Wer sich erinnert - Gunter gab mir mal eine nette Empfehlung:
Das interessiert doch bestimmt den Dirk und den ein oder Anderen hier.
Mammutwerk über Giallos. Ich würde schnell zuschlagen. Die Preise gehen ja in die Höhe
In zwei Bänden bisher.
https://www.amazon.de/So-Deadly-Perverse-Italian-Giallo/dp/1936168502/ref=sr_1_1?s=books-intl-de&ie=UTF8&qid=1493449168&sr=1-1&keywords=so+deadly+so+perverse
https://www.amazon.de/So-Deadly-Perverse-Italian-1974-2013/dp/1936168588/ref=sr_1_cc_1?s=aps&ie=UTF8&qid=1493449310&sr=1-1-catcorr&keywords=so+deadly+so+perverse
Ich hab mir die Bände noch zu recht moderaten Preisen bestellt und bin fasziniert von dem Nachschlagewerk. Troy Howarth gibt einen guten Überblick zu dem "gelben" italienischen Krimis von 1963 bis so 2012. Die ersten Seiten haben mich inspiriert mich wieder etwas näher mit meiner Lieblingsspielart des italienischen Kinos zu beschäftigen. (Was BÜCHER so auslösen können). Im Oktober kommt sogar ein neuer Band von Christian Keßler mit dem Titel "Gelb wie die Nacht", der ebenfalls die Spielarten des "Giallo" umfassend beleuchtet. Grund genug für mich hier ebenfalls mal meine Gedanken niederzuschreiben.
Troy Howarth schreibt allerdings, dass er natürlich eine Auswahl treffen musste. Es gibt etwa Poliziottesco, die das Genre streifen, aber kein "Giallo" im klassischen Sinne sind. Wir wissen, dass der Begriff "Giallo" auf den gelben Umschlägen der Krimis basiert, die in Italien erschienen sind. Zum Giallo in Buchform gehören sämtliche Krimis. Im Film stellen wir uns oft die Streifen vor in denen ein maskierte Killer im Regenmantel mit einem Messer blutig auf Frauen einsticht... das ist so der Kern des Genres.
Nach der Lektüre bin ich direkt mit 1963 eingestiegen und habe mir den Ur-Giallo nochmal vorgenommen:
The Girl Who Knew Too Much
- Mario Bavas Klassiker von 1963 gibt es leider nicht auf deutsch. Ich hab die französische DVD, die mit englischen Untertitel und auch italienischem Ton aufwartet. Der Film ist tatsächlich die Blaupause der Blaupause, denn vor Blutige Seide hat Bava mit diesem Film den klassischen Giallo vorgezeichnet. Es geht um eine junge Amerikanerin, die nach Rom kommt um Ferien zu machen. Ihre kranke Gastgeberin stirbt unverhofft, daher versucht die junge Nora dann Hilfe zu holen. Auf dem Weg zum Krankenhaus wird sie überfallen und ausgeraubt. Kurze Zeit später wird sie Zeugin eines Mordes - doch niemand glaubt ihr. Sie ermittelt zusammen mit einem jungen Arzt (John Saxon) und stößt auf den Fall des Alphabet-Killers, der bereits drei Morde hinter sich hat ... und ihr Nachname beginnt mit einem "D".
Bava filmt hier zwar noch in Schwarz-Weiss, doch Ausleuchtung und Inszenierung sind absolut Horrortauglich. Die Einstellung, in der man den Killer sieht, ist toll - man sieht den Schatten über der Leiche und die Augen blitzen ganz leicht im Gesicht. Brr... der geübte Giallo-Fan und auch Argento Jünger kommt dem Geheimnis leider schnell auf die Spur. Interessant ist, dass man schon viel vom Plot des "Geheimnis der schwarzen Handschuhe" hier wiederfindet. Der Ausländer, der einen Mord beobachtet, und ihm niemand glaubt. Ein schreckliches Geheimnis und viele falsche Spuren. Auch Hitchcock hätte an dem Streifen seinen Spaß gehabt.
"The Girl who knew too much" ist ein grandioser Italo-Krimi, hervorragend fotographiert und leider zu unrecht vergessen.
Das Telefon
- Im Anschluss nahm ich mir dann nochmal die erste Episode von Bavas "Drei Gesichter der Fucht" vor. Die Kurzgeschichte mit dem Titel: Das Telefon" ist quasi der erste Giallo in Farbe. Ich muss kaum erwähnen, dass die Umsetzung von Bava absolut bildgewaltig ist und ohne Ende rockt. In etwa einer halben Stunde erzählt der Meister von Rosy (Michele Mercier ... wow), die von einem Unbekannten am Telefon belästigt wird. Dieser prophezeit ihr, dass sie in der Nacht sterben muss. Sie glaubt, dass der Anrufer ihr Ex-Freund ist, der wohl aus dem Gefängnis ausgebrochen ist (wo sie ihn hingebracht hat). Aus Angst ruft sie ihre Freundin Mary an, damit sie die Nacht bei ihr bleibt. Doch wie immer ist alles anders, als man denkt... Nachts dringt tatsächlich ein Mann in die Wohnung ein...
Hier möchte ich nicht den Rest verraten, denn die Geschichte ist natürlich mit doppelten Boden, auch wenn viele die Pointe erahnen. Die Geschichte gibt selbst auch einiges früh preis... aber das sollte man sich selbst angucken. Dennoch hat Bava hier schon vieles etabliert. Den geheimnisvollen Beobachter/Killer. Das ängstliche leicht bekleidete Opfer und einen hübschen lesbischen Unterton, der in der US-Fassung komplett rausgeschnitten wurde. Kulisse, Beleuchtung und Farbe ist superb. "Blutige Seide" musste quasi der nächste Schritt sein... aber der folgte erst 1964.
1964:
24 ore di terrore
- nun, bevor es mit "Blutiger Seide" So richtig losgehen konnte, gab es noch zwei kleinere unbekanntere Filme. "24 ore di terrore" ist eher dem Gangsterfilm zuzuordnen. Dennoch sind hier einige Giallo-Elemente bereits enthalten. Eigentlich geht es um eine Drogen-Schmuggler-Bande, die sich in einem hübsch gruseligen schlossähnlichen Anwesen verschanzen. Vor einem großen Deal soll noch ein Mittelsmann einer befreundeten Organisation dazukommen. Doch das FBI schleust einen Mann Undercover ein, um den Deal und die Bande hochgehen zu lassen. Doch dann geschehen in dem Schloss mehrere Morde. Die Gangster wollen herausfinden, wer ihnen der Gar ausmachen will und warum. Bis zur Auflösung gehen jedoch einige Verbrecher hops.
Der Hybrid ist nicht ganz Fisch noch Fleisch, aber dennoch recht spannend und filmhistorisch interessant. Leider ist er nur mal im italienischen TV gelaufen und sonst nicht erhältlich. Ich hatte das Glück in auf YT zu finden - sogar mit englischem Untertitel. Kein großer Wurf, aber zum einmal sehen, war es schon unterhaltsam. Regisseur Grandi hat nur einen weiteren Film gemacht und sonst nicht.
Assassination in Rome
- gelistet mit der Jahreszahl 1965 stand "Il Segreto del vestito rosso" im SDSP Band unter 1964. Dieser Krimi von Silvio Amadio war mir komplett unbekannt. Erschienen ist er nur als US-DVD von Dark Sky Films im Double Feature mit "Espionage in Tangiers". Nun die DVD ist wie ein klassischer Kino-Besuch aufgemacht - es gibt vorher Pizza und Würstchen-Werbung, dann Trailer und dann den ersten Streifen. Ich hab den Agenten-Film und auch die "Intermission" übersprungen, weil ich gestern Abend nicht allzu viel Zeit hatte.
Ich war angenehm überrascht. Denn "Attentat in Rom" ist ein wundervoll gefilmter Krimi an den Touristenschauplätzen von Rom und Venedig und sieht hervorragend aus. Die Story ist verschachtelt und etwas verworrene, was es eigentlich total spannend macht. Am Fontana die Trevi wird die Leiche eine Fotographen gefunden, der noch im Besitz eines kleinen Drogenpäckchens ist. Zeitgleich brechen Old Mike und Dino, vertrottelte Kleinganoven, in die Wohnung des Fotographen ein, die allerdings schon von anderen verwüstet wurde. Sie räubern die Wohnung also weiter aus. Mike klaut sich ein Paar Schuhe, die ihm zwar nicht passen, aber super aussehen. Hier finden die zwei später einen Mikrofilm, der noch wichtig werden soll...
In Rom ist übrigens auch Shelly North unterwegs, die mit ihrem Mann Bill Urlaub macht. Leider verschwindet ihr Mann und Shelly wendet sich an die Polizei, die das aber nicht ganz Ernst nimmt. Shelly trifft auf ihre alte Jugendliebe Dick Sherman, der sich mittlerweile als Reporter einen Namen gemacht hat. Dieser will Shelly helfen und recherchiert in einem Sumpf aus Verbrechen und falschen Spuren, bis er Bill in Venedig aufspürt. Dieser kam mit starken Kopfverletzungen ins Krankenhaus. Was Bill gemacht hat oder mit wem er sich getroffen hat - kommt nach und nach ans Licht. Doch der Mörder schläft nicht... und macht Jagd auf Bill, Shelly und den Mikrofilm...
Der Film hat mich letztendlich supergut unterhalten - er war super spannend und auch toll gefilmt. Was ihn leider in die letzte Kategorie rutschen lässt, ist die total bekloppte Auflösung und ein Täter der kein Sinn ergibt. Hier hatte man das Gefühl es musste hinter der Maske jemand sein, den niemand vermutet hätte. Nun - ich auch nicht - denn es machte kein Sinn. Auch alle anderen Fäden wurden gar nicht aufgelöst oder mit einem Satz vom Tisch gewischt. Das macht das Ende des Films (das Finale mit dem Abgang des Killers erinnerte an Argentos "Vier Fliegen auf grauem Samt") absolut unglaubwürdig und enttäuschend. Wahrscheinlich ist das mit ein Grund, warum der Films sonst nirgends ausgewertet worden ist. Schade - aber so ist der Film nur leidliches Mittelmaß.