Endlich ist er da - der von mir wohl am ungeduldigsten erwartete Film dieses Jahres. Wer die legendären alten Jonah Hex Comics kennt und zu schätzen weiß, dem ist klar, was ich meine. Lange habe ich spekuliert, ob man die Atmosphäre der Comicvorlage und auch das grandios brutal-hässliche Gesicht des Jonah Hex hinbekommen würde, und gestern Abend konnte ich mir dann selbst ein Bild machen.
Oh Boy, was eine Nacht!
Jonah Hex ist ein Rächer, der direkt dem Handbuch aller Rachewesternschreiber entstiegen zu sein scheint. Man nehme Clint Eastwood in seiner Rolle des Josey Wales ("Der Texaner"), die, so hat man das Gefühl, an die Comicfigur des Jonah Hex angelehnt gewesen sein mag, verpasse ihm eine richtig entstellte Fratze, nehme ihm jegliche Emotion außer Hass, gebe ihm ein paar nette unkonventionelle Waffen und lasse ihn auf einen durchgeknallten Supergegner los, der ihm in Brutalität nicht nachsteht. Und dann... hat man Jonah Hex!
Der Ausgangspunkt ist - wie beim "Texaner" - der Krieg zwischen den Staaten. Jonah Hex nimmt nur am Krieg teil, weil er eben ein Rebell ist. Die Sklaverei interessiert ihn nicht die Bohne, die Sezession auch nicht - er ist eben ein Rebell, der sich von den Nordstaaten halt nix vorschreiben lassen will, das heißt er lässt sich von NIEMANDEM etwas vorschreiben. Mit indianischer Frau und Sohn lebt er auf einer kleinen Farm, und dort endet auch sein Leben - zumindest hat es für ihn den Anschein, denn für Jonah kam der Tag der Entscheidung - als Gefolgsmann des erzbrutalen, wahnsinnigen General Turbull, den er als Monster bezeichnet, musste er eine Entscheidung treffen. Um Turnbulls Unmenschlichkeit, der zahllose Unschuldige zum Opfer fielen, ein Ende zu bereiten - denn sie hatte nichts mehr mit Krieg zu tun - verriet er Turnbull an die Nordstaaten. Doch Turnbull kann sich den Schergen entziehen - sein Sohn hingegen stirbt. Also schreitet Turnbull zum Strafgericht für den Verräter - an ein Kreuz gebunden muss Jonah Hex mit ansehen, wie seine Familie grausam ermordet wird, dann verstümmelt Turnbull sein Gesicht und überlässt ihn den Krähen.
Doch die Krähen, oder besser die Crow-Indianer, und deren Medizinmänner, bewahren Jonah davor, den Löffel zu reichen. Da er aber alles, einschließlich seiner Menschlichkeit, verloren hat, zieht er fortan in seine Rebellenuniform gekleidet als Kopfgeldjäger durch den Westen - und Jonah Hex macht keine Gefangenen! Bei dem Spruch "Tot oder lebendig" hätte man sich das Wort "lebendig" sparen können. Desillusioniert und voll der Rache sucht Jonah die Spur des General Turnbull, doch da erreicht ihn die Nachricht, dass der bei einem verheerenden Brand in einem Hotel ums Leben kam und sich so seiner gerechten Strafe entzog.
Für Jonah gibt es jetzt gar nichts mehr, wofür er noch leben sollte. So zieht er rast- und ziellos durch den Westen, ein einsamer Mann, dem nichts, aber auch gar nichts geblieben ist, für das es sich zu leben lohnt. Zahlreiche Prämien sind auf seinen Kopf ausgesetzt, weil er auch schon mal Gesetzeshüter, die ihn um sein Kopfgeld betrügen wollen, von der Bildfläche pustet.
Doch Jonahs Vergangenheit holt ihn ein, denn der amerikanische Präsident braucht seine Hilfe - ein Terrorist hat die grausamste Waffe, die es in den USA je gab, in seine Gewalt gebracht und droht damit, das Land zu vernichten. Nur ein Mann kann ihn aufhalten, und dieser Mann ist Jonah Hex! Denn der durchgeknallte Terrorist ist niemand anders als General Turnbull! Für Jonah gibt es kein Halten mehr. Begleitet von seinem Pferd "Horse" und einem Hund ohne Namen sowie der Hure Lilah macht er sich auf, seine Rache zu vollenden und das Land vor der größten Bedrohung seit den Unabhängigkeitskriegen zu bewahren...
Jumpin' Jehosaphat, dieser Film lässt Träume wahr werden. Wenn noch ein Beweis dafür fehlte, dass der Western heute noch auf der Großleinwand funktionieren kann, wenn ihn der richtige Mann inszeniert und er den richtigen Helden in einer hammer Story hat, dann liefert ihn Jonah Hex! Dieser Film ist pures Vergnügen, ein Mystery-Western oder auch Gruselwestern, wenn man so will, der allerersten Sahne. Wenn es Jonah Hex schon zu Djangos Zeiten gegeben hätte, dann hätte es keinen Django gegeben. Django war hart, Josey Wales war härter, Jonah Hex ist hart wie Waffenstahl und zäh wie Sattelleder. Dennoch gibt es Anleihen bei Django und beim amerikanischen Western. Wenn Jonah stets mit gesenktem Kopf dasteht, dann erinnert er an Anthony Steffen in "Django und die Bande der Bluthunde". Wenn er zur Gatling Gun greift, kommen Erinnerungen an Franco Nero's Django hoch. Wenn er durch den Westen reitet und sich mit banditen, Sheriffs und Soldaten rumschlägt, erinnert das an "Der Texaner"...
Der Bursche latscht durch den Westen wie der fleischgewordene Satan persönlich, seine Fratze lässt ihn wie ein Wesen aus der Hölle erscheinen und verhindert, dass er mehr als zwei zusammenhängende Sätze herausbringt. Am liebsten nuschelt er halbe Sätze vor sich hin und begleitet sie mit einem Knurren. Jonah hat zudem noch eine Fähigkeit, die kein Westmann vor ihm hatte - er kann mit den Toten reden! Zwar nur für sehr kurze Zeit, aber die genügt, um herauszufinden, was er wissen will. Denn wenn er Tote berührt, erwachen sie für kurze Zeit zu untotem Leben (das sorgt für wirkliche Gruselatmosphäre), verspüren aber irrsinnige Schmerzen des Höllenfeuers, das sie während des Gesprächs mit Jonah Hex zu verzehren droht. Das ist eine schlimmere Qual als der blutrünstigste Indianerstamm sie einem Mann angedeien lassen könnte, und nur Jonah kann den Toten die Schmerzen wieder nehmen und ihnen die ewige Ruhe geben. Die Hure Lilah ist ein ebenso desillusioniertes wie hammerhartes Rebellen-Dreckstück und die einzige Person, die ihn versteht. Zwischen ihnen gibt es keine Liebe, es ist nur eine Zweckgemeinschaft - sie hängt sich an ihn, weil er sie mit Respekt behandelt, denn sie ist eine Frau, und sie weiß, dass sie überleben wird, solange sie bei ihm ist. Und er kann bei ihr ab und an seine Seele erleichtern und ne Nummer schieben. Selbst sein Pferd und der Bluthund, der sich ihm anschließt, bedeuten ihm nicht genug, um ihnen Namen zu geben. Sie sind eben Gefährten, aber wenn es ihn erwischt, sind sie eben wieder auf sich allein gestellt. Auch gut. Jonah will eben keine feste Bindung eingehen - er ist ein Loner, ein einsamer Rebell, der sich über jede Konvention hinwegsetzt und sich von niemandem etwas befehlen lässt. Wer ihm blöd kommt, muss dem Herrgott danken, wenn er hinterher noch am leben ist.
Für mich ist Jonah Hex der beste Western seit Open Range sowie eine der allerbesten Comicadaptionen der letzten Jahre. Aber das will nichts heißen, war das ja auch bei dem nicht nur hier viel gehassten Ghost Rider so...;-)
Jonah Hex ist pures Vergnügen, ganz großes und wunderbar besetztes Westernkino (Josh Brolin ist Joinah Hex, und auch megan Fox macht ihre Sache prima) und bietet einen Westernhelden ganz nach meinem Geschmack. Rasante Action, gute Effekte, da stimmt alles - nur an der Musik hab ich zu mäkeln und an der Szene mit dem "Snakeman", der den Fantasyteil dann doch irgendwie übertrieb. Aber man kann nicht alles haben, dennoch hätte ich bei einem genialen Soundtrack wie dem von "Der Texaner" selbst den Snakeman verziehen. Nun gut, soll es eben so sein.
Ohne jeden Zweifel sage ich nach diesem Film aus vollem Herzen: Der Western lebt - und Jonah Hex mit ihm!
Der Lonewolf Pete