Nach dem filmischen Misthaufen
Inside habe ich mir hiermit den zweiten Film von Julien Maury und Alexandre Bustillo angesehen. Nach ihrem Debüt war ich eine Weile nicht der Meinung, überhaupt ein zweites Werk von ihnen sehen zu wollen. Zu unlogisch, aufgesetzt und schlichtweg bescheuert fand ich den Erstling. Nur ein durchweg gutes Review der Splatting Image hat mich letzten Endes dazu bewegen können, doch einen Blindkauf zu riskieren und dem zweiten Film der Franzosen eine Chance zu geben. Und vorweg: Ich bereue es nicht,
Livid hat mir ziemlich gut gefallen.
Wo liegt nun der große Unterschied zwischen den beiden Filmen? In ihrer Machart sind sie sich im Grunde doch recht ähnlich. Ganz einfach: Ein fantastischer, fast märchenhafter Film muss nicht mit Realismus punkten. Die völlig hirnrissige Handlung von Inside bringt mich selbst nach Jahren immer noch zur Weißglut und dazu, den Film gedanklich in der Luft zu zerreißen. Selbst für einen hirnlosen Slasher war das einfach nur noch ein großer Haufen Bockmist. Sehr grafisch, deutlich und brutal, klar. Optisch durchaus sehr gut gemacht, die Zwei haben ein Gespür für schöne, faszinierende, beängstigende und packende Bilder. Das muss man ihnen definitiv lassen und
Livid bringt das noch viel deutlicher zur Geltung als es
Inside schon tat. Von Anfang bis Ende stimmt hier jede Kameraeinstellung; jede Perspektive und jedes Bild ist hübsch und fast perfekt.
Das düstere Haus ist wahnsinnig gut in Szene gesetzt und bildet die perfekte Kulisse, das Grundgerüst des Films. Dieser lässt sich am Anfang sehr viel Zeit und beginnt ganz ruhig und gemütlich, bevor langsam die gruselige Stimmung einsetzt und auf eine märchenhafte Weise immer wieder eine Gänsehaut hervorzaubert. Die Handlungen der dargestellten Personen sind hier schon um einiges nachvollziehbarer als das in Inside noch der Fall war.
Mit Anspielungen auf beispielsweise Argentos Filme hält man sich nicht zurück, was mir auch gut gefallen hat. Die Urkunde der Freiburger Tanzakademie hat mich gleich zum Lächeln gebracht und mir Lust gemacht,
Suspiria mal wieder zu schauen. Da gab es in der Handlung und dem Setting mehr als nur einige Parallelen.
Gestört haben mich im Grunde nur noch Details. Dazu folgende Spoiler:
Hätten die Macher sich die beiden Szenen zu Beginn (mit dem Mädchen auf dem Fahrrad und später in der Badewanne) gespart, wäre der Überraschungseffekt am Ende sehr viel größer gewesen. So wusste man gleich, dass die Dame Dreck am Stecken hat und deswegen noch etwas passieren wird.
Auch wurde mir damit der vampirische Hintergrund der Ballerina-Familie zu früh verdeutlicht. Aber ich sehe gerade: Das stand ja schon auf dem französischen Poster/Cover geschrieben. Schöner Spoiler.
Ab dem Moment, in dem man vollständig durchschaut hat, was hier passiert, lässt die Spannung dann leider etwas nach. Die Franzosen haben also durchaus das Potenzial, sich noch zu verbessern. So lange ihnen nicht wieder ein Rückfall bzw. Totalausfall wie
Inside passiert, sind sie hiermit auf dem richtigen Weg.
Hätten Bustillo und Maury straight einen brutalen Spukhaus-Horrorshocker durchgezogen wäre es am Ende vermutlich ein ganz dickes Brett geworden!
Nein, ganz und gar nicht. Dann wäre der Film genau so furchtbar in die Hose gegangen wie Inside. :P