Mo Hayder - Poppet und Wolf (Jack Caffery #6 und #7)...und damit habe ich gestern Abend die Reihe um Jack Caffery, die mit dem Vogelmann und der Behandlung begann, beendet. Was ich sehr schade finde, denn hier hätte ich mir noch weitere Teile gewünscht. Einerseits wäre das hier zwar ein Punkt an dem die Reihe gut enden könnte, andererseits finde ich sie einfach dermaßen stark, so dass eine Fortsetzung für mich auch super wäre. Ich finde tatsächlich keine Infos dazu, ob die Reihe abgeschlossen sein soll oder nicht. Der letzte Teil kam 2014 raus und wenn ich mich nicht irre, hat Mo Hayder seit dem überhaupt kein Buch mehr veröffentlicht. Auch nichts mehr außerhalb dieser Reihe. Ich hoffe sehr, dass noch mehr von ihr kommt.
Aber erstmal ein paar Worte zur Handlung.
Im fünften Band geht es hauptsächlich um eine geschlossene Psychiatrie, in der es zu spuken scheint. Insassen berichten von einem unheimlichen Wesen, das sie in der Nacht quält. Es ereignen sich mehrere Zwischenfälle in recht kurzer Zeit, zwei Personen sterben und eine dritte pult sich selbst mit einem Löffel ein Auge heraus. Das scheint alles etwas mit einem Gewalttäter zu tun zu haben, der als Kind seine Eltern auf grauenhafte Weise ermordet hatte und kürzlich als geheilt entlassen wurde.
Parallel möchte Caffery sein Problem mit "Flea" Marley und ihrer Leiche im sprichwörtlichen Keller endlich lösen. Er offenbart ihr, dass er ihr Geheimnis kennt und sie reagiert natürlich alles andere als begeistert.
Im siebten und bisher letzten Band wird dann gleich eine ganze Familie Opfer einer Home Invasion und lange von den sehr professionell agierenden Tätern gefangen gehalten, während diese ihre wahren Absichten zunächst nicht offenbaren.
Parallel bricht Caffery aus seinen gewohnten Bahnen der letzten Teile aus und geht endlich der Vergangenheit weiter nach, nachdem seine letzte Spur zu seinem Bruder und dem Pädophilenring seines ehemaligen Nachbarn plötzlich verstorben ist.
Hierbei ist ihm der Walking Man behilflich. Dieser ist eine hochinteressante Figur, die seit Buch 3 am Start ist und eine denkwürdige und sehr düstere Vergangenheit hat. Er hatte eine Tochter, die missbraucht und ermordet wurde. Daraufhin hat er sich den Täter vorgenommen und gefoltert, ihn um seine Genitalien und auch um seine Augen erleichtert, ihn dabei aber am Leben gelassen.
Er war dafür eine Weile im Knast, ist aber schon länger wieder auf freiem Fuß und macht diesem Ausdruck alle Ehre. Er verzichtet trotz eines immobilienbedingten Wohlstands auf einen festen Wohnsitz und wandert meist unentdeckt umher, legt täglich über 40 Kilometer zurück. Man bemerkt ihn nur wenn er gefunden werden will. Er jedoch macht immer wieder den Eindruck, alles zu sehen, alles zu wissen. Seine Ziele und Absichten sind sehr geheimnisvoll, davon abgesehen, dass er immer noch nach der Leiche seiner Tochter sucht, die nie gefunden wurde. Hier ähnelt er Caffery natürlich sehr. Beide haben noch keinen sauberen Abschluss bekommen, mit dem sie ihre jeweilige Vergangenheit vollends verarbeiten und ruhen lassen könnten. Caffery steht der Walking Man immer mal wieder als eine Art rätselhafter Ratgeber zur Seite. Er gibt jedoch, sehr zu Cafferys Unmut, niemals sein ganzes Wissen preis, sondern immer nur Andeutungen, die Caffery zunächst selbst entschlüsseln und verfolgen muss, um sich der ganzen Wahrheit als würdig zu erweisen.
Mehr möchte ich zur Handlung nicht schreiben - man kann aber beruhigt davon ausgehen, dass dies jeweils nur der Einstieg in das jeweilige Buch ist und immer wieder genug überraschende Dinge passieren, die zumindest ich am Anfang nie erahnen konnte. Jedes dieser Bücher hat es immer wieder geschafft, mich auf eine Weise zu überraschen, die ich nie erwartet hätte. Die Handlung nimmt nie den zu Beginn erdachten Verlauf. Das ist m.E. eine von Hayders großen Stärken.
Eine weitere Stärke ist ganz klar die Charakterentwicklung. Klar, das schreibe ich öfter, zu mehreren Autoren. Aber kaum jemand trifft die Nägel so sehr auf den Kopf wie Hayder. Jede einzelne ihrer Hauptfiguren, sei es der Detective, die vor allem in den Bänden 3-6 sehr wichtige Flea, der Walking Man oder auch die Täter oder sonstigen Nebenfiguren in den jeweiligen Büchern, ganz egal wer, alle Charaktere sind immer bis ins letzte Detail und völlig glaubwürdig ausgearbeitet. Jeder agiert glaubhaft, bei jedem hat man irgendwann die persönlichen Hintergründe verstanden und versteht, warum die Figuren tun was sie eben tun. Man nimmt es den Figuren vollkommen ab.
Nicht nur die Entwicklung von Caffery selbst, der nach einigen Jahren im Londoner Murder Squad in die ländlichere Gegend um Bristol zieht, um dort die Leitung einer anderen Truppe zur Aufklärung schwerster Verbrechen zu übernehmen und seiner Vergangenheit zu entkommen, jedoch dennoch immer weiter davon verfolgt wird und langsam daran zerbricht, immer weiter und weiter und immer völlig realistisch, glaubwürdig, nachvollziehbar bleibt, das ist über diese sieben Teile hinweg einfach fantastisch.
Wer diese Bücher nicht liest, dem entgeht einiges!