Review: Taegukgi (Brotherhood)

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Das Genre des (Anti-)Kriegsfilmes war schon immer, seit es Filme gibt, ein sehr beliebtes, aber auch wichtiges Genre. Gerade zu den zwei "berüchtigsten" Kriegen des 20. Jahrhunderts, sprich dem 2. Weltkrieg und dem Vietnamkrieg, gibt es unzählige Filme, die uns anhand dieser erschreckenden Beispiele die Grauen des Krieges, mal mehr, mal weniger gelungen, zeigen. Gerade in den letzten Jahren erfreute sich dieses Genre wieder "grösserer" Beliebtheit. Filme wie "Der Soldat James Ryan", "Windtalkers", "Wir waren Helden" oder "Black Hawk Down", um die bekanntesten Beispiele zu nennen, wurden teilweise von Kritikern und Fans bejubelt. Technisch sind diese Filme perfekte Beispiele für den "modernen" Kriegsfilm. Brachiale und ausufernde (okay im Falle von James Ryan nur teilweise ausufernde) Schlachten, die schonungslos und blutrünstig gestaltet sind und das Einbringen von dramatisierenden Elementen. Allerdings, so sehr ich gerade "Windtalkers" und "Wir waren Helden" (bescheuerter dt. Titel) gelungen fand, war die Symbiose aus dramatisierenden Elementen und dem Schrecken des Krieges nicht immer perfekt, da es teilweise haarscharf an Klischees vorbeischiffte oder auch mal einige mitgenommen wurden. Ein Dilemma aus dem Hollywood sich leider nicht (mehr) befreien kann, so scheint es. Da lief es in den 80ern mit Filmen wie "Full Metal Jacket" oder "platoon" schon wesentlich besser, wobei gerade ersterer nichts wirklich dramatisiert und recht kühl wirkt.

Aber es gibt inzwischen auch andere Länder, die gross produziertes Kino auf die Leinwand bringen. Süd Korea ist eines davon. Und viele Filme, die in letzter Zeit aus diesem Land kamen, waren dann auch Kracher, die sich nicht nur hinter Hollywood nicht zu verstecken brauchten, sondern auch was Technik, Ideenreichtum und menschliche Leistungen anging vor Hollywood die Nase vorn hatten. Nachdem schon "Silmido" ein sehr guter, wenn auch etwas anderer, Kriegsfilm war, steht mit "Taegukgi" das nächste Highlight ins Haus.

Diesmal dreht es sich um den Korea Krieg, ein Thema welches die westlichen Produktionsfirmen bisher, soweit ich weiss zumindest, ausgelassen haben. Die zwei Brüder Jin-Seok, der noch in der Schulausbildung steckt, und Jin-Tae, der als Schuputzer/Schuster sein Geld zu machen versucht, werden aus ihrem fröhlichen Leben gerissen, als die Nord-Koreaner in Süd Korea einfallen. Bei einer "Zwangsrekrutierung" wird Jin-Seok von seiner kranken Mutter, der Freundin seines Bruders und deren Geschwistern, weggerissen. Jin-Tae versucht ihn da rauszuholen, was dadrin endet, dass beide in der Armee landen. Von nun an versucht Jin-Tae seinen Bruder dort rauszuholen, wozu er nur eine wirkliche Chance hat, wenn er an Einfluss und Ansehen gewinnt. Anfangs geht dieses "Held spielen" noch gut, aber es verändert Jin-Tae. Der Krieg spitzt sich immer weiter zu und die beiden Brüder entfremden sich. Doch dann geschieht ein Unglück... .

Was "Taegukgi" einem bietet ist wirklich atemberaubend. Dies fängt bei den Kriegsszenen an. Immer sehr nah am Geschehen zeigt die verwackelte Kamera uns den Krieg direkt bei den Soldaten. Dabei wird einem wenig erspart. Explosionen, Dreck, elendig verreckende Menschen, alles wird erbarmungslos gezeigt. Das was "Saving Privat Ryan" in seinen ersten zwanzig Minuten zeigt, hält uns "Taegikgi" so gut wie in jeder Schlachtenszene vor. Die Brutalität und das physische Grauen des Krieges werden hier recht authentisch geschildert. Technisch stets perfekt eingefangen versteht sich, allerdings ohne jeglichen Glanz und Glamour.

Allerdings macht das keinen guten Antikriegsfilm aus. Wichtig ist nicht, dass nur blutiges Gemetzel gezeigt wird, sondern auch der Wahnsinn des Krieges an sich klar wird, wie er Menschen verändert, verstört. Und da, und das ist die einzige Schwäche an "Taegukgi", gibt es eine kleine Phase, bei der man denkt, dass der Film in patriotisches und heroisches Geballer abdriftet. Denn Jin-Tae wird mehr oder weniger zum Helden und ermutigt so die anderen Soldaten, anfangs allerdings um seinen Bruder rauszuholen, später scheint es so, dass er nur noch Orden sammeln will. Das hat dann zwischenzeitlich zur Folge, dass der Eindruck entsteht, Jin-Tae tue das einzig richtige und sei wirklich sowas wie ein Held. Doch diese kleine Phase muss man dem Film verzeihen. Denn kaum bekommt man kurze Zeit diesen Eindruck, schon reisst der Film das Ruder herum. Denn nun werden die "mutigen und heldenhaften" Süd Koreaner, die immer mehr dem Wahnsinn des Krieges verfallen zu scheinen, nicht als glorreiche Kämpfer für ihr Vaterland gezeigt, sondern als vom Krieg veränderte Menschen. Sie benehmen sich genauso wie die Nor Koreaner oder jede andere Nation, die Krieg führt : wahnsinnig. Denn nun begehen sie selber die Grausamkeiten, sind genauso fanatisch, wie die Kommunisten, gegen deren Grausamkeit und Fanatismus sie sich auflehnen. Jin-Tae und Jin-Seok werden immer mehr entfremdet und irgendwann fast schon sowas wie Gegenspieler. Jin-Tae, der der Traum eines jeden Offiziers oder Generals ist und kein Erbarmen dem Feind gegenüber kennt, einerseits und Jin-Seok, der immer noch Menschen in ihrem "Feind" sieht, andererseits. Ab und an erinnert das fast an Barnes und Elias in "Platoon". Keine der beiden Seiten kommt gut weg, die Grausamkeit des Krieges, auch psychisch, wird hervorragend gezeigt. Ode rwie jin-Seok an einer Stelle (sinngemäß) sagt : Wir sind genau wie die Nord Koreaner, nicht besser, nicht schlechter. Dabei wird ein negativer Unterton sehr klar.

Gegen Ende wird es dann noch interessanter, als Jin-Tae alles, woran er glaubt, verliert. Da möchte ich nicht zu viel vorweg nehmen. Nur soviel : Es wird klar, dass der Krieg und der einhergehende Wahnsinn vor persönlichen Schicksalen keinen Halt macht. Und genau hier punktet "Taegukgi" zusätzlich. Auch wenn die Geschichte der zwei Brüder und ihrer Familie (die später dann eine Rolle spielt) nicht soviel Substanz hat, so erfüllt sie ihre Rolle dem Film einen persönlichen und dramatisierenden Touch zu geben perfekt. Denn anders als bei den amerikanischen Filmen ist das Drama hier bewegender dargestellt, ein Schicksal, wie es damals sicherlich häufig vorkam, hautnah geschildert. Klar gibt es auch so manch ein Klischee, aber diese dramatisierenden Elemente (wie auch der ehemalige Freund der beiden, dem sie späte rbegegnen) unterstützen den Film und wirken nicht aufgesetzt, was bei den amerikanischen Filme doch, und wenn auch nur ein bisschen, immer dazugehört. Es wirkt als Teil des Ganzen und nicht nicht wie etwas, dass wie eine gute Idee erschien, die dann später hinzukam.

Technisch ist der Film perfekt inszeniert und fängt die Atmosphäre des Krieges sehr gut ein. Auch die verschiedenen Schauplätze, egal ob Stadt, Berge, Felder, mal im Schnee, mal im Frühjahr, bringen sehr viel Abwechslung hinein und sind optisch makellos gewählt. Die Darsteller geben ihr bestes und das merkt man auch und so kommt es dem Film zu Gute. Vor allem den Darstellern der beiden Brüder gebührt hier ein dickes Lob. Auch das viele Leute Überlänge bemängeln versteh ich nicht. Aus meiner Sicht ist der Film nicht mit überflüssigen Szenen beladen und die Zeit verging IMO wie im Flug. Und ein Fakt, den viele hier falsch darstellen : Der Film dauert ungeschnitten149 Minuten (aufgerundet), wa sso ziemlich 2 1/2 Stunden entspricht. Woher haben manche Leute bloss, dass der fast 3 Stunden dauert ? Soll keine Kritik, sondern nur eine Richtigstellung sein ;)

Fazit : Ein sehr drastischer und schonungsloser Anti-Kriegsfilm, der es schafft perfekt dramatisierende Elemente einzubringen, ohne, dass diese aufgesetzt wirken. Somit bewegt der Film einen deutlich mehr, als es die meisten westlichen Anti-Kriegsfilme schaffen. Absolute Referenz in diesem Genre und ich behaupte mal seit "Platoon" der beste Anti-Kriegsfilm.
I mean, that's what life is : a series of down endings.

http://www.last.fm/user/DerMuedeJoe/
Meine Sammlung

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Zitat von: "Thomas Covenant"
Meiner Meinung nach ist das Streben nach Medallien und Heldentum von Jin-Tae auch eine Kompensation. Endlich kann auch er mal oben stehen, wird bewundert, kriegt Anerkennung. In der Vergangenheit wurde ja permanent der jüngere Bruder verhätschelt, hochgehoben und unterstützt-Stolz der Familie usw. Jin Tae erhebt sich hier das erste Mal über den etablierten Status seines Bruders und zeigt dass auch er etwas wirklich gut kann, auch wenn es sich um das Töten von Menschen handelt.


Sehe ich auch ähnlich. Wobei er ja auch merkt, dass dies net das Wahre ist, aber halt zu spät.
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