Aftermath

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Nekrophilie ist ein heikles Thema. Ein Thema, dass selbst von vielen Filmemachern gemieden wird, die sonst wenig Hemmungen haben, brutalste Morde/Folterungen in detailierter Weise zu schildern. Ein Tabuthema im Tabubereich der Splatterfilme so zu sagen. Trotzdem gibt es immer wieder Filme, die mit dem Thema kokettieren oder es thematisieren. Das bekannteste Beispiel dafür dürfte Buttgereits "Nekromantik" sein, aber auch der belgische "Lucker the Necrophagus" oder selbst modernere Filme wie "Nightwatch" mit Ewan McGregor und Nick Nolte wagen sich an das Thema heran.

Ebenso tut dies "Aftermath" des spanischen Regiesseurs Nacho Cerda. Doch hierbei handelt es sich um einen besonderen Beitrag zu diesem Thema. Während die anderen Filme nur unterhalten oder schocken sollten, so geht Cerda wsentlich weiter, im positiven Sinne. Sein 30 minütiger Film verfügt quasi um keine wirkliche Handlung. Es geht einfach nur um einen nekrophilen Pathologen, der nach einer Autopsie sich an der Leiche einer jungen Frau vergeht.

Was jetzt exploitativ, billig und einfach nur krank klingt, ist aber mit Abstand das beste zu dem Thema was bisher gedreht wurde. Über die Bedeutung könnte man sicher auch länger sinnieren, ohne dabei auf einen Nenner zu kommen. Während man einerseits die Untrennbarkeit und auch Nähe von leben und Tod sehen kann und wie leicht die Grenzen verwischen (oder wie "Der Mann mit dem Plan" in seinem Review so schön gesagt hat, dass die Leiche lebendiger wirkt, beim Akt der Vergewaltigung, als der kalt/mechanisch agierende Arzt), könnte man andererseits auch komplette Sinnlosigkeit unterstellen oder ganz andere Interpretationsansätze heranziehen. Liegt an jedem selbst, Spielraum dafür bietet der Film allemal.

Also ist Exploitation schonmal die vollkommen falsche Bezeichnung. Und im Gegensatz zu den anderen Beiträgen dieser Art, Nightwatch mal ausgenommen, ist "Aftermath" auch nicht billig. Alles andere. Wo "Nekromantik" z.B. durch Bildverfremdungen/Nachzieheffekte oder auch klassische Musik wie ein Kunstfilm wirken will, da ist "Aftermath" es einfach. Auf hochwertigem Material gefilmt, ist jede Kameraeinstellung gefühlvoll gewählt, der Score ist einerseits düster, andererseits aber auch sehr gefühlvoll. Letztendlich führt alles dazu, dass der Vorgang der Autopsie und sogar der Leichenschändung, trotz der eigentlichen Widerwertigkeit, sehr ästhetisch wirkt, so abstossend es an sich ist.

Allein dadurch finde ich auch ist der Schockgehalt des Filmes auch nicht so hoch, wie viele sagen, zumal es dem Film bzw. Cerda darum doch gar nicht zu gehen scheint. Lese ich im DTM Review "Partykanone", dann frage ich mich, ob da jemand auch nur ansatzweise versucht hat zu verstehen was da gezeigt wird oder zu "würdigen" wie kunstvoll es umgesetzt wurde. Naja, sicherlich alles ziemlich sick, aber einen hartgesottenen Splatterfan schockt es sicher nur bedingt, dafür ist es, wie gesagt, viel zu kunstvoll. Der 08/15 Mainstreamgucker, den haut das Gezeigte natürlich um, aber ob diese Personengruppe diesen Film a) je sehen wird und b) sich danach über irgendwas anderes Gedanken macht, als sich darüber das Maul zu zerreissen, dass der da doch Sex mit einer Leiche hatte, das darf man zu bezweifeln wagen.

So sehr ich nun versucht hab zu verdeutlichen, dass gar nicht die FX und der Gore/schockgehalt das Zentrum des Interesses des Zusehers sein sollten, trotzdem muss man die Effektarbeit, die natürlich auch vordergründig sofort auffällt, loben. Wüsste man es nicht besser, so würde man denken, es handele sich hier um echte Leichen.

Nun aber schnell wieder weg von den FX, hin zur Atmosphäre. Klinisch steril. Düster, gefühlskarg. Der brillante Score, sowie das fehlen von Dialogen haben genau diese Stimmung zur Wirkung. Auch die Bildsprache unterstützt dieses. Der eine Pathologe nimmt, ganz mechanisch und emotionslos, die eine Leiche ausseinander. Die einzig menschliche Regung (vom Prinzip her so zu sagen), ist das Interesse des anderen Pathologen an der Leiche von Marta. Und als er seine Gelüste dann an ihr auslebt, ist die Leiche das einzige, was in dieser "toten" bzw. kalten Atmosphäre lebendig erscheint (wie schon gesagt). Irgendwie wirkt alles sehr vom menschlichen entfremdet, ausser halt eben beschriebenen Sachen. Irgendwie ganz seltsam, aber auf seine eigene Art faszinierend.

Fazit : Was will man mehr sagen? "Aftermath" ist schlichtweg ein perfekt inszeniert, künstlerisch anspruchsvoller Kurzfilm, der ein Tabuthema thematisiert und dadurch, wie auch durch die FX, in eine Ecke gedrängt wird, die ihm nicht ganz gerecht wird und ihn zu sehr auf an sich unwesentliches reduziert.

http://www.ofdb.de/view.php?page=review&fid=5999&rid=174094
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Lionel

  • Gast
Hm...ich hab den auch mal gesehen. Technisch perfekt, keine Frage. Billig war der ganz sicher nicht, das sieht man sofort. Der hat sicher ne MENGE gekostet. Was mich zu der essenziellen Frage bringt: Warum macht man einen SOLCHEN Film? Warum investiert man viel Geld in SO ETWAS?
Mir hat sich kein großartiger Sinn erschlossen. "Schön" anzuschauen, ja, (rein technisch), aber eine Geschichte um einen nekrophilen Pathologen mit expliziten Szenen? Ich weiß nicht... :roll:


Joa, die Frage "Warum?" die stellt sich irgendwo schon. Denn auch wenn vieles eine Bedeutung haben kann (je nach Standpunkt), so hätte man das auch anders präsentieren können. Klar. Nur "Warum?" kann man auch bei vielen anderen Filmen fragen ;)
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Lionel

  • Gast
Stimmt auch wieder...

P.S.: Schön, dass du wieder da bist :)


Hehe, joa danke ;)

btw. Hab mal im Bonusmaterial der DVD gestöbert. Cerda hat sich ja mit Buttgereit unterhalten (und Buttgereits Englishc ist echt fürchterlich :lol: ) und da meinte er, dass Inspiration zu dem FIlm seine eigene Angst vor dem Tod und der Ekel vor dem, was dann mit dem Körper geschieht war. Und zum Thema Gewalt meinte er, dass er sie benutzt, um sich ins Gedächtnis einzubrennen, ergo Mittel als zum Zweck, um die Leute zum nachdenken zu bringen und nicht einfach happy vor sich hin konsumieren zu können.

Und er und Buttgereit waren sich einig : Ein Film sollte nicht nur auf die FX reduziert werden (können), da das dumm sei^^
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Lionel

  • Gast
Buttis Englisch kenne ich aus den Combat Shock Audiokommentar..grausig.. :lol:
Das Cerda und Butti auf einer Wellenlänge liegen glaub ich, die passen ja gut zusammen ;)


Zitat von: "Lionel"
Buttis Englisch kenne ich aus den Combat Shock Audiokommentar..grausig.. :lol:
Das Cerda und Butti auf einer Wellenlänge liegen glaub ich, die passen ja gut zusammen ;)


Bloss dass Cerda der bessere Filmemacher ist ;)

btw. und schaut man sich "The Awakening" und "Genesis" (auch in der Box und gerade letzterer ist richtig gut) an, dann merkt man, dass Cerda in Sachen Gewalt auch komplett auf Sparflamme fahren kann.

btw. 2 Und Cerda meinte, dass der Film (Aftermath) quasi von Freunden von ihm finanziert wurde^^
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Lionel

  • Gast
Hehe...wohlhabende Freund hat er wohl ;)

Die anderen Filmchen aus der Box kenn ich leider net.


http://beyondhollywood.de/forum/index.php?topic=7532

 ;)

Genesis ist der "Nachfolger" von Aftermath. Von der Thematik her wesentlich bekömmlicher, da hier weniger auf knallharte FX, sondern auf Dramatik bzw. etwas Grusel wert gelegt wurd.e Und technishc noch vollkommener ;)
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