Tess 
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Roman Polanskis „Tess“ ist ein 3h-Meisterwerk der Filmkunst, dass mit seiner ästhetischen Strenge, emotionalen Tiefe und beeindruckenden Zurückhaltung weit über viele klassische Literaturverfilmungen hinausgeht. Der Film besticht durch seine visuelle Pracht und jede Einstellung wirkt wie ein Gemälde. Die Kameraarbeit fängt die Schönheit und Härte der ländlichen englischen Landschaft ebenso ein wie die Zartheit und Verletzlichkeit der Hauptfigur. Nastassja Kinski (Tochter vom Klaus) verkörpert Tess mit einer Mischung aus Unschuld, Stärke und Tragik, die den Zuschauer unmittelbar berührt und lange nachwirkt
Im Vergleich zur Geschichte von „Effi Briest“ wirkt „Tess“ für mich deutlich kraftvoller und emotional eindringlicher. Während beide Werke das Schicksal junger Frauen in einer rigiden, von Doppelmoral geprägten Gesellschaft thematisieren, gelingt es Tess viel stärker, die existenzielle Schutzlosigkeit und die zerstörerische Kraft gesellschaftlicher Konventionen spürbar zu machen. Polanskis Inszenierung bleibt dabei stets glaubwürdig und sensibel, ohne ins Sentimentale oder Überzeichnete abzugleiten.
Die Tragik von Tess' Lebensweg entfaltet sich mit einer solchen Wucht und Konsequenz, dass tief bewegt – ein Effekt, den die Effi-Briest-Geschichte, so subtil und literarisch sie auch sein mag, für mich nie in dieser Intensität erreicht, wobei E.B. schon immer kaum mehr als eine Seifenoper war.
„Tess“ ist ein Film, der nicht nur durch seine Schönheit, sondern vor allem durch seine emotionale Ehrlichkeit und künstlerische Konsequenz überzeugt. Der Film ist zugleich etwas für Liebhaber von Literaturverfilmungen wie auch für tiefgründige Dramen, in meinen Augen ein absolutes Highlight und für mich ganz klar dem Werk „Effi Briest“ weit überlegen, auch wenn das Ende bei Tess deutlich plumber ist.
The Human Voice 
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Der hinterlässt bei mir einen faden Nachgeschmack und das gleich auf mehreren Ebenen. Schon die Laufzeit ist irreführend denn offiziell wird der Film mit 1:14h angegeben aber tatsächlich besteht der eigentliche Film nur aus etwa 45 Minuten. Der Rest ist eine nachträglich angefügte Filmbesprechung. Da fühle ich mich doch ein wenig verarscht. Das wirkt wie eine künstliche Streckung und ist für Zuschauer, die sich auf einen abendfüllenden Film freuen, schlichtweg enttäuschend.
Inhaltlich konnte mich der Film ebenfalls nicht überzeugen. Im Kern ist es ein einziges, langgezogenes Telefongespräch über das Ende einer Beziehung. Was als intensives Kammerspiel gedacht ist verliert schnell an Spannung und wirkt über weite Strecken monoton. Die Inszenierung mag stilistisch ambitioniert sein, doch letztlich bleibt nur das Gefühl zurück, einem endlosen Schlussmach-Telefonat beizuwohnen, ohne echte Entwicklung, ohne emotionale Vielschichtigkeit & ohne Überraschung. Die Hauptfigur bleibt distanziert und der Film schafft es nicht ihre innere Zerrissenheit wirklich greifbar zu machen.
Unterm Strich bietet "The Human Voice" weder die emotionale Tiefe noch die dramaturgische Dichte. Für mich leider ein misslungenes Experiment.
