Funuke - Show Some Love, You Losers! (Funuke domo, kanashimi no ai wo misero)

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    Funuke - Show Some Love, You Losers!
    (Funuke domo, kanashimi no ai wo misero)
    (dt. Übersetzung etwa: "Zeigt einfach traurige Liebe, ihr Narren")

    Japan 2007
    http://www.ofdb.de/film/129058,Funuke-Show-Some-Love-You-Losers

    Der Film macht schon mit wenigen Einstellungen in der ersten Minute klar, dass er nicht nur kuscheln will:
    Eine Landstraße, auf der eine Katze sitzt.
    Die Katze schaut auf, weil sie etwas hört.
    Ein Lastwagen fährt durchs Bild und verschwindet daraus, Reifen quietschen, ein Aufprall.
    Überkopf-Perspektive: Der Laster am Straßenrand, die Kamera folgt einer Blutspur, die für eine Katze deutlich zu groß ist.
    Nahaufnahme: Blut und Gewebefetzen auf der Straße.
    Nahaufnahme: Das vor Schock erstarrte Gesicht eines Mädchens.
    Szenenwechsel: Eine Beerdigungszeremonie.

    Kurz und effektiv werden wir in die Geschichte der Familie Wago katapultiert. Kiyomi, 18 Jahre alt, und ihr älterer Bruder Shinji (Masatoshi Gojoe, Das Meer kommt Nagase) leben zusammen mit seiner Frau Machiko in einem Haus auf dem Lande. Kiyomis ältere Schwester Sumika (Eriko Cutie Honey Satô) hat die Familie vor vier Jahren verlassen, um in Tokyo eine Karriere als Schauspielerin zu starten. Sie beide wurden als kleine Kinder von den Wagos adoptiert.
    Als Kiyomi bei der Trauerfeier im Hause einen Astmaanfall bekommt und Machiko Shinjis Meinung nach nicht schnell genug reagiert hat, schleudert er sie durch den ganzen Raum... und als sie am Boden liegend den Kopf hebt, steht Sumika vor ihr, die zurück gekommen ist, weil die finanzielle Unterstützung der Eltern ausgeblieben ist. Wenn man bis jetzt schon das Gefühl hat, dass bei der Familie einiges im Argen liegt, so beginnt der wirkliche Ärger nun richtig.
    Sumika ist eine verzogene Göre, egoistisch und von sich selbst eingenommen. Als sie damals auszog, gab es einen handfesten Streit mit ihrem Vater, der ihre Träume als Unfug abtat und ihr jegliches Talent für die Schauspielerei absprach. Solle die Familie leiden, um ihr ihren sinnlosen Wunsch zu finanzieren? Wutentbrannt ging sie mit einem Messer auf ihren Vater los, und Shinji, der dazwischen ging, wurde im Gesicht verletzt (seitdem zeichnet eine Narbe sein Gesicht). Letztlich sparte Sumika sich die Kosten für die Reise selbst zusammen... indem sie mit Klassenkameraden gegen Bezahlung schlief.
    Kiyomi, die immer sehr genau mitbekam, was Zuhause ablief, litt sehr unter dieser ganzen Situation, fand aber ein Ventil, dies irgendwie zu verarbeiten: Sie zeichnete Mangas, die das Geschehen in dramatisierter Form wiedergaben. Ohne viel Hoffnung schickte sie ihr Werk an einen Verlag... und erhielt einen Newcomer-Award nebst Abdruck der Geschichte. Natürlich wusste so bald das ganze Dorf, was im Hause der Wagos so vor sich ging... und seitdem brannte die Luft zwischen Kiyomi und Sumika.
    Nun also ist Sumika zurück und fordert ihren Erbteil ein. Doch es gibt nichts mehr, denn alles ging für Schulden drauf, die ihre Eltern machen mussten... nicht zuletzt wegen ihr. Shinji bittet sie, etwas Geduld zu haben. Was er nicht weiß, ist, dass sie in Tokyo Schulden bei einem Kredithai hat, denn die Schauspielschule und alles was dazu gehört, kostet eine Menge Geld. Zudem läuft es dort nicht wirklich gut, und ihre Agentur will auch nichts mehr von ihr wissen, zumal sie deren Adresse beim Kredithai hinterlassen hat. Einen Hoffnungsschimmer hat sie allerdings, einen aufstrebenden Regisseur, über den sie einen Bericht in einer Zeitschrift liest... und dem sie fortan Briefe schreibt in der Hoffnung, eine Rolle zu bekommen. Doch fürs erste sitzt sie auf dem Lande fest. Mit ihrer Schwester, der sie nicht vergeben kann... und die sie nun schikaniert. Zudem ist Machiko, trotz all ihrer verzweifelten Bemühungen, für Harmonie zu sorgen, unglücklich darüber, dass Shinji so abweisend zu ihr ist. Und zwischen ihm und Sumika scheint da auch mehr zu sein als nur ein Verhältnis zwischen Geschwistern...

    Funuke ist der erste Film von Daihachi Yoshida, einem Mann, den man im Auge behalten sollte. Mit einem guten Gespür für seine Bilder, die Dramatik, aber auch den Humor, hat er hier einen bemerkenswerten Erstling abgeliefert, der den Zuschauer durchaus zu packen vermag. Zwar hat Funuke durchaus seine komischen Momente (sogar Comic-Elemente), aber in erster Linie ist es ein waschechtes Drama voller Intrigen und Leichen im Keller, und das Lachen (zumindest ging es mir so) bleibt einem ob der eigentlichen Tragik oft im Halse stecken.
    So haben wir hier Shinji, der seine Frau Machiko im Grunde wie Dreck behandelt. Er ist durch ein Versprechen an Sumika gebunden und wahrt so Distanz zu seiner Frau. Machiko erträgt dies zumeist mit einem Lächeln, und ihr Bemühen, es jedem recht zu machen und irgendwie zur Familie zu gehören (in Tokyo, wo sie zuvor lebte, war sie allein), sorgt zwar für einige komische Momente, sind andererseits auch auf ihre Art zutiefst traurig.
    So springt sie beim Frühstück wie von der Tarantel gestochen auf, weil Sumika French Toast möchte, rast zum Bäcker, um Brot zu kaufen... und kehrt an einen leeren Frühstückstisch zurück. Und dennoch schafft sie es, zu lächeln, weil sie es in unter fünfzehn Minuten geschafft hat. Als sie Shinji beim Essen etwas Gemüse zu den Ramen tut, weil sie es gut mit ihm meint, schüttet er ihr die Suppe kurzerhand ins Gesicht... worauf hin sie ins Krankenhaus muss, weil ihr Suppe unter die Kontaktlinsen gelaufen ist, von denen Shinji nicht das geringste wusste.
    Sumika hingegen macht Kiyomi das Leben zur Hölle. Schon bei ihrer Ankunft beweist sie Taktlosigkeit, als sie Kiyomi eine Plüsch-Katze schenkt. Später foltert sie sie sogar richtiggehend mit siedend heissem Badewasser. Erst positive Antwortschreiben des verehrten Regisseurs schaffen es, sie zu besänftigen. Doch dann hat sie immer noch ihre Schulden, die noch lange nicht aus der Welt sind.
    Und Kiyomi, die sehr genau beobachtet, was Sumika so treibt, beginnt wieder, Mangas zu zeichnen...

    Der Film spielt geschickt mit den unterschiedlichen Beziehungsgeflechten, die alle ihren düsteren Hintergrund haben, und verwebt sie kunstvoll zu einem Gesamtwerk, das am Ende dennoch für einige Überraschungen sorgt. Und trotz der im Grunde sehr ernsten Thematik ist er sehr unterhaltsam. Eriko Satô zeigt hier eine Leistung als Miststück, die man nach dem quietschbunten Cutie Honey so sicher nicht erwartet hätte. Auch die anderen Darsteller überzeugen. Die introvertierte Kiyomi, das ewige Opfer Sumikas, ebenso wie Machiko, die so immens bemitleidenswert ist, dass man sie fast einfach nur in den Arm nehmen möchte. All das präzise und stilvoll in schönen Bildern eingefangen. Wieder einer jener kleinen Perlen, die wohl nie die Aufmerksamkeit (ausserhalb Japans) bekommen werden, die sie verdienen.

    Gesichtet wurde die UK-DVD:
    http://www.ofdb.de/view.php?page=fassung&fid=129058&vid=271834
    Keine Extras (bis auf Trailer des Labels), aber der Film - trotz nicht anamorphen Bildes - in ordentlicher Qualität. Dankenswerterweise sind die Untertitel auch im Bild, nicht auf den Balken.
    « Letzte Änderung: 04. Juli 2013, 20:29:37 von nemesis »



    Offline nemesis

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      Also eigentlich brauch ich das nicht verspoilern..einfach nur, wie du den "Ausgang" interpretierst. Also was die Botschaft des Films in Sachen Schwestern sein soll.
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      Verspoilern halte ich da schon für richtig. Mich z.B. haben einige Entwicklungen dann doch etwas überrascht. ;)
      Das mit den Schwestern seh ich so:
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      Irgendwie erscheinen mir diese Situationen/Entwicklungen so..."halbgar", kann mir nicht helfen. :neutral:
      Dazu:
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          Fandste Machiko auch so herzergreifend traurig/komisch/mitleiderregend?
          Ja, auf jeden Fall. Arme Frau irgendwo. Herzensgut, aber nicht geschätzt. Wahrscheinlich kennt sie es auch gar nicht anders und kann daher auch nicht so einen großen Schmerz darüber empfinden..jedenfalls bewusst nicht, unterbewusst sicher schon. Gehört zu der Sorte Mensch, die was Besseres verdient hätten und der man nur das Beste wünschen kann.
          Ging mir da genau so. Gibt es ja leider nur all zu oft...  :(




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