Ab in die 60er Jahre:
Unschuld im Kreuzverhör – Il Rossetto (1960)
Das Regiedebut von Damiano Damiani (unter anderem „Töte Amigo“ und „Der Terror führt Regie“) ist ein gelungenes Kriminal-Drama, das mit eine phantastischen Besetzung aufwartet und mit Hitchcock-ähnlichen Motiven spielt. Es geht um den Mord an einer Prostituierten, die in einem Wohnhaus lebt. Die Nachbarn wollten nichts von ihrer Tätigkeit gewusst haben, obwohl sie hinter vorgehaltener Hand sehr neugierig sind. Die Polizei verhaftet schnell den Milchmann (den Boten des dortigen Restaurants) als verdächtigen und befragt die Anwohner. Dort lebt auch die vierzehnjährige (auf dem Covertext ist sie zwölf, das italienische Wikipedia schreibt 13 Jahre) Silvana, die sich in den adretten Nachbarn Gino verguckt hat. Sie beobachtet ihn gerne, wenn er Gitarre spielt. Sie spricht ihn mit einer Lüge auf der Straße an, um mit ihm in Kontakt zu kommen. Doch er ignoriert das kleine Mädchen. Erst als sie ihm beichtet, dass sie ihn aus der Wohnung des Mordopfers kommen gesehen hat, freundet sich Gino mit dem Mädchen an. Sie treffen sich heimlich im Kino und er nimmt sie mit auf seiner Tour zu den Kunden (er ist Vertreter). Gino belügt das Mädchen und verheimlicht ihr, dass er die reiche Lorella Severano heiraten möchte. Als Silvana das rausbekommt, ist sie sehr enttäuscht... Um ihr zuvorzukommen erklärt Gino der Polizei von dem verrückten kleinen Mädchen, das ihn verfolgt und setzt sie einer grausamen Prozedur von Verhören und Ermittlungsarbeit aus...
In der Rolle des Kommissars Fioresi sehen wir wieder Pietro Germi, der eine ähnliche Rolle verkörpert wie in „The Facts of Murder“. Auf der einen Seite der sympathische Ermittler, kann aber auch der harte Polizist sein. Da er hier nur Schauspieler ist, hat er auch wesentlich weniger Screentime. Der Fokus liegt auf der Beziehung von Silvana (Sensationell verkörpert von Laura Vivaldi) und Gino (ein herrlich schmieriger Pierre Brice – lange vor Winnetou). Von Anfang an ist klar, dass Gino nicht nur der Verbrecher ist, sondern auch ein notorischer Lügner und ganz schlimmer Finger. Um sich zu schützen trifft er sich mit dem minderjährigen Mädchen und versucht sie durch leichte Avancen unter Kontrolle zu halten. Natürlich ist das ein Spiel mit dem Feuer – denn als Erwachsener mit einem fremden Kind abzuhängen, war schon in den 60ern sehr gefährlich. Doch der Schleimi bekommt die Kurve, um das Kind restlos zu diskreditieren. Zum Verhängnis wird ihr dabei der „Lippenstift“ – denn ein braves Mädchen würde sich nie anmalen. Dieses „Missgeschick“ beraubt dem Teenie jegliche Glaubwürdigkeit und mach die „Unschuld“ quasi zum Opfer – auch als beweisen wird, dass Sie noch Jungfrau ist (grausame Szene – als die Untersuchung angeordnet wird). Kommissar Fioresi lässt sich zunächst auch aufs Glatteis führen, kommt aber doch langsam der Wahrheit auf die Spur... doch die Beweislage reicht lange nicht aus....
Der Film ist toll gespielt – Vivaldi und Brice harmonieren super. Die Treffen der beiden umschwebt immer eine anrüchige Atmosphäre und jeder weiß, dass Gino ein Mörder ist. Das Finale basiert dann auch nicht unbedingt auf Fakten und Beweislagen, sondern hier spielen Gefühle und Menschlichkeit eine große Rolle. Der Film ist packend inszeniert und keine Sekunde langweilig. Damiani zeigt hier schon, dass er später im Polit- und Polizei-Thriller noch einiges leisten wird. Natürlich haben wir hier noch nicht die harte Action-Kost, die in den 70ern die Kinos eroberte, aber als leiser Thiller funktioniert „Unschuld im Kreuzverhör“ perfekt. Der Film ist bei Pidax auf DVD ohne großes Bonusmaterial erschienen:
Der Trailer:
Der Bucklige von Rom – Il Gobbo (1960):
In den 60ers lockerte sich auch die Zensur, gerade was Gewalt oder auch gesellschaftliche Kritik in Filmen anbelangt. Mit „Der Bucklige von Rom“ kam nicht nur ein Gangster-Drama mit Neorealistischem Einschlag, sondern auch eine kleine Blaupause, die den Italo-Krimi prägen sollte. Carlo Lizzani verarbeitete in „Der Bucklinge von Rom“ sehr viele Elemente, die uns in den 70ern richtig um die Ohren gehauen werden.
Hier geht es um Alvaro, den Buckligen, der mit den Partisanen kämpft, aber mit seiner Bande auch auf eigene Rechnung wirtschaftet (was ihn später den Rauswurf einbringt). In den letzten Monaten des Krieges ist Rom noch von den Deutschen besetzt. Alvaro hat große Probleme mit dem Polizeichef, der für die Nazis arbeitet. Um sich zu rächen, dringt er in das Haus des Mannes ein und vergewaltigt seine Tochter Ninetta, in die er sich allerdings dann doch verliebt. Ninas Beziehung zu dem Buckligen wird auch immer komplizierter. Sie gibt sich ihm hin, damit er ihren Vater schont, doch sie hasst ihn auch. Als Alvaro den Vater doch kaltblütig erschießt, lässt sie sein Kind abtreiben und liefert ihn an die Nazis aus. Doch Alvaro kann sich befreien und geht wieder in den Untergrund. Nach der Befreiung durch die Amerikaner steigt er zum großen Boss auf. Ninetta hingehen verdient ihr Geld durch Prostitution – woran sie Alvaro die Schuld gibt. Der Bucklige hingegen versucht mit seinem Geld und seiner Macht Gutes zu bewirken (er will dass die Nonnen im Kinderheim, wo auch er war, gutes Essen kochen), doch scheitert immer wieder, weil an seinem Geld Blut klebt. Weil er Ninetta liebt, will er sie aus der Prostitution holen, doch der neue Polizeichef ist ihm schon auf den Fersen...
Das Gangster-Drama von Lizzani zeichnet auf der einen Seite den Kampf der Italiener gegen die Besatzer nach und schlildert auch die schlimmen Lebensumstände der Bevölkerung während und nach dem Krieg. Einer von Alvaros Bandenmitgliedern (Pier Paolo Pasolini in einer Nebenrolle) besetzt mit seiner Familie Ninettas Haus, weil ihr Vater ja Faschist war, und setzt die junge Frau auf die Straße. Als sie später wieder zurückkehrt und Leandro Geld (und ihren Körper) bietet – gibt er ihr ihren rechtmäßigen Besitz wieder zurück...
Die Geschichte verwendet viel Zeit auf die Figur Alvaros (dies es wohl ähnlich gegeben haben soll). Der Bucklige, der ja durch seine Behinderung doppelt benachteiligt ist, verschafft sich durch Gewalt Respekt. Er ist ein gewissenloser, aggressiver, fieser Kerl, der allerdings sich ja auch die Frau mit Gewalt nehmen muss. Seine Wandlung am Schluss zum Wohltäter ist zwar nachvollziehbar, muss jedoch scheitern. Auch Ninettas Weg, die ihren Hass nie konsequent aufrechterhalten kann, wird gemeinsam mit Alvaro untergehen.
Insgesamt ist der Film düster, deprimierend und kalt – aber dadurch eben packend und grandios gespielt. Ich finde die „18er“ Freigabe ist durchaus nachvollziehbar, denn es gibt hier keine Sympathieträger. Der Streifen von 1960 wartet mit relativ viel Action auf – es wird sehr viel geballert und gemordet. Man merkt schon wie sich das Genre vom Drama zum Actionfilm weiterentwickelt. Anna-Maria Ferrero bekam einen Preis für ihre Darstellung und die Filmbewertungsstelle gab das Prädikat Wertvoll. Ich finde auch, der Film punktet durch die schonungslose Darstellung der Zeitepoche und durch die grandiose Besetzung. Gérard Blain spielt den Buckligen sehr authentisch und Pasolini als fieser Leandro ist ebenfalls klasse. Fazit: Der Weg vom Neorealismus zum Gangsterfilm – klasse.
Mir lag die Bluray von Filmjuwelen vor, die mal wieder keinen O-Ton und kaum Backgroundinfos (außer einem Booklet).
Black City – Il re poggioreale (1961):
Der „König von Poggioreale“ wird immer als Comedy-Drama geführt, was er zeitweise sogar ist. Er spielt mit dem Neorealismus und schubst ihn jedoch in eine leichte, unterhaltsame Richtung, was ohne Zweifel an dem übermächtigen Hauptdarsteller liegt. Aber erst mal zur Story: Der Film spielt noch während des zweiten Weltkrieges in Neapel. Commissario Natalucci tritt seinen Dienst in der Stadt an und findet eine etwas verwahrloste Truppe an Polizisten vor. Der Kommissar möchte wieder in der Stadt für Recht und Ordnung sorgen und ist bestrebt auch dafür bei der zuständigen Behörde Waffen anzufordern. Denn in der Stadt sind Diebesbanden und Schwarzmarkt-Handel an der Tagesordnung. Alles steht unter der Kontrolle von „Don Peppino“, der wie ein König in seiner Residenz haust. Zu ihm kommen die Menschen und tragen ihre Anliegen vor. Don Peppino hört zu, gibt großzügig Geld und löst ihre Probleme. Er ist Neapolitaner von ganzem Herzen und stellt immer das Wohl der Bevölkerung in den Vordergrund. Als Dieb ist er zu Ruhm und Reichtum gekommen – auch sein Sohn will in seine Fußstapfen treten. Doch Don Peppino möchte, dass er studiert und etwas Anständiges wird. Commissario Natalucci hält natürlich auch einen Anstandsbesuch ab und macht klar – dass sich einiges ändern wird, doch Don Peppino lässt sich nicht beeindrucken. Alle Macht liegt in seinen Händen, unter anderem freundet er sich mit dem zuständigen amerikanischen Militärbeamten Di Gennaro an und wird sogar von der Kirche aufgefordert, die Reliquien des Heiligen Januarius in die Stadt zu überführen. Die haben nämlich Angst, dass diese geraubt wird – also engagieren sie den „König“ um das unbezahlbare Gut nach Neapel zu eskortieren. Doch ein unvorhergesehenes Ereignis bringt das „Königreich“ von Don Peppino ins Wanken...
Zunächst dachte ich es geht um den Polizisten – nein, der Film von Duilio Coletti, der auf dem Leben des wahren Peppino Navarra basiert, ist eine grandiose One-Man schon von Ernest Borgnine. Eigentlich wollte Dino de Laurentiis Rod Steiger haben, doch Borgnine (jung mit schwarzem Haar) rockt die Leinwand. Er gibt den „König“ mit einer Leichtigkeit und Leidenschaft, dass man ihm den Italiener sofort abnimmt. Er wirkt zwar immer etwas spitzbübisch, kann aber auch richtig hart durchgreifen, etwa bei einer Schmuggelaktion durch die Kanäle, wo die Handlanger meutern. Da ist mit Don Peppino nicht zu verhandeln – da wird auch mal zugelangt. Die meiste Zeit jedoch hat er immer das Wohl der Menschen im Sinn. Er bereichert sich zwar an seinen kriminellen Handlungen, ist sich aber auch seiner Verantwortung für die Allgemeinheit bewusst. Im Groben mit Coletti etwas den Paten vorweg, allerdings mit recht fröhlichen Szenen, die das bittere Ende umso härter erscheinen lassen. Der Hammer ist natürlich das Pizza-Duell gegen den amerikanischen Militär-Beamten, der mit italienischen Wurzeln ein Restaurant in New York hat. Die beiden backen eine Pizza Napoli um die Wette – ob die amerikanische oder die echte besser schmeckt: „Wenn ich gewinne, bekommen wir in Neapel elektrischen Strom.“ - Ratet mal, wer gewinnt? Ebenso ist die Vatikanepisode genial – wo er die Reliquien nach Neapel bringt und von Lino Ventura (ebenfalls sehr jung) überfallen wird. Die beiden kennen sich noch aus alten Tagen... doch Don Peppino trickst ihn dann doch aus. Im Finale warnt Di Gennaro, der wieder an die Front muss Don Peppino vor der Polizei, denn die ist mittlerweile wirklich bewaffnet und nimmt ihren Job sehr ernst. Doch Don Peppino hat keine Angst vor Natalucci – doch das Schicksal meint es hart mit dem König.
Leider ist diese sensationelle Darstellung von Borgnine nirgendwo auf DVD oder Bluray erschienen. Es gibt ihn als italienischen VHS – Kopie auf YouTube, allerdings ohne Untertitel (die gibt es an anderer Stelle). Colletti hat einen sehr guten unterhaltsamen Film abgeliefert, der zeigt, wie wertvoll das „organisierte Verbrechen“ für die armen Menschen war – besonders in Kriegstagen. Schade, dass der Film nicht mit einer ordentlichen V.Ö. gewürdigt wird, denn er zeigt, das Borgnine ohne Schwierigkeit einen ganzen Film alleine tragen kann.
Hier der Link:
La Banda Casaroli (1962):
Jetzt kommen wir zu einem weiteren Kracher der 60er, der als einer der besten seiner Dekade galt. „La Banda Casaroli“ von Florestano Vancini basiert auf wahren Begebenheiten und hält sich in der Darstellung der Überfälle und der Flucht der Gangster wohl eng an die Realität. Den namensgebenden Paolo Casaroli hat es wirklich gegeben und auch seine Spießgesellen, die allerdings im Film anderes heißen.
Der Film beginnt mit einer Aufnahme des umherwandernden Gabriele Ingenis (gespielt von einem sehr jungen Thomas Milian) – auf einer Kirmes trifft er seinen alten Kumpel Corrado Minguzzi (Jean-Claude Brilay) und Paolo Casaroli (gegen den Typus besetzt – Frauenschwarm Reanto Salvatori). Die drei schließen sich in einer Bande zusammen und begehen ihren ersten Überfall in einer Bank in der Lombardei. Auch in Genua geht es gut, denn die drei rennen in die Bank, räumen den Safe aus und flüchten mit dem Auto (damals brauchte man nur falsche Nummernschilder). Nach dem sie ihr Vermögen in Venedig verpulvert haben, geht es nach Rom – wo der Überfall erstmalig schief geht. Ein Kassierer versucht Casaroli zu entwaffnen. Während des Handgemenges erschießt Gabriele den Mann, worauf die Bande ohne Beute flüchtet und einen weiteren Verfolger erschießt. Nun leben die Drei in Angst gefasst zu werden – was dann eskaliert, als ein Polizist bei Paolo an der Tür klopft...
Die Darstellung der Zeit, der Personen und der Gegebenheiten ist superb, da alles sehr authentisch wirkt. Unsere Gangster sind trotzt aller Verbrechen nicht wirklich kalt und herzlos. Der schiefgegangene Überfall ringt denen echtes Entsetzen ab. Gerade Salavtori als Bandenchef zeigt in den Momenten, wo sie in die Enge getrieben werden, echte Angst. Wo er allerdings in anderen Situationen überheblich wirkt. Was mich am meisten gestört hat, war jedoch der Aufbau des Films. Am Anfang legt er flott los – die Überfälle sind actiongeladen inszeniert. Der Höhepunkt des Films ist aber bereits nach zwei Drittel erreicht. Casaroli und Minguzzi verlieren die Nerven und flüchten vor der Polizei. Dabei kapern sie unter anderem eine Straßenbahn, erschießen Passanten und Polizisten und versuchen mit einem Wagen zu flüchten. Die Kernszene ist perfekt inszeniert und bis zur letzten Sekunde spannend. Dann schraubt der Film extrem runter und beschäftigt sich noch mit Gabriele, der rastlos durch die Gegend irrt und denkt, dass seine Kumpel alle im Feuergefecht gestorben sind. Für ihn endet die Geschichte sehr bitter und traurig.
„La Banda Casaroli“ ist ein recht harter Film, der zwar kein Blut zeigt, aber mit vielen Schießereien und Action aufwartet. Leider ist der Film wohl nicht offiziell erschienen und auf manchen (legalen) Videoportalen im O-Ton zu finden. Fazit: Sensationeller Gangsterfilm mit sehr guter Besetzung.
Feuertanz - Svegliati e uccidi (1966):
Mit „Feuertanz“ (engl. Wake up and kill) schlagen wir die Brücke zum modernen Gangsterfilm. Auch hier sind wieder Elemente der kommenden Jahre zu entdecken. Raubüberfälle, Autoverfolgungsjagden und der Kampf Polizei gegen Verbrecher. Doch Carlo Lizzani bleibt seinem nüchternen, leicht dokumentarischen Stil treu und präsentiert und die Geschichte des Mailänder Gangsters Luciano Lutring, der aus Leidenschaft zu schnellen Autos und seinem schönen Leben (sowie der Liebe zu einer Frau) die schiefe Bahn einschlägt. Der Sohn arbeitet bei seinen Eltern in einer Molkerei und verkauft Milch (die er hasst). Mit seinen Freunden fährt er dann nach San Remo, um sich ein exzessives Wochenende zu gönnen. Sie mieten sich in ein Luxushotel ein, saufen in einem Nachtclub und verzocken ihr Vermögen im Casino. Luciano verliebt sich in die Nachtclubsängerin Yvonne und macht ihr hübsche Augen und Geschenke. Nach dem Wochenende will er bei ihr bleiben, während die Kumpels nach Hause fahren. Großspurig will er die Hotelrechnung übernehmen. Deshalb schlägt er das Fenster eines Juweliergeschäftes ein und bezahlt die Rechnung mit teuren Uhren. Yvonne will eigentlich nichts mehr mit Gangstern zu tun haben, weil ihr Ex Franco auch schon im Knast gesessen hat. Doch sie bleibt bei Luciano und heiratet ihn (mit dem Versprechen, dass er die kriminelle Karriere aufgibt). Doch Luciano ist in dem Strudel gefangen. Die Überfälle häufen sich, bis er einen großen Raub plant, bei dem er von den Mittätern verraten wird. Seit dem ist er nicht nur auf der Flucht, sondern Presse und die Bankräuber schieben ihm sämtliche Taten in die Schuhe. Luciano wird gejagt und kann sich nirgendwo verstecken. Er geht nach Paris, wo er aber ebenfalls von Polizei und Kriminellen gehasst und gejagt wird. Yvonne geht zur Polizei und hilft ihnen, Luciano zu fangen, weil sie Angst hat, dass er irgendwann mal ums Leben kommt...
Lizzani zeichnet die Ereignisse der Gangsterkarriere stringent nach, auch wenn es immer wieder leichte Zeitsprünge (unterbrochen durch Zeitungsmeldungen) gibt. Doch die Filmfigur unterscheidet sich in vielen Dingen von dem realen Vorbild. (Der Film entstand ein Jahr nach der Verhaftung von Lutring). Robert Hoffmann spielt den Milchmann als leicht egomanischen Charakter, der das schöne Leben genießen möchte, und zufällig zum Verbrecher wird. Aber er ist kein Mensch, dem man „Größeres“ zutraut. Die echten Kriminellen verraten ihn und halten ihn nicht für hart genug. Das rächst sich auch in Frankreich, wo er seinen Schmuck nicht verkaufen kann, weil ihn niemand ernst nimmt. Da er auch nie mit einer Waffe seine Überfälle begeht, weiß er auch nicht, wie man ein Maschinengewehr bedient. Der Presse-Hype über den großen Lutring geht vielen Bösewichtern nur auf die Nerven. Hier spielt Hoffmann den Gangster wirklich wie ein Würstchen, dass nur auf sich bezogen ist. Das zeigt sich auch bei der Geschichte als Yvonnes Ex versucht sie zu vergewaltigen (was durch die Polizei verhindert wird), Luciano aber nur den Gerüchten glaubt, sie hätte eine Affäre mit Franco. Es ist nicht das erste Mal, dass er seine Frau brutal zusammenschlägt. Auch am Ende, als er von ihrem Verrat hört, flippt er aus. Die Figur im realen Leben war etwas anders. Der echte Lutring war ein netter, freundlicher und sogar witziger Mann, der nie verbale oder körperliche Gewalt anwandte. (Angeblich soll er in Nizza vier Polizisten umgelegt haben, was ich aber nicht glauben kann, sonst wäre der nicht nach 12 Jahren wieder aus dem Knast gekommen.) In einer Bank gab er wohl einer armen Oma einen Haufen Geld aus der Beute, weil sie ihm leid tat. Für die Italiener der 60er war er eine Art Popstar, was sich sogar noch bei seiner Verurteilung vor Gericht zeigte.
Der Film ist sehr gut besetzt, obwohl sich die Motivation von Lisa Gastoni nicht nachvollziehen lässt. Sie will nichts mit Kriminellen zu tun haben, bleibt aber bei ihm und genießt das Leben, dass sie eigentlich nicht führen will (oder auch nicht...nachdem er sie wieder geschlagen hat). Sie kommt nicht von ihm los, obwohl sie weiß, wie alles enden wird. Ich fand das etwas unglaubwürdig – ihre Angst wechselt sich mit Liebesbekundungen ab, was mir etwas zu plötzlich kommt. Der Film ist mit zwei Stunden auch recht ausgewalzt – somit verteilen sich die Actionszenen auch arg. Ich fand es nicht langweilig, aber für manchen könnte das etwas zäh wirken. Sehr gut ist auch Gian Maria Volonté, der als Kommissar die Sängerin benutzt, um an Luciano ranzukommen. Er gibt sich als Freund, redet sie mit „Du“ an, um dann klar zu machen, dass Lutring nur ein Job ist. Die Atmosphäre ist insgesamt sehr realistisch, was wohl auf Lizzanis Stil zurückzuführen ist. Es gibt eine hübsche Edition von Subkultur, die aber wohl nicht mehr erhältlich ist. Auch die normale Blu-Ray-Ausgabe ist kaum mehr aufzutreiben, was mich allerdings bei diesem Nischenprodukt etwas wundert. Fazit: Gute Gangster-Bio, die allerdings mit etwas Sitzfleisch genossen werden muss. Noch kein Haudrauf-Film wie in den 70ern, aber wegweisend für das Genre.
Hier der italienische Trailer:
Zwei Särge auf Bestellung - A ciascuno il suo (1967):
Machen wir nur einen kurzen Schlenker zum Politthriller, der auch wie der Mafia Film zum italienischen Krimi-Genre gehört. Elio Petri ist ein Großmeister, was das angeht. Als sein bester gilt „Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger“ von 1970. Aber bereits 1967 gelang ihm ein packender Thriller, der zwar erstaunlich unspektakulär daherkommt, aber dafür extrem spannend ist.
In einer kleinen sizilianischen Stadt erhält der Apotheker Manno anonym Briefe mit Morddrohungen. Alle seine Freunde, zu denen auch Professor Laurana gehört, denken, dass es sich um einen gehörten Ehemann handelt, denn Manno ist der größte Casanova weit und breit. Als Manno zusammen mit Professor Roscio einen Jagdausflug unternimmt, werden beide von einem Unbekannten erschossen. Die Polizei nimmt Vater und Bruder eines fünfzehnjährigen Mädchens fest, mit dem der Apotheker ein Verhältnis hatte. Doch Laurana glaubt nicht daran. Die Worte aus den Drohbriefen wurden aus einer Kirchenzeitung ausgeschnitten, die nur von zwei Leuten im Ort abonniert wird. Laurana, der an der Uni in Palermo als Dozent arbeitet und als links gilt, stellt eigene Ermittlungen an. Der Anwalt Rosello, der mit dem toten Professor verwandt ist, übernimmt die Verteidigung der angeklagten Bauern. Laurana begegnet in Palermo einem Bekannten, der ihm erzählt, dass Roscio sich mit ihm im römischen Parlament und ihm Informationen über die finsteren Machenschaften eines hochgestellten angesehenen Mannes in der Kleinstatt geben wollte. Leider kam es durch den Mord nicht dazu. Gemeinsam mit der Witwe Luisa Roscio sucht Laurana nach den Unterlagen und bringt sich und die Witwe in Lebensgefahr...
Mehr sollte echt nicht verraten werden, denn hier geht es um Politik, finstere Killer und Intrigen, die auch vor Freundschaften nicht Halt machen. Der Hammer ist aber der Besetzung zu finden: Gian Maria Volonté, der 1966 in Feuertanz noch den Kommissar gespielt hat, ist als Professor kaum mehr wieder zu erkennen. Er wirkt wie ein junger, sehr naiver Lehrer, der nicht glauben kann, was in seiner Heimat passiert. Da er jedoch ein intelligentes Köpfchen ist, kombiniert er sehr schnell. Allerdings ist er auch kein typischer Held, sondern der absolute Durchschnittsmann, der auch schnell Angst bekommt – besonders wenn ihm ein brutaler Killer auf den Fersen ist. Er verliebt sich auch in die Witwe Roscio, die allerdings seine Avancen immer wieder zurückweist, was er jedoch einfach übersieht. Dennoch arbeitet sie mit ihm zusammen, um den unbekannten Auftraggeber und Mörder ihres Mannes zu finden. Das Geheimnis ist jedoch schrecklicher, als man denkt – und auch das Ende des Films ist nicht überraschend, aber doch ein Schlag in die Fresse.
Petri nahm eine Romanvorlage und machte daraus einen packenden Thriller, der mit 87 Minuten knackig daherkommt. Eigentlich begleiten wird Laurana bei seinen Ermittlungen, bei denen er ein Puzzlestück nach dem anderen aufdeckt. Leider bleibt das den Verbrechern nicht verborgen – oftmals stellt sich Laurana einfach auch zu ungeschickt an. Aber genau das vermittelt Volonté in der Hauptrolle perfekt. Auch Irene Papas als Witwe ist perfekt besetzt – schön, aber unnahbar. Man weiß nie genau, was in ihrem Kopf vorgeht oder was sie versteckt.
Der Film ist von Koch in einer Elio Petri Box auf DVD erschienen, in dem auch „das verfluchte Haus“ und „Die Arbeiterklasse kommt ins Paradies“ enthalten ist. Die Bildqualität ist etwas dunkler, als bei den damaligen TV-Ausstrahlungen.
Ich kann den Film rundum empfehlen – er lässt einen in die italienischen Gegebenheiten Ende der 60er eintauchen. Ich fand ihn super gespielt, spannend und mitreißend. Fazit: Empfehlung.
Hier der italienische Trailer:
So und nun kann es losgehen ... mit den typischen Reißern.