Story: Der dunkle Raum

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline Janno

    • I don't know you, but I think I hate you
      • Show all replies
    TEIL 1

    Es war dunkel, dass selbst die Hand vor Augen nicht sichtbar wäre. Zudem war kein Luftzug zu spüren. Nur die stickige Luft von alten Kellergewölben und pilzbefallenem Holz waberte durch den Raum.
    "Wo bin ich hier?" fragte sich Justin, ein sechsundzwanzigjähriger Informatiker, leise, als er zu sich kam und die Augen öffnete. Er spürte etwas Weiches unter sich, was, wie er dachte, entweder ein Teppich oder eine Art Bett sein musste.
    Er richtete sich auf und merkte, als er seine Beine nach rechts bewegte und sie ins Leere glitten, daß er auf einer Art Pritsche gelegen haben muss. Er saß nun aufrecht am Rand der angeblichen Pritsche und spürte einen festen Untergrund unter seinen nackten Füßen, der aus Stein zu bestehen schien, da er rau, uneben und kalt war.
    Er wollte seine Arme bewegen und an sich heruntertasten, um zu sehen, ob alles an ihm in Ordnung war, doch hatte er keine Gelegenheit dazu, denn sie waren hinter seinem Rücken an den Handflächen zusammengeklebt. Er versuchte sie auseinanderzuziehen, doch der Kleber war so stark, dass er nur einen reißenden Schmerz verspürte, als ob ihm die Haut bei lebendigem Leibe abgezogen werden würde.
    Langsam stieg Panik in ihm auf und er wusste, dass ihn jemand verschleppt haben muss, nachdem er gestern Abend neben seiner Frau Janice eingeschlafen ist.
    "Hallo?! Ist da jemand?! Kann mich jemand hören?!" rief er aus vollem Hals ins Unbekannte. Doch das Einzige, was er hörte, war der einsame Hall seiner eigenen sorgengetränkten Stimme.
    Justin erhob sich von seiner provisorischen Liege und erkundete den dunklen Raum. Er ging drei Schritte vorwärts und stieß mit etwas Hölzernem zusammen. Er tastete mit seinem Fuß an dem Objekt entlang und erkannte ziemlich schnell, dass es sich um einen Stuhl handelte.
    Von da an ging er drei Schritte nach links und stieß auf die nasse kalte Mauer seines müffigen Gefängnisses. Er trat zweimal gegen die Wand in der Hoffnung, dass sich ein Stein lösen oder jemand das Klopfen hören würde. Doch beides war vergebens.
    Er presste sich mit dem Rücken und den festgeklebten Händen etwas gegen die Wand und ging an selbiger entlang, als er an etwas Metallisches geriet. Er ließ seine Arme und Hände an dieser Veränderung in der Wand entlanggleiten und merkte schnell, dass es sich um eine Tür handelte, da er eine Art Knauf ertasten konnte.
    Ein wenig Hoffnung keimte in ihm auf, als er sich in Gedanken durch diese Tür schreiten sah.
    Er klemmte den Knauf zwischen seine Arme und versuchte mit all seinen gesammelten Kräften, ihn in Bewegung zu setzen. Er strengte sich so sehr an, bis sich kleine Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten, doch der Knauf bewegte sich nicht einen Millimeter.
    Doch Aufgeben war keine Option.
    Er begab sich auf die Knie und klemmte den Türknauf zwischen seinen Kopf und seine rechte Schulter, in der Hoffnung, dass er so zu bewegen war. Doch auch mit dieser Methode hatte Justin kein Erfolg und er ließ verzweifelt von dem Knauf ab.
    Zu gerne hätte er seine zwei gesunden kräftigen Hände benutzt, doch diese befanden sich wie festgeschweißt hinter seinem Rücken.
    Justin sank, erschöpft von der Anstrengung und der aufbrodelnden Verzweiflung, in sich zusammen und saß nun auf dem kalten Steinfußboden und schrie aus vollem Hals: "SCHEIßE!!! VERDAMMTE SCHEIßE!!!"
    Plötzlich hörte er ein lautes Knacken und Rauschen, als ob jemand ein Radio anschalten würde, an dem kein Sender eingestellt war. Justin lauschte dem Rauschen aufmerksam, doch nach vier Minuten war nichts weiter zu hören, als dieses eine monotone Geräusch.
    Als er gerade seinen Kopf auf die Knie legen wollte schallte ein weiteres Knacken durch den Raum und das Rauschen wurde durch eine verzerrte Stimme ersetzt: "Mr. Lincoln, es freut mich sie in meinem kleinen bescheidenen Heim begrüßen zu dürfen."
    Eine Gänsehaut fuhr über Justins Körper und sein Unterkiefer, samt seiner Knie begannen ein wenig zu zittern.
    "Wer ist da?" fragte Justin mit fordernder Stimme in die Dunkelheit. Eine Antwort folgte prompt: "Es spielt keine Rolle, wer ich bin, Mr. Lincoln. Das Einzige, was wirklich zählt ist, was ich ihnen zu sagen habe und was sie für mich tun können."
    Justin kniff wutentbrannt die Augen zusammen und richtete sich an der Metalltür auf. "Ich habe keine Lust auf diese beschissenen Spielchen! Sagen sie schon, was sie wollen und dann lassen sie mich hier raus", sagte er selbstbewusst und mit solch Nachdruck, das er fast vor sich selbst erschrak.
    So kannte er sich nicht, war er doch sonst immer ein friedliebender Mensch, der sich jeden noch so kleinen Ärger vom Hals gehalten hatte. Streitigkeiten oder laute Wutausbrüche kamen bei ihm so gut wie nie vor. Er hat immer versucht, alles auf einem diplomatischen Weg zu klären, ohne auch nur die Stimme zu erheben.
    Selbst seine Frau Janice hat er niemals angeschrien oder beschimpft. Auch seine vierjährige Tochter Natalija kannte ihren Vater nur als liebevollen und gutherzigen Mann, der nie seine Stimme erhob oder ungerecht gehandelt hatte.
    Doch von diesem durchweg positiven Menschen war in diesem Moment nichts mehr übrig. Es kochte der Zorn in ihm. Ein Gefühl, welches ihm selber völlig unbekannt war. Am liebsten hätte er mit der Faust gegen eine der feuchten Wände geschlagen, doch der Kleber an den Händen hinderte ihn abermals daran.
    Er zerrte an ihnen so fest er konnte, wandte sich hin und her, doch musste er mit schmerzverzerrtem Gesicht und Tränen in den Augen feststellen, dass jede Mühe umsonst war.
    Ein hämisches metallisches Lachen füllte den Raum, welches Justin an Roboter aus den alten Science Fiction-Filmen erinnerte, die er in seiner Kindheit gerne geguckt hat: "Mr. Lincoln...Justin, geben sie's auf. Versuchen sie's erst gar nicht, sich zu befreien. Sie werden es nie schaffen, es sei denn, man würde ihnen die Hände abtrennen. Sicher sehnen sie sich bereits nach Licht und Freiheit. Eines kann ich ihnen bereits jetzt gewähren."
    Kaum war der Satz zu Ende gesprochen, füllte sich der Raum mit gleißendem Licht, welches Justin in den Augen schmerzte, sodass er sie schnellstmöglich schloss. Für einen kurzen Moment dachte er, er sei erblindet, als er seine Augen, die wie Feuer brannten, wieder öffnete und er nur das Rauschen der Lautsprecher wahrnahm. Doch langsam gewöhnten sie sich an das Licht, welches wie ein Blitz plötzlich den Raum erhellte.
    Er konnte verschwommene Konturen des Stuhls erkennen den er bereits ertastet hatte. Zudem erkannte er noch die Pritsche, auf der er lag, als er aus der Bewusstlosigkeit erwachte. Doch das meiste war noch immer sehr verschwommen, als ob Justin zu ein paar Gläser Scotch zuviel getrunken hätte.
    Er torkelte durch den Raum, um sich auf die Pritsche zu setzen, welche aus massivem Stein bestand und aus der Wand ragte und worauf eine graue raue Decke ausgebreitet war, wie er es aus den Knastfilmen der siebziger Jahre kannte. Sie roch nach Zigarettenqualm, der in Justin eine Übelkeit auslöste.
    Auch in der Firma, in der er arbeitete, konnte er sich nie in den Räumen aufhalten, in denen geraucht wurde. Zu schnell wurde ihm in diesen nikotinverseuchten Zimmern, die er liebevoll "Todeszellen" nannte, speiübel.
    Er sah zu der Glühbirne hinauf, die genau unter der Decke angebracht war und die den Raum mit Helligkeit flutete. Langsam sah Justin wieder klar und deutlich und er fühlte, wie ein weiteres Mal Panik in ihm aufstieg.
    Tote Ratten lagen in einer Ecke des Raumes, welche von lebenden Artgenossen angenagt wurden. Im sekundentakt gaben sie piepsende Laute von sich, welche Justin eiskalte Schauer über den Rücken laufen ließen.
    Die Wände waren kahl und brüchig, aber nicht so brüchig, dass man sie eintreten oder mit der Wucht des Körpers hätte zerstören können. Ein paar Risse und Kerben zierten sie. Und wie er vermutete, waren Lautsprecher an jeder Wand angebracht.
    In der Mitte des Raumes stand der Stuhl, den Justin in der Dunkelheit ertasten konnte. Unter ihm war eine Art Abfluss, welcher von einer roten getrockneten Substanz umgeben war. Er sah bereits seinen leblosen Körper kauernd zusammengerollt in einer der vier Ecken liegen, während ein Dutzend kleiner Ratten sich an seinen Augen und seinen Zehen zu schaffen machten. Wie sie sich erst mit ihren kleinen Nagezähnen durch die Hautschichten bohrten, um anschließend das vielleicht noch warme Fleisch zu verschlingen und kleine Stückchen aus ihm herausrissen, bis nur noch sein fauliger, zerfressener Kadaver übrigblieb.
    Diese Vorstellung ließ Justin erschaudern und am ganzen Körper zittern. Noch nie in seinem jungen Leben hatte er sich vor Ratten gefürchtet, doch in diesem engen klaustrophobischen Verlies wirkten sie auf ihn wie gierige und blutrünstige Monster.
    "Was ist das für ein Raum?" fragte er sich, doch wollte er es eigentlich in Wirklichkeit gar nicht wissen, da er das Schlimmste befürchtete.
    Er erkannte, dass zahlreiche kleine Fotos an der gegenüberliegenden Wand angebracht waren, welche er aus der Entfernung jedoch nicht genau erkennen konnte. So rappelte er sich auf und versuchte auf seinen zitterigen Beinen ausreichend Halt zu finden. Er ging auf die Wand mit den Bildern zu und erschrak, als er sie genau betrachten konnte.
    Die ersten vier Bilder zeigten seine Frau Janice, die zu schlafen schien. Das erste Foto zeigte lediglich ihr Gesicht und ein Messer, welches an ihr rechtes Auge gehalten wurde, bereit, es ihr auszustechen. Unter dem Bild stand das Wort "Augenschmaus" geschrieben.
    Das zweite Bild zeigte ihr aufgeknöpftes Pyjamaoberteil, woraufhin ihre Brüste zum Vorschein kamen. Unter diesem Bild stand das Wort "Begierde".
    Justin fiel das Atmen immer schwerer, je länger er die Bilder betrachtete.
    Das dritte Bild zeigte ihr Geschlecht, worauf auch ein Messer gerichtet war. Unter diesem Foto stand das Wort "Obsession" geschrieben.
    Das vierte Bild zeigte seine Frau vollständig nackt auf dem Bett liegend. Sie lag auf dem Rücken, die Arme weit von sich gestreckt, die Beine zusammenhaltend und der Kopf leicht nach links geneigt. Es erinnerte Justin an Jesus, dem sein Leben am hölzernen Kreuz ausgehaucht wurde. Unter dem Bild prangte das Wort "Erlösung" in großen roten Lettern.
    Das fünfte und letzte Bild zeigte das schlafende unschuldige Gesicht seiner Tochter Natalija. Auch an ihrem Hals war ebenfalls eine blitzende Klinge zu erkennen. Unter diesem letzten Foto stand "Vergeltung" geschrieben.
    "Großer Gott", dachte sich Justin, der beim Betrachten dieser schockierenden Bilder einen Schritt zurücktrat.
    Plötzlich schallte es wieder aus den Lautsprechern: "Ah, sie haben sie gesehen. Und, gefällt ihnen meine kleine Fotostrecke, Mr. Lincoln? Ich finde, ich habe mich selbst übertroffen. Und ihre Frau, sie schmeckt so süß und fühlt sich so gut an. Ihre Haut ist so zart und die Lippen so weich. Ihre Tochter ist ebenfalls ein wahres Goldstück. Ich bin gespannt, wie ihr junges Blut schmeckt, wenn ich ihr die Kehle durchgeschnitten habe."


    Offline Janno

      • I don't know you, but I think I hate you
        • Show all replies
      Ich hab's gestern gelesen. Atmosphärisch hastes ja drauf, aber denkt ein Mann, denn man aus dem Bett seiner Frau gerissen hat und der eine 4-jährige Tochter hat nicht zuerst in Panik daran, was mit den beiden passiert ist - das müsste ihn doch eigentlich auffressen, diese Ungewissheit.  :confused:
      Gut geschrieben - wann kommt Teil 2?  :D
      Erstmal danke für die Blumen :)

      Ich bin wohl immer ein bisschen von Filmen beeinflusst, wo es sehr oft immer um das eigene Überleben geht. Die Familie wird halt oft als Druckmittel und als psychologische Komponente genutzt. Aber spurlos vorbei geht es an dem Hauptcharakter definitv nicht.

      Teil 2 ist bereits geschrieben, aber ich lasse mir noch ein bisschen Zeit. Ich hoffe ja immernoch, dass dieser Teil etwas gelesen wird :)
      « Letzte Änderung: 17. Januar 2008, 08:53:50 von Janno »


      Offline Janno

        • I don't know you, but I think I hate you
          • Show all replies
        Janno???????????????? *malkurzanrempel* Ich hab's ja nicht so mit der Geduld. Kannste mal bitttööööööööööööö mit Teil 2 rausrücken?????  :D
        Geduld ist eine Tugend...Eile mit Weile :)


        Offline Janno

          • I don't know you, but I think I hate you
            • Show all replies
          TEIL 2

          Justin fuhr zusammen, sank auf seine Knie herab und stieß einen lauten donnernden Schrei aus, aus dem Verzweiflung, Angst und Wut heraus zu brechen schienen. Die Stimme aus den Lautsprechern wurde wieder durch ein lautes mechanisches Rauschen abgelöst, welches Justin in den Ohren dröhnte. Er war den Tränen nahe und musste an seine kleine Familie denken, die er nun nicht im Stande war zu beschützen. All ihre Pläne wurden auf einen Schlag zerstört. Sie wollten zusammen in diesem Sommer an den traumhaft weißen Sandstrand von Cape Cod fahren. Allein bei dem Gedanken daran konnte er den feinen Sand zwischen seinen Zehen spüren. Es sollte Natalijas erster Strandurlaub werden, doch schien alles nur noch bei einem Traum zu bleiben.
          Justin versuchte zu realisieren, dass er seine Familie nie wieder sehen würde. Unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, stand er auf und rief in die Leere seiner Zelle hinein: "Warum ich? Was habe ich getan?"
          Doch eine Antwort blieb aus. Nur das Rauschen blieb in seinen Ohren bestehen. Durchdrungen von Verzweiflung und Schuldgefühlen, da er seiner Familie nicht helfen konnte, verharrte Justin auf seinen Knien an der Wand mit den Fotos seiner geliebten Familie.
          In seinem Kopf spielte ein Film voller Gewalt und Tod, worin seine Frau und seine Tochter die Hauptrolle spielten. Selbst er fühlte sich in diesem Moment nicht mehr lebendig, war er doch von dem, was er liebte und lebte so weit entfernt.
          Der Raum schien mit jedem Atemzug kleiner zu werden. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die kalten nassen Wände Justins schmächtigen Körper zerquetschten. Und er hatte nicht die geringste Chance, diesem Schicksal zu entfliehen.
          Noch völlig benommen von dem Schock und der plötzlich eingetreten Einsamkeit, drang wieder die fremde Stimme aus den Lautsprechern. "Mr. Lincoln, Mr. Lincoln" mahnte ihn mit einem merklich sarkastischen Unterton die unbekannte Person, die für ihn der leibhaftige Teufel war. "Was ist mit ihnen los? Bekommt ihnen etwas nicht? Kann ich ihnen vielleicht irgendwie behilflich sein?"
          Justin hob seinen Kopf in Richtung eines Lautsprechers. Seine Augen waren tränenverschmiert. Gerade als er etwas sagen wollte, kam ihm der geheimnisvolle Unbekannte zuvor: "Natürlich könnte ich ihnen behilflich sein. Aber, Mr. Lincoln, will ich das denn auch?"
          Ein hämisches Lachen klang durch den Raum und Justin fühlte sich so hilflos wie noch nie zuvor in seinem Leben. Er senkte seinen Kopf zu Boden und stammelte mit zitterig weinerlicher Stimme: "Was hab ich getan? Ich habe doch nichts gemacht. Ich habe niemandem irgendwas getan. Bitte, ich will hier raus. Ich will zu meiner Familie."
          Das Lachen verstummte abrupt und wechselte in eine zornige Stimme, die wie ein Donnerschall durch den Raum fegte: "Hör auf zu flennen, du widerwärtiges Stück Dreck! Alles hat einen Sinn und du kriegst das, was du verdienst!"
          Justin hob wieder seinen Kopf und schaute zu dem gegenüberliegenden Lautsprecher. Er hielt kurz inne bevor er fragte: "Was habe ich denn getan, dass ich das hier verdiene?"
          "Nicht so voreilig, Mr. Lincoln. Sie werden schon zu gegebener Zeit erfahren, warum ich sie heute meinen Gast nennen darf."
          "Und warum nicht jetzt?" fragte Justin mit sorgenbeladener Stimme und starrer Verzweiflung im Gesicht.
          "Gut Ding will Weile haben, Mr. Lincoln. Und keine Sorge, ich werde sie es schon noch früh genug wissen lassen."
          Justin war ratlos und kramte in seinem Gedächtnis, wem er etwas, sicherlich unbewusst, angetan haben könnte, wen er verletzt oder gekränkt haben könnte. Begegnete er doch allen Menschen durchweg freundlich und aufgeschlossen, wusste er dennoch bereits sehr früh, dass ihm keine Person einfallen würde, welche ihm etwas antun wollen würde.
          Nicht einmal in seiner Kindheit neigte er dazu, sich mit Mitschülern oder anderen Kindern zu streiten oder gar zu prügeln. Selbst als sein damaliger Klassenkamerad Richard Jennings ihm seine Hausaufgaben zerriss, sein Pausengeld klaute oder in seinen Rucksack pinkelte, blieb Justin stets freundlich und unbeeindruckt. Es war so, als würde er keine Wut empfinden können.
          Doch an diesem Tag, als er in diesem beklemmend engen Raum festsaß, wurde er eines besseren belehrt.
          Justin wollte sich gerade wieder auf die Beine stellen, als urplötzlich das Licht erlosch. Der Raum war wieder vollkommen finster. Justin fühlte sich, als hätte er sein Augenlicht verloren und torkelte ziellos durch den Raum. Ein weiteres Mal war er einzig und allein wieder auf sein Gehör und seinen Tastsinn angewiesen.
          "Und wieder wie ein blindes Huhn. Oder eher wie ein blinder Hahn, auch wenn sie sich hier drinnen wie ein Mädchen anstellen", fuhr die bedrohlich verzerrte Stimme durch die Dunkelheit.
          Justin rappelte sich auf und schlich durch den dunkeln Raum, bis er an die massive Tür stieß. Er schlug drei Mal fest mit der Faust gegen das schwere Eisen und schrie um Hilfe, doch was er zu hören bekam, war nur das Lachen seines Peinigers, des unbekannten Entführers, der seine Familie töten würde, wenn er sich nicht seine Freiheit erkämpfen könnte.
          Er lehnte sich ausgezerrt und erschöpft mit seinem Rücken und seinen Armen, die noch immer an den Händen zusammen geklebt waren, gegen die Tür. Ein weiteres Mal ertönte die Stimme: "Justin, geben sie es auf. Sie haben nicht die geringste Chance, hier raus zu kommen. Gehen sie zurück zur Pritsche und ruhen sie sich aus. Legen sie sich hin und versuchen sie zu schlafen. Sie werden ihre Energie noch brauchen, glauben sie mir."
          Justin wusste nicht genau warum, aber er tat das, was ihm gesagt wurde. Er stieß sich mit einem kräftigen Ruck von der Tür ab und schlenderte Richtung Pritsche, um für einen Moment Ruhe zu finden. Kurz bevor er sie erreichte, hörte er, wie ein lautes Krachen und Quietschen die Ruhe störte.
          Er drehte sich um und bemerkte, dass die Tür geöffnet wurde. Ein seichter Lichtkegel durchschnitt die Dunkelheit. Plötzlich überkam ihn eine Gänsehaut und er konnte die Freiheit bereits riechen. Sollte vielleicht doch jemand seine Hilferufe gehört haben?
          Es trat eine Gestalt, die etwas in der rechten Hand hielt, in den Türrahmen. Bevor Justin jedoch irgendeine Bewegung machen konnte, schoss ein gleißender Lichtstrahl, vermutlich aus einer Taschenlampe, in sein Gesicht, der ihm abermals die Sicht nahm, was ihn dazu zwang die Augen zu schließen. Justin wollte seinen Kopf zur Seite drehen, um dem Licht zu entgehen, doch war er vor Schreck wie erstarrt.
          "Ich dachte, ich schicke ihnen etwas Gesellschaft, Mr. Lincoln. Jemanden, mit dem sie spielen können. Es ist jemand, den sie bereits näher kennenlernen durften", informierte ihn die Stimme.
          Justin hörte vorsichtige Schritte einer Person, die langsam auf ihn zukam, ohne den Lichtstrahl zu unterbrechen. Als die Person hinter ihm zum Stehen kam, hörte er eine weibliche Stimme: "Justin?! Oh mein Gott, Justin! Ich will das nicht! Ich kann das nicht!"
          Justin brauchte einen Moment, um die zitternde schwache Stimme zu erkennen. Es war Darcy Bouvier, die dreiundzwanzigjährige Nachbarin von Justin, die vor knapp drei Jahren von Kanada nach Texas zog. Ihr wurde ein Job in einem großen Krankenhaus angeboten, welcher einen Umzug zwingend erforderlich machte. Sie hatte damit kein Problem, da sie weder liiert war, noch Kinder hatte.
          Stets war sie freundlich und mochte es, am Gartenzaun mit Justin über die restliche Nachbarschaft zu scherzen und mit Janice zu tratschen. Selbst die kleine Natalija mochte Darcy, war sie doch eine der wenigen Personen, bei denen sie nicht sofort zu weinen anfing.
          Jedoch war in diesem Moment nichts mehr von ihrer überschäumenden Fröhlichkeit zu spüren. Ihr ansteckender Frohsinn wurde von einer nervenzerrenden Angst verdrängt, die ihre Stimme zittern ließ. "Bitte beweg dich nicht", flehte Darcy Justin mit besorgniserregender Stimme an. Er versuchte seine Augen zu öffnen, schaffte es jedoch nicht, da immer noch die Taschenlampe auf sein Gesicht gerichtet war und es in den Augen schmerzte.
          Plötzlich merkte er, wie sich etwas vor seine Augen schob, denn das schmerzende Licht wurde unterbrochen und es wurde ihm pechschwarz vor Augen. Ebenfalls merkte er eine Art Druck an seinen Augen, seinen Schläfen und seinem Hinterkopf. Ein Druck, der sich nun an der Rückseite seines Kopfes ruckartig verstärkte.
          Verwundert über die Situation fragte er Darcy, was vor sich ginge. "Man sagte mir, ich sollte dir die Augen zubinden und dann...", antwortete Darcy, bis sie mitten im Satz innehielt und anfing zu weinen.
          Justin hakte verwundert und irritiert nach: "Was?! Was und dann?!" 
          Darcy weinte inzwischen hysterisch und konnte kaum richtig atmen. Er bat sie ein weiteres Mal ihm zu sagen, was noch passieren würde. Kaum hatte er sie dieses weitere Mal gefragt, stieß sie die Antwort mit gequälter Stimme heraus: "Dann - dann soll ich dich mit der Axt in Stücke schlagen."


          Offline Janno

            • I don't know you, but I think I hate you
              • Show all replies
            Nun mal nicht so hektisch. Lasst doch erstmal diesen Teil auf euch wirken :)
            Teil 3 folgt bald ;)
            « Letzte Änderung: 20. Januar 2008, 20:36:35 von Janno »


            Offline Janno

              • I don't know you, but I think I hate you
                • Show all replies
              So, hat gewirkt - kannst Teil 3 posten, ich bin so weit!  :P
              Mal gaaaaaanz langsam :)
              Würde gerne ein paar Meinungen hören, damit ich weiß, was ich vielleicht besser machen kann.


              Offline Janno

                • I don't know you, but I think I hate you
                  • Show all replies
                Der Plot kommt ziemlich gut. Justin kommt mir zu weinerlich und unreif rüber.
                Der Cliffhanger am Ende ist sehr gut gesetzt.
                Also ich denke, ich würde auch weinerlich rüberkommen, wenn ich in so einer Todesfalle sitzen würde :)
                Aber ansonsten DANKE :)
                « Letzte Änderung: 21. Januar 2008, 21:56:45 von Janno »


                Offline Janno

                  • I don't know you, but I think I hate you
                    • Show all replies
                  Ich persönlich halte es für äußerst unrealistisch, wenn jemand in solcher Situation ständig die Nerven behält und völlig unbeeindruckt ist.
                  Und ich wäre so jemand, der wohl eher unter sich machen würde, als den großen Helden zu spielen :)


                  Offline Janno

                    • I don't know you, but I think I hate you
                      • Show all replies
                    TEIL 3

                    Justin stockte der Atem und er fühlte, wie seine leicht gebräunte Haut kreidebleich wurde. Er war sich nicht sicher, ob es Darcy ernst war mit dem, was sie sagte oder ob es nur ein mieser Psychotrick von dem unbekannten Entführer war.
                    Plötzlich spürte er einen starken Druck in seinem Rücken, der sich wie ein Stoß anfühlte. Er stolperte in die Mitte des finsteren Raumes und fiel zu Boden. Panisch blickter er durch die Dunkelheit, konnte jedoch nicht die kleinste Kontur erkennen. Aus den Lautsprechern klang leise der Song "I Was Born To Love You" von Freddie Mercury. Es schien als würde der Unbekannte Justin und seine Nachbarin Darcy verspotten mit einem Song, dessen Titel gegensätzlicher nicht sein konnte.
                    "Darcy, verdammt nochmal! Wieso tust du das?! Ich habe dir nichts getan!" schrie Justin in den Raum hinein, ohne zu wissen, wo seine sonst so herzensgute Nachbarin stand, welche immernoch bitterlich weinte. Er hatte seine Orientierung und den Sinn für das räumliche Denken komplett verloren. Angst und Panik hatten von ihm Besitz ergriffen und seinen Verstand völlig umschlungen.
                    "Ich muß es tun, sonst  tut er mir weh. Justin, er wird mir sehr wehtun, wenn ich dich nicht töte", antwortete eine verzweifelte Darcy mit weinerlicher und gequälter Stimme. "Ich will nicht. Ich will einfach nicht mehr. Mami, bitte hilf mir. Maaaamiiiii."
                    Justin hatte nicht den Mut, sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen, aus Angst eine schwere Axt könnte ihn in zwei blutige Teile spalten. Er versuchte, sich auf das Klagen von Darcy zu konzentrieren, um herauszufinden, wo sie sich im Raum befand. Er stand nicht auf, sondern kroch auf Knien durch den Raum in der Hoffnung, nicht die todbringende Axt spüren zu müssen.
                    Er hörte die Anstrengung, die Darcy aufbringen musste, um dieses schwere Mordinstrument durch die Luft zu schwingen, welches in kurzen Abständen immer wieder mit einem leisen eisernen Kratzen den Boden berührte. Er hörte ihre Schritte, die mehr wie ein Schlurfen klangen, da sie ihre Füße nicht richtig vom Boden hob.
                    Als er der Meinung war, an Darcy vorbei gekrochen zu sein, rappelte er sich auf, drehte sich um und stürzte ruckartig nach vorne, woraufhin sein Brustkorb gegen Darcys Rücken prallte. Er stand so nah hinter ihr, dass er ihr Shampoo, welches nach Apfel roch, wahrnehmen konnte. Plötzlich schallte ein lauter markerschütternder Schrei durch die Finsternis und Justin ließ, vor Schreck wie erstarrt, von Darcy ab. Diese drehte sich um hundertachtzig Grad und holte weit mit der Axt aus, bevor sie mit voller Wucht zuschlug.
                    Justin, unfähig sich zu rühren, spürte kurz darauf einen beißenden Schmerz an seinem linken Oberarm und eine schnell ansteigende Übelkeit. Er spürte ein starkes Schwindelgefühl und es fiel ihm schwer, sich auf den Beinen zu halten.
                    Schnell wurde ihm klar, dass Darcy ihn zwar nicht richtig getroffen, aber auch nicht richtig verfehlt hatte. Sie hatte ihn lediglich gestreift, doch das reichte schon, dass er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht seine Hand auf die Wunde drücken wollte. Sicherlich war der Schock größer, als es die eigentliche Verletzung gewesen ist, doch Justin dachte, er wäre kurz davor, seinen Arm zu verlieren.
                    Er versuchte, seine Hände ein weiteres Mal auseinander zu ziehen, doch auch dieses Mal hatte er keinen Erfolg, was noch zu mehr Schmerzen für ihn führte. Er torkelte einige Schritte zurück.
                    Es würde tödlich enden, wenn er jetzt an ein und derselben Stelle verharren würde, da Darcy noch immer hysterisch mit der Axt die Luft zerteilte.
                    "Er versucht uns zu täuschen, Darcy. Glaub mir, er wird uns nichts tun. Er will, dass wir uns gegenseitig töten, damit er sich nicht die Finger schmutzig machen muss", versuchte Justin Darcy einzureden, doch diese schwang weiter die Axt, um Justin das Leben auszuhauchen. "Darcy, er täuscht uns", wiederholte Justin, glaubte sich selber jedoch kein einziges Wort.
                    Dieses Mal hörte er den Kopf der Axt zu Boden gehen. Sie kratzte über den Boden, weil Darcy sie immernoch in der Hand hielt. Das Weinen nahm etwas ab und sie sagte in einem schluchzenden Ton: "Glaubst du wirklich, dass wir hier heil rauskommen?"
                    Justin war sich nicht sicher, ob sie tatsächlich naiv genug war, seinen Worten Glauben zu schenken, doch es war die einzige Chance, sich vor dem sicheren Tod zu retten und hoffte, sie würde ihm glauben. "Vertrau mir", er Justin hinzu.
                    Nun hörte er auch den Aufprall des hölzernen Griffes und das Weinen verstummte schließlich ganz, bis nur noch ein unregelmäßiger Atmen zu hören war. Erleichtert, aber dennoch erschöpft fiel Darcy zu Boden und sagte: "Justin, ich weiß, wer unser Entführer ist. Ich habe sein Gesicht gesehen."
                    "Du weißt es?" fragte Justin erstaunt.
                    "Ja, ich weiß es. Als mich der Entführer hierher brachte, trug er keine Maske. Er überraschte mich, als ich gerade duschen wollte. Er stürmte in mein Badezimmer und schlug mich bewusstlos."
                    "Und da hast du sein Gesicht gesehen?"
                    "Nein, erst in seinem Auto konnte ich in diese verachtenden Augen blicken. Und glaub mir, diese Augen hatten nichts menschliches an sich."
                    "Wer ist's denn nun? Was ist das für ein irrer Kerl, der uns hier quält?"
                    "Justin, du wirst es kaum glauben, aber..."
                    Plötzlich wurde Darcy von dem Donnern der eisernen Tür unterbrochen, die unter großem Getöse aufschlug. Bevor Justin in der Lage war, sich zu rühren und das hereinströmende schwache Licht der Außenwelt zu realisieren, spürte er einen Schlag direkt auf seinem Hinterkopf. Von diesem Augenblick an wurde es ruhig um ihn. Keine Stimmen oder Geräusche schwirrten mehr durch den Raum, nur grenzenlose Stille.
                    Auch das Licht, welches sachte in das muffige Verlies strahlte, erlosch. Somit war alles um ihn herum still und schwarz. So musste es sich anfühlen, wenn man tot ist.
                    Weder Träume noch irgendwelche Gefühle, die einen aufschrecken, lachen oder weinen lassen. Die Zeit wurde in diesem Moment bedeutungslos. Sorgen gehörten auf einmal der Vergangenheit an. Doch lange sollte diese friedliche Stille nicht anhalten.
                    Justin wachte mit pochenden Kopfschmerzen auf der kalten Pritsche auf, welche nun völlig ohne die muffige Decke auskommen musste und von der jede Spur fehlte. Er öffnete die Augen, welche sich schnell an das Licht, welches die Glühbirne in der Mitte des Raumes verteilte, gewöhnten. Es kam ihm vor, als seien lediglich ein paar Minuten verstrichen, nachdem ihm ein harter Gegenstand gegen den Kopf schlug.
                    Doch der Unbekannte aus den Lautsprechern belehrte ihn eines besseren: "Na wer macht denn da die Äuglein auf? Mr. Lincoln, haben sie schön geschlafen? Sie waren bestimmt gute fünf Stunden weg."
                    Justin versuchte sich aufzurichten, doch es fiel ihm schwer, seinen Oberkörper zu erheben. Mit größter Anstrengung wuchtete er sich hoch und saß nun aufrecht. "Was zum Teufel...?" stammelte er. Noch immer benommen sah er sich im Raum um.
                    "Hat ihnen der kleine Tanz mit ihrer süßen Nachbarin gefallen, Mr. Lincoln? Haben sie es genossen? Hatten sie Spaß?" spottete der Unbekannte.
                    Wut kroch in Justin hoch. Solch eine Wut, wie er sie noch nie zuvor gefühlt hatte.
                    "Du kranker perverser Drecksack. Macht dich das scharf, wenn du zusiehst, wie wir uns quälen? Macht's dich geil?" fragte Justin provozierend.
                    Kurze Zeit war es still im Raum. Nur ein leises Rauschen tönte aus den Lautsprechern an den Wänden, bis es durch die bekannte metallische Stimme ersetzt wurde: "Es ist eine kleine Genugtuung zu sehen, wie verzweifelt und hilflos sie sind. Um ihnen meinen Dank zu zeigen, Mr. Lincoln, habe ich ihnen zwei kleine Geschenke in ihr Zimmer gestellt. Ein Dankeschön für ihre Anwesenheit und ihren Eifer, den sie hier an den Tag legen. Schauen sie unter sich."
                    Justin kniete sich vor die Pritsche und sah zwei große Taschen darunter stehen. Er setzte sich hin und versuchte sie mit seinen Beinen an sich heran zu ziehen. Als er beide Tüten zu sich gezogen hatte, richtete er sich auf und warf einen Blick in die erste Tüte. Justin stieß einen dumpfen Schrei aus, riss die Augen, die nun ein weiteres Mal voller Angst und Verzweiflung waren, so weit er konnte auf und trat einen Schritt zurück, als er erkannte, was darin verborgen war.
                    Es war ein abgetrennter Arm, welcher von Schnittwunden und Verbrennungen übersät war. Er musste zu einer Frau gehören, da er für einen Mann zu schmächtig aussah. Justin hatte schwer damit zu kämpfen, sich nicht übergeben zu müssen.
                    "Du kranker...", sagte Justin leise, musste den Satz aber abbrechen, da er ein weiteres Mal gegen die hereinbrechende Übelkeit ankämpfen musste. Er fasste seinen ganzen Mut zusammen und trat an die zweite Tüte heran. Obwohl er zitterte wie Espenlaub, beugte er sich über sie und warf einen Blick hinein.
                    Nun konnte er jedoch nicht mehr an sich halten und übergab sich auf den kalten massiven Steinfußboden. Ihm stockte der Atem und eine weitere Panikattacke kam in ihm auf.
                    Die durchdringende Stimme des Unbekannten meldete sich: "Und, was sagen sie zu ihren Geschenken? Ist doch nett. Ich will ihnen doch nur eine Freude machen."
                    In der zweiten Tüte befand ich ein abgetrennter Kopf, dessen entstelltes Gesicht nun auf ewig in Justins Gedächtnis eingebrannt war.
                    Die Mundwinkel dieser Todesfratze waren bis zu den Ohren aufgeschlitzt. Die Augen waren heraus gebrannt worden und in die Stirn wurde das Wort "VERLOREN" geritzt. Justin erkannte das Gesicht. Es gehörte der Person, mit der er gerne Scherze am heimischen Gartenzaun machte. Es war Darcy.
                    Wieder meldete sich der Unbekannte: "Sie sagte ja, ich würde ihr wehtun, wenn sie nicht das macht, was ich ihr gesagt habe. Und ich meinte es auch so. Ich habe ihr aber nur ein bisschen wehgetan, wie sie sehen können. Tja, so kann es gehen. Und wie sie sehen, Mr. Lincoln, täusche ich hier niemanden. Nur sie täuschen sich, wenn sie glauben, dass sie das hier überleben werden - sie und ihre gottverdammte Familie."


                    Offline Janno

                      • I don't know you, but I think I hate you
                        • Show all replies
                      Hält denn dieser Teil noch das "Niveau" der Vorgänger oder wird's schlechter (oder gar besser  :) )?


                      Offline Janno

                        • I don't know you, but I think I hate you
                          • Show all replies
                        Danke für die Blumen :)
                        Du bist also Splatterfan? Denn magst du den guten Richard Laymon bestimmt auch, hm? :)
                        Also ich mag zu viel Splatter nicht so gerne. Halte mich da gerne etwas zurück.


                        Offline Janno

                          • I don't know you, but I think I hate you
                            • Show all replies
                          Der vierte Teil wird wohl etwas länger dauern, denn der ist noch nicht geschrieben.

                          Hab hier aber noch zwei andere Geschichten liegen, aber die sind hier wohl eher fehl am Platze, da es hauptsächlich um das Thema "Liebe" geht.

                          Aber der Raum ist definitiv weiter :)


                          Offline Janno

                            • I don't know you, but I think I hate you
                              • Show all replies
                            Wenn mich die Muse küsst, schreib ich auch weiter. Nur sie ist momentan ziemlich zickig :)

                            Also nochmal an alle:
                            Lest die ersten Teile und schreibt eure Meinung, wenn ihr möchtet. Ist mir wirklich wichtig.


                            Offline Janno

                              • I don't know you, but I think I hate you
                                • Show all replies
                              Wenn mich die Muse küsst, schreib ich auch weiter. Nur sie ist momentan ziemlich zickig :)

                              Also nochmal an alle:
                              Lest die ersten Teile und schreibt eure Meinung, wenn ihr möchtet. Ist mir wirklich wichtig.

                              Schick mir mal deine Muse vorbei - wenn ich mit der fertig bin, klappts auch wieder mit der Schreiberei.  :twisted:
                              Ernsthaft - ich freue mich wirklich auf die Fortsetzung.  :D
                              Glaub mir, ich bin auch gespannt auf eine Fortsetzung :)
                              Aber sobald ich mal wirklich zum Schreiben komme, geht es munter weiter.


                              Offline Janno

                                • I don't know you, but I think I hate you
                                  • Show all replies
                                So, alle die nochmal eine Auffrischung brauchen, sollten jetzt nochmal die ersten drei Teile lesen, denn in den nächsten Tagen geht der vierte Teil der Geschichte online.

                                @stubs
                                Das Warten hat also bald ein Ende ;)


                                Offline Janno

                                  • I don't know you, but I think I hate you
                                    • Show all replies

                                  Offline Janno

                                    • I don't know you, but I think I hate you
                                      • Show all replies
                                    Okay, ich hab es mir anders überlegt :)

                                    --------------------------

                                    TEIL 4

                                    Justin wusste nicht ein und nicht aus. Es wäre ihm am liebsten gewesen, wenn der geheimnisvolle Unbekannte ihn einfach getötet hätte, als ihn stundenlang zu quälen und zum Narren zu halten. Jedes einzelne Wort von ihm klang wie ein Stich ins Herz und Justin sehnte sich nach der Stille des Todes.
                                    Doch diesen Gefallen wollte ihm der Unbekannte nicht tun. Wieder meldete sich der Unbekannte mit der gleichen, verzerrten Stimme zu Wort: "Justin, machen Sie sich keine Sorgen. Sie werden sterben, jedoch nicht sofort und auch nicht in den nächsten Tagen. Sie werden noch ein wenig für meine Unterhaltung sorgen."
                                    Justin sah auf und fragte in einem leicht weinerlichen Tonfall, in dem auch eine Prise Zorn mitklang: "Wer bist du?! Sag mir, wie Du heißt. Wie heißt dieses widerwertige Dreckschwein, welches nicht den Mumm hat, sich zu zeigen?!"
                                    "Nennen Sie mich...", der Unbekannte hielt einige Sekunden inne, "…nennen Sie mich Vic. Einfach nur Vic."
                                    Justin erhob sich vom kalten Fußboden und streckte sich, bis sein Nacken ein knackendes Geräusch von sich gab. "Was hast du mit mir vor?" fragte er in einem ruhigen Ton, welcher den weinerlichen nun verdrängt hatte.
                                    "Meinen Sie nicht, das es besser ist, nicht alles zu wissen?" fragte Vic in einem spöttischen Ton.
                                    "Ich will wissen, was ich getan habe. Ich will wissen, wofür ich es verdiene zu leiden."
                                    "Nun, da mir ihr kleines Tänzchen mit ihrer minderbemittelten Nachbarin so sehr gefallen hat, werde ich ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern."
                                    Justin setzte sich wieder auf die Pritsche, da ihm die Beine wehtaten, welche er nun weit von sich streckte. Er fragte: "Also was ist es? Eine nicht bezahlte Rechnung? Eine Schramme in der Autotür? Hab ich dir 'n Job vermasselt? WAS?"
                                    "Es ist weit mehr als so etwas, Mr. Lincoln" antwortete Vic. "Es ist viel mehr, als Sie sich vorstellen können. Sie sind mir ein lästiger Dorn im Auge und ich will Sie loswerden, damit ich mein Ziel erreichen kann."
                                    Justin schaute etwas irritiert auf einen der an der Wand befestigten Lautsprecher, bevor er Vic eine weitere Frage stellte: "Wie kann ich Dir im Weg stehen, du kranker Irrer? Ich leb nur mein Leben und hab nichts Böses im Sinn oder angestellt. Also was habe ich getan, was Dich stört?"
                                    "Sie LEBEN. Nichts stört mich mehr, als das Sie leben. Ich könnte Sie so leicht ausknipsen, aber das wäre zu leicht. Ich will Sie leiden sehen, bevor Sie verrecken" schallte es aus den Lautsprechern, als sei Vic erzürnt über Justins Frage.
                                    In Justins Ohren klang ein durchgehendes Pfeifen, welches von der lauten verärgerten Stimme Vics entstand. Er schüttelte seinen Kopf in der Hoffnung, dieser unangenehme Ton würde verschwinden, doch er war noch immer vorhanden, bereit, Justin in den Wahnsinn zu treiben.
                                    Immer noch ratlos über die Worte seines Peinigers, stand Justin von der Pritsche auf und ging zu dem gegenüberliegenden Lautsprecher. Er atmete tief durch und bereitete sich auf eine Frage vor, die ihm schon seit Stunden durch den Kopf geisterte. Er fürchtete jedoch die Schlagkraft der darauf folgenden Antwort.
                                    Er kniff die Augen zusammen und wehrte sich gegen den Drang, diese eine Frage zu stellen, doch dann sprudelte es aus ihm heraus: „Wo ist meine Familie und was ist mit ihr geschehen?“
                                    Eine Übelkeit stieg in Justin auf. Die Angst vor der Antwort war fast lähmend, doch diese blieb aus. Er wollte doch nur hören, dass es seiner kleinen Familie gut ging. Das sie in Sicherheit zuhause im Bett lagen und ihnen kein Haar gekrümmt wurde.
                                    Doch schnell wurde Justin klar, dass er solch eine Antwort nicht bekommen würde. Ihm war stets bewusst, dass der Wahnsinnige ihm alle Träume zerschlagen würde. Selbst den Wunsch zu sterben würde er ihm vorerst nicht gewähren.
                                    Erschöpft senkte Justin den Kopf zu Boden. Doch etwas fiel ihm auf. Etwas war plötzlich anders. Die Luft, sie veränderte sich. Sie roch beißend und brachte ihn zu einem trockenen Würgen.
                                    Justin versuchte den Atem anzuhalten, was ihm auch für knapp eine Minute gelang. Doch der Gestank verbreitete sich weiter und verschwand nicht. Ihm wurde schwindelig und er hatte das Gefühl sich übergeben zu müssen.
                                    „Mr. Lincoln, machen sie sich keine Sorgen. Ihre Familie ist wohlauf. Wir hören bald wieder voneinander, das verspreche ich ihnen. Schlafen sie gut und träumen sie süß“ klang es ruhig, aber dennoch bedrohlich aus den Lautsprechern.
                                    Noch befangen von den letzten Worten Vics, die Justin jedoch nicht im Geringsten beruhigten, verschwammen sämtliche Konturen des Raumes, welcher vor seinen Augen langsam zu verschwinden schien.
                                    Seine Knie wurden schwach und er sank zu Boden, wobei er hart mit dem Kopf auf den kalten Steinfußboden traf. Noch bevor Justin das Bewusstsein vollständig verlor, sah er eine kleine verschwommene Gestalt vor seinen Augen, die ein schrilles kurzes Quieken von sich gab.
                                    Kurz darauf fiel er in einen unruhigen Schlaf.

                                    Justin öffnete seine Augen, die von der plötzlichen Helligkeit schmerzten, die auf ihn einströmte. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten, dann sah er sich um.
                                    Es war sein Wohnzimmer. Er lag auf seiner eigenen schwarzen Ledercouch, die Janice und er gekauft hatten, als sie in das Haus eingezogen sind. Eine halbe kalte Pizza lag in einem Pappkarton in der Mitte des kleinen Glastisches, welcher zwischen Couch und Fernseher stand.
                                    Der große LCD-Fernseher war eingeschaltet. Es lief „The Early Show“ auf CBS. Lonnie Quinn und Chris Wragge führten durch das allmorgendliche Programm. Justin sah diese Sendung immer, bevor er zur Arbeit fuhr. Doch dieses Mal würde er nicht zur Arbeit fahren.
                                    Justin sah an sich herunter und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Kurz darauf betrachtete er ungläubig seine Hände. Sie waren nicht mehr zusammengeklebt. Wie aus einem Affekt heraus fing er an zu lachen und war erleichtert, nicht mehr gefangen zu sein.
                                    War es etwa nur ein schlimmer Traum? Justin wollte es nicht glauben, denn alles wirkte so echt…so bedrohlich real. Er war der Meinung, immer noch den muffigen Gestank seines kargen Verlieses in der Nase zu spüren.
                                    Nichts schien verändert. Alles sah aus, als wäre nie etwas vorgefallen, als sei er nie von zuhause weg gewesen.
                                    Frohen Mutes stand er von der Couch auf und ging in die Küche. Er schaute auf die Uhr.
                                    7.45 Uhr.
                                    Natalija kam zu spät zur Schule, wenn sie sich nicht beeilen würde.
                                    Es war jeden Morgen das gleiche Ritual, dass Justin seiner Tochter Frühstück zubereitete und sie zur Schule fuhr, da seine Frau Janice oft Nachtdienst im Krankenhaus hatte.
                                    Da Justin nicht damit rechnete, dass Janice Natalija bereits für die Schule fertiggemacht hatte, suchte er sich sämtliche Zutaten für das Frühstück zusammen. Er beschloss, dass es diesen Morgen Pfannkuchen geben würde. Natalija liebte Pfannkuchen. Sie aß sie immer so schnell, dass sie davon Bauchweh bekam. Justin ermahnte sie immer wieder, doch sie wollte nie hören.
                                    Er wirbelte gerade den zweiten Pfannkuchen durch die Luft, als Natalija die Küche betrat.
                                    „Guten Morgen Goldlöckchen“, begrüßte er seine kleine Tochter. Er nannte sie „Goldlöckchen“, weil sie kleine blonde Locken hatten, die ihr bis zu den Schultern reichten. Janice hatte genau die gleiche Haarpracht, als sie noch ein Kind war.
                                    „Na Goldlöckchen, schön geschlafen?“ fragte Justin seine Tochter, doch sie blickte ihren Vater nur kurz aus dem Augenwinkel an, bevor sie sich kommentarlos an den Tisch setzte, wo Justin bereits einen Teller mit einem Pfannkuchen platziert hatte. Er hatte ihr auch eine Tube Ahornsirup dazugestellt, welchen sie besonders gerne mochte.
                                    „Ich hab dir Pfannkuchen gemacht. Iss schnell, sonst kommst du zur spät zur Schule“ sagte Justin zu Natalija, die völlig lustlos auf das frisch zubereitete Frühstück starrte.
                                    Plötzlich und wie aus heiterem Himmel sprang sie vom Stuhl auf, welcher krachend zu Boden fiel. Ihr Gesicht war verzerrt, als sei sie außer sich vor Wut. Justin erschrak und zuckte zusammen.
                                    „Ich mag deine Pfannkuchen nicht! Ich HASSE sie!“ fuhr sie ihren Vater an und spuckte auf den vor ihr stehenden Teller.
                                    „Natalija, was ist denn in dich gefahren?!“ fragte Justin in einem erschrockenen Ton.
                                    „Sie sind schlecht. Sie riechen wie Scheiße. Sie schmecken wie Scheiße. Ich HASSE sie.“
                                    „Aber Kleines…“, brachte Justin noch heraus, bevor ihm vor Schreck der Atem stockte. Natalija fiel zu Boden und wand sich wie ein Fisch auf dem Trockenen. Sie schrie, als ob sie unausstehliche Schmerzen hätte.
                                    „DAAAAAAAADDYYYYYYYYY, HELF MIR“ quälte sie heraus und Justin war völlig unfähig, sich zu bewegen. Seine Beine fühlten sich an, als seien sie in einem Betonblock eingeschlossen.
                                    Seine Tochter krümmte sich und schrie aus vollem Hals: “BIIIIIIIIITTE!!! ES TUT SO WEH!“
                                    Immer noch wie gelähmt kniff Justin für den Bruchteil einer Sekunde die Augen zu und stieß selbst einen markerschütternden Schrei der Verzweiflung aus.
                                    Als er die Augen wieder öffnete war alles ruhig und seine Tochter stand unmittelbar vor ihm. Es schien so, als hätte sich Justin sich dieses gerade vergangene Horrorszenario nur eingebildet. Doch er wusste genau, dass das, was eben geschehen war, keine Einbildung gewesen sein konnte, da noch immer die gequälte Stimme Natalijas in seinen Ohren nachklang.
                                    Sie blickte ihrem Vater tief in die Augen und flüsterte: „Kalt ist der Tod, ruhig ist die Ewigkeit.“
                                    Kurz darauf machte sie auf dem Absatz kehrt und verließ auf leisen Sohlen die Küche. Justin sah ihr nach und wollte sie fragen, was sie mit diesen Worten sagen wollte, doch er bekam keinen Ton heraus. Seine Kehle war wie zugeschnürt.
                                    Wie durch Zauberei konnte er seine Beine wieder fühlen und er stürmte hinter seiner Tochter her, die inzwischen die Treppe zum ersten Stock erreicht hatte. Am unteren Ende der Stufen blieb Justin stehen und sah seine Tochter an, die am oberen Ende der Stufen zum Stehen gekommen war und sich wieder ihrem Vater zugewandt hatte.
                                    Doch was Justin nun zu sehen bekam, konnte und wollte er nicht wahrhaben. Aus Augen und Ohren seiner Tochter bildeten sich kleine Fäden von Blut, die an ihren sanften Wangen herunter rannen.
                                    Natalija hob langsam ihren rechten Arm und zeigte mit dem Zeigefinger auf Justin. Er beobachtete gebannt ihre wie in Zeitlupe wirkenden Bewegungen.
                                    „Leben wird weichen, Verderben wird hereinbrechen“, sagte Natalija in solch einem kühlen Ton, dass es Justin eiskalt den Rücken herunter lief. Ohne auf eine Reaktion ihres Vaters zu warten machte Natalija auf dem Absatz kehrt und verschwand lautlos in ihrem Zimmer. Die Zimmertür schlug mit einem lauten Knall zu, welcher Justin in den Ohren dröhnte.
                                    Nun war es still im Haus. Sein eigenes Atmen war das einzige, was Justin hörte. Doch die Stille hielt nur knappe zehn Sekunden an. Denn nachdem er in die Küche zurückkehren wollte, klang eine verführerische Stimme durch das Haus.
                                    „Justin“, sagte die Stimme mit einem lustvollen und sanften Ton, dass Justin eine Gänsehaut bekam.
                                    Er wandte sich wieder dem oberen Stockwerk zu, woher die Stimme zu kommen schien. Er nahm die ersten Stufen, die unter seinem Gewicht zu knarzen begannen.
                                    „Justin“, tönte es ein weiteres Mal durch die Flure. „Komm zu mir“.
                                    Nun erkannte Justin die Stimme. Es war die Stimme seiner Frau Janice. Doch wusste er nicht, woher die Stimme kam, also sah er als erstes im Schlafzimmer nach, da es noch recht früh am Morgen war.
                                    Er öffnete die Tür und schob seinen Kopf durch den Türspalt. Das Zimmer war hell erleuchtet und durch die Sonne, dessen Strahlen direkt durch die große Balkontür fielen, bereits in den frühen Morgenstunden schön warm.
                                    Das große Doppelbett, welches aus massivem Kiefernholz bestand, war jedoch leer. Die Decken und Kissen, auf denen jeweils ein großes chinesisches Schriftzeichen prangte, waren fein säuberlich auf der Matratze zusammengelegt.
                                    Eine der zwei Schubladen, die unter dem Bett etwas hervorragten, war aufgezogen. Justin wusste, dass sich darin die Badehandtücher befanden. Also musste Janice im Badezimmer sein.
                                    Justin schloss leise die Tür, als erneut die Stimme zu hören war: „In warte auf dich. Ich will dich.“
                                    Er spürte ein wohliges Kribbeln, als er die Tür des Badezimmers erreichte, welches am Ende des Flures lag.
                                    Langsam dreht er den Knauf, drückte vorsichtig die Tür auf und schob seinen Kopf durch den Türspalt ins Badezimmer. Sofort stand ihm der Schweiß auf der Stirn, denn in diesem Zimmer war es siedendheiß. Der Dunst, der vom eingelassenen Badewasser stammte musste, nahm ihm fast jede Sicht und ließ das Zimmer in einem tristen grau erscheinen. Die Luft war stickig und Justin hatte ein wenig Probleme vernünftig zu atmen.
                                    Justins erster Blick wanderte zu dem Spiegel, der über dem Waschbecken an der Wand rechts von ihm angebracht war. Dieser war bereits vollständig beschlagen. Doch er bemerkte, dass darauf etwas geschrieben stand. „NIMM MICH“ stand in großen Buchstaben auf dem feuchten Glas geschrieben. Daneben war ein Pfeil zu erkennen, der auf die Badewanne gerichtet war.
                                    Justin trat nun vollständig in das Badezimmer und schloss die Tür hinter sich.
                                    An der Badewanne war ein Vorhang befestigt, der vollständig zugezogen war. Kleine Wassertropfen perlten an ihm herunter. Durch die Hitze in diesem Zimmer sah es so aus, als würde der gesamte Raum schwitzen.
                                    Justin schlich langsam auf die Badewanne zu und zog auf dem Weg sein T-Shirt aus. Nachdem er es sich über den Kopf gezogen hatte, ließ er es hinter sich auf den feuchten Boden fallen. Er stellte es sich vor, wie sich seine Frau in ihrer vollkommenen Nacktheit in dem warmen Badewasser rekelte. Wie sie ihre makellosen Beine in die Höhe streckte und einseifte. Er stellte sich ihre wohlgeformten Brüste vor, die etwas aus dem Wasser ragten und wie glitzernde Wassertropfen von ihren schwarzen langen Haaren auf ihre seidige Haut perlten und an ihr herunter liefen.
                                    Sofort spürte er seine Erektion und konnte seine Freunde kaum noch im Zaum halten.
                                    Kurz vor dem Vorhang blieb er stehen und sagte in einem rauen männlichen Ton: „Ich hoffe du bist bereit für mich.“
                                    Dann zog er ruckartig den Vorhang auf, doch was er sah, war das unvorstellbare Grauen. Er sah seine Frau, die ihm, mit dem Kopf an den Beckenrand gelehnt, die Hände entgegenstreckte, um nach ihm zu greifen. Ihre Pulsadern waren aufgeschnitten, wovon sich das Wasser bereits rot verfärbt hatte. Blut lief an ihren Armen entlang und ihre sonst so strahlenden Augen traten ein wenig aus den Höhlen hervor.
                                    „NIMM MICH!“ schrie Janice aus vollem Hals. „ICH WILL DICH!“
                                    Justin stolperte rückwärts und fiel zu Boden, wobei er mit seinem Hinterkopf auf den Toilettendeckel krachte. Kurz wurde ihm schwarz vor Augen, doch binnen Sekunden rappelte er sich wieder auf die Beine.
                                    Immer noch die Arme von sich gestreckt, fing Janice an zu zappeln und das Wasser aufzuwirbeln. Das blutige Wasser rann über den Beckenrand und färbte damit auch den Fußboden rot.
                                    Justin war entsetzt und starr vor Angst.
                                    „Oh Gott Janice!!!“ stieß es aus ihm heraus.
                                    Was war mit seiner Frau geschehen? Wieso diese Verletzungen?
                                    Es blieb jedoch keine Zeit, um auf diese Fragen die passenden Antworten zu finden. Es vergingen nur wenige Sekunden, in denen sich Janice gewunden hatte und mit Armen und Beinen gegen den Wannenrand geschlagen war, doch Justin kam es wie Stunden vor, in denen er Todesängste um seine Frau ausgestanden hatte. Und diese Angst sollte sobald nicht verschwinden.
                                    Plötzlich rührte sie sich nicht mehr. Ihr Kopf war an das eine Ende der Wanne gelehnt und neigte sich leicht nach rechts. Ihr rechter Arm hing schlaff aus der Badewanne, während Blut aus der Wunde ihres Handgelenkes auf den Fliesenboden tropfte. Ihre Augen waren geschlossen.
                                    Justin trat etwas näher an sie heran und kniete sich vor die Badewanne.
                                    „Baby?“ flüsterte er ihr mit zitteriger Stimme zu, doch er bekam keine Antwort. Es strich ihr die Haare aus dem Gesicht, als sie plötzlich ihre Augen weit aufriss und einen markerschütternden Schrei ausstieß.
                                    Geschockt fiel Justin ein weiteres Mal zu Boden. Der Schrei dauerte nur wenige Sekunden, danach passierte etwas, was Justin vollständig an seinem Verstand zweifeln ließ.
                                    Er sah, wie sich Janice’ Kopf langsam von ihrem Rumpf löste und nur noch einen blutigen Stumpf zurückließ. Die Augen immer noch weit aufgerissen, prallte ihr Kopf an dem Wannenrand ab und schlug krachend auf dem Boden auf. Das Geräusch erinnerte Justin an eine Wassermelone, die auf einem Steinfußboden zerschmettert wird.
                                    Völlig erstarrt beobachtete er den Kopf, der genau zwischen seine Beine rollte. Er sah direkt in die Todesfratze seiner Frau.
                                    Voller Entsetzen schob sich Justin ein paar Meter vom Kopf weg, als dieser plötzlich anfing, mit den Augen zu blinzeln. Die Lider flatterten und es war nur noch das Weiße in den Augen zu sehen.
                                    „GROSSER GOTT!“ schrie Justin. Er konnte einfach nicht glauben, was er dort sah.
                                    Er sah den Kopf seiner Frau an, welcher plötzlich ein lautes „MÖRDER“ von sich gab. Nun breitete sich eine große Blutlache unter dem Schädel aus.
                                    Justin sprang auf und rann schwer atmend aus dem Zimmer. Krachend schlug er die Tür hinter sich zu.
                                    Noch völlig außer Atem blickte er den Flur entlang. Er bemerkte ein grelles Licht unter der Tür seiner Tochter hervorragen. Noch mehr solcher Überraschungen würde Justin schlussendlich den gesamten Verstand rauben. Einstellen musste er sich jedoch auf alles. Er bemerkte wie er am ganzen Leib zitterte, doch er durfte einfach nicht die Nerven verlieren.
                                    Er eilte zu der Zimmertür Natalijas, atmete einmal tief durch und riss sie auf.
                                    Was er jedoch hier zu Gesicht bekam, hatte er sich in seinen schlimmsten Albträumen nicht vorstellen können. Sämtliche Möbel und Wände waren mit Blut bespritzt. Die Spritzer gingen bis hoch an die Decke. Fast kein Zentimeter blieb verschont.
                                    Doch war nicht das Blut das Schlimmste. Das wahre Grauen erwartete ihn im hinteren Teil des Zimmers, in welchem das Bett stand. Dort sah er seine Tochter. Sie baumelte an der Zimmerecke über dem Kopfteil des Bettes an einem großen Fleischerhaken, der in ihren Hinterkopf eindrang und ein paar Zentimeter aus ihrem leicht geöffneten Mund wieder herausragte. Das weiße Kleid mit dem kleinen gelben Blümchenmuster war rot getränkt von ihrem eigenen Blut. Nur noch ansatzweise konnte man erkennen, welche Farbe das Lieblingskleid von Natalija einst hatte. Von nun an trug es die Farbe des Todes.
                                    Völlig blutüberströmt drehte sich der kleine leblose Körper um die eigene Achse, während die Zehen sachte das Kopfkissen streiften. Bei diesem Anblick konnte Justin nicht mehr an sich halten und übergab sich prompt.
                                    Der Gestank des Todes füllte den gesamten Raum und es fiel Justin schwer, nicht in Ohnmacht zu fallen.
                                    Er schleppte sich mit aller Kraft zu seiner toten Tochter, um sie ein letztes Mal zu berühren. Er fing an zu weinen in dem Wissen, alles verloren zu haben, was ihm wichtig und lieb war.
                                    „Himmel, nein“, wimmerte Justin, während ihm die Tränen über die Wangen liefen. „Bitte Gott, lass das alles nicht wahr sein.“
                                    Er streckte die Hand nach seiner Tochter aus und berührte sanft mit den Fingerspitzen ihren kalten Oberschenkel, als sie ihn plötzlich fest am Arm packte, ihn mit aufgerissenen, aber leeren Augen anstarrte und mit einer verzerrten Stimme „JUSTIN“ schrie.

                                    Justin schreckte hoch und saß nun aufrecht im Dunkeln. Er bemerkte, dass er schweißgebadet war und es sich unter ihm hart anfühlte. Dann merkte er schließlich, dass er noch immer in dem gleichen dunklen Raum gefangen war, bevor er dachte, wieder zuhause zu sein.
                                    „Justin…“, schallte es metallisch aus den Lautsprechern. Auch erkannte Justin die Stimme Vics wieder.
                                    „Was zum Geier…?“ murmelte Justin leise vor sich hin und wollte sich eine Hand auf die Stirn legen. Nur musste er erneut schmerzhaft feststellen, dass sie noch immer zusammengeklebt waren.
                                    „Haben sie schön geschlafen. Sie scheinen ja einen sehr lebhaften Traum gehabt zu haben, Mr. Lincoln. Ich hoffe doch, er war nicht zu unangenehm für sie“, fragte Vic mit deutlich gespielter Besorgnis.
                                    Sofort hatte Justin wieder die Todesfratze seiner Frau und die aufgespießte Leiche seiner Tochter vor Augen. Wieder begann er zu zittern.
                                    Unter einem Lautsprecher sah Justin etwas flackern, konnte jedoch nicht erkennen, um was es sich handelte.
                                    Sichtlich geschwächt vom Albtraum über seine Familie, rappelte er sich auf, um das flackernde Ding genauer zu betrachten. Als er sich dem flimmernden Licht nährte sah er, dass es ein kleiner Monitor war.
                                    Der Bildschirm war nicht viel größer als das Cover einer CD-Hülle. Auf dem winzigen Schwarz/Weiß-Bildschirm war etwas unter einem Laken verborgen, worauf ein Spotlight gerichtet war.
                                    „Ah, sie haben mein kleines Präsent schon entdeckt. Sehr schön. Doch lassen sie mich erst ein anderes kleines Geheimnis lüften“, sagte Vic in einem hörbar erfreuten Tonfall. „Sie haben nämlich einen Gast.“
                                    Nun wurde der Raum langsam erhellt. Nicht zu schnell, damit sich die Augen Justins nicht erst an das Licht gewöhnen mussten.
                                    Justin erkannte sofort, en sein Peiniger mit dem „Gast“ gemeint hatte. Unweit des Monitors saß Janice regungslos in einer Ecke des Raumes. Sie trug lediglich blaue Jeans und einen schwarzen BH. Ihre Arme waren mit Schürfwunden und Blutergüssen übersät. Sie schien sich stark gegen ihren Entführer gewehrt zu haben.
                                    Justin stürzte zu seiner Frau und nährte sich mit einem Ohr ihrem Mund. Er konnte ganz sachte ihren Atem spüren und hören. Trotz der Freude, dass sie noch am Leben war, spürte er eine ungeheure Wut.
                                    „Du Dreckschwein! Was hast du ihr angetan?! Und wo ist meine Tochter?!“ brüllte er in den Lautsprecher.
                                    „Nun, ihre Angetraute war etwas ungehalten, als ich sie gebeten habe, mit mir zu kommen“ erklärte Vic, wobei er das Wort „gebeten“ irgendwie komisch aussprach. „Und ihrer Tochter geht es gut. Oder sagen wir mal, es geht ihr NOCH gut. Oder was denken sie?“
                                    Justin sah wieder auf den Bildschirm. Als jemand das Laken von dem darunter liegenden Objekt zog, erfasste ein ihn ein gewaltiger Schock.
                                    „Darf ich vorstellen“, sagte Vic mit deutlich amüsierter Stimmung. „Natalija, ihre süße Tochter.“
                                    Sie war mit Armen und Beinen festgeschnallt. Ihr Kopf wurde an der Lehne mit einem Gürtel fixiert.
                                    Justin wollte laut schreien, brachte jedoch keinen Ton aus seiner Kehle. Er merkte wie ihm Tränen des Zorns und der Verzweiflung in die Augen stiegen.
                                    Wieder ertönte Vics Stimme: „Ich fühle mich so geehrt, bei diesem kleinen Familientreffen dabei sein zu können. Es ist doch immer so rührend.“
                                    „Was hast du vor, du kranker Penner?“ fragte Justin wütend.
                                    „Sagen wir’s mal so, Mr. Lincoln…ich würde ihnen gerne einen Vorschlag unterbreiten. Sie sehen ja hier ihre Tochter, nicht wahr?“
                                    Justin nickte zaghaft.
                                    „Also Mr. Lincoln, ich werde ihre Tochter umbringen. Ich werde sie so lange quälen, ihr so lange Leid zufügen, bis sie stirbt“, fügte Vic hinzu.
                                    Justin kniff die Augen zusammen und spürte ein Pochen in seinem Kopf. Es war die unstillbare Wut, die sich bemerkbar machte. Er versuchte krampfhaft, die Hände auseinander zu reißen und ignorierte dem Schmerz, den er dabei empfand. Er wand sich in alle Richtungen und schrie: „DU HURENSOHN!“
                                    „Also Mr. Lincoln, werden sie doch nicht ausfallend. Sie sollten doch froh sein, ihre Familie wieder um sich zu haben. Wer weiß, vielleicht ist es ja das letzte Zusammentreffen“, erwiderte Vic mit ruhiger Stimme. „Aber lassen sie mich meinen Gedanken zu Ende führen. Ich werde ihre Tochter foltern, bis sie stirbt. Oder aber ich werde ihre Tochter nicht quälen. Aber dafür müssen sie mir einen kleinen Gefallen tun.“
                                    Justin fragte mit gequälter Stimme: „Und was soll das für ein Gefallen sein?“
                                    Aus den Lautsprechern klang ein leises Lachen: „Es ist alles so einfach, Justin. Natalija wird kein Leid erfahren. Dafür müssen sie nur ihre geliebte Janice töten. Sie haben die Wahl. Entscheiden sie sich.“

                                    « Letzte Änderung: 28. Februar 2008, 08:13:12 von Janno »


                                    Offline Janno

                                      • I don't know you, but I think I hate you
                                        • Show all replies
                                      Ein bisschen wird es wohl dauern, bis der nächste Teil kommt. Aber er dauert sicherlich nicht so lange wie Teil 4 :)


                                      Offline Janno

                                        • I don't know you, but I think I hate you
                                          • Show all replies
                                        wann der nächste teil kommt? Kommt drauf am, wie der neuste teil ankommt ;)


                                        Offline Janno

                                          • I don't know you, but I think I hate you
                                            • Show all replies
                                          Wow, schon eine Woche vergangen und keine Meinung von Stubs :)


                                          Offline Janno

                                            • I don't know you, but I think I hate you
                                              • Show all replies
                                            Hase, das liegt mal gerade gar nicht an der Story!  ;)
                                            Heute Abend, versprochen!  :D
                                            Na da bin ich aber mal sehr gespannt :)


                                            Offline Janno

                                              • I don't know you, but I think I hate you
                                                • Show all replies
                                              Naja, Junstins Familie wurde ja schon öfter angesprochen. Und er weiß ja auch nicht, was mit ihnen passiert ist, daher dieser Traum. Man träumt ja öfter von Sachen, die einen nicht loslassen. Und außerdem wollte ich mal aus dem stillen Kämmerlein raus :)
                                              Und über "Vic" wird man schon noch etwas erfahren. Wird auch nicht mehr so lange dauern, versprochen.
                                              Wie es ausgeht, weiß ich bereits. Muss nur noch ordentlich verpackt werden :)
                                              « Letzte Änderung: 09. März 2008, 21:57:48 von Janno »