Fahrenheit

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    Bei Fahrenheit hätte es sich um den innovativen Spielehammer der letzten Jahre handeln können, welcher mit einem neuen Konzept begeistert.
    Gerade weil die Möglichkeiten nicht konsequent ausgereizt worden sind, bezeichne ich das Spiel als meinen persönlichen Flop 2006 (auch wenn es bereits 2005 erschienen ist).

    "Lenken Sie das Geschehen in die von Ihnen gewünschte Richtung" steht auf der Spieleverpackung.
    Schön wäre es gewesen!

    Aber erstmal der Reihe nach.

    Lucas Kane, einer (bzw. eigentlich neben Carla) der Hauptcharakter, wird in einen mysteriösen Mordfall verwickelt.
    Aus der Perspektive von 4 Personen (Lucas, seinem Bruder Markus, Carla und Tyler - 2 Polizisten) versucht man nun Licht in das Dunkel zu bringen.

    "Theoretisch" oder besser erstmal "unwissend" möchte man  die Handlung so beeinflussen,
    -dass Lucas nicht erwischt wird
    -dass sein Bruder ihm Glauben schenkt
    -dass die Polizei ihn nicht schnappt
    -dass man aus Sicht der Polizei seiner Spur folgen kann.

    Das klingt zunächst verdammt interessant und genauso spielt es sich zumindest anfangs auch.

    Das Ganze ist im Prinzip ein Action Adventure, welches später durch andere Bauteile wie Schleicheinlagen  oder eine Art rundenbasierte Kämpfe ergänzt wird.
    Es spielt sich allerdings, bedingt durch die Steuerung und die Möglichkeit 4 Charaktere zu steuern mehr wie ein interaktiver Film als ein Computerspiel. Gerade dadurch wirkt es zunächst frisch und innovativ.

    Präsentiert wird das Spiel in eigentlich gut gelungener Grafik (inkl. Top Motion-Capturing) und glaubhaft und liebevoll gestalteten Umgebungen (die sehr realistisch wirken). Die Texturen der Spielfiguren geben auch kaum Anlass zur Kritik, wobei komischerweise Lucas Gesichtstexturen unerklärlicherweise am Schlechtesten wirken.
    Die musikalische Untermalung ist durchaus stimmig und reicht von Nickelback ähnlichen Stücken über James Brown lastige Sachen bis zu den "klassischen" Themes von Lucas und Carla.

    Das erste Drittel des Spiels spielt sich eigentlich genial. Ich freute mich auf einen echten interaktiven Krimi mit hoffentlich interessanten Wendungen und einer gelungen Auflösung.
    Man wird zunächst behutsam in die Geschichte eingeführt, es findet eine Charakterdarstellung statt (die man sich bei vielen Filmen oft wünschen würde), so daß man Freundschaft mit den Akteuren schließen kann. Man weiß, was für Probleme sie bewegt und freut sich eigentlich auf dass, was noch kommen mag.
    Dabei ist man bemüht möglichst keinen Fehler zu machen, um die Handlung scheinbar nicht negativ zu beeinflussen.
    Hierbei kommt zudem großer Zeitdruck ins Spiel. Mit der Maus (erstmal gewöhnungsbedürftig zu lenken), versucht man Spuren verschwinden zu lassen, Spuren zu finden und unter zahlreichen Fragemöglichkeiten in der Regel 2 oder max. 3 auszuwählen (was sich noch als Nachteil herausstellen wird).

    Hinzu kommen Drückorgien im Stile des MB Spieleklassikers Senso oder Sensor (wie immer das Teil hieß, wo man Musik aufgrund Farben durch drücken nachzuspielen versuchte). Es geht dabei meistens darum, Hindernissen auszuweichen, Angriffe zu parieren, manchmal auch Gedanken zu lesen oder einem Dialog bis zum Ende (wie großzügig!) folgen zu dürfen. Leider wird die Drückerei mit zunehmender Dauer immer nerviger  und lenkt zu 100% von den Action Sequenzen ab, da man sich auf die richtigen Farben konzentrieren muß.

    Einmal ist es trotzdem lustig
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    Hier also die ersten Schwachpunke des Spiels. Drückorgien teils minutenlang, ohne dass man der Handlung richtig folgen kann bzw. bei hektischen Action Sequenzen eigentlich überhaupt nicht mehr. Leider kann man unter Bonus im Menü nur 2 der zahlreichen Actionsequenzen nochmals in Ruhe ansehen, der Rest fällt  unter den Tisch. Die Maussteuerung ist gottseidank etwas dankbarer und nervt nur bei den wenigen Kletterpassagen. Dabei ist sie aber einfach nur eine ABM in meinen Augen, denn spielerisch wertvoll oder fordernd sind die Kletterpassagen nicht.

    Die Kameraführung ist teils unter aller Kanone. Dies merkt man vorallem bei den Schleichpassagen. Da muß man wirklich eine Mordsgeduld mitbringen, denn Übersichtlichkeit ist etwas anderes. Hier hat man sich zu offensichtlich an einem anderem Spiel, inkl. seinen Fehlern orientiert, nämlich MGS. An MGS ist dabei sogar scheinbar die Musik thematisch angelehnt, jedenfalls kommt sie mir ziemlich bekannt vor.

    Kämpfe laufen während des Spiels zunehmend eigentlich rundenbasiert ab und erinnern dann an Sachen wie Final Fantasy.

    Während das erste Drittel des Spiels sehr viel Spaß macht und für diverse Wow-Effekte sorgt, wird das Spiel mit zunehmder Spieldauer immer platter und niveauloser.
    Auf Auflockerungen, wie das Basketball-Spiel oder das Kickboxen muss man später verzichten. (unverständlicherweise werden diese auch nach dem Senso(r) Prinzip absolviert, statt einer Sportspiel-Steuerung - lediglich beim Schießtraining darf man mit der Maus "normal" steuern.)

    Im zweiten Drittel erfährt man dann schon im Prinzip, wer seine Hände im Spiel hat
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    und der Schlußakt ist an Klisches/Absurdität/Banalität kaum noch zu unterbieten.

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    Womit wir zum Thema Klauen kommen. Es gibt nichts einfacheres als Elemente erfolgreicher Spiele/Filme zu kopieren. Und hier findet vor allem 1 Vertreter große Beachtung.

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    "Lenken Sie das Geschehen in die von Ihnen gewünschte Richtung". Hahaha, ich lach mich echt kaputt.
    Das Spiel verläuft streng linear.

    Gewünschte Richtung definiert sich simpel als Verhinderung des Game Over oder dem Zuwachs/der Abnahme von Lebensenergie. Die Spielhandlung wird NICHT tangiert.

    Bsp. gefällig ?

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    Nur im Bezug auf den Ausgang des Spieles hat man "Einfluß", welcher aber rein von der  Kampfleistung im Endkampf abhängt, bzw. gibt es EINE Szene, wo man anscheinend "frei" entscheiden kann.
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    Die Enden: 3 konnte ich feststellen, bzw. gibt es eine alternative Sequenz, die die Enden einleiten kann, die Enden selbst aber nicht beeinflusst.

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    Warum kann man bspw. nicht
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    Das wäre echte Handlungsbeeinflussung.

    Es bleibt auch egal, welche Fragen man auswählt (Konsequenz nur Game over oder Lebensenergie). Die Handlung wird wie gesagt nicht verändert. Die Gefahr ist eigentlich nur, nicht mitzubekommen, warum etwas pasiert.  Unbeantwortete Fragen werden auch später nicht mehr automatisch erklärt.

    Bspw. wußte ich nicht
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    Über Unlogik rede ich mal gar nicht:
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    Kuriosum am Rande:
    man kann im Spiel Bonuspunkte sammeln, mit welchen man den Soundtrack, Making off, etc. freischalten kann. Obwohl ich alle möglichen Sachen freigeschaltet habe, verblieben mir gut 40 Bonuspunkte!


    Mein Fazit: leider ein Flickwerk aus bekannten Zutaten, welches wirklich nur am Anfang überzeugen vermag und seine innovativen Ideen nicht zu nutzen weiß. Schade!  Wer mit Innovation wirbt, muß sich auch daran messen lassen. Und für die platten Auflösungen gehören die Entwickler ins Schneechaos teleportiert.


    Positiv:
    - Innovative Grundidee
    - interaktiver Film
    - die etwas andere Steuerung
    - Grafik
    - das erste Drittel des Spiels
    - Atmosphäre

    Negativ:
    - die etwas andere Steuerung -> Drückorgien
    - ab dem 2. Drittel keine eigenen frischen Ideen -> Ideenklau
    - Kameraführung teils unter aller Kanone
    - lineare Handlung
    - keine Handlungsfreiheit, falsche Entscheidungen -> max Game over
    - ungestellte Fragen bleiben unbeantwortet
    - Unlogik
    - schlechte Auflösung
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    Offline Ketzer

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      Zitat von: "JasonXtreme"
      Boah Jens! :shock:  da hast ja nen halben Roman zu geschrieben :D interessiert mich jetz aber auch :D


      ich war so wütend über die vertanen Möglichkeiten, dass ich mir meinen Frust von der Seele schreiben mußte  ;)
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