22.09.2011 Landshut/Mühldorf/Traunstein (0)
Die verquere Pornowelt des Markus U. (31)
„Ich möchte Bargeld, sonst stirbt das Mädel”
Mit Drohanrufen bei Bank- und Tankstellenangestellten brachte sich ein arbeitsloser Kfz-Mechaniker aus der Nähe von Vilsbiburg auf Touren, während er im Internet Pornos anschaute. Das Traunsteiner Landgericht fand den „Zeitvertreib” gar nicht witzig: Wegen räuberischer Erpressung in fünf Fällen wurde der Hartz-IV-Empfänger am Donnerstag zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt und seine Unterbringung angeordnet. Eine Psychotherapie soll dem geständigen Angeklagten auf den rechten Weg zurückhelfen.
Mit einem schweren Unfall begann der Weg ins Abseits für den gelernten Kfz-Mechaniker Markus U. im Juli 2007. Bei Schweißarbeiten am Auto kam es zu einer Benzinverpuffung, bei der der 31-Jährige Verbrennungen dritten und vierten Grades erlitt. Seitdem ist er zu 50 Prozent schwerbehindert und hat Probleme bei Arbeiten, bei denen man ins Schwitzen kommt. Trotz intensiver Jobsuche tat sich keine neue Arbeit auf. Für die zweite Umschulung gab es schließlich kein Geld mehr. Zu den Eltern hatte U. zwar Kontakt, Hilfe nahm er aber nicht an: „Man will ja keinem zur Last fallen.”
Neben den 359 Euro Arbeitslosengeld bot auch die billige Wohnung keinen großen Luxus: „Es zog durch die Fenster, war feucht und an der Wand bereits Schimmelflecken”, erklärte der Angeklagte vor Gericht. Wie U. vor Vorsitzendem Richter Karl Niedermeier weiter aussagte, hatte er seit längeren bereits keine Freundin mehr, die Nachbarn mobbten ihn und er fühlte sich einsam. Willkommene Abwechslung als Zeitvertreib und zur Entspannung boten Pornos aus dem Internet. Getrieben von ständiger Geldnot, hohen Rechnungen, Frustration und Wut reifte in dem leicht minderbemittelten Mann schließlich die Idee, Angestellte in Banken und Tankstellen anzurufen, ihnen zu drohen und Geld zu fordern. Das gab erst den richtigen Kick.
Bei einer Spritverkäuferin aus Ampfing hörte sich das dann beispielsweise so an: „Hallo, das ist ein Drohanruf. Ich habe die kleine Melanie in meiner Gewalt. Hör jetzt gut zu, ich will das gesammelte Bargeld und Oralverkehr.” Auf die Frage, wer er sei, antwortete er: „Das sage ich nicht, nenn‘ mich einfach geldgeil. Hörst Du das rascheln? Das ist die kleine Melanie, die mir gerade einen bläst.” Auch in Waldkraiburg, Pfarrkirchen, Landshut und Ergoldsbach gingen ähnliche Anrufe ein, die in der Regel nur kurz dauerten. Insgesamt über 30 Anrufe tätigte der wirre Kfz-Mechaniker zwischen 14. Januar und 12. März dieses Jahres. Zur Anklage kamen jedoch nur fünf Fälle, nachdem die Polizei aufgrund einer Anklage die Handynummer ermittelt und die Adressen ausfindig gemacht hatte.
„Ich weiß auch nicht, was mich da getrieben hat, es tut mir in der Seele leid”, erklärte der 31-Jährige vor Gericht. Konfrontiert mit den Ängsten und Sorgen der angerufenen Frauen, entschuldigte sich der voll geständige Angeklagte. Bei der Mehrzahl der Anrufe hatte er damit gedroht, dass er eine Waffe besitze und ein Kind in seiner Gewalt habe. Die Namen seiner angeblich jungen Opfer hatte er aus den Pornofilmen, die parallel zu den Anrufen über den Bildschirm flimmerten. Die Reaktion der angerufenen Opfer reichte von großer Verwunderung bis zu länger andauernden Verfolgungsängsten.
Der psychiatrische Gutachter Dr. Stephan Gerl vom Inn-Salzach-Klinikum Gabersee bescheinigte Markus U. eine erheblich eingeschränkte Steuerungsfähigkeit. Der unsichere, angepasste und leicht beeinflussbare Angeklagte mit unterdurchschnittlicher Intelligenz sei zwar geständig, spreche gut auf die begonnene Therapie an und zeige sich kooperativ, dennoch leide er noch unter den psychischen und sozialen Folgen von zwei Unfällen und der durch Arbeitslosgkeit erzwungenen Untätigkeit und Isolation. Ein schwerer Autounfall hatte sich bereits 2003 ereignet.
Aufgrund des schlechten sozialen Umfelds und der von Suchttendenzen nicht freien Sexualität sei aber nicht ausgeschlossen, dass der bereits wegen Betrugs vorbestrafte U. bei einer reinen Bewährungsstrafe wieder in alte Muster zurückfalle und wieder straffällig werde. Er hielt eine Unterbringung mit Therapie für angemessen. Das Gericht folgte in seinem Urteil dieser Maßgabe.
http://www.wochenblatt.de/nachrichten/traunstein/regionales/-Ich-moechte-Bargeld-sonst-stirbt-das-Maedel-;art39,68559