Beyond Hollywood - das Filmsyndikat

Andere Medien => Bücher & Stories => Thema gestartet von: Lionel am 11. April 2010, 21:07:50

Titel: Albert Camus - Die Pest
Beitrag von: Lionel am 11. April 2010, 21:07:50
(http://upload.beyondhollywood.de/images/1271012771_51ETR95JR3L._SL500_AA300_.jpg)

http://www.amazon.de/Die-Pest-rororo-Albert-Camus/dp/349922500X/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1271012361&sr=8-1



Was taugen Lebensanschauungen in Extremsituationen?, 17. Juni 2005
Von    Reinhold Stansich "reini68.blogspot.com" (Kottingbrunn, Austria, Central Europe)
(TOP 50 REZENSENT)    (REAL NAME)   

Rezension übernommen von: Die Pest. 3 CDs (Audio CD)
Das Buch:
"Was taugen Lebensanschauungen?" das ist die Frage, die der Existentialismus seit jeher beantworten will. Die Tauglichkeit einer Lebensanschauung kann nur in der Extremsituation erforscht werden, ist das entscheidende Postulat dieser Denkrichtung. Und wie könnte man das besser schildern, als in einer Situation in der jeder Einzelne um sein Leben fürchten muss. Viele Romane und Filme wurden nach Camus' Werk über Pest und Seuchen gemacht, aber keiner kommt an diese Schilderung heran, denn Camus schreibt keinen Thriller (wie z.B. in "Outbreak" dargestellt), sondern er beschreibt Menschen in dieser Grenzerfahrung. Er kümmert sich nicht um die Folgen der Pest oder gar detaillierte Schilderungen des Schreckens, sondern er bemüht sich den einzelnen Menschen und seine Reaktion auf das Erlebte zu zeichnen.

Die Handlung als solche ist schnell erzählt. Es geht um die Stadt Oran in Nordafrika wo eines Tages die Ratten sterben und bald darauf die Menschen einen schnellen aber schrecklichen Tod erleiden. Sehr bald ist klar, dass es sich um die Pest handelt und die Stadt wird abgeriegelt. Keiner darf raus und keiner will rein. Wie gehen nun die einzelnen Menschen mit dieser Situation um? Eine wunderbar einfühlsame und mitreißende Charakterstudie kann beginnen.

Sprachlich ist Camus' Werk natürlich herausragend, den Nobelpreis hat er nicht bloß für seine Themen bekommen. Stilistisch hätte er das Thema des Buches eigentlich nicht besser umsetzen können. Die Erzählung als solches ist vergleichsweise unspektakulär strukturiert und stellt im Großen und Ganzen eine geradlinige Zeitlinie dar. Die Figuren sind sehr interessant und glaubwürdig gezeichnet - und ihre Darstellung ist es auch, die dem Werk seinen speziellen Charakter gibt. Das Aufeinanderprallen des hilflosen christlichen Paters und des ebenso hilflosen agnostischen Arztes kulminiert in der Aussage, dass es besser für Gott wäre, er würde nicht existieren. Denn dann würden sich die Menschen darum kümmern anderen zu helfen, statt ihre Zeit in der Kirche zu vergeuden. Aber Camus zieht auch entscheidenden Schluss aus dem Atheismus: Wenn der Tod das absolute Ende darstellt, dann stellt der Kampf gegen diese Geißel den Sinn des Lebens dar. Eine Aufgabe an der man nur scheitern kann, an der man aber dennoch nicht verzweifeln muss.

Das Hörbuch:
Das Hörbuch ist perfekt gestaltet. Die Lesung von Ulrich Matthes könnte besser nicht vorgetragen werden, und dennoch bleibt ein Wermutstropfen. Diesen Roman muss man auch selbst lesen, denn zu oft schweifen die Gedanken ab. Liest man selbst, so hebt man die Augen vom Buch ab und folgt den Gedanken. Hört man Ulrich Matthes zu so stoppt man die CD eben nicht so ohne weiteres. Das ist allerdings keine Schwäche der Produktion, die wirklich hervorragend ist, sondern eine Schwäche des Mediums.

Fazit:
Die Pest ist ein philosophisch hochinteressantes Werk, es untersucht Lebensanschauungen und kulminiert in der Aussage, dass der Sinn des Lebens nur sein kann, gegen den Tod zu kämpfen - dies allerdings sei ein aussichtsloser Kampf. Und dennoch verzweifelt Camus daran nicht. Das Buch ist hochgradig lesenswert und daher eine uneingeschränkte Empfehlung. Das Hörbuch ist herausragend produziert, kann aber dennoch das Lesen des Buches nicht ersetzen. Dennoch hat es eine Existenzberechtigung, denn "Die Pest" liest man öfters als einmal und dann ist dieses Hörbuch eine wunderbare Alternative.


(Quelle: amazon.de)




Kennt jemand dieses Buch bzw. was anderes von Camus? Ist ja einer der wichtigsten französischen Autoren und zählt neben Jean-Paul Sartre zu den bedeutendsten Vertretern des französischen Existenzialismus.
Hab die Hälfte heut durchbekommen und bin doch recht angetan. Ein paar Sätze meinerseits folgen nach Beendigung.
Titel: Antw:Albert Camus - Die Pest
Beitrag von: JasonXtreme am 12. April 2010, 11:50:25
Ich bin mal gespannt wie das Fazit ausfällt - klingt nicht uninteressant. Bisher hab ich aber weder von Camus noch von Sartre was gelesen
Titel: Antw:Albert Camus - Die Pest
Beitrag von: Lionel am 12. April 2010, 20:57:51
Ist auch ziemlich normal geschrieben, also schon ne richtige Erzählung, nicht so abgespacet wie man vielleicht denken könnte. Find einfach die Gedankengänge super interessant. Sobald ichs durch hab, schreib ich meine 5 Cents dazu.
Titel: Antw:Albert Camus - Die Pest
Beitrag von: Lionel am 15. April 2010, 20:16:35
Großartiges Buch, das sich mit der Reaktion des Menschen in einer Extremsituation befasst. Die Stadt Oran in Algerien ist  nach dem Ausbruch der Pest versiegelt, niemand kommt mehr raus, keiner will mehr rein. Im Laufe der Geschichte erfahren wir einiges über die Bewohner.
Da hätten wir den Pfarrer, der die Pest für eine Strafe Gottes hält, denn der Mensch habe gesündigt. Seine These ist, dass man Gott nur voll und ganz akzeptieren kann oder eben gar nicht gläubig ist. In ersterem Falle müsse man auch die Pest und deren Folgen akzeptieren. Es gibt keine halbherzigen Entscheidungen.
Der Arzt Rieux ist die Hauptperson, und er opfert sich trotz diverser Schicksalsschläge für seine Mitmenschen auf. Der Ex-Soldat Tarrou ist seit einem Kindheitstrauma vom Tod fasziniert und versucht alles, diesem ein Schnippchen zu schlagen. Der kleine Rathausangestellte Grand denkt ebenfalls nur an seine Mitmenschen und nie an sich selbst. Das einzige Ziel, das er im Leben vor Augen hat, ist, ein Buch zu schreiben. Der alte Cottard ist der einzige, der von der Pest profitiert. Gegen ihn läuft eigentlich ein Haftbefehl, so aber ist die Polizei überfordert, und er profitiert vom Schmuggel. Dann wäre da noch Rambert, der Journalist, der nur zufällig in der Stadt ist. Tut er zuerst noch alles, um aus der versiegelten Pest-Stadt zu entkommen, freundet er sich bald mit dem Schicksal an und hilft in der Not. Anhand seines Beispiels stellt sich eine interessante moralische Frage: Sollte man für die Liebe seine Mitmenschen im Stich lassen? Ist dies egoistisch? Rambert jedenfalls kann letztlich nicht anders, er muss bleiben.
Eine Stadt im Ausnahmezustand. Eine Situation, unter der die Liebe stirbt, wo keine Freundschaft mehr möglich ist, kein emotionales Empfinden, keine Möglichkeit Freude zu empfinden.

Mit diesen philosophischen Gesichtspunkten beschäftigt sich das Buch. Schreibstil ist relativ normal, aber einen Spannungsbogen wie in einem "normalen" Buch darf man nicht erwarten. Hier wird einzig und allein die Reaktion der Menschen in dieser Extremsituation untersucht. Wie man sich verändert. Wie man Angst verspürt, eigensinnig wird, die Hoffnung verliert oder sich an dieser festkrallt. In meinen Augen ein ganz großes Buch, da man jede Situation, jedes Gefühl, das geschildert wird, nachempfinden kann. Die Figuren wirken absolut echt, die Dialoge sind ebenso authentisch. Von Camus werd ich sicher noch mehr lesen.
Titel: Antw:Albert Camus - Die Pest
Beitrag von: JasonXtreme am 16. April 2010, 09:09:32
Das hört sich top an - werd ich auch mal durchhauen! Danke
Titel: Antw:Albert Camus - Die Pest
Beitrag von: Lionel am 16. April 2010, 22:47:22
Denke, das könnte dir gefallen. Tests mal an, ist ja nicht dick, ca. 200 Seiten.
Titel: Antw:Albert Camus - Die Pest
Beitrag von: JasonXtreme am 19. April 2010, 11:01:35
Wird definitiv bei Gelegenheit gemacht!