http://www.ofdb.de/view.php?page=film&fid=12787http://german.imdb.com/title/tt0117194/Sechs lange Jahre hat Joey für seinen Dealer-Bruder Tommy im Gefängnis gesessen. Nach seiner Entlassung findet Joey Unterkunft bei seinem Bruder. Tommy hat inzwischen die attraktive Lorrain geheiratet, die als Stripperin arbeitet. Im Lauf der Zeit werden die Spannungen zwischen den beiden Brüdern immer stärker, auch weil sich Joey zunehmend zu Lorrain hingezogen fühlt. Wie Kain und Abel befinden sich Joey und Tommy auf einem tödlichen Kollisionskurs... (amazon.de)
Der seit einem Unfall in seiner Kindheit geistig leicht zurückgebliebene Joey wird nach 6 Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Er saß wegen Raubmord. Draußen kehrt er zurück zu seinem Bruder Tommy, dem er immer sehr nahe stand und lebt fortan mit ihm und dessen Frau Lorraine zusammen in deren Haus. Joey war immer der gutmütigere der beiden Brüder und hat nach seiner Entlassung auch vor, sich nichts mehr weiter zu Schulden kommen zu lassen - was Tommy ihm allerdings nicht leicht macht, ist er doch permanent in irgendwelche Drogengeschäfte verwickelt. Langsam kommen sich die Brüder wieder näher, doch Tommy's Weg führt unausweglich ins Unglück...
Was für ein dreckig-düster nihilistischer Bastard von Independentfilm!! Buddy Giovinazzo hatte bereits mit dem sehr kostengünstigen "Combat Shock" bewiesen, dass er zu Größerem berufen ist als Amateursplatter zu drehen, nur fehlten ihm die Mittel. Das Budget ist auch bei "No Way Home" nicht sehr üppig, aber mit Tim Roth und James Russo hat Giovinazzo zwei ganz große Darsteller zur Verfügung! Vor allem Roth spielt hier so unglaublich unaufgeregt und überzeugend, dass man es kaum glauben kann - ein überragender Schauspieler! Ständig ein trüber Blick, null Regung im Gesicht ablesbar, die Schultern leicht abgeknickt, der Kopf nach vorne angelegt wie bei einem leichten Haltungsschaden sowie ein Tonfall, der nicht die geringste Emotion verrät - so spielt Roth den etwas langsamen, aber keineswegs blöden Joey, der sich auch durchaus zu verteidigen weiß, hat er doch im Gefängnis das Boxen erlernt. Russo hingegen wirkt ohnehin wie ein Stier, groß, breite Schultern mit einer physischen Präsenz, für die Andere einiges geben würden.
Der Film ist erfüllt von einem visuellen Minimalismus, einer aussichtslosen Grundstimmung und jeder Menge graphischer und realistisch anmutender Gewalt. Gewalt, die weh tut. So steigt der Film bei einer Gefängnisduschszene ein, als Roth am Boden liegt und festgehalten wird, Wunden mit Rasierklingen zugefügt bekommt. Narben zeichnen seinen Körper. Der Showdown im Haus seines Bruders würde glatt einem "All Night Long" - Teil alle Ehre machen. Tommy wird von einigen Gläubigern besucht, verliert die Kontrolle und veranstaltet ein Massaker - unter Mithilfe von Joey, der ihm beim zweiten Besuch der ungebetenen Gäste zu Hilfe eilt. Messer, Pistolen und Baseballschläger kommen zum Einsatz, Kopfschüsse, gebrochene Finger und jede Menge Blut sind das Ergebnis.
Die Optik sieht nach TV aus, aber trägt in diesem Fall zur Authenzität und dem schmutzigen Look bei, passt also. Der Soundtrack ist großartig, vor allem der Song, der beim Abspann über den Bildschirm flimmert, sehr im Bruce Springsteen Stil gehalten.
Was mir an dem Film besonders gut gefallen hat, war die zwischenmenschliche Komponente, das Verhältnis zwischen Joey und Tommy. Tommy liebt seinen Bruder, auch wenn es ihm manchmal schwer fällt, es ihm zu zeigen. Er ist egoistisch und auf sich fixiert. So erfährt der Zuschauer auch etwa zur Hälfte des Films, dass Joey den Raubmord, für den er verurteilt worden war, gar nicht begangen hat, sondern Tommy. Joey hat ihn gedeckt, da Tommy sein Bruder ist. Joey war ihm aber deswegen niemals böse und hegt keinen Groll. In einer metaphorischen Sequenz wird eindrucksvoll gezeigt, wie Joey im Ernstfall auf sich alleine angewiesen ist. Tommy plant ein Mädchen für Joey zu besorgen. Stattdessen vögelt er sie selbst, in der Abstellkammer einer Bar, während Joey draußen in eine Schlägerei mit einem fleischigen Rocker gerät. Mittels einer Parallelmontage zeit Giovinazzo Tommys Sex und Joeys Auseinandersetzung, die damit endet dass Joey seinen Gegner K. O. schlägt und Tommy erst kommt, als er bereits nicht mehr gebraucht wird. Untermalt ist die Montage von lauter, agressiver Punk-Rock-Musik.
Im Gegensatz zu Tommy (eher Typ egoistischer, grober Klotz) wird Joey sehr menschlich dargestellt. Er trifft seine ehenmalige Freundin wieder und stellt sie zur Rede, warum sie nicht auf ihn gewartet hat, wenn sie ihn doch liebte. Mittlerweile ist sie verheiratet und hat Kinder. Sie versucht Joey begreiflich zu machen, dass sie ihn geliebt hat, die Schuld, die Joey aber auf sich nahm, ihrer Beziehung den Todesstoß versetzte. "And not once did he say thanks.." bemerkt sie abfällig über Tommy. Als es im sehr emotionalen Showdown zu einer Neuauflage des Erlebnisses vor 6 Jahren kommt, hat Tommy erneut die Wahl. Wie wird er sich entscheiden? Gesteht er die Schuld ein und geht ins Gefängnis? Oder schiebt er seinem Bruder die Morde in die Schuhe? Als Joey mitbekommt, was sein Bruder vorhat, stellt er ihn zur Rede und macht ihm vor Lorraine - die bisher nichts von den wahren Vorkommnissen von damals wusste - klar, dass er bereits einmal 6 Jahre seines Lebens für ihn weggeworfen hätte. Woraufhin Tommy entgegnet, er habe sein ganzes Leben wegwerfen müssen, jedesmal wenn er Joey verteidigen musste, als er als Behinderter gehänselt wurde, jedesmal wenn er sein erbrochenes Essen aufputzen musste etc. Ich verrate nichts über das Ende, aber wer Giovinazzo kennt, weiß, dass er um eine gewisse Tragik nicht umhinkommt..
Stets zwischen den Stühlen steht Tommys Frau Lorraine, großartig gespielt von Deborah Kara Unger. Tommy betrügt sie ständig, liebt sie aber tief in seinem Innersten. Zwischen ihr und Joey entwickelt sich eine behutsame Freundschaft, die Tommy gegen Ende falsch deutet und glaubt, Joey und sie hätten eine Affäre. Unger steht in ihrer Rolle den beiden Hauptdarstellern in nichts nach, stets eine Zigarette im Mundwinkel und mit einem hoffnungslosen Blick ihre Umwelt beobachtend. Sie ist nicht zufrieden mit ihrem Leben, nicht mit dem bescheidenen Haus und ihren geringen finanziellen Mitteln, vor allen Dingen aber lehnt sie die kriminellen Machenschaften ab, in die ihr Gatte verstrickt ist.
Mir hat der Film wirklich sehr gut gefallen, leider ist es kein Werk, das dem Zuschauer den Drang verleiht, es öfter zu bewundern. Wie schon "Combat Shock" tut auch "No Way Home" weh, ist nicht leicht zu ertragen, letzterer allein durch die atemberaubende Performance von Roth (der Effekt wurde bei "Combat Shock" durch die mangelnde Qualität der Zuschauer ein wenig zunichte gemacht). Ein ähnliches Gefühl hatte ich nach Abel Ferraras ähnlich gelagertem "Bad Lieutenant". Dennoch ist der Film es wert, gesehen zu werden, eine Perle im Meer von belangloser Popcornunterhaltung...
7,5/10