Das Jahr der Schallmauern(bin schon etwas angetrunken, eventuelle Rechtschreibfehler sind zu entschuldigen
)
2011 ist für mich das Jahr der Schallmauern.
Zum ersten mal habe ich mir Ende letzten Jahres für die nächsten 2 Jahre konkrete Ziele gesetzt.
10km in unter 45 miin
21,1km in Heidelberg (bergig) in 1:49 - 1:52 (wegen den knackigen Antiegen und gesammt Höhenmetern)
21,1 km Bestzeit schlagen, wenn irgendwie möglich unter 1:40
Eine Entscheidung treffen ob ich das Training für die 42,195 km beginnen soll.
Also Ziele von denen ich vor ein paar Jahren am Anfang meiner ertsen Laufversuche nur geträumt habe.
Im April habe ich meine Heidelberger Zeit auf 1:50:14 gedrückt.
Eigentlich voll im Plan und nach Wunsch, jedoch ärgern mich die paar Sekunden die mich vor der 1:50er Schallmauer trennen doch ein wenig.
Nach dem Debakel bei der Hitze in Mannheim, setze ich im Sommer bei den 10 km in Sandhausen alles auf eine Karte und schaffe mit 44:25 die 10 km Schallmauer.
bleiben also noch zwei.....
Heute Morgen, 7:45 Uhr
Ich habe schlecht geschlafen, seit 5 Uhr wach und nervös, vergessen dass die Autobahnzufahrt bei uns ja in Richtung Süden gesperrt ist und ich nen Umweg fahren muss.
Dazu regnet es bei ~13°C schön vor sich hin. Ich bin zu spät und das Wetter verbreitet eine gedrückte Stimmung.
Ich war die letzten Tage irgendwie nicht ganz bei mir; zumindest kommt es mir so vor.
Nervös wie ich war, habe ich gestern auf dem Straßenfest bei uns im Ort auch noch 3 Bierchen getrunken und mich dann von allen Freunden (darunter Laufkumpel und Kumpeline) verabschiedet, die mich für verrückt hielten den Samstag sausen zu lassen.
Etwas Nervös war ich zwar immer, aber diesmal war es ganz schlimm und das hat einen Grund.
Letztes Jahr ist in Karlsruhe bei mir ein Knoten geplatzt. Ich habe einen Tag mit perfekter Form erwischt, war gut vorbereitet,.... es hat einfach alles gepasst, und ich bin mit 1:42:49 weit unter meinen Erwartungen gelandet.
Und genau davor habe ich Schiss.
Diese Mauer kommt mir so hoch vor, dass ich nicht weiß ob ich sie im aktuellen Zustand packen kann.
Ok, von den reinen Trainingskilometern war ich fleissig wie nie zuvor, aber der Respekt vor der damaligen Zeit macht mich nervös.
Ich düse über die verlassene Autobahn nach Karlsruhe, bin sowieso schon spät dran. Es schüttet wie aus Eimern.
In Karlsruhe Süd verlasse ich die Autobahn, und folge den Ordnern auf einen Parkplatz hinter der Europahalle.
Ich schnappe meinen Rucksack, gehe über die Brücke in Richtung Europahalle. Es regnet weiterhin. Das wird also wohl mein erster Regenwettkampf werden.
Eigentlich mag ich ja Regen, aber zum ersten Mal bei einem Wettkampf, das macht mich nur nochmehr nervös.
Dann das Übiche was schon automatisiert abläuft.... Europahalle, tausende Läufer, Startunterlagen abholen, Platz suchen, Trainingshose aus, Startnummer befestigen, kein trägershirt, Renn-Short und Laufshirt, nochmal Toilette, Zur Gepäckaufbewahrung laufen, Rucksack deponieren, Jacke rein, kleine Wasserflasche mit etwas Salz und einem aufgelöstem Powergel mitnehmen, zum Start gehen.
Ich trinke ich kleinen Schlücken meine Wasserflasche leer, der Regen hat sich in leichten Niesel verwandelt. Ich gehe zur Sicherheit nochmal pinkeln, noch 6 Minuten.
Ich werfe den Rest meiner Flasche weg und stelle mich in den Startblock. Durch meine angegebene 1:44 als erwartete Zielzeit stehe ich im zweiten Block, direkt hinter den richtig schnellen Läufern.
Heute Morgen kurz vor 9:00
Auch hier wieder das Übliche: Zweifel, aber auch Freude dass es endlich gleich losgeht, "The Final Countdown" von Europe in extremer Lautstärker und tausende Läufer die alle wild auf der Stelle treten. Ich kann mich nicht erwehren, aber das ist jedesmal einfach nur geil.
Und der echte Countdown 10, 9, 8 .... Peng!
Langsam ruckt unser Block vor, ich fange gar nicht erst an zu laufen, denn gleich.... jep stehen wir wieder. Ist auch immer das Gleiche bei großen Läufen.
Jetzt geht es aber los bevor ich die Startmatte überquere und diese meinen Chip erkennt, starte ich auch meine Stoppuhr.
Es läuft wieder einmal "Born to be Wild" auch alles langsam altbekannt.
Zu Anfang geht es mitten durch Karlsruhe auf einer der großen Hauptverkehrsstraßen, denn nur so kann man die tausende Läufer (Halbmarathon, Marathon, Staffelläufer) irgendwie unterbringen. Noch während ich die Anfangseuphorie geniese kommt da schon der erste Kilometer. 4:46 min.
Langsam Alex, nicht überziehen, zu schnelle erste Kilometer sind Gift für dich. Daher mache ich mir auch keine Gedanken von all den schnellen die mich überholen. Viele davon sieht man später wieder.
Aber auch bei km 2 hat sich an meinem Tempo nicht verändert.
Ich laufe weiterhin einen klaren Schnitt unter 5 Minuten/km. Bisher fühlt sich das eigentlich auch ganz gut an. Ich ermahne mich jedoch zur Vorsicht.
Nach km 3 bemerke ich dass die Strecke etwas geändert wurde.
Wir laufen diesmal die Parallelstraße zu Durlacher Autobahnbrücke.
Ich rätsel dabei noch ob das nicht etwas länger ist als die ander Strecke und dafür später etwas abgekürzt wird, komme aber zu keinen sinnvollen Ergebnis.
Die erste Getränkestelle lasse ich aus.
KM 5: 24:16
Ok, etwas gebremst, und ich fühle mich weiterhin gut.
Sollte ich mich doch getäuscht haben und einen neue Bestzeit drauf haben?
Ich halte mich weiterhin an eine schnelle Dame vor mir und einen Herrn mti einem markanten T-Shirt Aufdruck, den ich anhand dessen jetzt "Mister SEW" taufe. Der scheint womöglich mein Tempo, bzw etwas schneller zulaufen. Über die autobahnbrücke in Durlach angekommen passiere ich km 7 in 33:xx.
Die nächsten 2 Minuten versuche ich zu rechnen ob ich nun im Plan bin oder nicht......
und es klappt nicht.
Stimmt denn ich fühle dass ich mich wieder nah an meinem Limit bewege. Das Ganze ist jetzt schon anstrengend, aber geradeso im Rahmen.
Insgeheim hoffe ich natürlich auf meine gute Grundausdauer.
Hier in Durlach beginnt es nun auch wieder zu Nieseln und zu regnen. Dazu weht noch ein kräftiger Wind, den sogar ich als kalt empfinde und ich bin wirklich nicht verfroren beim Laufen.
Bei Karlsruher Lauf stehen fast jeden km irgendwelche Tanzgruppen bzw. andere Arten von Performances die etwas Motivation spenden sollen. Bei den Tango und Walzergruppen bisher konnte mich das zwar nicht mitreisen, aber die Hip-Hop und Techno tanzperformances von ein paar Kinder und Jugendlichen Gruppen helfen schon. Diese Musik hat für mich bei Laufen durch die schnelleren Beats schon eine motiveirende Wirkung und ich kann sogar hir und da etwas zulegen.
Jetzt werde ich auch nicht mehr groß überholt, mit Außnahme von Staffelläufern und bin selbst am überholen.
Ok, es scheint heute also doch was drin zu sein. Ich überlege kurz und gebe meinem Laufapparat freie Bahn. Schau was geht!
Beflügelt dadurch gebe ich noch etwas hinzu, obwohl sich schon die ersten Schmerzesignale in den Oberschenkeln bilden, aber das Endorphin kickt und der Schmerz treibt.
Und gleichzeitig kommt mir die Erkenntnis, dass ich wohl einfach nicht ohne gewisse Kicks leben kann. Ich bin insgeheim schon ein kleiner Junkie.
Habe ich mir das in meiner Jugend auf die eine Art gegeben, so habe ich nun eine neue Form gefunden.
Ein kurzer minimaler Schluck Iso aus dem vollen Lauf an einer Getränkestelle und den Rest werfe ich weg. Bäh ist das sauer.
Nach dem Industriegebiet geht es über eine Schnellstraßenbrücke wo ich gleich beim Anstieg ein paar Läufer kassiere.
Wenigstens hier macht sich mal das ganze Bergtraining bezahlt.
Drüben wieder runter und da ist auch die
10 km Messmatte: 47:55 (selbstgestoppt)
Ok, das ist gut zwei Minuten schneller als letztes Jahr. Da habe ich aber auch eine 47er Zeit auf der zweiten Hälfte geschafft. Habe ich die heute nochmal drauf?
Durch den Wald geht es weiter mit diesem Tempo und es wird mir klar dass ich heute am Rand balanciere. Wenn das gut geht habe ich eine neue Bestzeit.
Ich vertraue meinem Körpergefühl dieses Tempo auf jeden Fall bis nach km 15 halten zu können.
Durch den Wald, und die Schrebergärten, Wasser spritz mir die Waden hoch, dazu Schlamm und Matsch.
Wieder im nächsten Ort, über die Fußgängerbrücke die immer so schön schwankt, das üble Kopfsteinpflaster in.... Name entfallen..... weiter.
Viel mehr Erinnerungswürdiges ist mir da nicht im Gedächtniss geblieben.
Auch interessant, je schneller ich geworden bin und je besser ich das Laufen am Limit beherrsche, desdo weniger bekomme ich noch von der Umgebung mit.
Irgendwo schnappe ich mir noch einen Schluck Iso...
KM 15 1:11:xx
Weiterhin auf Bestzeitkurs. ~2 Minuten schneller als letzets Jahr. Aber leichter wird es nicht.
Zu den Oberschenkel sind inzwischen noch ein Zucken im rechten Kniegelenk und ein Krampf im Oberbauch dazugekommen. Nichts Kritisches, aber extrem unangenehm.
Da fällt mir wieder ein Zitat ein:
"Running is a big question mark that's there each and every day. It asks you, 'Are you going to be a wimp or are you going to be strong today?'"
- Peter Maher, Canadian marathon runner Nein, ich will heute kein Weichei sein und versuche den Schmerz einfach zu überlaufen und das Tempo zu halten.
Über die Felder und nach Burlach... ich bin weiterhin in der Nähe von "Mister SEW", seit ein paar Kilometer sind auch noch zwei recht schnelle Damen mit dem gleichen Vereinstrikot zu uns gestoßen. Zugegeben, das macht natürlich mehr her als mein in der Startliste angegebenes "Team Stolpervogel".
KM 16 und 17
Ich muss kämpfen und zwar richtig, so wie ich die Zeiten im Kopf überschlage halte ich das Tempo, aber die Belastung, der Krampf und die Schmerzen werden jeden Schritt größer.
"Be strong, be strong" Mantra, Durchhalten, nur noch poplige 4,1km
1:21:xx
Weiter über die letzte kleine Brücke.
Schaffe ich vieleicht sogar eine 1:39:xx?
Ich glaube es jedoch sebst nicht, denn seit ich km 18 passiert habe, bin ich vom Kämpfen-Modus in den Überleben-Modus gewechselt.
Mein Oberbauch signalisiert mir "Schicht im Schacht" und die Beine vermelden nur noch verschieden Konsistenzen von Pudding.
Mister SEW zieht davon und einer der beiden Damen ebenfalls. Oder sind die nur schneller geworden?
Noch eine kleine Unterführung, die mir schier alle Kraft aus den Beinen pumpt, ich keuche wie ein alter Kessel und mir fehlt die Kraft.
km 19 1:30:5x
Noch 2,1km das wird nix
Fehlt sie mir wirklich oder fehlt mir nur der letzte Biss im Wettkampf, der Wille sich auch über den letzten Schmerz hinwegzusetzen, wie es der Kollege von meinem Laufkumpel immer sagt.
Bin ich in der bezeihung doch ein Weichei und werde das letzte Stück Potential doch nie aus mir raus kitzeln?
Andererseits will ich jetzt auch nichts mehr riskieren. Meine Bestzeit vom letzten Jahr (1:42:49) habe ich im Sack.
Wieter, beißen, Tempo halten, die laute Blaskappelle vor dem Abgang runter zum Bach an der Europahalle, unter den Brücken durch..
KM20 in 1:35:15 (Zwischenzeitfunktion meiner Uhr sei dank.)
Weiter nicht abreißen lassen, aber das ist vom Körpergefühl nur Wunschdenken ich bin platt, und hier ist nichts was mich motiviert.
Die Halbmarathonweiche, rechts rein auf die Halle zu, rechts dran vorbei, noch eine HipHop Gruppe, ich beschleunige nochmal kurz, au, oh du süßer Schmerz.
Publikum klatscht, den Gitterkanal entlang rechts der Stadioneingang, hindurch auf die Tartanbahn, vollbesetzte Tribünde, laute Musik, der Kommentator in Verkleidung direkt am Eingang versucht alle einzeln zu begrüßen. "Super Alexander, schön dass du dabei warst".
Ich lächle, (zumindest sollte meine Grimasse das ausdrücken) und kann wie auch letztes Jahr hier wieder Gas geben.
Er hat wohl doch recht. Ich habe viel gelernt wie ich mit widrigen Situationen und dem Schmerz vom am Limit laufen umgehen kann, aber für den letzten Schritt bin ich wohl doch zu weich.
Trotzdem fliege ich die letzten 100 Meter und trudel im Ziel aus und stoppe meine Uhr.
Laufe Zickzack, nur nicht sofort stehen bleiben und den Kreislauf langsam herunterfahren, dann doch stehenbleiben und auf den Knie abstützen, Luft schnappen.
Da werde ich gleich noch von einer Fototgrafin zu einem Siegesporträt aufgefordert.
Ich habe versucht glücklich zu schauen, mal schauen was draus geworden ist, wenns veröffentlicht wird.
Zur Medaillie gibt es heute auch noch ein Plastik-Regencape.
Erst jetzt realisiere ich dass es weiterhin nieselt und meine Kappe und mein Shirt komplett nass sind. Das habe ich überhaupt nicht mehr mitbekommen.
Immerhin ist dieser Überzieher etwas warm.
Und Apfelsaftschorle ist das tollste Gtränk auf diesem Planeten, alkoholfreies Bier ebenfalls und eine Banane schmeckt wie Ambrosia....
Und ich hab ne neue Bestzeit: D
Offizielles Ergebnis:
Alexander (DEU)
M30 Team Stolpervogel
Platz 752 von 3345 Männern
0km - 10km 00:47:51
10km - 20km 00:47:20
Gesamtzeit:
01:40:25Von den Zwischenzeiten her ein Lauf nach Lehrbuch. Die zweite Hälfte knapp schneller als die Erste.
Zu der Freude kommt ein kleines Ärgernis mit der 1:40er Schallmauer die ich nur knapp verpasst habe.
Vieleicht hätte ich die doch drin gehabt, wenn ich mich doch nur ein Stück mehr quälen könnte.
Wieder mal eine Schallmauer, passt in den Gesamtzusammenhang zu diesem Laufjahr.
Nichtsdesdotrotz bin ich glücklich und froh. Vor allem der fast schon perfekt gleichmäßige Lauf zeigt, dass mir meine Lauferfahrung erlaubt mich nah am persönlichen Limit zu bewegen
und ich ziemlich genau weiß was ich mir zumuten kann.
Jetzt bleibt nur noch das letzte Ziel (Marathontraining) übrig, mit dem ich mich nun wohl auseinandersetzen muss.
Und jetzt gehe ich gleich wieder aufs Straßenfest zum Abendprogramm und weiteren Bierchen.
Schlauerweise habe ich mir morgen natürlich frei genommen.