Mit viel dichter Atmosphäre beginnt "Die Saat".
Wo Guillermo Del Toro draufsteht, ist auch Guillermo Del Toro drin. Das Buch schreit förmlich nach einer Verfilmung und so liest es sich auch. Und ich bin sicher, die Verfilmung wird ein Knaller werden, wenn Del Toro es schafft, sich auf ein oder zwei Handlungsschwerpunkte zu beschränken.
Leider bleibt Del Toro weit hinter seinen schriftlichen Möglichkeiten, vielleicht hat er da aber auch einfach nicht mehr zu bieten. Mir kam es vor, als hätte er zu viel gewollt und zu viel hineingepackt. Die Saat ist aufgewärmter, lauwarmer Kaffee im
Genre.
Grandios der Auftakt ... die Ankunft eines Flugzeugs, zu dem unmittelbar nach der Landung der Kontakt abbricht. Was ist geschehen? Wie können alle Passagiere und die Besatzung gleichzeitig sterben? Das Flugzeug ist ein riesiger Sarg und dies weiß Del Toro eindrucks- und stimmungsvoll herauszuarbeiten. Ein Auftakt, der den Leser atemlos umblättern und innerlich jubilieren lässt. Die Bedrohung der gesamten Menschheit personifiziert sich in Form eines Flugzeugs voller Leichen. Leider schafft es Del Toro nicht, diese hohe Qualität bis zum Ende seines Buches durchzuhalten. Schade.
SPOILER!!!!
Wofür ich persönlich dankbar bin, ist, dass Del Toro
seine Vampire nicht als charismatische Verführer beschreibt, sondern einfach nur als böse Untote, mit ihrer Gier nach Blut. Leider reicht Del Toro im weiteren Verlauf nicht an ein "Brennen muss Salem" von Stephen King heran. Und die Grundidee, dass es sich bei Vampiren einfach nur um Viren verbreitende Krankheitserreger handelt, hat Dan Simmons mit "Kinder der Nacht" eindrucksvoller und um ein Vielfaches besser dargestellt. Und so kam es mir beim Lesen immer mehr vor, dass Del Toro Anleihen bei Bram Stoker, Stephen King und Dan Simmons sehr offensichtlich in seine Geschichte einwebt.
Letztlich hetzt Del Toro den Leser durch sein Buch, in dem verzweifelten Bemühen dem Ganzen Form zu geben. Hier übernimmt er sich für meinen Geschmack total, weniger wäre mehr gewesen. Er versucht sich am medizinischen Aspekt, verleiht dem Thema einen Hauch von globaler Katastrophe (das hätte als Schwerpunkt durchaus gereicht), Konzentrationslager und der Dritte Weltkrieg gehen immer und ... aus mir völlig unbekannten Gründen, sehr amerikanisch, findet sogar "Ground Zero" einen Platz in Del Toros Chaos.
Die Saat hat phantastische Sequenzen, neben dem Auftakt zählt hierzu sicher die Rückkehr der
zu ihren Lieben und der Handlungsstrang um den Schädlingsbekämpfer. Ansonsten fühlte ich mich ziemlich überlastet, so viele Dinge, Erklärungsversuche und Spannungsbögen packt Del Toro in sein Werk. Dadurch wirkt "Die Saat" streckenweise blass, die Handlung unstruktiert und chaotisch und die Charaktere lieblos. Der Höhepunkt wirkt unfreiwillig komisch.
Bleibt zu hoffen, dass Del Toro bei der Verfilmung sicherer ist und sich auf weniger beschränkt. Del Toro ist ein guter Regisseur und dies hat ihm wahrscheinlich bei "Die Saat" auch literaturmäßig das Genick gebrochen. Das Warten auf die Taschenbuchausgabe empfiehlt sich dringend. Insgesamt nicht mehr als 75 Punkte.
Ach ja, "Die Saat" ist übrigens Auftakt zu einer Triologie.