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Review: DURCHGEDREHT (Robert R. McCammon)

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Lionel:



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Getrieben von quälenden Erinnerungen, tötet der arbeitslose Vietnamveteran Dan Lambert in einem Augenblick der Raserei und der Angst einen Mann. Diese Kurzschlusshandlung verändert sein Leben für immer. Verfolgt von Kopfgeldjägern und Polizei, flieht er nach Louisiana. Hier im tiefsten Süden, begegnet er der jungen Arden Halliday, die selber von ihrer Vergangenheit nicht loskommt und auf der Suche nach einem legendären Heiler ist. Die beiden Außenseiter machen sich gemeinsam auf einen Weg, der ihren Tod aber auch ihre Rettung bedeuten kann.



Ich gönn dem Review mal nen eigenen Thread, zum einen weil es dann nicht so schnell untergeht, zum anderen weil wir sonst bald ne Übersicht wie im Gülle- oder Italo-Western-Thread in der McCammon-Rubrik brauchen. Und ich für meinen Teil werde sicher noch das ein oder andere Buch von ihm lesen, nachdem ich "Durchgedreht" geradezu verschlungen habe!
Was für eine herrliche Überleitung, oder? :lol:

Der 42-jährige Dan Lambert steckt tief in der Scheiße. Der Vietnam-Veteran hat keine Arbeit mehr, Leukämie und einen Hirntumor. Im Krieg wurde er ein Opfer vom "öligen Regen", Agent Orange. Seine Frau hat sich von ihm scheiden lassen und seinen Sohn hat er seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Zudem ist er mit der Ratenzahlung im Rückstand und die Bank will seinen Pickup pfänden - die einzige Lebensgrundlage, die Lambert noch hat. Sein ganzes Leben lang hat er immer nur versucht ein guter Soldat zu sein und das Richtige zu tun. Als er eines Tages ausversehen einen Menschen tötet, muss er vor der Polizei fliehen. Unterwegs trifft er Arden, eine junge Frau, die von Geburt an durch ein furchterregendes Feuermal mitten im Gesicht, gezeichnet ist. Sie ist auf der Suche nach einer legendären Heilerin, die sie von ihren psychischen Leiden erlösen soll. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche in den Sümpfen Louisianas. Ihnen auf der Spur die Polizei und zwei Kopfgeldjäger - Flint Murtaugh, ein Gentleman, der allerdings physisch entstellt ist, da er drei Arme hat und Cecil "Pelvis" Eisley, ein Elvis-Imitator, der stets Mama, seine kleine Bulldogge mit sich herumschleppt...

Ein absolut geniales Buch, das sehr unterhaltsam geschrieben ist, aber auch einen gewissen Anspruch hat. Thematisch haben wir es hier mit einer Mischung aus "Auf der Flucht" und "Jacobs Ladder" zu tun, gepaart mit jeder Menge Action und einer spannenden Handlung, geschrieben im Stile eines Clive Barker.
Der Originaltitel lautet "Gone South" - nach Süden abgehen. Durchdrehen. Während seiner Zeit in Vietnam ist Dan Lambert nie nach Süden abgegangen, doch nun ist er ein gesuchter Mörder.

Besonders lustig sind die zwei Kopfgeldjäger, besser gesagt die Interaktion zwischen den beiden. Flint Murtaugh, ein aalglatter Profi, der stets gut gekleidet ist und am liebsten allein arbeitet. Und Pelvis Eisley, ein Abbild vom King in seinen letzten Jahren, der noch neu im Geschäft ist und Murtaugh mit seiner Inkompetenz und seiner nervigen Art in den Wahnsinn treibt. Ständig stopft er sich Erdnussbuttersandwiches und Chips in den Schlund und performt Elvis-Songs, während Murtaugh eher auf Chopin steht. Zudem könnte Pelvis gar nicht weniger geeignet für den Beruf des Kopfgeldjägers sein, schließlich ist er gutherzig, wehleidig und nicht unbedingt der Klügste. Ein Weichei, wie es im Buche steht.

Die Kopfgeldjäger selbst werden unfreiwillig Zeuge eines Kokainschmuggels und werden ihrerseits von einer Drogenschmugglerbande gejagt, die sich als Alligatorenwilderer tarnen. Der Showdown (nicht das Ende!) ist unheimlich actionreich und auch sehr hart.
Marco, das Buch gefällt dir tausendpro, allein wegen der Action in dieser Phase. An dieser Stelle schwenken wir auch mal kurz ins Tierhorror-Genre, als die Alligatoren auch vor Menschenfleisch nicht halt machen. Eine andere unappetitliche Szene bekommen wir serviert, als beschrieben wird, wie (click to show/hide)ein Redneck der Gangsterbande Eisleys kleinen Hund in einer Pfanne gebraten und verspeist hat.
Bei der Action und zuvor der Comedy fühlt man sich fast ein wenig an die thailändische Actionkomödie "Killer Tattoo" erinnert, vorwiegend wohl wegen des Elvis-Imitators, der ist zum Schreien! :D

Die zweite Hälfte des Buchs spielt fast komplett in den Sümpfen Louisianas, jede Menge Cajuns treten auf und es herrscht eine Atmosphäre wie in "Southern Comfort". Deswegen hat es mich im Nachhinein etwas geärgert, dass ich das Buch nicht auf Englisch gelesen habe, da der Slang bei der Übersetzung doch an Wirkung verliert.

Dan Lambert ist ein geschlagener Mann, stets von Erschöpfung gezeichnet. Immer wieder erzählt McCammon von seiner Zeit in Vietnam in Form von Flashbacks. Doch hier kommt auch der Anspruch ins Spiel. Soll man Befehle immer blind akzeptieren und "ein guter Soldat" sein? Oder soll man tun, was man selbst für richtig hält? Immer wieder stellt Lambert auch die berechtigte Frage nach dem Sinn dieses Krieges. Er hat keine Antwort parat.
 
Arden, die junge Frau mit dem Feuermal, lernt, dass es nicht wichtig ist, wie man aussieht, sondern dass man akzeptiert wird. Und dass man das Beste aus seinem Leben und seinen Möglichkeiten macht.
McCammon ist es wichtig aufzuzeigen, dass andersartige Menschen in der Gesellschaft stets Außenseiter sind und prangert dies an. Nicht zufällig haben alle seine Hauptfiguren einen Makel. Dan ist todkrank, Arden durch ein Mal entstellt, Flint ist ein "mutierter Freak" und Pelvis ein erfolgloser Elvis-Imitator, dessen Leben schon lange verpfuscht ist. Was anders ist, das wird verachtet oder davon wendet man sich angewidert ab.
Gerade im Zusammenhang mit Pelvis Eisley, der sich im Verlauf der Geschichte wandeln soll, gibt es eine wunderschöne Szene in einer Cajun-Bar, in der er auftritt und eine begeisterte Resonanz erhält. Ihm wird versichert, er müsse sich nicht hinter dem King verstecken, sondern hätte genug Talent etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Eisley denkt darüber nach, denkt zum ersten Mal in seinem Leben darüber nach, dass er vielleicht zu früh aufgegeben hat.
McCammon ist wichtig, dass man die Hoffnung nie aufgeben sollte. Die Hoffnung stirbt immer zuletzt.

Wieder bringt McCammon - neben einer absolut spannenden und flüssig erzählten Handlung und Actionszenen, die sich gewaschen haben - Anspruch und Gefühle ins Spiel, was mir sehr gut gefällt, sein Stil sagt mir absolut zu.
Ich kann "Durchgedreht" uneingeschränkt empfehlen, McCammon ist ein Meister seines Fachs und hier wird niemand enttäuscht. Daumen nach oben! :D

Thomas Covenant:
Geiles Review-herzlichen Dank.
Jetzt hab ich richtig Lust den wieder zu lesen. McCammon hat seine schriftstellerische Stärken ja nicht nur beim Horror. Es sind oft wie hier das Schicksal von Randexistenzen und Aussenseitern die er unglaublich spannend und facettenreich erzählt. Und jedes Buch ist besser als das andere.
Sein letzt erschienes Werk SPEAKS THE NIGHTBIRD spielt im Jahr 1699 in Carolina und erzälht von einer Stadt Fount Royale die von Morden heimgesucht wird, Bestien durchstreifen die Nacht. Die Kirche entsendet einen Investigator und schnell ist die blutjunge Rachel reif für den Scheiterhaufen.....
Was McCammon aus diesem Stoff gemacht hat ist eine literarische Bombe und genau wie bei Durchgedreht ist es seine Meisterschaft Schicksale zu schildern die ihn so einzigartig und Genre übergreifend herausragen lässt.

Lionel:

--- Zitat von: "Thomas Covenant" ---Geiles Review-herzlichen Dank.
--- Ende Zitat ---


Gerne. :D Für den McCammon Tipp werd ich dir ewig dankbar sein, von allein wär ich wohl nie auf diesen Autor gestoßen.




--- Zitat von: "Thomas Covenant" ---wie bei Durchgedreht ist es seine Meisterschaft Schicksale zu schildern die ihn so einzigartig und Genre übergreifend herausragen lässt.
--- Ende Zitat ---


Oh jaaa, das kann er wie kein Zweiter :!:

JasonXtreme:
Dachte ich mir schon, dass auch dieses Buch wieder was für mich ist  :lol:  naja, ich sag jetz einfach mal ich les künftig nur noch McCammon, Lansdale, Simmons, Vachss und King - das dürfte mich mein Leben lang beschäftigen bei meiner Zeiteinteilung  :lol:

Flightcrank:
FETTES Review Gert! Ist zwar eher weniger was für mich, da kein Horror/Mystery/Coming of Age, aber ich werde den Titel im Auge behalten.  :)

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