Umberto Eco - Der Name der Rose

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Offline Bloodsurfer

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    Umberto Eco - Der Name der Rose


    Das war die aktuelle Auswahl des Buchclubs. Ich hatte mich zunächst darüber gefreut, mal wieder einen “Klassiker” von meiner Liste streichen zu können. Ich weiß zwar nicht mehr, ob ich den Film wirklich jemals ganz gesehen hatte, ich glaube eher nicht, wahrscheinlich habe ich nur hier und da mal Auszüge nebenbei mitbekommen, aber eigentlich hatte ich mir das ganz spannend und atmosphärisch vorgestellt.

    Nun ja, Pustekuchen. Ich hab mich durch quälen müssen. Ein furchtbar langweiliges Buch, das über weite Strecken komplett ohne Spannung auskommt. Handlung wiederzugeben spare ich mir mal, kennt ja wahrscheinlich jeder. Die Haupthandlung macht vielleicht mit gutem Willen 20 Prozent des Buch-Umfangs aus, der Rest besteht aus endlosem Ausschweifen in den Dialogen und inneren Monologen über alle möglichen kirchlichen und religiösen und sonstigen Themen.

    Und den Schreibstil finde ich in Gänze furchtbar. Da gibt es einzelne Sätze, die erstrecken sich bald über zwei Seiten, verschachtelt in gefühlt hunderten Nebensätzen. Und endlose Aufzählungen, ey, ich kann keine Aufzählungen mehr sehen! Hier mal ein schönes Beispiel:

    Zitat
    Aus seiner Erzählung entnahm ich, dass er sich offenbar mit jenen Landstreicherbanden zusammengetan hatte, die ich im Laufe dieses Jahrhunderts immer häufiger durch Europa ziehen sah: Vaganten, Scharlatane und falsche Mönche, Schwindler, Betrüger, Bettler und Strolche, Aussätzige und Verkrüppelte, kriegsversehrte Landsknechte, Komödianten, Bänkelsänger und Bauchredner, Falschspieler, Zauberkünstler und Nigromanten, fahrende Studenten, entsprungene Konventszöglinge, expatriierte Kleriker, schweifende Juden, den Ungläubigen entkommen mit verwirrtem Geist, Schwachsinnige, Verrückte, Narren, Verbannte, vogelfreie Gesellen, Sträflinge mit abgeschnittenen Ohren, Zigeuner und Sodomiten; dazwischen wandernde Handwerksburschen, Weber und Wollschläger, Kesselflicker und Kleinschmiede, Stuhlmacher, Korbflechter, Riemenschneider, Scherenschleifer; das Ganze durchsetzt mit Gaunern und Spitzbuben, Schuften und Schurken, Halunken und Taugenichtsen aller Arten und Sparten: Dieben, Schiebern, Fälschern, Hehlern, Blendern, Lügnern, Zechprellern, Gauklern, Wundertätern und simonistischen Priestern, Menschen, die von der Leichtgläubigkeit anderer lebten als Ablasshändler, Imitatoren päpstlicher Bullen und Siegel, falsche Gelähmte, die sich vor die Tore der Kirchen postierten, Reliquienverkäufer, Wahrsager und Chiromanten, Quacksalber, Kurpfuscher, Handaufleger, falsche Bettler und schamlose Sittenverderber aller Art, Zuhälter, Huren und Kupplerinnen, Verführer von Mönchen und jungen Mädchen mit List oder mit Gewalt, Simulanten, die allerlei Krankheiten vortäuschten, Wassersucht, Fallsucht, Hämorrhoiden, Gicht und Zipperlein, Schwären und offene Wunden oder auch melancholische Geistesumnachtung. Manche legten sich Pflaster und Binden auf, um unheilbare Geschwüre zu heucheln, andere nahmen eine schwarz-rote Flüssigkeit in den Mund, um Blutstürze zu simulieren, oder sie täuschten gebrochene Gliedmaßen vor, indem sie an Stöcken gingen ohne Notwendigkeit, oder sie imitierten Kröpfe und eitrige Beulen mithilfe von safrangetränkten Tüchern um Kopf und Hals, wieder andere trugen Ketten an ihren Händen, schlichen sich stinkend in die Kirchen ein und warfen sich auf den Boden, geifernd, Schaum vor dem Mund, die Augen verdreht, Blut aus den Nasenlöchern verströmend, das in Wahrheit aus Maulbeersaft und Zinnober gefertigt war …

    Ja, das sind genau zwei Sätze. ZWEI. Und so geht das teils fast ganze Kapitel lang. Ich kann mich nicht erinnern, jemals etwas anstrengenderes gelesen zu haben. Ich habe die deutsche Version gelesen, weil das Original italienisch ist und ich daher eh zu einer Übersetzung greifen musste, da bin ich geradezu froh, mir das hier nicht auch noch auf englisch angetan zu haben. Da hätte ich bestimmt noch ein oder zwei Tage länger gebraucht und es war so schon eine Qual, bei der ich des Öfteren über einen vorzeitigen Abbruch nachgedacht habe.

    Die Hauptstory selbst ist nicht mal übel und hätte so wunderbar atmosphärisch in dieser stimmigen Kulisse erzählt werden können, das hätte ein schöner und knackiger 200-seitiger Kurzroman sein können. Statt dessen wird es endlos in diesem furchtbaren Stil ausgewalzt und jede ansatzweise interessante Stelle wird sogleich von viel zu langen und langweiligen Passagen unterbrochen, die man irgendwann nur noch uninteressiert quer liest; man muss dann nur noch aufpassen, dass man nicht den Wiedereinstieg in die nächste spannende Szene 50 Seiten später verpasst. Der gute Teil der Geschichte geht neben dem Rest hoffnungslos unter.

    Holy fuck, was für ein Buch. Wenn ich binär werten würde, wäre das hier ein klares NEIN.

    Was bin ich froh, jetzt wieder etwas gutes lesen zu dürfen. Ich habe die ersten Kapitel vom aktuellen Pendergast hiernach geradezu verschlungen vor Freude.