Toni Erdmann

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Offline JasonXtreme

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    Obwohl ich ja nun wirklich affin mit dem deutschen Film bin, muss ich ehrlich gestehen, dass ich nicht in forderster Front stand um den deutschen Oscar-Beitrag Toni Erdmann zu sehen. Ja, den Trailer fand ich seinerzeit skurril-witzig, ohne wirklich zu wissen was auf mich zukommt. Als ich dann las der Film dauert einiges jenseits der zwei Stunden Laufzeit, schwand mein Interesse noch etwas mehr, da ich mir nicht vorstellen konnte, dass das Konzept vom Trailer so lange funktioniert. Sogar als der Film nun schon lief musste ich mir noch eingestehen, dass ich ihn nicht mögen wollte. Dennoch wird dies kein Verriss werden, im Gegenteil, denn was Regisseurin und Autorin Maren Ade mit Toni Erdmann geschaffen hat, ist alles andere als einfache Kost – was wiederum den Bogen zu meinen anfänglichen Bedenken schlägt.

    Der Film ist lang, und er ist ruhig. Allerdings ist er auch aufwühlend und skurril. Die Skurrilität dient hier aber nur als Stilmittel um die Botschaft zu formen bzw. das Gezeigte auf die Spitze zu treiben. Die Komödie, die ich erwartet habe, gibt es nicht. Den Film eine Tragikkomödie zu nennen… nun kann man tun. Er hat Szenen in denen man lachen kann, es aber nicht muss. Jene Szenen die Albernheit beinhalten sind rar gesät, und es sind auch jene, in denen man im Nachhinein überlegt ob es nun richtig war zu lachen. War das witzig gemeint? Ich gehe bewusst nicht näher auf die Handlung ein, die kann man überall nachlesen, aber ich werde auch bewusst spoilern müssen um meine eigene Sichtweise (die ja mit der anderer Zuschauer variieren kann) darlegen zu können.

    Zuerst sei gesagt, dass die Besetzung mit Peter Simonischek als Winfreid Conradi/Toni Erdmann, und Sandra Hüller als Tochter Ines Conradi perfekt gewählt ist. Nicht anders zu erwarten will man sagen, wenn soviel Theater- und Filmerfahrung zusammenkommt, aber es ist mehr. Die beiden gehen in ihrer Rolle auf, als spielen sie sich selbst. Auch die restlichen Darsteller wie Michael Wittenborn, Thomas Loibl oder Trystan Pütter wissen ihren Figuren Format zu geben. Das Setting Bukarest (nach einem kurzen Auftakt in Deutschland) passt hervorragend, zumal hier die Kontraste des reichen Westens mit dem teils bettelarmen Rumänien nur einmal mehr verdeutlicht werden. Dies geschieht nicht oft oder plakativ, aber eben gekonnt mit einzelnen Einstellungen oder Szenen. Filmmusik wird nebenbei bemerkt auch eigentlich nur eingesetzt, wenn auch Musik gespielt wird wie in einer Bar oder einem Club. Das trägt aber auch maßgeblich zur Atmosphäre bei.

    Die besagte Atmosphäre ist es auch, was Toni Erdmann durchweg ausmacht. Sie ist durchaus mit einer gewissen Kälte belegt, nicht was die Bildsprache angeht, sondern was die Menschen angeht. Natürlich ist das gewollt, da Ines in ihrem Beruf nur aufgeht, weil sie so berufsgeil und aufgesetzt ist, wie es auch ihre Geschäftspartner oder Kollegen sind. Eine Welt in der es nur um Erfolg geht, nur darum was bin ich, nicht wer bin ich. Das Individuum ist völlig gleichgültig. Sowohl Toni als auch seine Tochter sind durchweg tragische Figuren, denn trotz Tonis Hang zu skurrilen Scherzen ist er nicht zwingend Sympathieträger der Geschichte. Er stellt selbst einen einsamen Menschen dar, der geliebt werden möchte, mehr Kontakt zu seiner entfremdeten Tochter haben will. Dafür tut er buchstäblich alles, und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Eigentlich belagert er seine Tochter um ihr Gefühle zu entlocken, was sie aber nicht kann. Sie lebt in ihrer Welt, gefühlsmässig verarmt, selbst beim Sex harscht sie nach Dominanz um ihre Überlegenheit zu zeigen (seltsam, herausragend gespielt in ihrer Beiläufigkeit, die Masturbationsszene), da sie diese in der von Männern dominierten Arbeitswelt nicht bekommt.

    Es dauert übrigens recht lange, bis Winfried als Toni dann in Rumänien ins Geschehen eingreift, während er vorher noch zurückhaltender agiert. Trotz der typisch deutschen Optik eines normalen TV-Films arbeitet Toni Erdmann gezielt auf ein Finale hin, was im langsamen Verlauf eigentlich nie so deutlich wird, aber natürlich der Plan ist. Hier darf man aber kein aufgesetztes Happy End erwarten, sondern vielmehr einen Cut, der für mich persönlich nachgewirkt hat. Einerseits ist die Nacktparty von Ines durchaus witzig anzusehen, vor allem weil sie so natürlich gefilmt ist, und durch die Darsteller grandios schamlos gespielt wird, andererseits ist es eigentlich der Gipfel und ein nervlicher Eklat von Ines. Diese Szene führt zur Versöhnung der beiden Hauptfiguren, stellt aber eben nicht das Ende des Films dar. Vielmehr ist das Finale zu Hause in Deutschland zwar versöhnlich, aber in der Konsequenz der letzten Einstellung alles andere als das. Ines wartet auf ihren Vater, der den Moment der Witzigkeit (Tochter mit Hut und Gebiss des Vaters) auf einem Foto festhalten will, aber in der Zeit in der Winfried die Kamera holt, besinnt sich die Tochter zurück auf ihre langjährig erworbene Gefühlskälte. Sie nimmt die Verkleidung ab, setzt einen eher deprimierten Gesichtsausdruck auf, und man kann sich denken wie sich ihr weiterer Arbeitsweg bei einer neuen Firma in Singapur gestalten wird. In Bukarest fragte sie ihren Vater was die schönsten Momente seines Lebens sind. Nun seine Antwort am Ende zeigt uns die Wahrheit. Die schönsten Moment im Leben erkennt man oft erst, wenn sie vorbei sind. Dass einer der schönsten Momente in Winfrieds Leben der war, als er seine Tochter als Kind aufs Fahrrad setzte, weiß er erst jetzt…

    Trotz allem Wehmuts am Ende, oder vielleicht gerade deswegen, ist Toni Erdmann ein wichtiges Statement gegen die emotionale Verarmung in allen von uns, egal wo und wann auf der Welt. Dass dabei noch Themen wie Depressionen, Versöhnung und Armut angeschnitten werden ist nur ein großes Plus, zumal alles zusammen auf eine Art und Weise aufgearbeitet wird, wie man es so wohl sehr selten zu Gesicht bekommt. Es hat wohl noch nie ein Film geschafft von „interessiert mich nicht“ bis „verdiente Oscarnominierung“  zu kommen bei mir, aber Toni Erdmann ist ein Novum des deutschen Films, der ganz sicher nicht bei jedem punkten kann, aber Nerven treffen wird. Wer eine Komödie erwartet, der sollte den Film definitiv meiden, soviel sei gesagt. Manche Menschen nehmen ihre Maske nur ab, wenn das Gegenüber eine überzieht…

    Ich habe lange überlegt, aber eine  :9: muss ich hier vergeben - einen Punkt lasse ich aus, weil der Wiedersehwert für mich (momentan) einfach nicht gegeben ist.
    Einmal dachte ich ich hätte unrecht... aber ich hatte mich geirrt.


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      Hoffnung würde ich auf die Realität bezogen auch sehen, keine Frage - auf die Figuren des Films nicht. Winfried dürfte durch den Tod des Hundes und seiner Mutter nur mehr zur noch tragischeren Figur verkommen, mit dem auch vorher schon kaum einer mehr was zu tun hatte/ haben wollte. Daher meinte ich oben auch, dass nicht nur Ines die tragische Figur ist für mich. Durch Toni schafft sie es kurzfristig aus ihrem emotionalen Eisfach auszubrechen, aber eben auch nur marginal - er selbst gewinnt dadurch nur in dem Moment etwas.
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        Bin sehr gespannt auf Deine Meinung Markus/ andere Meinungen hier :)
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          Ich wart ja auf die Stimmen die ihn scheiße finden :D ohne damit jetz Dich zu meinen ;) aber die werden kommen
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            Also dann, die Weinheimer Spaltaxt hat zugeschlagen :D
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              Weiß ich doch, mein bester :D mir gefiel der Begriff Spaltaxt nur so gut :uglylol: ich kanns ja auch absolut nachvollziehen - ich wollt ihn ja nicht mögen, und dann kam sowas bei raus ;)
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                Wird nix für Dich sin denke ich, Christian :D
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