Laundry

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Offline nemesis

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    Laundry
    (Laundry)

    Japan 2001
    http://www.ofdb.de/film/60641,Laundry

    "Mein Name ist Teru. Eigentlich ist er Teruo, aber jeder nennt mich Teru. Ich arbeite in einer Münzwäscherei. Ich passe auf, dass niemand irgendwelche Wäsche stiehlt. Das Geschäft gehört Großmutter, aber in letzter Zeit macht sie sich Gedanken über böse Menschen, die Damenunterwäsche stehlen. Deswegen gab sie mir diesen Job.
    Ich habe eine Narbe an meinem Kopf. Als ich ein Kind war, fiel ich in einen Gully. Die Leute sagen, dass ich an meinem Gehirn auch eine Narbe habe.
    Ich mache heute wieder den Laden auf. Das ist jeden Tag meine erste Aufgabe. Ich vergesse immer, wo ich meine Schlüssel hingetan habe. Großmutter sagt, ich solle sie mir an einer Kette um den Hals hängen. Aber das mache ich nicht. Nur Kinder hängen sich Schlüssel um den Hals."

    Mit diesen Worten leitet der zwanzigjährige Teru, die Hauptfigur, den Film ein. Und sagt damit schon das Wesentliche über sich und sein Leben. Seit dem Unfall in seiner Kindheit ist er etwas zurückgeblieben, hat ein kindliches Gemüt, aber auch Probleme mit seinem Gedächtnis. Zudem ist seine Motorik etwas ungelenk. Teru trägt stets und ständig eine Wollmütze, ohne die er, wie er sagt, manchmal Anfälle bekommt. Jeden Tag öffnet er die Wäscherei seiner Großmutter, putzt gewissenhaft und stellt einen Lehnstuhl vor das Geschäft, von dem aus er alles genau im Auge behält. Neben der Laufkundschaft gibt es auch einige Stammkunden. Einen cholerischen älteren Herrn, der immer grummelnd seine Wäsche wäscht. Eine Fotografin, die vornehmlich Blumen ablichtet. Als Teru ein paar der Bilder lobte, rahmte sie diese ein und hängte sie im Laden auf. Seitdem sagt er nichts mehr zu den Bildern, damit sie nicht noch mehr dort an die Wände hängt. Zudem fühlt Teru sich wie ein Insekt, wenn er ständig Blumen anstarren muss. Und dann gibt es noch einen erfolglosen, aber enthusiastischen Boxer, dem Teru auch schon mal gestattet, sich aus Frust über einen weiteren verlorenen Kampf in eine Wäschetrommel zurückzuziehen. Alles geht seinen Gang. Terus Leben ist Routine.

    Eines Tages kommt eine junge Frau, Mizue, in die Wäscherei und vergisst dort ein Wäschestück. Der gewissenhafte Teru läuft ihr nach, um es ihr zurück zu geben. Als sie bemerkt, dass er danach etwas orientierungslos auf der Straße steht, bittet sie ihn auf einen Tee herein. Sie führt offenbar ein recht einsames und zurückgezogenes Leben, und als Teru nach dem Tee gehen will, bittet sie ihn, nur noch fünf Minuten bei ihr sitzen zu bleiben. Dankbar legt sie ihre Hand auf die seine. So sitzen sie still beisammen. Es ist das erste mal, dass Teru die Berührung einer Frau spürt, und sein Herz schlägt etwas schneller. Er kann sich allerdings nicht erklären, wieso.

    Terus Tage verlaufen weiterhin wie immer, bis Mizue wieder in die Wäscherei kommt. Ihm fällt ein Verband an ihrem Handgelenk auf, aber sie tut dies als Unfall ab, woraufhin er sich nicht weiter Gedanken deswegen macht. Als sie einen gemeinsamen Spaziergang machen, kommen sie an einer Pfütze vorbei. Mizue bittet Teru, sich vorzustellen, die Pfütze wäre ein Abgrund. Und wenn sie es schaffe, dort hinüber zu springen, würde sie in ein anderes Leben springen. Sie schafft es tatsächlich und sieht darin einen Wendepunkt in ihrem Leben. Doch wieder vergisst sie ein Wäschestück in der Wäscherei - vielleicht auch absichtlich: es ist eine Bluse voller Blutflecken, die sie zurücklässt. Zurücklassen, weil sie nach ihrem Selbstmordversuch zu ihrer Familie (ihrer Mutter und ihrer kleinen Schwester) zurückkehrt. Diese sind zwar nicht sonderlich angetan davon, weil Mizues Leben aus dem Ruder gelaufen ist, aber Familie ist Familie. Mizue hatte einst ein Verhältnis mit einem Briefträger. Sie trafen sich regelmäßig an einem bestimmten Ort. Doch eines Tages, gerade an ihrem Geburtstag, tauchte er nicht auf. Sie wartete über acht Stunden, bis er sie schließlich anrief. Ein Baby sei unterwegs. Wessen? fragte sie. Ich bin verheiratet, entgegnete er. Für Mizue brach eine Welt zusammen. In ihrer Trauer fing sie an, kleptomanische Neigungen zu entwickeln und ein Leben fernab der Familie in Einsamkeit zu führen.

    Nun gerät aber auch Terus Leben aus den Fugen, denn seine Großmutter wurde über den Tisch gezogen und sie hat ihren Laden verloren. Ohne Aufgabe entschließt sich Teru nun, Mizue ihre Bluse zu bringen. Er findet heraus, wo ihre Familie wohnt, und fährt per Anhalter den weiten Weg zu ihr. Der Mann, der ihn mitnimmt, heißt Sally. Er betreibt eine Taubenzucht und lässt auf Hochzeiten und Beerdigungen seine Tauben fliegen. Als sie angekommen sind, gibt er Teru noch seine Karte. Wenn er einmal etwas für ihn tun könne, könne er jederzeit kommen. Aber er solle nicht auf dumme Gedanken kommen, er sei kein netter Kerl - aber aus irgendeinem Grunde könne er ihn gut leiden. Bei Mizues Familie angekommen erfährt teru, dass sie eine Arbeit gefunden hat und ausgezogen ist. Sie arbeitet bei einer Busgesellschaft, und man gibt ihm deren Adresse. Dort treffen sie schließlich aufeinander, als der Busfahrer sie bittet, einen Fahrgast zu wecken, den er nicht wach bekommt. Teru hätte das Sixpack, das ihm Sally mit auf den Weg gegeben hatte, nicht leertrinken sollen...

    Mizue nimmt Teru bei sich auf, sichtlich erfreut darüber, nicht mehr allein sein zu müssen. Doch nach einiger Zeit erfährt Teru vom Tod seiner Großmutter. Er kehrt Heim, doch Mizue begleitet ihn. Am Grab seiner Großmutter fragen sie sich, was sie nun tun sollen. Da fällt Teru Sallys Karte ein, und kurzerhand statten sie ihm einen Besuch ab. Ein Besuch, der länger dauert. Sally nimmt sie bei sich auf, und sie helfen ihm bei seiner Arbeit. Als er sich jedoch kurzfristig entschließt, ins Ausland zu gehen - er wolle heiraten, und japanische Frauen verstünden ihn einfach nicht, weswegen er sich eine großbusige Blondine suchen wolle - sind die beiden auf sich allein gestellt. Er ist abhängig von dir, sagt Sally zu Mizue. Doch sie verneint. Sie ist abhängig von ihm. Es ist heutzutage schwer, jemanden zu finden, dem man vertrauen kann, sagt Sally. Aber er wird dich niemals betrügen! Ihr seid beide hoffnungslose Fälle, sagt er zum Abschied, aber gemeinsam könnt ihr es schaffen!
    Und so übernehmen sie für einige Zeit Sallys Arbeit. Bis Mizue eines Tages von ihrer Vergangenheit eingeholt wird...


    Laundry ist wieder einer dieser Blindkäufe, die einen angenehm überraschen. Einer von den Filmen, von denen man noch nie etwas gehört hat und die, zu Unrecht, nie ausserhalb Asiens bekannt wurden. Ein ruhiger, unspektakulärer Film über zwei Aussenseiter, die einander in ihrer Hilflosigkeit ergänzen. Zwei einsame Seelen, die ihre Erlösung in der Gemeinsamkeit finden, in einer behutsamen und unschuldigen Beziehung, die auf Vertrauen basiert und ihnen Geborgenheit gibt. Getragen von einem sehr schönen akkustischen Score und aufgelockert durch ein paar komische Momente (die meist von Sallys Seite kommen), ohne den gefühlvollen Film ins Komödiantische zu kippen. Vielmehr wird es im späteren Verlauf etwas ernster, wenn die Wirklichkeit den Hoffnungen und Träumen einen Strich durch die Rechnung zu machen anschickt.

    Teru wird von Yôsuke Kubozuka gespielt, den man bereits aus Filmen wie Go, Ping Pong und Ichi kennt. Er erfüllt die Figur mit Leben und macht sie sympathisch, mit all ihren Macken. Seine jungenhaftes Lächeln, seine etwas ungelenke Art, seine Mütze zurecht zu rücken. Er spielt es glaubhaft und lässt die Darstellung nie ins Lächerliche abgleiten. Mizue wird von Koyuki gespielt, und ich kam ums Verrecken nicht drauf, woher mir ihr Gesicht so bekannt vorkam. Sie war kürzlich erst als böse Onigen in Blood - The Last Vampire zu sehen, und spielte auch Rollen in Keizoku, Pulse und The Last Samurai. Sie bringt die innere Zerrissenheit ihrer Figur wunderbar rüber, die Wechselbäder von Melancholie und Freude, Verzweiflung und Hoffnung. Wenn sie sich unter Tränen zu einem Lächeln durchringt, möchte man in den Fernseher springen und sie in den Arm nehmen.

    Ein rundum schöner Film für ruhige Momente. Rührend, menschlich und mit Herz.

    Gesichtet wurde die Honkkong-DVD, auf der der Film in brauchbarer Qualität vorliegt. Zwar kein anamorphes 1,85:1 Bild, aber die Untertitel liegen dankenswerterweise mal nicht auf dem Balken.
    « Letzte Änderung: 10. Februar 2010, 19:50:26 von nemesis »


    Offline Lionel

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      Sehr schön geschrieben. :thumb:
      Doch, der hat mich schon damals interessiert, aber jetzt interessiert er mich noch ein wenig mehr. Der Hauptdarsteller ist eh saucool. Werd ich mir mal angucken, beizeiten...


      Oldboy - Save the Green Planet - My Sassy Girl - Once Upon a Time in High School - I Saw the Devil - The Man from Nowhere - Attack the Gas Station - Silmido - Taegukgi - Sympathy for Mr. Vengeance - Shiri - Joint Security Area - R-Point - Bittersweet Life - Windstruck - Arahan - Crying Fist - City of Violence - Beat - Rush - Memories of Murder - The Host - Friend - The Foul King - A Tale of Two Sisters - The Good, the Bad, the Weird - Peppermint Candy - Thirst - Mother - The Quiet Family - Kick the Moon - 2009: Lost Memories - Geochilmaru - City of the Rising Sun - Barking Dogs Never Bite - Straßen der Gewalt - I'm a Cyborg, but that's ok - Bichunmoo - Musa - Bin Jip - Il Mare - Say Yes - Kilimanjaro - Fighter in the Wind - My Wife is a Gangster - Nowhere to Hide - Public Enemy - Into the Mirror - Tell Me Something - Hansel & Gretel - The Chaser - The Classic - The Way Home
      ___________________________________________________________

      Meine Filmsammlung


      So langsam entwickelst du dich zum Kenner, für die kleinen Filme die kaum die Beachtung bekommen, die sie verdient hätten. ;)


      Offline nemesis

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        So langsam entwickelst du dich zum Kenner, für die kleinen Filme die kaum die Beachtung bekommen, die sie verdient hätten. ;)

        Gerade die sind es auch, die ich suche. Nicht immer der Samurai-Yokai-Yakuza-Fantasy-Kram, der hierzulande weitestgehend vermarktet wird. Es gibt so viele kleine (aber feine) unentdeckte Perlen, die ein unbeachtetes Dasein fristen.


        Offline Lionel

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          So langsam entwickelst du dich zum Kenner, für die kleinen Filme die kaum die Beachtung bekommen, die sie verdient hätten. ;)

          Gerade die sind es auch, die ich suche. Nicht immer der Samurai-Yokai-Yakuza-Fantasy-Kram, der hierzulande weitestgehend vermarktet wird. Es gibt so viele kleine (aber feine) unentdeckte Perlen, die ein unbeachtetes Dasein fristen.

          Dann guck dir Sleepless Town und Eureka an. :twisted:  :D


          Oldboy - Save the Green Planet - My Sassy Girl - Once Upon a Time in High School - I Saw the Devil - The Man from Nowhere - Attack the Gas Station - Silmido - Taegukgi - Sympathy for Mr. Vengeance - Shiri - Joint Security Area - R-Point - Bittersweet Life - Windstruck - Arahan - Crying Fist - City of Violence - Beat - Rush - Memories of Murder - The Host - Friend - The Foul King - A Tale of Two Sisters - The Good, the Bad, the Weird - Peppermint Candy - Thirst - Mother - The Quiet Family - Kick the Moon - 2009: Lost Memories - Geochilmaru - City of the Rising Sun - Barking Dogs Never Bite - Straßen der Gewalt - I'm a Cyborg, but that's ok - Bichunmoo - Musa - Bin Jip - Il Mare - Say Yes - Kilimanjaro - Fighter in the Wind - My Wife is a Gangster - Nowhere to Hide - Public Enemy - Into the Mirror - Tell Me Something - Hansel & Gretel - The Chaser - The Classic - The Way Home
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          So langsam entwickelst du dich zum Kenner, für die kleinen Filme die kaum die Beachtung bekommen, die sie verdient hätten. ;)

          Gerade die sind es auch, die ich suche. Nicht immer der Samurai-Yokai-Yakuza-Fantasy-Kram, der hierzulande weitestgehend vermarktet wird. Es gibt so viele kleine (aber feine) unentdeckte Perlen, die ein unbeachtetes Dasein fristen.
          Na dann, such ruhig weiter.