Italian Crime - Gangster, Mafia und eiserne Polizisten

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Offline Elena Marcos

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    Und damit das Forum nicht einschläft und wir nicht nur neue Filme schauen müssen, mache ich hier das nächste Fass auf. Neben den Gialli gab es im italienischen Kino noch weitere Strömungen, die einen erheblichen Einfluss auf das Weltkino hatten – oder anders herum. Da wären der Italowestern, Gothic Horror Movies oder eben die Kriminalfilme. Hierzu zählen jedoch nicht nur der "Poliziottesco", sondern auch der Gangster und der Mafia-Film. Ein umfassendes Buch aus dem Terrorverlag und die Neuauflage aus dem MPW Verlag hätte die Grundlage sein können, doch Roberto Curti hat mit „Italian Crime Filmography“ ebenfalls ein Standradwerk herausgebracht, das ich als Inspiration nutzen möchte. Bevor ich jedoch mit „Die Banditen von Mailand“ einsteigen möchte, der alle Merkmale des harten Italo-Krimis besitzt, ein Blick zurück auf Filme, die ebenfalls mit diesen Elementen spielen oder aufwarten.

    Nach dem Krieg fand Italien sich nicht nur selbst in der Neufindung – auch das Kino besann sich auf die neue „Realität“. Der italienische Neorealismus entpuppe sich als eigenes Genre, das mit schonungslose Härte ein Abbild der Zeit lieferte. Im Rahmen des „Black Neorealism“ findet sich in den 40ern die ersten Streifen, die sich auch als Kriminalfilm definieren lassen und gar mit „Film Noir“ Einflüssen arbeiten.

    Il Bandito (1946)

    Der erste Film, der genannt wird, ist „The Bandit“ von Alberto Lattuada. Und der ist direkt ein echtes Brett. Die Story ist eigentlich so eingängig, dass sie auch ohne Untertitel zu verstehen ist.
    Der Film beginnt mit einem Zug von Kriegsgefangenen, die in Turin ankommen. Darunter sind Ernesto und Carlo. Carlo hat Ernesto wohl im Krieg das Leben gerettet und kehrt nun zu Frau und Tochter heim. Ernesto ist auf der Suche nach seiner Familie und findet zu Hause nur Trümmer vor. Die Nachbarn meinen Mutter und Schwester sind tot. Ernesto ist desillusioniert und versucht einen Job zu finden, was fehlschlägt. Als er vor einem Club die Geldbörse von Lidia findet, nimmt er nicht das Geld, sondern liefert alles brav ab. Lidia (gespielt von Anna Magnani) ist nicht nur die Femme Fatale aus dem Buch, sondern auch noch Chefin einer Gangester Bande. Ernesto stößt zufällig auf die Spur seiner Schwester, die als Prostituierte ihren Lebensunterhalt verdient. Geschockt möchte er sie mitnehmen, doch ihr Zuhälter stellt sich beiden in den Weg. Bei der Konfrontation löst sich ein Schuss, der nicht nur der jungen Dame das Leben kostet – denn Ernesto killt den Zuhälter und ist nun auf der Flucht vor der Polizei. Er kommt bei Lidia unter und wird Teil der Gangsterbande...
    Aufstieg und Fall eines Kriminellen ist immer wieder Gegenstand eines Kinofilms. Doch mit „Il Bandito“ bekommt die Story noch den Anstrich des Neorealismus, denn trotz der flotten Hollywood-reifen Inszenierung glaubt man den Figuren ihre Verzweiflung. Italien ist nach dem Krieg zerstört und jeder versucht durchzukommen. Ernesto ist eigentlich ein rechtschaffener Charakter, der durch die Umstände auf die schiefe Bahn gerät. In den Fängen von Lidia steigt er zwar auf, aber auch sie ist diejenige, die sein Leben in der Hand hat.
    Das Finale ist konsequent und auf seine Weise genial. Es ist von Anfang an klar, dass Ernesto zu seinen Fehlern stehen muss und diese mit dem Leben bezahlt – doch sein Schicksal ist mit dem von Carlo verbunden und die letzten Minuten haben mich zu Tränen gerührt.
    „Il Bandito“ ist ein Hollywood-Film – nur aus Italien. Amedeo Nazzari sieht etwas aus wie Errol Flynn und spielt Ernesto mit Hingabe. Absolut grandiose Vorstellung. Man denkt immer er ist der Held, doch dann schreckt er vor einem Mord nicht zurück und zeigt, wie verdorben man werden kann. Optisch steht der Film Amerika in nichts nach und ist leider ein zu Unrecht unentdeckter italienischer Klassiker. Fazit: Perfekter Einstieg!!! Wow.

    Im O-Ton auf YT:

    Tombolo, paradiso nero (1947)

    Den nächsten Film konnte ich auch auf YT entdecken, leider kann er gegen „Il bandito“ nicht bestehen. Eigentlich dreht sich hier nachher auch um eine Gangsterbande, die durch Diebstahl und Schmuggel überleben will. Ich glaube, der Film ist in der Gegend von Pisa angesiedelt. Die Darstellung der Nachkriegszeit ist hier wesentlich realistischer als bei „The Bandit“. Andrea Rascelli lebt mit seiner Familie dort und seine Tochter Anna ist ebenfalls auf dem Schwarzmarkt aktiv. Doch die wird bei einer Razzia aufgegriffen und abgeführt. Andrea versucht seine Tochter zu finden und spürt sie bei einer Gangsterbande auf, wo er ebenfalls den Fuß in die Türe bekommt. Doch letztendlich kommt die Polizei dem Treiben auf die Spur und hebt die Brut aus – mit schwerwiegenden Folgen...
    Leider konnte mich der Film nicht überzeugen. Die Darstellung der Epoche kommt zwar überzeugend rüber, aber Regisseur Giorgio Ferroni schafft es nicht, mich bei der Stange zu halten. Im Mittelteil des Films hab ich mich leider arg gelangweilt. Zu viele Figuren und zu viele Banalitäten versauen die Spannung. Nur Aldo Fabrizi als Andrea Rascelli sticht in der Besetzung heraus. Irgendwie erinnerte mich seine Rolle an George C. Scott in „Hardcore“ – mit der körperlichen Präsenz und seinem Glauben an das Gute. Doch der Film dümpelt bis zum Finale einfach so dahin. Ich würd sagen: bemüht, aber belanglos. Kein Klassiker, trotz Ferronis Regie, der später noch so manchen Italowestern und vor allem „Die Mühle der verseinerten Frauen“ inszenieren sollte.

    Lost Youth - Gioventù perduta (1947)

    Eigentlich käme nun Laut meiner Liste „Manù il contrabbandiere“ – doch ich konnte „Manu, The Smuggler“ nicht im Netz auftreiben. Deshalb gehe ich direkt rüber zu „Lost Youth“, dem nächsten richtig interessante Beitrag. „Verlorene Jugend“ ist wohl mal im Kino gelaufen und in den 80er im TV. Nun, der Film entfernt sich von dem damaligen „Neorealismus“ und bedient sich an Stil und Ausleuchtung des Film Noir.
    Der Film beginnt mit einem brutalen Raubüberfall, bei dem ein Passant erschossen wird. Kommissar Marcello Mariani verfolgt die Spuren zur Universität und begegnet dort Luisa, der Tochter eines Lehrers. Kurz darauf wird er der Familie vorgestellt und trifft auf den Bruder Stefano. Der gehört zu einer ganzen Rasselbande von Milchbubis, die nicht nur für den Überfall am Beginn verantwortlich ist, sondern für weitere Verbrechen, zum Beispiel räumen sie die Universitätskasse leer. Doch Maria, eine Sekretärin findet ein Feuerzeug mit Initialen, das sie verschwinden lässt. Denn sie liebt Stefano – doch der hängt immer bei einer hübschen Nachclubsängerin herum. Der Kommissar verliebt sich in Luisa und eröffnet ihr, dass er Polizist ist. Doch die junge Frau ist rechtschaffen und gibt dem Kommissar Hinweise auf die Sängerin. Nun... Stefano soll auf Druck der Bande, die Zeugin kalt machen. Alles steuert auf ein dramatisches Finale zu...
    Jawoll – Pietro Germi liefert einen rundum gelungenen perfekten Krimi/Gangsterfilm ab. Jacques Sernas als Stefano sieht aus wie ein 16-Jähriger und tötet wie ein Vollprofi. Als Gegenpart haben wir Massimo Girotti, der als Polizist super sympathisch daher kommt. Insgesamt orientiert sich der Film wirklich an der schwarzen Serie der Amerikaner und bietet rundum diesen Level. Trotz Referenzen an die amerikanischen Vorbilder (neben Beleuchtung und Inszenierung auch die Klamotten) steht der Film in Spannung und Dramatik nicht hinten an. Das Ding ist rundum gelungen und auch auf Italienisch nachvollziehbar. Der Film hatte wohl 1947 starken Ärger mit der Zensur, da der Film auch in einer Szene mit Statistiken den Anstieg der Kriminalität im Nachkriegsitalien behandelte. Fazit: absoluter Top Film des „Italo Crime Genres“.

    Hier auf YT:

    Ohne Gnade – Senza Pietà (1948)

    Zurück zum Neorealismus: ... nein, nicht ganz. Ich bin hinüber – ich hab den streifen gerade gesehen und heul mir gerade die Seele aus dem Leib. Verdammt – vielleicht bin ich im Alter zu nahe am Wasser gebaut. Aber der Streifen hat mir irgendwie richtig in die Eier getreten.
    Ja – tatsächlich geht es wieder zum Neorealismus zurück. Das Ding ist ein Drama, das wieder zeigt, wie Alltag und Verbrechen ineinandergreifen.
    Die Story kurz angerissen: Angela ist auf dem Weg in die italienische Stadt Livorno. Sie hat sich einfach auf einen Güterzug begeben und kommt an einer US-Station vorbei, die gerade von Plünderern beraubt wird. Bei dem Überfall steigt einer der Verbrecher auf den Zug, verfolgt von dem Soldaten Jerry, der in dem Moment angeschossen wird. Angela rettet dem Amerikaner das Leben und wird zum Dank von den örtlichen Behörden in ein Frauengefängnis verfrachtet. Sie wollte nach Livorno, weil sie auf der Suche nach ihrem Bruder war, den sie drei Jahre zuvor zum letzten Mal gesehen hatte. Leider arbeitete der für den Gangsterboss Piere Luigi, in dessen Diensten er verstarb. Angela flieht mit Marcella aus dem Gefängnis und kommt in ihrer alten Behausung unter. Die Zimmer werden von einem Handlanger Luigis vermietet, der mit dem Boss nicht nur in schäbige Deals verwickelt ist, sondern die Mädchen auch mal „auf dem Markt“ anbietet. Die Soldaten sind für die Dienste recht spendabel. Nun – Angela quartiert sich dort ein – weigert sich aber lange mitzumachen. Zwischendurch begegnet sie Jerry wieder, mit dem sie eine intensive Freundschaft beginnt (keine Liebesbeziehung – was an der Kombination schwarzer Soldat / weiße Italienerin liegen mag). Damit es Angela gut geht, lässt sich Jerry auf einen Deal mit Luigi ein – wird aber betrogen und kommt in Haft. Als er flüchtet, fasst er den Plan mit Angela zusammen zu fliehen, weil auch Luigi das Mädchen nicht gehen lassen will. Doch Angela weiß, wann und wo der Gangsterboss wieder eine Schmuggelaktion mit 4 Million Lire abziehen will. Für eine Flucht in die USA brauchen beide nur eine Million – doch Angela hat nur 500.000. Da startet Jerry eine verhängnisvolle Aktion...
    Jeder kann sich denken, wie es ausgeht – doch ich hab bis zur letzten Sekunde mitgefiebert. Was Regisseur Aberto Lattuada auf die Leinwand zaubert ist in erster Line ein waschechtes Drama aus den Nachkriegstagen. Der Crime-Aspekt ergibt sich aus der Interaktion mit der Verbrecherbande, die von Pierre Claude als Piere Luigi angeführt wird. Dieser schräge Volge wird als „queer“ eingeführt, ist aber ein schleimiger Kleinganove, der nicht ganz ins Schema passt. Manchmal dachte ich: ist der Typ Japaner? Eine merkwürdige Erscheinung, vor der alle kuschen. Trotzdem schafft er die Waage zwischen kaltblütigem Kriminellen und mitfühlendem Freund. Der Hammer sind natürlich Carla Del Poggio als Angela und John Kitzmiller als Jerry. Heute würde man beide ohne Probleme als Liebespaar sehen – doch damals wurde das ganze elegant umschifft. Es gibt eine Szene in der Jerry auf die Knie fällt und Angela schon die größten Befürchtungen hat – doch er gesteht ihr die Liebe als „Bruder“. Doch ganz gleich ob als Geschwister oder Paar – die Chemie stimmt hier auf den Punkt. Wenn beide über einen Jahrmarkt schlendern, ist das wirklich fröhlich und freundschaftlich. Später warnt Jerry das Mädchen vor anderen Soldaten („Wenn sie Geld ausgeben, haben sie Hintergedanken“). Doch zwischen den beiden ist „Liebe“ nie ein Thema, obwohl sie von allen anderen damit aufgezogen werden.
    Wenn man die letzte Szene zugrunde legt, kann man beides interpretieren – aber das liegt beim Zuschauer. Ich muss zugeben, ich war nach wenigen Minuten mittendrin – und der Film hat mich nicht losgelassen. Das Drehbuch und die Story ist übrigens eine frühe Arbeit von Frederico Fellini, der hier echt beweist, wie man eine Geschichte packend und unaufdringlich rüberbringt. Doch – insgesamt ein toller Film. Und im Hinblick auf den Kriminalfilm sind da einige gute Elemente. Beide Figuren müssen aus Gefangenschaft flüchten – und die Action-Sequenzen werden in den Alltag integriert. Die Überfälle werden beiläufig inszeniert – aber mit viel Ballerei. Fazit: Super Klassiker, den ich auch nur auf YT gefunden habe.

    Hier mit englischen UT:

    Bitterer Reis – Riso Amaro (1949):
    Der nächste Klassiker des Neorealismus. Hier beschränkt sich der Kriminal-Anteil auf einen Juwelenraub – doch das Hauptaugenmerk liegt erneut auf der Darstellung der Lebensumstände, hier vor allem der Saisonarbeiterinnen, die auf den Reisfeldern arbeiten. Erneut prangt uns am Anfang die Schrift der Firma „LUX“ entgegen. Man hat das Gefühl, dass Dino de Laurentiis in der Zeit alle Produktionen beherrschte.
    Der Film beginnt auf dem Bahnhof von Turin. Das Gaunerpärchen Walter und Francesca flüchten vor der Polizei. Sie haben ein Halsband gestohlen, das mehrere Millionen wert ist. Doch leider verpassen sie ihren Zug und steigen in den Wagon ein, mit den die Arbeiterinnen auf die Reisfelder gefahren werden. Hier lernt die Diebin Silvana kennen, die ihren Namen auf die Liste der Arbeiterinnen schmuggeln lässt. Für die Arbeit von 40 Tagen bekommen sie pro Tag ein KG Reis, den sie als Lohn mit nach Hause nehmen. Die stationierten Soldaten räumen ihre Kaserne für die Frauen – darunter der freundliche Sergeant Marco, der ein Auge auf Silvana geworfen hat. Doch Silvana durchschaut Francesca und nimmt ihr das Halsband ab. Nach einer Auseinandersetzung auf den Reisfeldern, wo die Schwarzarbeiterinnen zeigen, dass sie besser und effektiver sind – kommt es zum Streit zwischen den Frauen, den Marco schlichten kann. Silvana gibt die Juwelen zurück. Dann taucht Walter auf und versteckt sich im Reislager. Nun beginnt ein hin und her. Die Schwarzarbeiterinnen bekommen Verträge und die Frauen arbeiten auch später hart im Regen (jeder verlorene Tag bedeutet weniger Lohn). Doch Walter hat noch eine Schweinerei vor – er will den Reis stehlen und die Frauen um den Lohn bringen – denn das Halsband ist falsch und nichts wert. Walter wickelt Silvana um den Finger und plant mit ihrer Hilfe den Coup. Francesca versucht Silvana zu warnen – aber es ist zu spät. Die Geschichte gipfelt in einer Katastrophe...

    Natürlich liegt der Fokus von „Bitterer Reis“ auf der Darstellung der Arbeitsbedingungen auf den Reisfeldern. Das ist alles sehr gut umgesetzt und auch die Frauen aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen und sozialen Schichten sind hervorragend in Szene gesetzt. Man ist hautnah am Arbeitsalltag dran und leidet mit den Arbeiterinnen mit. Es wird auch erklärt, warum es zu den Liedern auf den Reisfeldern kam: das Unterhalten war verboten, nur singen war erlaubt – ergo wurden die Gespräche gesunden.
    Die Besetzung ist natürlich sehr gelungen. Bekannt geworden ist der Film durch den Schenkel-Skandal. Denn Silvana Mangano wurde durch die erotische Inszenierung ihrer Beine berühmt und berüchtigt. Das Ganze hat einen anrüchigen Hauch von Sexploitation, denn die vielen nackten Beine auf der Leinwand mussten im Katholischen Italien wie ein Shock gewirkt haben. Mangano heiratete übrigens im gleichen Jahr den Produzenten De Laurentiis. Viel besser fand ich persönlich Doris Dowling und Vittorio Gassmann als Gaunerpärchen. Denn Gassmann spielt den Walter so ekelig, schleimig, selbstverliebt und doch charismatisch, dass es wehtut, dass Silvana, die als „starke Frau“ eigeführt wird, diesem Typen verfällt und selbst nach der Vergewaltigung zu ihm steht. Die Hauptrolle hat jedoch Doris Dowling inne – die Diebin, die hat auf den Feldern arbeitet und sich von dem schleimigen Walter löst – ist die wahre Heldin des Films. Bei ihr liegen auch schnell die Sympathien – und ihre Rolle erscheint auch etwas vielschichtiger, als die der armen, gierigen Silvana.
    Der Film lohnt das Anschauen auf jeden Fall, denn man kann ihn als echten Klassiker bezeichnen. Sein Erfolg zog Filme wie „Das Reismädchen“ und die „Frau vom Fluss“ (mit Sophia Loren – nicht mit Laura Gemser) nach sich. Leider lag mir nur die gekürzte DVD von „filmjuwelen“ vor. Arte brachte den Film längst mal komplett ... doch die Heimkino-Auswertung wartet nur mit der alten Kinofassung auf – die neben Handlungsschnitten auch Zensurschnitte hat, die leider sehr auffallen.

    Fazit: ein guter Beitrag zur Filmgeschichte, spannend und dramatisch.

    Hier der Trailer – leider verrät er schon viel über das Finale – enthält aber auch eine geschnittene Einstellung, die im Film fehlt:





    "Wir laufen keinen Trends hinterher, wir SETZEN welche!"


    Offline Elena Marcos

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      Super Dirk - kenne da sicher keinen einzigen, aber lese immer gerne Deine Ausführungen :) auch von den ganzen Polizotteldingern habe ich meine ich keinen gesehen, lediglich einzelne 70er und 80er Mafiafilme früher mal, weil meine Mutter die immer gern geschaut hat

      Hihi - wenn auch nur einer liest, dann lohnt sich das ja schon. Dankeschön für die Ermunterung.

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        Und nun ein kurzer Abstecher in die 50er Jahre:

        Jagd ohne Gnade – La Città si difende (1951)
        Pietro Germi, der bereits „Lost Youth” gedreht hat, schafft in „Jagd ohne Gnade“ wieder ein packendes Melodram mit Krimi-Hintergrund. Hier dient das Verbrechen wieder mehr als Grundlage, um die harte Realität des Nachkriegsitaliens zu zeichnen.
        Der Film beginnt mit einem Raub in einem Fußballstadion. Paolo, Guido, Alberto und Luigi erbeuten eine Menge Geld in zwei Koffern. Doch der direkte Weg aus dem Stadion ist versperrt. Zeit Genug für die Angestellten des Stadions die Polizei zu rufen. Nach kurzer Verfolgungsjagd trennen sich die Gangster. Alberto (der Teenager) flieht mit einem der Koffer und Guido (Paul Mueller), der die Beute am Bahnhof deponiert. Alberto versenkt das Geld in einem Brunnen, wo er es später Paolo zeigt.
        Jeder der vier hat seine ganz eigenen Probleme. Paolo (ein ehemaliger Fußballspieler) versucht mit der Kohle seine verflossene Daniela zurückzugewinnen. Luigi (der Fahrer) will seiner Frau und seiner Tochter ein besseres Leben bieten. Guido, ein ehemaliger Gelehrter, der nun als arme Portraitzeichner sein Leben fristet, aber sonst keine Bindungen hat, will ebenfalls weg. Alberto, der es eigentlich noch am besten hat, will in dem zerbombten Land wohl auch nur seiner Familie helfen. Doch mit der heißen Beute ist es gar nicht so leicht, sich zu verdrücken, denn die Polizei ist ihnen schon dicht auf den Fersen...
        Germis Film hat mit rund 76 Minuten eine knackige Laufzeit und verzettelt sich nicht in Längen. Wir begleiten jeden bei seinem weiteren Lebensweg – und die „Vier Wege raus“ (englischer Titel: Four Ways out) haben es in sich – denn alle enden auf die eine oder andere Weise tragisch.
        Spoiler: Paolo wird von seiner Ex an die Polizei verraten. Guido versucht mit dem Geld illegal aus dem Land zu kommen, wird aber von den Menschenhändlern umgebracht. Luigi – der Sympathischste – verliert bei der Flucht seine Nerven, springt aus dem Zug, lässt seine Familie zurück und begeht Selbstmord. Auch der Schüler Alberto wird zu Hause von der Polizei erwartet – er flüchtet über den Häusersims, wird aber von seiner Mutter überredet zurückzukehren und sich der Polizei zu stellen.

        Die Kulissen sind zerbombte Häuser und die Armenviertel mit den kleinen Wohnungen. Der Film zeichnet ein düsteres Bild des Nachkriegs-Italien, wo die Menschen schnell auf die schiefe Bahn gerieten, um zu Überleben. Daneben gibt es die Gewinner, die in schicken Restaurants essen und nichts von den „Armen“ wissen wollen. Paul Mueller spielt hier eine hervorragende Szene, wo er versucht seine Zeichnungen an den Tischen zu verkaufen.
        Der Film hat einige sehr traurige Szenen und lässt den Zuschauer auch depressiv zurück – mit dem Gefühl „Verbrechen lohnt sich nicht“. Der Film lohnt sich schon – leider ist er nur auf einer italienischer DVD erhältlich. Diese besitzt aber auch die englische Tonspur.

        Der englische Tailer:

        Unter glatter Haut – Un Maledetto imbroglio (1959):

        Eigentlich wollte ich mir nun „Il Bivio“ von Fernando Cerchio vornehmen, der unter dem Titel „Zu spät, Dr. Marchi“ erschienen ist. Leider kann ich diesen nirgendwo auftreiben. Denn der Film handelt von einem Gangster, der sich als Maulwurf in die Polizei einschleicht und  eine dreckige Karriere beginnt und sich durch Korruption hocharbeitet – und bezahlt dafür einen hohen Preis. Der Film erregte wohl den Zorn der italienischen Zensur, besonders die Szenen für die der italienische Polizeifilm berühmt werden sollten: Es werden Leute beim Verhör geschlagen, um mit der Wahrheit herauszurücken... vielleicht erscheint der Film irgendwann mal bei uns.
        Deshalb springe ich nun wieder zu Pietro Germi, der den nächsten Knaller auf der Pfanne hat:
        Eigentlich ist „Unter glatter Haut“ ein etwas untypischer Krimi, denn er hangelt sich an dem bekannten „Who done it?“ Muster entlang. Doch Germi inszeniert hier nicht unbedingt die Verdächtigen und ihre Irrungen und Wirrungen, sondern vor allem setzt er die Polizeitarbeit in den Fokus. Germi selbst spielt Inspektor Ingravallo, der allen Leuten erklären muss, dass er kein Dottore ist (erinnerte mich an Rupert Everett in Dellamorte Dellamore, der auch ewig erklärt, dass er kein Ingenieur ist). Der Film beginnt mit einem Raub in einer Wohnung einer Lady, dessen Mann auf Reisen ist. Später wird genau diese Frau in ihrer Wohnung (von ihrem Neffen) ermordet aufgefunden. Inspektor Ingravello und sein Team (seine Kollegen sind auch köstlich – besonders der, der ewig Pannini in sich rein stopft) sind schnell vor Ort, sichern Spuren und verhören die Verdächtigen...
        Die Auflösung hat mich leider nicht ganz überzeugt, aber darauf kommt es nicht an. Vielmehr sind die Charakterisierungen der Polizisten das, was den Film interessant macht. Germi ist richtig gut als sympathischer Ermittler, der gegen Ende auch mal ausrastet und tatsächlich hier mal den einen oder anderen Verdächtigen so richtig eine ballert. Italien pur...
        Neben dem phantastischen Hauptdarsteller begegnet uns übrigens eine junge Claudia Cardinale in einer Nebenrolle. Außergewöhnlich ist der beachtliche Anteil an Humor, den wir in vielen italienischen Werken dieser Art oft vermissen. Germi arbeitet das sehr umsichtig ein, so das die humoristische Note nicht platt oder aufgesetzt wirkt.
        Der Film ist mittlerweile restauriert worden und mit einer Länge von 109 Minuten auf YT zu sehen. Die deutsche Kinofassung war wohl einige Minuten kürzer.

        Fazit. Guter Krimi mit vielen Dialogen, tollen Darstellern und einiges an Humor.

        Hier der Film im Original, leider ohne Untertitel:


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        Offline Elena Marcos

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          Ab in die 60er Jahre:

          Unschuld im Kreuzverhör – Il Rossetto (1960)

          Das Regiedebut von Damiano Damiani (unter anderem „Töte Amigo“ und „Der Terror führt Regie“) ist ein gelungenes Kriminal-Drama, das mit eine phantastischen Besetzung aufwartet und mit Hitchcock-ähnlichen Motiven spielt. Es geht um den Mord an einer Prostituierten, die in einem Wohnhaus lebt. Die Nachbarn wollten nichts von ihrer Tätigkeit gewusst haben, obwohl sie hinter vorgehaltener Hand sehr neugierig sind. Die Polizei verhaftet schnell den Milchmann (den Boten des dortigen Restaurants) als verdächtigen und befragt die Anwohner. Dort lebt auch die vierzehnjährige (auf dem Covertext ist sie zwölf, das italienische Wikipedia schreibt 13 Jahre) Silvana, die sich in den adretten Nachbarn Gino verguckt hat. Sie beobachtet ihn gerne, wenn er Gitarre spielt. Sie spricht ihn mit einer Lüge auf der Straße an, um mit ihm in Kontakt zu kommen. Doch er ignoriert das kleine Mädchen. Erst als sie ihm beichtet, dass sie ihn aus der Wohnung des Mordopfers kommen gesehen hat, freundet sich Gino mit dem Mädchen an. Sie treffen sich heimlich im Kino und er nimmt sie mit auf seiner Tour zu den Kunden (er ist Vertreter). Gino belügt das Mädchen und verheimlicht ihr, dass er die reiche Lorella Severano heiraten möchte. Als Silvana das rausbekommt, ist sie sehr enttäuscht... Um ihr zuvorzukommen erklärt Gino der Polizei von dem verrückten kleinen Mädchen, das ihn verfolgt und setzt sie einer grausamen Prozedur von Verhören und Ermittlungsarbeit aus...

          In der Rolle des Kommissars Fioresi sehen wir wieder Pietro Germi, der eine ähnliche Rolle verkörpert wie in „The Facts of Murder“. Auf der einen Seite der sympathische Ermittler, kann aber auch der harte Polizist sein. Da er hier nur Schauspieler ist, hat er auch wesentlich weniger Screentime. Der Fokus liegt auf der Beziehung von Silvana (Sensationell verkörpert von Laura Vivaldi) und Gino (ein herrlich schmieriger Pierre Brice – lange vor Winnetou). Von Anfang an ist klar, dass Gino nicht nur der Verbrecher ist, sondern auch ein notorischer Lügner und ganz schlimmer Finger. Um sich zu schützen trifft er sich mit dem minderjährigen Mädchen und versucht sie durch leichte Avancen unter Kontrolle zu halten. Natürlich ist das ein Spiel mit dem Feuer – denn als Erwachsener mit einem fremden Kind abzuhängen, war schon in den 60ern sehr gefährlich. Doch der Schleimi bekommt die Kurve, um das Kind restlos zu diskreditieren. Zum Verhängnis wird ihr dabei der „Lippenstift“ – denn ein braves Mädchen würde sich nie anmalen. Dieses „Missgeschick“ beraubt dem Teenie jegliche Glaubwürdigkeit und mach die „Unschuld“ quasi zum Opfer – auch als beweisen wird, dass Sie noch Jungfrau ist (grausame Szene – als die Untersuchung angeordnet wird). Kommissar Fioresi lässt sich zunächst auch aufs Glatteis führen, kommt aber doch langsam der Wahrheit auf die Spur... doch die Beweislage reicht lange nicht aus....

          Der Film ist toll gespielt – Vivaldi und Brice harmonieren super. Die Treffen der beiden umschwebt immer eine anrüchige Atmosphäre und jeder weiß, dass Gino ein Mörder ist. Das Finale basiert dann auch nicht unbedingt auf Fakten und Beweislagen, sondern hier spielen Gefühle und Menschlichkeit eine große Rolle. Der Film ist packend inszeniert und keine Sekunde langweilig. Damiani zeigt hier schon, dass er später im Polit- und Polizei-Thriller noch einiges leisten wird. Natürlich haben wir hier noch nicht die harte Action-Kost, die in den 70ern die Kinos eroberte, aber als leiser Thiller funktioniert „Unschuld im Kreuzverhör“ perfekt. Der Film ist bei Pidax auf DVD ohne großes Bonusmaterial erschienen:

          Der Trailer:


          Der Bucklige von Rom – Il Gobbo (1960):

          In den 60ers lockerte sich auch die Zensur, gerade was Gewalt oder auch gesellschaftliche Kritik in Filmen anbelangt. Mit „Der Bucklige von Rom“ kam nicht nur ein Gangster-Drama mit Neorealistischem Einschlag, sondern auch eine kleine Blaupause, die den Italo-Krimi prägen sollte. Carlo Lizzani verarbeitete in „Der Bucklinge von Rom“ sehr viele Elemente, die uns in den 70ern richtig um die Ohren gehauen werden.

          Hier geht es um Alvaro, den Buckligen, der mit den Partisanen kämpft, aber mit seiner Bande auch auf eigene Rechnung wirtschaftet (was ihn später den Rauswurf einbringt). In den letzten Monaten des Krieges ist Rom noch von den Deutschen besetzt. Alvaro hat große Probleme mit dem Polizeichef, der für die Nazis arbeitet. Um sich zu rächen, dringt er in das Haus des Mannes ein und vergewaltigt seine Tochter Ninetta, in die er sich allerdings dann doch verliebt. Ninas Beziehung zu dem Buckligen wird auch immer komplizierter. Sie gibt sich ihm hin, damit er ihren Vater schont, doch sie hasst ihn auch. Als Alvaro den Vater doch kaltblütig erschießt, lässt sie sein Kind abtreiben und liefert ihn an die Nazis aus. Doch Alvaro kann sich befreien und geht wieder in den Untergrund. Nach der Befreiung durch die Amerikaner steigt er zum großen Boss auf. Ninetta hingehen verdient ihr Geld durch Prostitution – woran sie Alvaro die Schuld gibt. Der Bucklige hingegen versucht mit seinem Geld und seiner Macht Gutes zu bewirken (er will dass die Nonnen im Kinderheim, wo auch er war, gutes Essen kochen), doch scheitert immer wieder, weil an seinem Geld Blut klebt. Weil er Ninetta liebt, will er sie aus der Prostitution holen, doch der neue Polizeichef ist ihm schon auf den Fersen...

          Das Gangster-Drama von Lizzani zeichnet auf der einen Seite den Kampf der Italiener gegen die Besatzer nach und schlildert auch die schlimmen Lebensumstände der Bevölkerung während und nach dem Krieg. Einer von Alvaros Bandenmitgliedern (Pier Paolo Pasolini in einer Nebenrolle) besetzt mit seiner Familie Ninettas Haus, weil ihr Vater ja Faschist war, und setzt die junge Frau auf die Straße. Als sie später wieder zurückkehrt und Leandro Geld (und ihren Körper) bietet – gibt er ihr ihren rechtmäßigen Besitz wieder zurück...
          Die Geschichte verwendet viel Zeit auf die Figur Alvaros (dies es wohl ähnlich gegeben haben soll). Der Bucklige, der ja durch seine Behinderung doppelt benachteiligt ist, verschafft sich durch Gewalt Respekt. Er ist ein gewissenloser, aggressiver, fieser Kerl, der allerdings sich ja auch die Frau mit Gewalt nehmen muss. Seine Wandlung am Schluss zum Wohltäter ist zwar nachvollziehbar, muss jedoch scheitern. Auch Ninettas Weg, die ihren Hass nie konsequent aufrechterhalten kann, wird gemeinsam mit Alvaro untergehen.
          Insgesamt ist der Film düster, deprimierend und kalt – aber dadurch eben packend und grandios gespielt. Ich finde die „18er“ Freigabe ist durchaus nachvollziehbar, denn es gibt hier keine Sympathieträger. Der Streifen von 1960 wartet mit relativ viel Action auf – es wird sehr viel geballert und gemordet. Man merkt schon wie sich das Genre vom Drama zum Actionfilm weiterentwickelt. Anna-Maria Ferrero bekam einen Preis für ihre Darstellung und die Filmbewertungsstelle gab das Prädikat Wertvoll. Ich finde auch, der Film punktet durch die schonungslose Darstellung der Zeitepoche und durch die grandiose Besetzung. Gérard Blain spielt den Buckligen sehr authentisch und Pasolini als fieser Leandro ist ebenfalls klasse. Fazit: Der Weg vom Neorealismus zum Gangsterfilm – klasse.
          Mir lag die Bluray von Filmjuwelen vor, die mal wieder keinen O-Ton und kaum Backgroundinfos (außer einem Booklet).

          Black City – Il re poggioreale (1961):

          Der „König von Poggioreale“ wird immer als Comedy-Drama geführt, was er zeitweise sogar ist. Er spielt mit dem Neorealismus und schubst ihn jedoch in eine leichte, unterhaltsame Richtung, was ohne Zweifel an dem übermächtigen Hauptdarsteller liegt. Aber erst mal zur Story: Der Film spielt noch während des zweiten Weltkrieges in Neapel. Commissario Natalucci tritt seinen Dienst in der Stadt an und findet eine etwas verwahrloste Truppe an Polizisten vor. Der Kommissar möchte wieder in der Stadt für Recht und Ordnung sorgen und ist bestrebt auch dafür bei der zuständigen Behörde Waffen anzufordern. Denn in der Stadt sind Diebesbanden und Schwarzmarkt-Handel an der Tagesordnung. Alles steht unter der Kontrolle von „Don Peppino“, der wie ein König in seiner Residenz haust. Zu ihm kommen die Menschen und tragen ihre Anliegen vor. Don Peppino hört zu, gibt großzügig Geld und löst ihre Probleme. Er ist Neapolitaner von ganzem Herzen und stellt immer das Wohl der Bevölkerung in den Vordergrund. Als Dieb ist er zu Ruhm und Reichtum gekommen – auch sein Sohn will in seine Fußstapfen treten. Doch Don Peppino möchte, dass er studiert und etwas Anständiges wird. Commissario Natalucci hält natürlich auch einen Anstandsbesuch ab und macht klar – dass sich einiges ändern wird, doch Don Peppino lässt sich nicht beeindrucken. Alle Macht liegt in seinen Händen, unter anderem freundet er sich mit dem zuständigen amerikanischen Militärbeamten Di Gennaro an und wird sogar von der Kirche aufgefordert, die Reliquien des Heiligen Januarius in die Stadt zu überführen. Die haben nämlich Angst, dass diese geraubt wird – also engagieren sie den „König“ um das unbezahlbare Gut nach Neapel zu eskortieren. Doch ein unvorhergesehenes Ereignis bringt das „Königreich“ von Don Peppino ins Wanken...
          Zunächst dachte ich es geht um den Polizisten – nein, der Film von Duilio Coletti, der auf dem Leben des wahren Peppino Navarra basiert, ist eine grandiose One-Man schon von Ernest Borgnine. Eigentlich wollte Dino de Laurentiis Rod Steiger haben, doch Borgnine (jung mit schwarzem Haar) rockt die Leinwand. Er gibt den „König“ mit einer Leichtigkeit und Leidenschaft, dass man ihm den Italiener sofort abnimmt. Er wirkt zwar immer etwas spitzbübisch, kann aber auch richtig hart durchgreifen, etwa bei einer Schmuggelaktion durch die Kanäle, wo die Handlanger meutern. Da ist mit Don Peppino nicht zu verhandeln – da wird auch mal zugelangt. Die meiste Zeit jedoch hat er immer das Wohl der Menschen im Sinn. Er bereichert sich zwar an seinen kriminellen Handlungen, ist sich aber auch seiner Verantwortung für die Allgemeinheit bewusst. Im Groben mit Coletti etwas den Paten vorweg, allerdings mit recht fröhlichen Szenen, die das bittere Ende umso härter erscheinen lassen. Der Hammer ist natürlich das Pizza-Duell gegen den amerikanischen Militär-Beamten, der mit italienischen Wurzeln ein Restaurant in New York hat. Die beiden backen eine Pizza Napoli um die Wette – ob die amerikanische oder die echte besser schmeckt: „Wenn ich gewinne, bekommen wir in Neapel elektrischen Strom.“ - Ratet mal, wer gewinnt? Ebenso ist die Vatikanepisode genial – wo er die Reliquien nach Neapel bringt und von Lino Ventura (ebenfalls sehr jung) überfallen wird. Die beiden kennen sich noch aus alten Tagen... doch Don Peppino trickst ihn dann doch aus. Im Finale warnt Di Gennaro, der wieder an die Front muss Don Peppino vor der Polizei, denn die ist mittlerweile wirklich bewaffnet und nimmt ihren Job sehr ernst. Doch Don Peppino hat keine Angst vor Natalucci – doch das Schicksal meint es hart mit dem König.

          Leider ist diese sensationelle Darstellung von Borgnine nirgendwo auf DVD oder Bluray erschienen. Es gibt ihn als italienischen VHS – Kopie auf YouTube, allerdings ohne Untertitel (die gibt es an anderer Stelle). Colletti hat einen sehr guten unterhaltsamen Film abgeliefert, der zeigt, wie wertvoll das „organisierte Verbrechen“ für die armen Menschen war – besonders in Kriegstagen. Schade, dass der Film nicht mit einer ordentlichen V.Ö. gewürdigt wird, denn er zeigt, das Borgnine ohne Schwierigkeit einen ganzen Film alleine tragen kann.

          Hier der Link:

          La Banda Casaroli (1962):

          Jetzt kommen wir zu einem weiteren Kracher der 60er, der als einer der besten seiner Dekade galt. „La Banda Casaroli“ von Florestano Vancini basiert auf wahren Begebenheiten und hält sich in der Darstellung der Überfälle und der Flucht der Gangster wohl eng an die Realität. Den namensgebenden Paolo Casaroli hat es wirklich gegeben und auch seine Spießgesellen, die allerdings im Film anderes heißen.
          Der Film beginnt mit einer Aufnahme des umherwandernden Gabriele Ingenis (gespielt von einem sehr jungen Thomas Milian) – auf einer Kirmes trifft er seinen alten Kumpel Corrado Minguzzi (Jean-Claude Brilay) und Paolo Casaroli (gegen den Typus besetzt – Frauenschwarm Reanto Salvatori). Die drei schließen sich in einer Bande zusammen und begehen ihren ersten Überfall in einer Bank in der Lombardei. Auch in Genua geht es gut, denn die drei rennen in die Bank, räumen den Safe aus und flüchten mit dem Auto (damals brauchte man nur falsche Nummernschilder). Nach dem sie ihr Vermögen in Venedig verpulvert haben, geht es nach Rom – wo der Überfall erstmalig schief geht. Ein Kassierer versucht Casaroli zu entwaffnen. Während des Handgemenges erschießt Gabriele den Mann, worauf die Bande ohne Beute flüchtet und einen weiteren Verfolger erschießt. Nun leben die Drei in Angst gefasst zu werden – was dann eskaliert, als ein Polizist bei Paolo an der Tür klopft...
          Die Darstellung der Zeit, der Personen und der Gegebenheiten ist superb, da alles sehr authentisch wirkt. Unsere Gangster sind trotzt aller Verbrechen nicht wirklich kalt und herzlos. Der schiefgegangene Überfall ringt denen echtes Entsetzen ab. Gerade Salavtori als Bandenchef zeigt in den Momenten, wo sie in die Enge getrieben werden, echte Angst. Wo er allerdings in anderen Situationen überheblich wirkt. Was mich am meisten gestört hat, war jedoch der Aufbau des Films. Am Anfang legt er flott los – die Überfälle sind actiongeladen inszeniert. Der Höhepunkt des Films ist aber bereits nach zwei Drittel erreicht. Casaroli und Minguzzi verlieren die Nerven und flüchten vor der Polizei. Dabei kapern sie unter anderem eine Straßenbahn, erschießen Passanten und Polizisten und versuchen mit einem Wagen zu flüchten. Die Kernszene ist perfekt inszeniert und bis zur letzten Sekunde spannend. Dann schraubt der Film extrem runter und beschäftigt sich noch mit Gabriele, der rastlos durch die Gegend irrt und denkt, dass seine Kumpel alle im Feuergefecht gestorben sind. Für ihn endet die Geschichte sehr bitter und traurig.

          „La Banda Casaroli“ ist ein recht harter Film, der zwar kein Blut zeigt, aber mit vielen Schießereien und Action aufwartet. Leider ist der Film wohl nicht offiziell erschienen und auf manchen (legalen) Videoportalen im O-Ton zu finden. Fazit: Sensationeller Gangsterfilm mit sehr guter Besetzung.


          Feuertanz - Svegliati e uccidi (1966):

          Mit „Feuertanz“ (engl. Wake up and kill) schlagen wir die Brücke zum modernen Gangsterfilm. Auch hier sind wieder Elemente der kommenden Jahre zu entdecken. Raubüberfälle, Autoverfolgungsjagden und der Kampf Polizei gegen Verbrecher. Doch Carlo Lizzani bleibt seinem nüchternen, leicht dokumentarischen Stil treu und präsentiert und die Geschichte des Mailänder Gangsters Luciano Lutring, der aus Leidenschaft zu schnellen Autos und seinem schönen Leben (sowie der Liebe zu einer Frau) die schiefe Bahn einschlägt. Der Sohn arbeitet bei seinen Eltern in einer Molkerei und verkauft Milch (die er hasst). Mit seinen Freunden fährt er dann nach San Remo, um sich ein exzessives Wochenende zu gönnen. Sie mieten sich in ein Luxushotel ein, saufen in einem Nachtclub und verzocken ihr Vermögen im Casino. Luciano verliebt sich in die Nachtclubsängerin Yvonne und macht ihr hübsche Augen und Geschenke. Nach dem Wochenende will er bei ihr bleiben, während die Kumpels nach Hause fahren. Großspurig will er die Hotelrechnung übernehmen. Deshalb schlägt er das Fenster eines Juweliergeschäftes ein und bezahlt die Rechnung mit teuren Uhren. Yvonne will eigentlich nichts mehr mit Gangstern zu tun haben, weil ihr Ex Franco auch schon im Knast gesessen hat. Doch sie bleibt bei Luciano und heiratet ihn (mit dem Versprechen, dass er die kriminelle Karriere aufgibt). Doch Luciano ist in dem Strudel gefangen. Die Überfälle häufen sich, bis er einen großen Raub plant, bei dem er von den Mittätern verraten wird. Seit dem ist er nicht nur auf der Flucht, sondern Presse und die Bankräuber schieben ihm sämtliche Taten in die Schuhe. Luciano wird gejagt und kann sich nirgendwo verstecken. Er geht nach Paris, wo er aber ebenfalls von Polizei und Kriminellen gehasst und gejagt wird. Yvonne geht zur Polizei und hilft ihnen, Luciano zu fangen, weil sie Angst hat, dass er irgendwann mal ums Leben kommt...

          Lizzani zeichnet die Ereignisse der Gangsterkarriere stringent nach, auch wenn es immer wieder leichte Zeitsprünge (unterbrochen durch Zeitungsmeldungen) gibt. Doch die Filmfigur unterscheidet sich in vielen Dingen von dem realen Vorbild. (Der Film entstand ein Jahr nach der Verhaftung von Lutring). Robert Hoffmann spielt den Milchmann als leicht egomanischen Charakter, der das schöne Leben genießen möchte, und zufällig zum Verbrecher wird. Aber er ist kein Mensch, dem man „Größeres“ zutraut. Die echten Kriminellen verraten ihn und halten ihn nicht für hart genug. Das rächst sich auch in Frankreich, wo er seinen Schmuck nicht verkaufen kann, weil ihn niemand ernst nimmt. Da er auch nie mit einer Waffe seine Überfälle begeht, weiß er auch nicht, wie man ein Maschinengewehr bedient. Der Presse-Hype über den großen Lutring geht vielen Bösewichtern nur auf die Nerven. Hier spielt Hoffmann den Gangster wirklich wie ein Würstchen, dass nur auf sich bezogen ist. Das zeigt sich auch bei der Geschichte als Yvonnes Ex versucht sie zu vergewaltigen (was durch die Polizei verhindert wird), Luciano aber nur den Gerüchten glaubt, sie hätte eine Affäre mit Franco. Es ist nicht das erste Mal, dass er seine Frau brutal zusammenschlägt. Auch am Ende, als er von ihrem Verrat hört, flippt er aus. Die Figur im realen Leben war etwas anders. Der echte Lutring war ein netter, freundlicher und sogar witziger Mann, der nie verbale oder körperliche Gewalt anwandte. (Angeblich soll er in Nizza vier Polizisten umgelegt haben, was ich aber nicht glauben kann, sonst wäre der nicht nach 12 Jahren wieder aus dem Knast gekommen.) In einer Bank gab er wohl einer armen Oma einen Haufen Geld aus der Beute, weil sie ihm leid tat. Für die Italiener der 60er war er eine Art Popstar, was sich sogar noch bei seiner Verurteilung vor Gericht zeigte.
          Der Film ist sehr gut besetzt, obwohl sich die Motivation von Lisa Gastoni nicht nachvollziehen lässt. Sie will nichts mit Kriminellen zu tun haben, bleibt aber bei ihm und genießt das Leben, dass sie eigentlich nicht führen will (oder auch nicht...nachdem er sie wieder geschlagen hat). Sie kommt nicht von ihm los, obwohl sie weiß, wie alles enden wird. Ich fand das etwas unglaubwürdig – ihre Angst wechselt sich mit Liebesbekundungen ab, was mir etwas zu plötzlich kommt. Der Film ist mit zwei Stunden auch recht ausgewalzt – somit verteilen sich die Actionszenen auch arg. Ich fand es nicht langweilig, aber für manchen könnte das etwas zäh wirken. Sehr gut ist auch Gian Maria Volonté, der als Kommissar die Sängerin benutzt, um an Luciano ranzukommen. Er gibt sich als Freund, redet sie mit „Du“ an, um dann klar zu machen, dass Lutring nur ein Job ist. Die Atmosphäre ist insgesamt sehr realistisch, was wohl auf Lizzanis Stil zurückzuführen ist. Es gibt eine hübsche Edition von Subkultur, die aber wohl nicht mehr erhältlich ist. Auch die normale Blu-Ray-Ausgabe ist kaum mehr aufzutreiben, was mich allerdings bei diesem Nischenprodukt etwas wundert. Fazit: Gute Gangster-Bio, die allerdings mit etwas Sitzfleisch genossen werden muss. Noch kein Haudrauf-Film wie in den 70ern, aber wegweisend für das Genre.

          Hier der italienische Trailer:
               

          Zwei Särge auf Bestellung - A ciascuno il suo (1967):

          Machen wir nur einen kurzen Schlenker zum Politthriller, der auch wie der Mafia Film zum italienischen Krimi-Genre gehört. Elio Petri ist ein Großmeister, was das angeht. Als sein bester gilt „Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger“ von 1970. Aber bereits 1967 gelang ihm ein packender Thriller, der zwar erstaunlich unspektakulär daherkommt, aber dafür extrem spannend ist.

          In einer kleinen sizilianischen Stadt erhält der Apotheker Manno anonym Briefe mit Morddrohungen. Alle seine Freunde, zu denen auch Professor Laurana gehört, denken, dass es sich um einen gehörten Ehemann handelt, denn Manno ist der größte Casanova weit und breit. Als Manno zusammen mit Professor Roscio einen Jagdausflug unternimmt, werden beide von einem Unbekannten erschossen. Die Polizei nimmt Vater und Bruder eines fünfzehnjährigen Mädchens fest, mit dem der Apotheker ein Verhältnis hatte. Doch Laurana glaubt nicht daran. Die Worte aus den Drohbriefen wurden aus einer Kirchenzeitung ausgeschnitten, die nur von zwei Leuten im Ort abonniert wird. Laurana, der an der Uni in Palermo als Dozent arbeitet und als links gilt, stellt eigene Ermittlungen an. Der Anwalt Rosello, der mit dem toten Professor verwandt ist, übernimmt die Verteidigung der angeklagten Bauern. Laurana begegnet in Palermo einem Bekannten, der ihm erzählt, dass Roscio sich mit ihm im römischen Parlament und ihm Informationen über die finsteren Machenschaften eines hochgestellten angesehenen Mannes in der Kleinstatt geben wollte. Leider kam es durch den Mord nicht dazu. Gemeinsam mit der Witwe Luisa Roscio sucht Laurana nach den Unterlagen und bringt sich und die Witwe in Lebensgefahr...

          Mehr sollte echt nicht verraten werden, denn hier geht es um Politik, finstere Killer und Intrigen, die auch vor Freundschaften nicht Halt machen. Der Hammer ist aber der Besetzung zu finden: Gian Maria Volonté, der 1966 in Feuertanz noch den Kommissar gespielt hat, ist als Professor kaum mehr wieder zu erkennen. Er wirkt wie ein junger, sehr naiver Lehrer, der nicht glauben kann, was in seiner Heimat passiert. Da er jedoch ein intelligentes Köpfchen ist, kombiniert er sehr schnell. Allerdings ist er auch kein typischer Held, sondern der absolute Durchschnittsmann, der auch schnell Angst bekommt – besonders wenn ihm ein brutaler Killer auf den Fersen ist. Er verliebt sich auch in die Witwe Roscio, die allerdings seine Avancen immer wieder zurückweist, was er jedoch einfach übersieht. Dennoch arbeitet sie mit ihm zusammen, um den unbekannten Auftraggeber und Mörder ihres Mannes zu finden. Das Geheimnis ist jedoch schrecklicher, als man denkt – und auch das Ende des Films ist nicht überraschend, aber doch ein Schlag in die Fresse.

          Petri nahm eine Romanvorlage und machte daraus einen packenden Thriller, der mit 87 Minuten knackig daherkommt. Eigentlich begleiten wird Laurana bei seinen Ermittlungen, bei denen er ein Puzzlestück nach dem anderen aufdeckt. Leider bleibt das den Verbrechern nicht verborgen – oftmals stellt sich Laurana einfach auch zu ungeschickt an. Aber genau das vermittelt Volonté in der Hauptrolle perfekt. Auch Irene Papas als Witwe ist perfekt besetzt – schön, aber unnahbar. Man weiß nie genau, was in ihrem Kopf vorgeht oder was sie versteckt.
          Der Film ist von Koch in einer Elio Petri Box auf DVD erschienen, in dem auch „das verfluchte Haus“ und „Die Arbeiterklasse kommt ins Paradies“ enthalten ist. Die Bildqualität ist etwas dunkler, als bei den damaligen TV-Ausstrahlungen.
          Ich kann den Film rundum empfehlen – er lässt einen in die italienischen Gegebenheiten Ende der 60er eintauchen. Ich fand ihn super gespielt, spannend und mitreißend. Fazit: Empfehlung.
          Hier der italienische Trailer:

          So und nun kann es losgehen ... mit den typischen Reißern.
          « Letzte Änderung: 20. Februar 2021, 13:17:40 von Elena Marcos »

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            Alter Schwede und ich dachte immer, dass ich an älteren Filmen interessiert bin. Schön, dass Du dir so viel Mühe machst. Ich versuche die Texte mal am Wochenende zu lesen.

            Lies einfach in Ruhe. Es sind leider nicht alle Filme auf Scheibe erhältlich, was bei machnen echt traurig ist... und andere erscheinen dann klammheimlich in Boxen oder Billig DVDs, die fast genauso schwierig aufzutrieben sind, wie ihrgendwelche limitierten Mediabooks.

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              Die Banditen von Mailand / The Violent Four – Banditi a Milano (1968):

              Kommen wir nun zum ersten richtigen Beitrag des Genres. Hier hat  Carlo Lizzani so richtig auf den Putz gehauen, allerdings ist kein Maurizio Merli Film draus geworden, sondern ein temporeicher, dokumentarisch anmutende Darstellung eines schrecklichen Verbrechens. Denn wie auch bei „Feuertanz“ handelt es sich hier um eine Verfilmung von wahren Begebenheiten. Die Vorlage war ein Banküberfall in Mailand, der am 25. September 1967 stattfand und mit vier Toten und 22 Verletzen ausging.

              Lizzani startet mit einem wütenden Mob, der einen Mann lynchen möchte. Dieser wird Inspektor Basevi (Tomas Milian) ins Auto gezerrt und zum Polizeirevier gebracht. Es handelt sich um Bartolini, dem Fahrer der Verbrecherbande. Nach einer kurzen Einführung im dokumentarischen Stil über das Verbrechen in Italien, von Schutzgelderpressung über Prostitution bis zu den Banküberfällen mit ungeheurer Brutalität, wird die Geschichte der Bande bis zum eigentlichen Überfall in Rückblenden erzählt. Das ganze läuft zunächst etwas fragmentarisch und chaotisch ab, so dass als Zuschauer die ganze Konzentration gefordert ist. Doch schon ab den ersten Minuten ist der Film so temporeich, dass man kaum Zeit zum atmen hat. Wir lernen also die „Banditen von Mailand“ kennen – der Anführer ist ehemalige Partisane Piero Cavallero, der sich als eine Mischung vom genialen Strategen und größenwahnsinnigen Egomanen präsentiert. Auch hier war ich wieder baff, als mir Gian Maria Volonté begegnet, der hier wieder ganz anders wirkt. Selten einen so wandelbaren Schauspieler gesehen: während er in „Feuertanz“ den Polizisten gab und in „Zwei Särge auf Bestellung“ den naiven Professor, dreht der Mann hier als Gangster voll auf. Hinter der Fassade eines biederen Unternehmers hecken die Jungs dann ihre Überfälle aus. Brutal rauben sie Banken aus – und dann gleich mehrere hintereinander, so dass die Polizei gar nicht weiß, wo sie zuerst suchen soll. Doch am 25. September geht ein Überfall schief – es kommt zu einer Verfolgungsjagd, bei der es mehrere Tote und Verletzte gibt. Der Fahrer wird geschnappt, die andern können entkommen. Der Film beschäftigt sich im Finale mit der Flucht und der Verfolgung durch die Polizei.

              Lizzani zeichnet einen sehr authentischen Film, der nicht nur ein realistisches Italien von 1967 widerspiegelt, sondern vor allem begleiten wir Polizei und Gangster gleichermaßen bei ihrer Arbeit. Natürlich fließen ein Haufen sozialkritischer Untertöne rein, etwa am Ende als Cavallero und Gianantonio auf der Flucht zusammenrechnen, was sie an Kohle erbeutet haben und nach Abzug der ganzen Kosten (Büro, Waffen etc.) feststellen, dass sich die Überfälle unterm Strich gar nicht gelohnt haben.
              Gespielt ist der Film unheimlich gut, er wirkt realistisch und hat eben ein hohes Tempo. Die Autoverfolgungsjagden sollten seitdem im Italienischen Action-Kino nicht mehr wegzudenken sein. Außerdem bleibt Lizzani mit seinem Film eng an den Begebenheiten und auch die Figuren sind wohl sehr nah an den echten Personen dran, denn der selbstverliebte Inspektor, den Milian hier darbietet, entspricht wohl tatsächlich dem realen Inspektor Basevi, wie auch Volontés Darstellung des überheblichen Cavallero.   

              „Die Banditen von Mailand“ war zu Recht eine Initialzündung und damals 1968 auch der italienische Beitrag zur Berlinale. Schade, dass der Film bisher nicht auf VHS oder DVD ausgewertet wurde. Neben dem Kinoeinsatz war er wohl öfters im TV zu sehen. Die englische Fassung ist wohl auf YT zu finden.

              Fazit: Absolute Empfehlung für alle Italo-Crime-Liebhaber.

              « Letzte Änderung: 23. Februar 2021, 15:24:19 von Elena Marcos »

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                Mord auf der Via Veneto – Roma come Chicago (1968):

                „Bandits in Rome“ war der nächste Italo-Crime-Film, der diesmal von Alberto de Martino inszeniert wurde. Auffällig sind schon die Ähnlichkeiten zu den „Banditen von Mailand“, aber der Film ist viel stringenter.
                Hier begegnen wir John Cassavetes als Mario Corda, der seine Verbrecherkarriere hinter eine Import-Export Firma und einem vorbildlichen Eheleben versteckt. Er ist seit 5 Jahren verheiratet und hat einen Sohn. Die Familie ahnt nicht, dass er zusammen mit Enrico (gespielt von Nikos Kourkoulos), einem Rennfahrer, Banken, Juweliere und Postämter ausraubt. Corda ist da eher der ruhige Typ, der nicht gerne zu Gewalt greift. Enrico ist hitziger und wesentlich gewalttätiger. Es kommt wie es kommen muss. Die Polizei kommt den beiden schnell auf die Spur – Corda flüchtet und macht ein letztes Ding mit Enrico. Dabei wird ein Mann erschossen und die Räuber bauen einen Unfall. Corda wird geschnappt, Enrico kann flüchten. Der Kommissar bearbeitet den Mann, doch der verrät nichts. Enrico bedrängt mittlerweile Marios Frau Lea, weil ihr Mann eh nicht mehr aus dem Gefängnis kommt, doch sie lehnt ab. Enrico holt sich ein paar kaputte Gestalten und macht fleißig weiter. Doch die Polizei ist auf Draht und entdeckt nacheinander die Gangmitglieder. Mario hat aber keine Lust im Gefängnis zu versauern und bricht aus...

                Der Film ist nicht ganz so temporeich wie Lizzanis Film, ist aber doch sehr unterhaltsam. John Cassavetes bleibt etwas blass. Man nimmt ihm zwar den Familienpapa ab, aber er spielt nicht so auf, wie etwa ein Volonté. Dafür kommt Nikos Kourkoulos etwas besser weg, denn der gibt den hitzigen, wahnsinnigen Enrico richtig gut. Der Typ ist aufdringlich, selbstverliebt und einfach ein brodelnder Vulkan. Auch er hat nach dem letzten Überfall den Plan aus dem Land abzuhauen, will aber Lea mitnehmen... und die Ablehnung verträgt er nicht wirklich.

                Der Film ist für 1968 hart, aber kommt noch ohne Blut aus. Ich musste auf die englisch gedubbte Fassung von YT mit Wackelbild ausweichen, denn der Film ist leider nie auf VHS oder DVD erschienen. Er lief im Kino und kam wohl auch mal im Pay-TV ... da könnte auch mal was kommen. Fazit: Guter Beitrag, aber kein echtes Meisterwerk. Dafür gibt es zu wenig herausragende Figuren in dem Streifen.

                Hier auf YT:

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                  Der Bastard  – I bastardi (1968):

                  So – und nun nochmal ein richtiges Brett. 1968 kam Duccio Tessari mit einem Gangsterfilm, der es in sich hat. Erstklassige Besetzung, knallhart und rau – so wie wir es von den Italienern lieben.

                  Jason (Giuliano Gemma) und Adam (Klaus Kinski) sind ungleiche Brüder, die beide im Gangster-Business arbeiten. Ihre Mama ist die trinksüchtige Martha (Hollywood-Star Rita Hayworth). Jason zieht einen Überfall durch, bei dem er eine ganze Menge Schmuck und Diamanten erbeutet. Doch Adam hätte gerne auch ein Stück vom Kuchen ab, doch Jason will lieber alleine arbeiten. Doch Adam lässt nicht locker und will an die Beute. Dafür scheut er auch nicht zurück, Jasons Freundin Karen (Margaret Lee) zu bedrohen, worauf der das Versteck der Beute verrät. Doch was der kleine Bruder nicht rafft, Karen steckt mit Adam bereits unter einer Decke. Adam lässt Jason fertig machen und verstümmelt seine Hand, damit er nicht mehr schießen kann. Doch Jason lässt sich nicht unterkriegen. Der halbtote Mann wird von der Farmersfrau Barbara (Claudine Auger) gefunden und gesundgepflegt. Doch Jason kann die Hinterlist seines Bruders und auch Karen nicht vergessen und plant seine Rache...

                  Für einen Italo-Kracher hat der Film ein ungewöhnliches Setting, denn er spielt in Amerika. Das passt allerdings ganz gut, denn mit Kinski, Hayworth und Gemma hat man eine sensationellen Cast, der es echt in sich hat. Die beiden Brüder buhlen um die Gunst ihrer Mutter – und oft hat der „böse“ Adam hier die Nase vorn. Der Film hat zwar tolle Actionszenen, lebt aber vor allem von dem Schauspiel und der bösen Story. Einzig die Liebe von Jason zu Karen, die ihn verraten hat, ist nicht nachvollziehbar (besonders wenn man die Auger haben kann...). Die Story baut sich bis zum Finale stringent auf, in dem ein Erdbeben den Höhepunkt einläutet – wo sich alles entlädt. Das Finale besitzt nebenbei auch ein perfektes Italo-Western-Feeling.

                  Hier empfehle ich die italienische Langfassung, die mit einigen Gewalteinstellungen, wenn Adams Leute Jason bearbeiten aufwartet – und vor allem das komplette Ende, das natürlich wieder ein Schlag ins Gesicht ist, aber eigentlich konsequent.
                  Meine Version lag als Bonus-Scheibe dem Mediabook von „Der Vernichter“ (Flash Solo) bei. Die Bluray auf dem Markt enthält leider nur die gekürzte Kinofassung. Man sollte also die Augen offen halten.

                  Fazit: Der Film ist ein Kracher. Schon alleine Gemma/Kinski sind es wert – doch der Film ist Italo-Crime, wie er sein sollte. Unbedingt ansehen.

                  Und da ich den Film ja schon mal gesehen hatte - hier nochmal mein Eindruck von der Erstsichtung:

                  Der Bastard
                  - der Bonusfilm in diesem Mediabook hat es in sich. Duccio Tessaris Geschichte um zwei Brüder (Giuliano Gemma und Klaus Kinski) die als Gangster sich den Lebenunterhalt verdienen, hat mehr US-Atmosphäre, könnte aber wirklich auch ein Italo-Western sein. Besonders am Schluss wo sich die Brüder Auge in Auge gegenüber stehen. Dass Kinski der Böse und Gemma der "Gute" ist versteht sich von selbst, auch wenn Mama "Rita Hayworth" das nicht wahrhaben will. Am Schluss haben wir einen ruppigen Action-Krimi mit Verrat und Folter - und die Langfassung mit den kompletten Ende, das in der damaligen Kinofassung fehlte.

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                    Der Bastard klingt echt gut. Kinski und Gemma in einem Film könnte auch echt cool sein.

                    Ist auch so!!! Ich fand den bei der Zweitsichtung sogar noch besser.

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                      Bewaffnet und gefährlich / Liberi armati pericolosi (1976)

                      Ende der 70er Jahre hatte die Poliziottesco-Welle ihren Höhepunkt eigentlich schon längst überschritten. Ähnlich wie beim Italo-Western gab es vermehrt Comedy-Elemente anstatt ernste Töne. Doch mit „Bewaffnet und gefährlich“ schuf Romolo Guerrieri (unter anderem Onkel von Enzo G. Castellari) ein Krimi-Drama, das man noch in dieses Genre einordnen kann, obwohl es hier keinen eiskalten Cop a la Maurizio Merli gibt. In erster Linie dreht sich dieses Psycho-Drama um drei Jugendliche aus gutem Hause, die auf die schiefe Bahn geraten. Doch es werden keine Ursachen gezeigt, sondern es geht direkt in die vollen.
                      Lea, die Freundin von „Luigi“ taucht bei der Polizei auf, um zum melden, dass ihr Freund mit dem „Blonden“ und „Joe“ einen Tankstellen-Überfall vor haben. Zunächst glaubt ihr der Commissario (Thomas Milian) nicht, kümmert sich letztendlich doch um den Vorfall. Allerdings haben die Kids keine Spielzeugwaffen dabei, wie Lea behauptete, sondern echte Eisen – die Folge vier tote Polizisten und der Tankstellenbesitzer. Auf der Flucht kommen die auf die Idee eine Bank auszuräumen und das Geld einfach auf dem Marktplatz auf dem Fenster zu werfen. Wie man sieht, geht es den Jugendlichen wohl um den „Kick“.
                      Der Kommissar lässt indessen die Eltern vorladen und gibt einen pseudo-psychologischen Vortrag, an dem viel Wahres dran ist. Denn die Eltern sind zu sehr mit sich beschäftigt, so dass sie keine Zeit finden, sich um die Kinder zu kümmern oder überhaupt zuzuhören. Doch hier ist das Kind schon in den Brunnen gefallen – die Kids besorgen sich beim örtlichen Waffenhändler Knarren und räumen mit der Bande einen Supermarkt aus. Leider drehen hier Joe und der Blonde am Rad. Sie nieten die Kollegen des Waffenhändlers und die Kunden um und fliehen. Zunächst wollen sie sich bei Lea verstecken, doch dann nehmen sie das Mädel mit und machen sich auf die Reise übers Land...

                      Der Film wurde von Fernando di Leo geschrieben, der zuvor viele Reißer mit Henry Silva, Luc Merenda oder Mario Adorf gedreht hatte. Hier liegt das Augenmerk in erster Linie auf den Jugendlichen – Luigi, der sensible Schüchterne mit Gewissenbissen, der sich Mario, dem „Blonden“ unterordnet. Der ist der „Kopf“ hinter der Bande und stachelt die anderen zu den Verbrechen auf. „Gio“ oder Joe ist ein Psycho ohne Ende, überdreht und unberechenbar. Am Schluss spricht sogar Lea die Beziehung zwischen Luigi und Mario an – denn zwischen denen scheint sich mehr „abzuspielen“. Dass „Mario“ möglicherweise schwul ist, merkt man manchmal an den Blicken, die sie sich zuwerfen oder auch das Misstrauen Leas gegenüber (die sich im letzten Drittel böse an ihrem Luigi rächt, der ja kein „richtiger Mann“ ist). Deutlich wird das beim Supermarktüberfall, wo einer der Bandenmitglieder Mario „schwul“ zuzwinkert, was dieser mit der Maschinenpistole beantwortet und damit das Massaker auslöst. Aber Luigi hingehen kann sich nicht wehren – gegen Mario nicht und gegen Lea auch nicht – was Mario am Ende des Films gnadenlos ausnutzt (und dafür die Quittung bekommt).
                      Die Polizei hingegen ist eigentlich eine träge, desinteressierte Organisation – der Commissario (der keinen Namen hat) bleibt auch charakterlich eher blass. Nach seinem starken Vortrag den Eltern gegenüber, zeigt er sich oftmals teilnahmslos, fast desillusioniert. Immer liegt er einen Schritt hinter den dreckigen Teufeln (Alternativtitel: Dirty Devils) zurück.

                      Der Film ist weniger Krimi, mehr Psychogramm der damaligen Jugend. Die Atmosphäre atmet den 70er-Jahre-Geist und bietet schonungslose, fast kalte Bilder. Man hat den Eindruck, die Kids agieren aus Langeweile und suchen den Nervenkitzel. Dabei gehen sie äußerst Ruppig vor – insgesamt ist der Streifen an Emotionskälte nicht zu überbieten. Gerade Joe hat seinen Spaß am Verbrechen – aber auch die Polizei zeigt mit den Opfern einer Misshandlung (die beiden Geliebten des Waffenhändlers hatte nur am Anfang Spaß mit der Bande) kein großes Mitleid. Ganz gleich – die Geschichte ist ein Strudel in den Abgrund. Brutal und schmierig im Grundton, wenn auch nicht so explizit, wie andere Vertreter des Genres. „Bewaffnet und gefährlich“ macht Spaß und stößt gleichzeitig ab, regt aber auch etwas zum Nachdenken an.
                      Besonders gut fand ich Thomas Milian als Commissario, da er eben mal auch als er selbst erkennbar war. Regisseur Guerrieri musste ihn richtig überreden mal ohne Makeup und Perücke zu agieren (er war so in seiner Monnezza-Rolle drin, dass er fast nicht wieder davon weg kam). Ich fand, dass er so ein bisschen wie ein „Guido Brunetti“ aus Mailand wirkte.

                      Der Film ist auf BD von Cineploit in Österreich erschienen – es gibt ihn als dünnes Mediabook, aber auch als kleine Hartbox und normale Amaray. Der Film ist bei uns immer noch Indiziert, was vielleicht am Thema liegt und nicht an der Härte (oder der Film ist mal wieder auf der Liste vergessen worden).

                      Einen Trailer habe ich auf YouToube nicht gefunden – man stolpert aber schnell über eine Originalfassung. Fazit: Ist kein „Rabid Dogs“ - hat sich aber definitiv gelohnt. 

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                      Offline Elena Marcos

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                        Danke für den Tipp, der kommt mal auf die Liste!  :thumb:

                        Der ist jetzt kein Brutalo-Krimi im üblichen Stil mit Merli, aber als Zeitdokument sehr interessant.

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