linie meine eigenen Bedürfnisse damit befriedigen?
    Ein faszinierendes Buch über "Mutanten", die sich durch ihre besonderen Fähigkeiten korrumpieren liessen und in erster Linie an Machterhaltung und dem eigenen Vorteil interessiert sind.

    Simmons hetzt die Helden der Geschichte von einer spannenden Situation in die andere, denn die Feststellung, dass es Menschen mit solchen Kräften gibt, ist von tödlicher Brisanz für die Entdecker. Mich hat das Buch ebenso fasziniert wie "Sommer der Nacht", "Kinder der Nacht" und "Die Feuer von Eden". Simmons befand sich mit diesen Werken (aber auch mit dem Hyperion- und dem Endymion-Zyklus) auf der Höhe seiner Schaffenskraft. "Illium" ist schon weniger kraftvoll und teilweise unausgegoren, "Olympos" habe ich noch nicht gelesen, scheint aber auch nicht mehr die alte Grösse zu erreichen.

    "Kraft des Bösen" ist uneingeschränkt für Leser des phantastischen Genres zu empfehlen und ein Glanzlicht unter den Simmonschen Werken. Wünsche Dir viel Spass damit!


    Offline wendigo2002

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      Hallo Bloodsurfer

      Danke für die Vorschusslorbeeren. Werde mich demnächst mal intensiver umschauen, was BH so alles zu bieten hat. Freute mich auf alle Fälle sehr über den Simmons-Thread und dass ich einen Beitrag leisten konnte...

      Bis demnäx!