Libido (1965)
Ein Giallo, wie er im Buche steht. Ernesto Gastaldis Regiedebüt, das er mit etwas Hilfe von Vittorio Salerno umsetzte, ist ein absolut klassischer Vertreter seiner Art. Er beginnt mit einem kleinen Jungen, der mit seiner Spieluhr (Jimmy, die Grille), der zufällig mit ansehen muss, wie sein Vater – ein perverser Sex-Killer, eine Frau im eigenen Haus umbringt. Er hat sie in einem Zimmer voller Spiegel ans Bett gefesselt, bevor er sie tötet. Dann geht der Vater aus dem Haus zu den Klippen und begeht Selbstmord. Jahre später wird der erwachsene Christian (gespielt von Giancarlo Giannini) als geheilt aus der Anstalt entlassen und fährt zusammen mit seiner Frau Helene (Dominique Boschero) zurück zum Elternhaus. Begleitet werden sie von seinem Anwalt Paul (der bekannte Italienische Nebendarsteller Luciano Pigozzi) und dessen junger Frau Brigitte (Mara Maryl). Christian versucht sich seiner Vergangenheit zu stellen, hat insgeheim aber Angst wie sein Vater zu sein. Seine Frau und auch Paul unterstützen ihn, während Brigitte, ein typisches blondes Dummchen, von einem Fettnäpfchen ins nächste tritt. Das zeigt sich direkt, als sie sich zum Schlafen das Mordzimmer aussucht. Christian lässt das widerwillig zu. Doch plötzlich häufen sich schreckliche Ereignisse. Christian glaubt, sein Vater wäre wieder da. Schließlich wurde seine Leiche nie gefunden. Der Schaukelstuhl wippt, seine Pfeife liegt qualmend im Aschenbescher und mitten in der Nacht sieht Christian seinen Vater im Garten. Als er Helene holt, ist die Gestalt weg, aber feuchte Fußspuren führen durch das Haus...
Nun – Gastaldi, der etliche Drehbücher und Romane verfasst hat, inszenierte ein Kammerspiel, das die meiste Zeit mit nur vier Personen auskommt. Pigozzi als zwielichtiger Anwalt ist sowieso eine Show und auch Mara Maryl, die übrigens mit Gastaldi verheiratet war und die Idee für diesen Film hatte, gibt das blonde Dummchen als perfekte Mischung aus Arroganz, Naivität und purem Sex. Der Film spielt die größte Zeit im Haus und lässt sich für die Entwicklung der Geschichte erstaunlich viel Zeit, ohne allerdings langweilig zu sein. Immer wieder bekommt der Zuschauer ein Puzzlestück, bis zum ersten Mord...
Hier sein natürlich nicht verraten, wer wen umbringt. Ich habe zwar halbwegs richtig gelegen, doch hat mich das Ende dann doch etwas überrascht. Aber eins kann ich versprechen: natürlich gibt es ein Finale mit doppeltem Boden und einer doch fiesen Pointe.
Libido ist ein absolut gelungener Krimi, der am Anfang mich entfernt an „Profondo Rosso“ erinnern ließ. Hier gibt es den kleinen Jungen (ich glaube unterm Weihnachtsbaum – kann mich aber nicht genau erinnern) und eine Spieluhr mit einer Melodie, die auch zum unheimlichen Hauptmusikthemas des Filmes wird. Es gibt viele unheimliche Szenen in dem Haus und eben eine fiese Auflösung.
Ich kann diesen kleinen Krimi, die geneigten Giallo-Fan auf jeden Fall ans Herz legen.
Erschienen ist er bisher nur in Italien auf DVD und in den USA auf VHS - allerdings nur im Original ohne UT. Da hilft mal wieder nur YT:
Kurzer Nachtrag:
Notturno con grida (1981)
1981 drehten Gastaldi und Salerno tatsächlich eine Fortsetzung zu „Libido“, die sie jedoch nur machen konnten, weil aufgrund eines Corona (???!?) -Gesetzes von 1965 staatlicher Förderung abrufen konnten. Hier traten Mara Maryl und Luciano Pigozzi wieder in ihren Rollen als Brigitte und Paul auf. Ich hab mich zwar gefragt, wie das gehen sollte, aber Paul gibt selbst die Antwort (war für mich schwierig zu verstehen, weil es den Film auf YT nur auf Italienisch gibt). Doch ein Blick in das Standardwerk von Roberto Curti (Italian Gothic Horror – Band 3) gab Aufschluss. Paul hat seinen Sturz von der Klippe überlebt und konnte die Polizei rufen, die auch Brigitte aus ihrer Lage befreiten. Nun ist Brigitte ein Medium, dass mit Christians Geist Kontakt aufnehmen kann. Sie fahren mit einem Kamerateam in die Wälder und machen sich auf Geisterjagd. Leider sieht man diesem Film, das niedrige Budget an. Die Regisseure fuhren selbst mit kleinster Crew in den Wald und drehten quasi eine Vorabvariante von Blair Witch. Denn die Protagonisten kommen aus den Wäldern nicht mehr hinaus. Die Zeit steht still, das Auto verschwindet und taucht wieder wie aus dem Nichts auf und der Geist von Christian macht seinerseits Jagd auf die Truppe. Eigentlich ist der Film totaler Käse. Die Schauspieler labern sich einen Ast ab – und bis mal etwas Verfolgungsaction und Totschlag passiert, ist der Film auch wieder vorbei. Das Finale bezieht sich wieder auf den originalfilm – aber das war‘s dann auch. Gruselig ist der Film Null und nur noch als Fußnote zum tollen Original zu verwerten. Schade.