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Bücher & Stories / Story: Der dunkle Raum
« am: 15. Januar 2008, 23:35:18 »
TEIL 1
Es war dunkel, dass selbst die Hand vor Augen nicht sichtbar wäre. Zudem war kein Luftzug zu spüren. Nur die stickige Luft von alten Kellergewölben und pilzbefallenem Holz waberte durch den Raum.
"Wo bin ich hier?" fragte sich Justin, ein sechsundzwanzigjähriger Informatiker, leise, als er zu sich kam und die Augen öffnete. Er spürte etwas Weiches unter sich, was, wie er dachte, entweder ein Teppich oder eine Art Bett sein musste.
Er richtete sich auf und merkte, als er seine Beine nach rechts bewegte und sie ins Leere glitten, daß er auf einer Art Pritsche gelegen haben muss. Er saß nun aufrecht am Rand der angeblichen Pritsche und spürte einen festen Untergrund unter seinen nackten Füßen, der aus Stein zu bestehen schien, da er rau, uneben und kalt war.
Er wollte seine Arme bewegen und an sich heruntertasten, um zu sehen, ob alles an ihm in Ordnung war, doch hatte er keine Gelegenheit dazu, denn sie waren hinter seinem Rücken an den Handflächen zusammengeklebt. Er versuchte sie auseinanderzuziehen, doch der Kleber war so stark, dass er nur einen reißenden Schmerz verspürte, als ob ihm die Haut bei lebendigem Leibe abgezogen werden würde.
Langsam stieg Panik in ihm auf und er wusste, dass ihn jemand verschleppt haben muss, nachdem er gestern Abend neben seiner Frau Janice eingeschlafen ist.
"Hallo?! Ist da jemand?! Kann mich jemand hören?!" rief er aus vollem Hals ins Unbekannte. Doch das Einzige, was er hörte, war der einsame Hall seiner eigenen sorgengetränkten Stimme.
Justin erhob sich von seiner provisorischen Liege und erkundete den dunklen Raum. Er ging drei Schritte vorwärts und stieß mit etwas Hölzernem zusammen. Er tastete mit seinem Fuß an dem Objekt entlang und erkannte ziemlich schnell, dass es sich um einen Stuhl handelte.
Von da an ging er drei Schritte nach links und stieß auf die nasse kalte Mauer seines müffigen Gefängnisses. Er trat zweimal gegen die Wand in der Hoffnung, dass sich ein Stein lösen oder jemand das Klopfen hören würde. Doch beides war vergebens.
Er presste sich mit dem Rücken und den festgeklebten Händen etwas gegen die Wand und ging an selbiger entlang, als er an etwas Metallisches geriet. Er ließ seine Arme und Hände an dieser Veränderung in der Wand entlanggleiten und merkte schnell, dass es sich um eine Tür handelte, da er eine Art Knauf ertasten konnte.
Ein wenig Hoffnung keimte in ihm auf, als er sich in Gedanken durch diese Tür schreiten sah.
Er klemmte den Knauf zwischen seine Arme und versuchte mit all seinen gesammelten Kräften, ihn in Bewegung zu setzen. Er strengte sich so sehr an, bis sich kleine Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten, doch der Knauf bewegte sich nicht einen Millimeter.
Doch Aufgeben war keine Option.
Er begab sich auf die Knie und klemmte den Türknauf zwischen seinen Kopf und seine rechte Schulter, in der Hoffnung, dass er so zu bewegen war. Doch auch mit dieser Methode hatte Justin kein Erfolg und er ließ verzweifelt von dem Knauf ab.
Zu gerne hätte er seine zwei gesunden kräftigen Hände benutzt, doch diese befanden sich wie festgeschweißt hinter seinem Rücken.
Justin sank, erschöpft von der Anstrengung und der aufbrodelnden Verzweiflung, in sich zusammen und saß nun auf dem kalten Steinfußboden und schrie aus vollem Hals: "SCHEIßE!!! VERDAMMTE SCHEIßE!!!"
Plötzlich hörte er ein lautes Knacken und Rauschen, als ob jemand ein Radio anschalten würde, an dem kein Sender eingestellt war. Justin lauschte dem Rauschen aufmerksam, doch nach vier Minuten war nichts weiter zu hören, als dieses eine monotone Geräusch.
Als er gerade seinen Kopf auf die Knie legen wollte schallte ein weiteres Knacken durch den Raum und das Rauschen wurde durch eine verzerrte Stimme ersetzt: "Mr. Lincoln, es freut mich sie in meinem kleinen bescheidenen Heim begrüßen zu dürfen."
Eine Gänsehaut fuhr über Justins Körper und sein Unterkiefer, samt seiner Knie begannen ein wenig zu zittern.
"Wer ist da?" fragte Justin mit fordernder Stimme in die Dunkelheit. Eine Antwort folgte prompt: "Es spielt keine Rolle, wer ich bin, Mr. Lincoln. Das Einzige, was wirklich zählt ist, was ich ihnen zu sagen habe und was sie für mich tun können."
Justin kniff wutentbrannt die Augen zusammen und richtete sich an der Metalltür auf. "Ich habe keine Lust auf diese beschissenen Spielchen! Sagen sie schon, was sie wollen und dann lassen sie mich hier raus", sagte er selbstbewusst und mit solch Nachdruck, das er fast vor sich selbst erschrak.
So kannte er sich nicht, war er doch sonst immer ein friedliebender Mensch, der sich jeden noch so kleinen Ärger vom Hals gehalten hatte. Streitigkeiten oder laute Wutausbrüche kamen bei ihm so gut wie nie vor. Er hat immer versucht, alles auf einem diplomatischen Weg zu klären, ohne auch nur die Stimme zu erheben.
Selbst seine Frau Janice hat er niemals angeschrien oder beschimpft. Auch seine vierjährige Tochter Natalija kannte ihren Vater nur als liebevollen und gutherzigen Mann, der nie seine Stimme erhob oder ungerecht gehandelt hatte.
Doch von diesem durchweg positiven Menschen war in diesem Moment nichts mehr übrig. Es kochte der Zorn in ihm. Ein Gefühl, welches ihm selber völlig unbekannt war. Am liebsten hätte er mit der Faust gegen eine der feuchten Wände geschlagen, doch der Kleber an den Händen hinderte ihn abermals daran.
Er zerrte an ihnen so fest er konnte, wandte sich hin und her, doch musste er mit schmerzverzerrtem Gesicht und Tränen in den Augen feststellen, dass jede Mühe umsonst war.
Ein hämisches metallisches Lachen füllte den Raum, welches Justin an Roboter aus den alten Science Fiction-Filmen erinnerte, die er in seiner Kindheit gerne geguckt hat: "Mr. Lincoln...Justin, geben sie's auf. Versuchen sie's erst gar nicht, sich zu befreien. Sie werden es nie schaffen, es sei denn, man würde ihnen die Hände abtrennen. Sicher sehnen sie sich bereits nach Licht und Freiheit. Eines kann ich ihnen bereits jetzt gewähren."
Kaum war der Satz zu Ende gesprochen, füllte sich der Raum mit gleißendem Licht, welches Justin in den Augen schmerzte, sodass er sie schnellstmöglich schloss. Für einen kurzen Moment dachte er, er sei erblindet, als er seine Augen, die wie Feuer brannten, wieder öffnete und er nur das Rauschen der Lautsprecher wahrnahm. Doch langsam gewöhnten sie sich an das Licht, welches wie ein Blitz plötzlich den Raum erhellte.
Er konnte verschwommene Konturen des Stuhls erkennen den er bereits ertastet hatte. Zudem erkannte er noch die Pritsche, auf der er lag, als er aus der Bewusstlosigkeit erwachte. Doch das meiste war noch immer sehr verschwommen, als ob Justin zu ein paar Gläser Scotch zuviel getrunken hätte.
Er torkelte durch den Raum, um sich auf die Pritsche zu setzen, welche aus massivem Stein bestand und aus der Wand ragte und worauf eine graue raue Decke ausgebreitet war, wie er es aus den Knastfilmen der siebziger Jahre kannte. Sie roch nach Zigarettenqualm, der in Justin eine Übelkeit auslöste.
Auch in der Firma, in der er arbeitete, konnte er sich nie in den Räumen aufhalten, in denen geraucht wurde. Zu schnell wurde ihm in diesen nikotinverseuchten Zimmern, die er liebevoll "Todeszellen" nannte, speiübel.
Er sah zu der Glühbirne hinauf, die genau unter der Decke angebracht war und die den Raum mit Helligkeit flutete. Langsam sah Justin wieder klar und deutlich und er fühlte, wie ein weiteres Mal Panik in ihm aufstieg.
Tote Ratten lagen in einer Ecke des Raumes, welche von lebenden Artgenossen angenagt wurden. Im sekundentakt gaben sie piepsende Laute von sich, welche Justin eiskalte Schauer über den Rücken laufen ließen.
Die Wände waren kahl und brüchig, aber nicht so brüchig, dass man sie eintreten oder mit der Wucht des Körpers hätte zerstören können. Ein paar Risse und Kerben zierten sie. Und wie er vermutete, waren Lautsprecher an jeder Wand angebracht.
In der Mitte des Raumes stand der Stuhl, den Justin in der Dunkelheit ertasten konnte. Unter ihm war eine Art Abfluss, welcher von einer roten getrockneten Substanz umgeben war. Er sah bereits seinen leblosen Körper kauernd zusammengerollt in einer der vier Ecken liegen, während ein Dutzend kleiner Ratten sich an seinen Augen und seinen Zehen zu schaffen machten. Wie sie sich erst mit ihren kleinen Nagezähnen durch die Hautschichten bohrten, um anschließend das vielleicht noch warme Fleisch zu verschlingen und kleine Stückchen aus ihm herausrissen, bis nur noch sein fauliger, zerfressener Kadaver übrigblieb.
Diese Vorstellung ließ Justin erschaudern und am ganzen Körper zittern. Noch nie in seinem jungen Leben hatte er sich vor Ratten gefürchtet, doch in diesem engen klaustrophobischen Verlies wirkten sie auf ihn wie gierige und blutrünstige Monster.
"Was ist das für ein Raum?" fragte er sich, doch wollte er es eigentlich in Wirklichkeit gar nicht wissen, da er das Schlimmste befürchtete.
Er erkannte, dass zahlreiche kleine Fotos an der gegenüberliegenden Wand angebracht waren, welche er aus der Entfernung jedoch nicht genau erkennen konnte. So rappelte er sich auf und versuchte auf seinen zitterigen Beinen ausreichend Halt zu finden. Er ging auf die Wand mit den Bildern zu und erschrak, als er sie genau betrachten konnte.
Die ersten vier Bilder zeigten seine Frau Janice, die zu schlafen schien. Das erste Foto zeigte lediglich ihr Gesicht und ein Messer, welches an ihr rechtes Auge gehalten wurde, bereit, es ihr auszustechen. Unter dem Bild stand das Wort "Augenschmaus" geschrieben.
Das zweite Bild zeigte ihr aufgeknöpftes Pyjamaoberteil, woraufhin ihre Brüste zum Vorschein kamen. Unter diesem Bild stand das Wort "Begierde".
Justin fiel das Atmen immer schwerer, je länger er die Bilder betrachtete.
Das dritte Bild zeigte ihr Geschlecht, worauf auch ein Messer gerichtet war. Unter diesem Foto stand das Wort "Obsession" geschrieben.
Das vierte Bild zeigte seine Frau vollständig nackt auf dem Bett liegend. Sie lag auf dem Rücken, die Arme weit von sich gestreckt, die Beine zusammenhaltend und der Kopf leicht nach links geneigt. Es erinnerte Justin an Jesus, dem sein Leben am hölzernen Kreuz ausgehaucht wurde. Unter dem Bild prangte das Wort "Erlösung" in großen roten Lettern.
Das fünfte und letzte Bild zeigte das schlafende unschuldige Gesicht seiner Tochter Natalija. Auch an ihrem Hals war ebenfalls eine blitzende Klinge zu erkennen. Unter diesem letzten Foto stand "Vergeltung" geschrieben.
"Großer Gott", dachte sich Justin, der beim Betrachten dieser schockierenden Bilder einen Schritt zurücktrat.
Plötzlich schallte es wieder aus den Lautsprechern: "Ah, sie haben sie gesehen. Und, gefällt ihnen meine kleine Fotostrecke, Mr. Lincoln? Ich finde, ich habe mich selbst übertroffen. Und ihre Frau, sie schmeckt so süß und fühlt sich so gut an. Ihre Haut ist so zart und die Lippen so weich. Ihre Tochter ist ebenfalls ein wahres Goldstück. Ich bin gespannt, wie ihr junges Blut schmeckt, wenn ich ihr die Kehle durchgeschnitten habe."
Es war dunkel, dass selbst die Hand vor Augen nicht sichtbar wäre. Zudem war kein Luftzug zu spüren. Nur die stickige Luft von alten Kellergewölben und pilzbefallenem Holz waberte durch den Raum.
"Wo bin ich hier?" fragte sich Justin, ein sechsundzwanzigjähriger Informatiker, leise, als er zu sich kam und die Augen öffnete. Er spürte etwas Weiches unter sich, was, wie er dachte, entweder ein Teppich oder eine Art Bett sein musste.
Er richtete sich auf und merkte, als er seine Beine nach rechts bewegte und sie ins Leere glitten, daß er auf einer Art Pritsche gelegen haben muss. Er saß nun aufrecht am Rand der angeblichen Pritsche und spürte einen festen Untergrund unter seinen nackten Füßen, der aus Stein zu bestehen schien, da er rau, uneben und kalt war.
Er wollte seine Arme bewegen und an sich heruntertasten, um zu sehen, ob alles an ihm in Ordnung war, doch hatte er keine Gelegenheit dazu, denn sie waren hinter seinem Rücken an den Handflächen zusammengeklebt. Er versuchte sie auseinanderzuziehen, doch der Kleber war so stark, dass er nur einen reißenden Schmerz verspürte, als ob ihm die Haut bei lebendigem Leibe abgezogen werden würde.
Langsam stieg Panik in ihm auf und er wusste, dass ihn jemand verschleppt haben muss, nachdem er gestern Abend neben seiner Frau Janice eingeschlafen ist.
"Hallo?! Ist da jemand?! Kann mich jemand hören?!" rief er aus vollem Hals ins Unbekannte. Doch das Einzige, was er hörte, war der einsame Hall seiner eigenen sorgengetränkten Stimme.
Justin erhob sich von seiner provisorischen Liege und erkundete den dunklen Raum. Er ging drei Schritte vorwärts und stieß mit etwas Hölzernem zusammen. Er tastete mit seinem Fuß an dem Objekt entlang und erkannte ziemlich schnell, dass es sich um einen Stuhl handelte.
Von da an ging er drei Schritte nach links und stieß auf die nasse kalte Mauer seines müffigen Gefängnisses. Er trat zweimal gegen die Wand in der Hoffnung, dass sich ein Stein lösen oder jemand das Klopfen hören würde. Doch beides war vergebens.
Er presste sich mit dem Rücken und den festgeklebten Händen etwas gegen die Wand und ging an selbiger entlang, als er an etwas Metallisches geriet. Er ließ seine Arme und Hände an dieser Veränderung in der Wand entlanggleiten und merkte schnell, dass es sich um eine Tür handelte, da er eine Art Knauf ertasten konnte.
Ein wenig Hoffnung keimte in ihm auf, als er sich in Gedanken durch diese Tür schreiten sah.
Er klemmte den Knauf zwischen seine Arme und versuchte mit all seinen gesammelten Kräften, ihn in Bewegung zu setzen. Er strengte sich so sehr an, bis sich kleine Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten, doch der Knauf bewegte sich nicht einen Millimeter.
Doch Aufgeben war keine Option.
Er begab sich auf die Knie und klemmte den Türknauf zwischen seinen Kopf und seine rechte Schulter, in der Hoffnung, dass er so zu bewegen war. Doch auch mit dieser Methode hatte Justin kein Erfolg und er ließ verzweifelt von dem Knauf ab.
Zu gerne hätte er seine zwei gesunden kräftigen Hände benutzt, doch diese befanden sich wie festgeschweißt hinter seinem Rücken.
Justin sank, erschöpft von der Anstrengung und der aufbrodelnden Verzweiflung, in sich zusammen und saß nun auf dem kalten Steinfußboden und schrie aus vollem Hals: "SCHEIßE!!! VERDAMMTE SCHEIßE!!!"
Plötzlich hörte er ein lautes Knacken und Rauschen, als ob jemand ein Radio anschalten würde, an dem kein Sender eingestellt war. Justin lauschte dem Rauschen aufmerksam, doch nach vier Minuten war nichts weiter zu hören, als dieses eine monotone Geräusch.
Als er gerade seinen Kopf auf die Knie legen wollte schallte ein weiteres Knacken durch den Raum und das Rauschen wurde durch eine verzerrte Stimme ersetzt: "Mr. Lincoln, es freut mich sie in meinem kleinen bescheidenen Heim begrüßen zu dürfen."
Eine Gänsehaut fuhr über Justins Körper und sein Unterkiefer, samt seiner Knie begannen ein wenig zu zittern.
"Wer ist da?" fragte Justin mit fordernder Stimme in die Dunkelheit. Eine Antwort folgte prompt: "Es spielt keine Rolle, wer ich bin, Mr. Lincoln. Das Einzige, was wirklich zählt ist, was ich ihnen zu sagen habe und was sie für mich tun können."
Justin kniff wutentbrannt die Augen zusammen und richtete sich an der Metalltür auf. "Ich habe keine Lust auf diese beschissenen Spielchen! Sagen sie schon, was sie wollen und dann lassen sie mich hier raus", sagte er selbstbewusst und mit solch Nachdruck, das er fast vor sich selbst erschrak.
So kannte er sich nicht, war er doch sonst immer ein friedliebender Mensch, der sich jeden noch so kleinen Ärger vom Hals gehalten hatte. Streitigkeiten oder laute Wutausbrüche kamen bei ihm so gut wie nie vor. Er hat immer versucht, alles auf einem diplomatischen Weg zu klären, ohne auch nur die Stimme zu erheben.
Selbst seine Frau Janice hat er niemals angeschrien oder beschimpft. Auch seine vierjährige Tochter Natalija kannte ihren Vater nur als liebevollen und gutherzigen Mann, der nie seine Stimme erhob oder ungerecht gehandelt hatte.
Doch von diesem durchweg positiven Menschen war in diesem Moment nichts mehr übrig. Es kochte der Zorn in ihm. Ein Gefühl, welches ihm selber völlig unbekannt war. Am liebsten hätte er mit der Faust gegen eine der feuchten Wände geschlagen, doch der Kleber an den Händen hinderte ihn abermals daran.
Er zerrte an ihnen so fest er konnte, wandte sich hin und her, doch musste er mit schmerzverzerrtem Gesicht und Tränen in den Augen feststellen, dass jede Mühe umsonst war.
Ein hämisches metallisches Lachen füllte den Raum, welches Justin an Roboter aus den alten Science Fiction-Filmen erinnerte, die er in seiner Kindheit gerne geguckt hat: "Mr. Lincoln...Justin, geben sie's auf. Versuchen sie's erst gar nicht, sich zu befreien. Sie werden es nie schaffen, es sei denn, man würde ihnen die Hände abtrennen. Sicher sehnen sie sich bereits nach Licht und Freiheit. Eines kann ich ihnen bereits jetzt gewähren."
Kaum war der Satz zu Ende gesprochen, füllte sich der Raum mit gleißendem Licht, welches Justin in den Augen schmerzte, sodass er sie schnellstmöglich schloss. Für einen kurzen Moment dachte er, er sei erblindet, als er seine Augen, die wie Feuer brannten, wieder öffnete und er nur das Rauschen der Lautsprecher wahrnahm. Doch langsam gewöhnten sie sich an das Licht, welches wie ein Blitz plötzlich den Raum erhellte.
Er konnte verschwommene Konturen des Stuhls erkennen den er bereits ertastet hatte. Zudem erkannte er noch die Pritsche, auf der er lag, als er aus der Bewusstlosigkeit erwachte. Doch das meiste war noch immer sehr verschwommen, als ob Justin zu ein paar Gläser Scotch zuviel getrunken hätte.
Er torkelte durch den Raum, um sich auf die Pritsche zu setzen, welche aus massivem Stein bestand und aus der Wand ragte und worauf eine graue raue Decke ausgebreitet war, wie er es aus den Knastfilmen der siebziger Jahre kannte. Sie roch nach Zigarettenqualm, der in Justin eine Übelkeit auslöste.
Auch in der Firma, in der er arbeitete, konnte er sich nie in den Räumen aufhalten, in denen geraucht wurde. Zu schnell wurde ihm in diesen nikotinverseuchten Zimmern, die er liebevoll "Todeszellen" nannte, speiübel.
Er sah zu der Glühbirne hinauf, die genau unter der Decke angebracht war und die den Raum mit Helligkeit flutete. Langsam sah Justin wieder klar und deutlich und er fühlte, wie ein weiteres Mal Panik in ihm aufstieg.
Tote Ratten lagen in einer Ecke des Raumes, welche von lebenden Artgenossen angenagt wurden. Im sekundentakt gaben sie piepsende Laute von sich, welche Justin eiskalte Schauer über den Rücken laufen ließen.
Die Wände waren kahl und brüchig, aber nicht so brüchig, dass man sie eintreten oder mit der Wucht des Körpers hätte zerstören können. Ein paar Risse und Kerben zierten sie. Und wie er vermutete, waren Lautsprecher an jeder Wand angebracht.
In der Mitte des Raumes stand der Stuhl, den Justin in der Dunkelheit ertasten konnte. Unter ihm war eine Art Abfluss, welcher von einer roten getrockneten Substanz umgeben war. Er sah bereits seinen leblosen Körper kauernd zusammengerollt in einer der vier Ecken liegen, während ein Dutzend kleiner Ratten sich an seinen Augen und seinen Zehen zu schaffen machten. Wie sie sich erst mit ihren kleinen Nagezähnen durch die Hautschichten bohrten, um anschließend das vielleicht noch warme Fleisch zu verschlingen und kleine Stückchen aus ihm herausrissen, bis nur noch sein fauliger, zerfressener Kadaver übrigblieb.
Diese Vorstellung ließ Justin erschaudern und am ganzen Körper zittern. Noch nie in seinem jungen Leben hatte er sich vor Ratten gefürchtet, doch in diesem engen klaustrophobischen Verlies wirkten sie auf ihn wie gierige und blutrünstige Monster.
"Was ist das für ein Raum?" fragte er sich, doch wollte er es eigentlich in Wirklichkeit gar nicht wissen, da er das Schlimmste befürchtete.
Er erkannte, dass zahlreiche kleine Fotos an der gegenüberliegenden Wand angebracht waren, welche er aus der Entfernung jedoch nicht genau erkennen konnte. So rappelte er sich auf und versuchte auf seinen zitterigen Beinen ausreichend Halt zu finden. Er ging auf die Wand mit den Bildern zu und erschrak, als er sie genau betrachten konnte.
Die ersten vier Bilder zeigten seine Frau Janice, die zu schlafen schien. Das erste Foto zeigte lediglich ihr Gesicht und ein Messer, welches an ihr rechtes Auge gehalten wurde, bereit, es ihr auszustechen. Unter dem Bild stand das Wort "Augenschmaus" geschrieben.
Das zweite Bild zeigte ihr aufgeknöpftes Pyjamaoberteil, woraufhin ihre Brüste zum Vorschein kamen. Unter diesem Bild stand das Wort "Begierde".
Justin fiel das Atmen immer schwerer, je länger er die Bilder betrachtete.
Das dritte Bild zeigte ihr Geschlecht, worauf auch ein Messer gerichtet war. Unter diesem Foto stand das Wort "Obsession" geschrieben.
Das vierte Bild zeigte seine Frau vollständig nackt auf dem Bett liegend. Sie lag auf dem Rücken, die Arme weit von sich gestreckt, die Beine zusammenhaltend und der Kopf leicht nach links geneigt. Es erinnerte Justin an Jesus, dem sein Leben am hölzernen Kreuz ausgehaucht wurde. Unter dem Bild prangte das Wort "Erlösung" in großen roten Lettern.
Das fünfte und letzte Bild zeigte das schlafende unschuldige Gesicht seiner Tochter Natalija. Auch an ihrem Hals war ebenfalls eine blitzende Klinge zu erkennen. Unter diesem letzten Foto stand "Vergeltung" geschrieben.
"Großer Gott", dachte sich Justin, der beim Betrachten dieser schockierenden Bilder einen Schritt zurücktrat.
Plötzlich schallte es wieder aus den Lautsprechern: "Ah, sie haben sie gesehen. Und, gefällt ihnen meine kleine Fotostrecke, Mr. Lincoln? Ich finde, ich habe mich selbst übertroffen. Und ihre Frau, sie schmeckt so süß und fühlt sich so gut an. Ihre Haut ist so zart und die Lippen so weich. Ihre Tochter ist ebenfalls ein wahres Goldstück. Ich bin gespannt, wie ihr junges Blut schmeckt, wenn ich ihr die Kehle durchgeschnitten habe."