The Killing of a Sacred Deer :8.5:
Gerade beendet.
Dieser Film wird das Forum hier mal wieder spalten. Mich hatte er gleich in der Eröffnungs-Szene erwischt. Ganz wichtig für den Film sind die durchweg tollen schauspielerischen Leistungen. Allen voran die des Martin. Hier wird auch gar nicht erst versucht dem Zuschauer die Hintergründe des Ganzen zu erklären. Und genau das macht für mich den Horror dieses Films aus. Es bleibt im Kopf. Kann es so was wirklich geben? Bei einem Horror-Film, in welchem ununterbrochen Erklärungen geliefert werden, stellt sich dieses Gefühl nicht ein. Würde ich den Film deswegen als Horrorfilm bezeichnen? Ich denke nicht. Ich mag diese kühle Atmosphäre. Die kargen, emotionslosen Wortwechsel. Und doch ist jedes Wort wohl überlegt. Zu überlegt. Die Figuren sind allesamt sehr gebildet. Versuchen sich auf normale Art und Weise zu unterhalten. Und doch schwirrt jeder einzelnen Figur etwas ganz bestimmtes im Kopf herum. Aber was? Die Frage stellte ich mir als Zuschauer permanent. Nach gut 60 Minuten dachte ich, dass die Situation, in welcher sich die Protagonisten befinden, für mich (auch) der absolute Horror wäre. Der Film wird die übrigen 60 Minuten DER Horror! Was machen? Was wird der Hauptdarsteller machen? Wie reagiert die Familie? Permanent war ich am grübeln. 120 Minuten musste ich eine subtile Spannung aushalten, welche auch Ihre zwei, drei Spitzen hatte. Genau so mag ich das! Und das Interpretieren mag ich sowieso. :)
Spoiler-Alarm:
Szene welche mir im Kopf bleibt:
Ich übernehme von Jason: "Martin offenbart Steven in der Cafeteria des Krankenhauses was nun für ihn folgen wird…"
Hier dachte ich mir nur: Du kleines A*********. Es war gleich klar, dass auch er selbst dahinter steckt! Wie, Wer und Was genau das Ganze aber verursacht, bleibt jedoch ungeklärt.
Und das ist einer der Punkte, die mir an dem Film so gut gefallen. Ich mag es nicht, dass in vielen Filmen immer alles zu Tode erklärt wird. So ist das doch im echten Leben auch nicht.
Die Situation ist einfach da. So wie sie ist. Deal with it. Und das ist der Horror, der sich auch irgendwo realistisch anfühlt.
Was es mit der "Metapher" auf sich hat
Martin hat zuerst Steven gebissen, was wohl relativ schmerzhaft war. Dann beißt er sich selbst noch viel mehr, auch in den Unterarm, und beißt sogar ein stück heraus und spuckt es auf den Boden.
Sollte das bedeuten: Wenn du jemand anderem Leid zufügst, dann musst du selbst mindestens das selbe Leid ertragen?
Ich wollte den Film dann weiter verfolgen und es blieb kaum Zeit zum nachdenken, da gleich im Anschluss die Szene gewechselt hatte.
Die Tochter
Warum ist Sie Martin gegenüber so offen? Warum versteht Sie sich so gut mit Ihm? Klar, er hat auch seine netten Seiten bzw. was besonderes an sich.
Aber hey, dann so mit der Familie umzuspringen? Aber okay, es wurde auch öfter erwähnt, dass Sie gerade zum ersten Mal Ihre Periode bekommt und Sie sich eben mitten in der Pubertät und Selbstfindung befindet.
Mir als Vater hätte es wohl einfach am meisten weh getan, wenn sich meine eigene Tochter auf die Seite von Martin stellt, welcher diese Grauenhafte Situation erst hervorruft.
Eine Handlung hat mich ein bisschen in die Realität zurück geschubst
Steven, der sich mit der Flinte in der Hand im Wohnzimmer mit verbundenen Augen dreht, um zufällig das Familienmitglied zu wählen, welches er erschießt.
Das wäre ja noch ok. Aber er schießt ja auch mit verbundenen Augen. Da ist es ja doch eher sehr wahrscheinlich, dass er auch einen nicht tödlichen Schuss landen könnte?!
Er hat das wohl gemacht, da er die Tat, wenn er hinsehen müsste, wohl nicht übers Herz bringen würde.
Und noch eins: Warum machen alle so ohne weiteres mit? Das ist wohl so im Einverständnis geschehen? Krass. Sachlich in jeder Situation. Ich weiß nicht.
Der Sohn, Bob, ist zu Jung um eine Meinung darüber zu haben. Die Tochter, Kim, wollte sich eh opfern. Also für Sie i. O. wenn sich das Rad dreht.
Die Mama selbst, Anna, hätte ja vorgeschlagen eins der Kinder zu opfern. Sie könnten ja ein weiteres haben. So Ihre Idee.
Man hat auch im laufe des Films gemerkt, dass Sie den Kindern gegenüber schnell ungeduldig wird und zu Gewalt neigt.
Da war dann aber der Papa wohl nicht ganz einverstanden. Somit wurde wohl noch weiter darüber geredet. Und man ist beim Drehspiel gelandet.
Sehr komplex. Was hätte man selbst getan? Ich glaube viele finden den Film alleine Aufgrund dieser Situation "scheisse", kann ich mir vorstellen.
Aber nur weil einem eine Situation nicht passt, kann man nicht davor weglaufen und man muss ich, wie so oft im Leben, damit befassen und eine Lösung suchen. Hier eben: Der Horror.
Das Ende kann ich dann auch nicht erklären
Zufall, dass Sie sich noch mal in dem Laden treffen/sehen? Wohl eher nicht?!
(Ich hätte den Laden ab dann gemieden. Ich wäre wahrscheinlich komplett weggezogen. Aber irgendwie auch krank darüber nachzudenken, was man selbst gemacht hätte, wenn man bedenkt, was sich in den Szenen zuvor abgespielt hat.)
Oder hat die Familie nur darauf gewartet, dass Martin vorbeikommen wird? Wenn ja, warum?
Oder wurde es Ihnen von Martin befohlen? Auf alle Fälle kann nicht viel Zeit vergangen sein, da Martins Gesicht noch immer von Blauen/Gelben Flecken überdeckt ist.
Der Film ist sehr tiefgründig. Und jede einzelne Figur hat extremen, charakterlichen Tiefgang.
Ich muss den jetzt auch erstmal sitzen lassen. Vielleicht sogar ein zweites Mal ansehen. Das war jetzt gerade Brainstorming.
Bei solchen Filmen muss man einfach weiter ausholen und genauer drauf eingehen. Das ist ja das schöne. Bei vielen Filmen geht das ja gar nicht.
Noch eins. Fand ich, naja, strange
Steven will Bob dazu bringen, zuzugeben, dass er das alles nur vorspielt. Also, dass er nur so tut als könnte Er nicht laufen und könne nichts essen.
Das will er damit erreichen, dass jeder der Beiden dem anderen ein Geheimnis offenbaren soll. Stevens Geheimnis fand ich absolut strange und peinlich unangenehm.
Und die Reaktion von Bob ist wieder kühl und einfach sachlich. Er hätte keins. Er spielt nicht nur. Er kann nicht gehen und nicht essen.
Gesamtbild
Einer wohlhabenden, makellosen Familie, die sich sicher fühlt, und der niemand, jemals etwas anhaben könnte, wird durch etwas göttliches / übermenschliches das Ruder aus der Hand gerissen. Was nützt da noch das schöne Haus und die ganze Kohle.
ABer nicht ganz. Da wäre ja noch die Frage der "Schuld". Die Ärzte schieben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe, wenn es zum Todesfall kommt. Angeblich war Steven ja leicht alkoholisiert, als er den Vater von Martin operiert hatte.
Ist deswegen der Vater verstorben? Die Wahrscheinlichkeit sinkt durch alk-einfluss sicher nicht. Steven ist ungestraft davongekommen. So lange, bis er sich dagegen entscheidet, dann auch den Platz des Vaters einzunehmen.
Dann werden Ihm von Martin die Folgen seines Handelns offenbart. Da Fragt man sich nur, woher weiß der Junge, dass es die Schuld von Martin war. Hat er das aus den Gesprächen über das halbe Jahr verteilt herausgefunden? Oder ist das auch wieder dem übermenschlichen / göttlichen geschuldet?
Welche Bedeutung das für mich aber genau hat, das bin ich gerade noch am Rausfinden. Das Ding wirkt extrem nach. Und ich freue mich auf weitere Meinungen.
Ich nehme den Film aber auch jetzt schon, ohne Antworten auf meine Fragen bekommen zu haben, hin wie er ist, und finde Ihn weiterhin "sehr gut".
@ Marc
Ich vermute und orakele mal, dass Du dann auch weniger mit dem hier anfangen könntest :D
@ Freddy
Alsoooooo ich lege das mal so aus.
- Als Steven Bob dazu bringen will wieder zu gehen oder zu essen ist das ein verzweifelter Versuch, denn er als rational denkender Arzt kommt null darauf klar, dass es wissenschaftlich keine Erklärung seitens seiner Kollegen gibt - verdeutlich sich auch nochmal als er seine Frau abkanzelt, da er ihre Meinung als Augenärztin erst Recht nicht akzeptieren kann. Das Geheimnis das er seinem Sohn verrät ist fragwürdig und widerlich, aber nur als letzter Strohhalm zu verstehen den er nutzen will, falls Bob doch nur spielt und Martin ihn dazu gebracht hat das zu tun.
- Das Drehspiel fand ich etwas daneben. Es verdeutlich zwar ganz klar die Ausweglosigkeit wen Steven wählen soll. Das kann er nicht, aber auch die Familie sieht ein, dass einer sterben MUSS damit die anderen überleben - also willigen sie ein. Die Anbiederung der Tochter "nimm mich, töte mich!" fand ich da sogar etwas stranger. Mich hat die Sack über den Kopf Nummer an Funny Games erinnert - allerdings ist es schon blödsinnig so blind durch die Gegend zu feuern - immerhin hätte das EWIG dauern können bis er überhaupt was trifft, oder wie Du sagst, er verletzt nur statt zu töten... SINNVOLL für den Film wars in der Form sicherlich nicht wirklich - hätte man anders lösen können, auch wenn ich nicht spontan weiß wie.
- Ich denke dass die Ärzte sich gegenseitig die Schuld zuschieben ist fragwürdig. Das Gelaber von Steven es wäre immer der Anästhesist schuld, nie der Chirurg ist logischerweise Blödsinn, er schiebt die Schuld nur von sich, er behauptet ja auch nur wenig getrunken zu haben, was für einen Alkoholiker ja ohnehin gelogen wäre - und sein Kollege sagte ja auch er habe mehr getrunken. Es müsste sonst ja auch seinen Kollegen treffen, nicht Steven und seine Familie.
- Das führt mich zur Frage um Martin selbst. Ist er wirklich "nur" der Sohn des Toten? Oder ist er in Wahrheit eine übergeordnete Figur in deren Form die Vergeltung kommt für Stevens Versagen, quasi derjenige der die Schuld nur einfordert, ohne wirklich selbst für die "Krankheit" der Kinder verantwortlich zu sein? Immerhin steht ja im Raum was Martin überhaupt getan hat, außer die Nachricht zu überbringen. Gesehen hat man nichts, man kann nur mutmaßen - das wäre für mich eine nachvollziehbare Erklärung, vor allem weil er von einer Metapher spricht - im Grunde teilt er Steven ja mit, dass es unausweichlich ist was folgt, Martin selbst kann es garnicht stoppen! Weißt was ich meine? Steven WILL nur, dass er es stoppen kann, daher auch die Eskalation im Keller die nichts bringt...
- Die Tochter deute ich auch nur als Pubertät. Sie fühlt sich sehr zu Martin hingezogen, auch trotz der Sache selbst, da spiegelt sie den typischen Widerstand gegen die Eltern wieder. Auch wenn Martin Schuld sein SOLLTE, sie hält zu ihm, da sie weiß es geht nicht gegen sie oder Bob, sondern gegen die Eltern.
- Das führt mich wieder zu der Frage des Warum... das bezieht sich wieder auf die griechische Sage um Iphigenie. Der Vater starb durch Stevens Hand, daher muss Steven ein Mitglied seiner Familie opfern um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Daher sieht man die Familie am Ende in eben jenem Diner sitzen, in das Martin wieder reinkommt. Im Grunde sieht man, dass das Gleichgewicht nun wieder hergestellt wurde. Martin geht seines Weges, die Familie akzeptiert ihr Schicksal, Bob ist tot. Es geht weiter wie bisher, nur trauern nun beide Seiten gleichsam, einsam vor sich hin.
- Die Frage die mir offen bleibt: Wieso die lange Zeit zwischen dem Tot Martins Vater und den Geschehnissen hier? Wieso die lange Zeit in der sich Steven und Martin immer mehr annäherten? Weil Martin erst in die Nähe von Stevens Familie kommen musste, würde ich mal orakeln. Wieso er aber dann auch Steven mit seiner Mutter verkuppeln will, gibt für mich noch keinen Sinn - vielleicht hat hier jemand eine Idee?
Ich bin ja bei allen Punkten voll bei dir, Jason. Unsere Meinung ist ja größtenteils deckungsgleich. Nur zu deinem letzten Punkt möchte ich also noch was sagen:
Wieso die lange Zeitspanne zwischen dem Tot von Martins Vater? Wieso Stephen mit der Witwe verkuppeln?
Im Gegensatz zu dir glaube ich, dass genau das der springende Punkt ist. Martin wollte einfach wieder eine Familie.
Dafür müsste Steven ja auch einen Teil seiner eigenen opfern. Seine Frau und evtl. auch die Kinder.
Erst, als Steven seine Mutter abstösst, als Sie beim Film-Gucken versucht sich an Steven ranzumachen, fängt alles an. Oder täusche ich mich?
Das will Steven nicht, also muss eben jemand geopfert werden. Martin hat also versucht, die bessere Lösung für alle Beteiligten umzusetzen.
Das ist gescheitert. Dann eben das/die Opfer. So kommt es mir vor im Nachhinein. Jetzt bin ich schon wieder total in Gedanken über den Film... Der steigt ja fast nochmal in der Wertung.
Für mich alles andere als ein One-Timer. Den will ich unbedingt nochmal sehen. Obwohl es mir vor Martin grausen wird. Der spielt das echt genial, verrückt, strange und einfach nur krank.
Edit: Da fällt mir noch eine total unangenehme Szene ein:
Spaghetti. Wie er Sie ist. Die Story, welche er dabei erzählt. "Er isst Sie genau wie sein Vater". Das macht aber jeder so.... Total crazy obwohl auch total nachvollziehbar. Das macht den Film aus.
Ja. Ich denke eben, dass
Martin versucht hat herauszufinden, ob Steven eigentlich ein guter Mensch ist, und so die Vaterrolle ggf. sogar übernehmen könnte.
Deswegen ist vielleicht das halbe Jahr vergangen. Er hat gesehen, dass Steven wirklich viel Zeit für Ihn selbst investiert. Prüfung bestanden. Netter Mann. Jeder macht Fehler. Zweite Chance.
Dann hat er entschieden die ganze Sache ernster werden zu lassen und brachte seine Mum ins Spiel, deren Leben er somit auch indirekt retten könnte. Steven lehnt ab.
Martin sieht nur noch eine Lösung. So muss eben jeder gleichermaßen Leid ertragen.
Sollte Steven auch das nicht übers Herz bringen, obwohl er (in Martins Sicht) Schuld an eben exakt der selben Katastrophe ist, dann muss er eben noch viel mehr leiden in Form des (langsamen) Todes seiner ganzen Familie.
Wobei sich Martin wohl auch hier noch gnädig sieht, denn: Steven hat die Wahl. Martin selbst konnte nicht mal selbst entscheiden.
Vielleicht geht das aber dann doch einen Schritt zu weit. Aber im Endeffekt habe ich persönlich das alles so aufgefasst.
Der Mythos besteht für mich schon noch. In folgendem:
Woher hat Martin seine Macht? Woher weiß er so genau wie mächtig er ist und zu was genau er fähig ist.
Warum ist er sich seiner Sache so sicher. Ist er gar nicht er selbst sondern auch Opfer einer höheren Macht? Oder besessen (vom Teufel?)?
Hätte er diese Fähigkeiten schon vorher gehabt, so wäre sein Vater mit Sicherheit ja nicht gestorben?
Er erlaubt der Tochter ja auch zwischendurch wieder zum Fenster zu laufen. Er kann also mit Funktionen des Körpers und des Geistes spielen.
Aber wer testet bzw. spielt hier mit wem? Ist er auch nur Opfer? Wie soll das mit Ihm weitergehen nach Film-Ende?
Hat er seinen Frieden? Hat derjenige, der dahinter steckt erreicht was er wollte? Oder war das einfach nur ein Test für die Menschheit. Folgen weitere?
Und so weiter....
Naja zu groß würde ich das jetzt nicht sehen, eher auf DIESE Situation bezogen. Woher er die Macht dazu hat, denn es ist ja augenscheinlich er, der sie wirklich hat (wie man an der Tochter sieht, die er kurz laufen lässt), spielt glaube ich keine so große Rolle. Da greift für mich das was ich oben schrieb - er ist im Grunde nur der Erfüller der Gerechtigkeit, wirklich spielen mit der Macht tut er ja nicht, bis auf die eine Szene. Er nutzt sie nicht um die Familie zu geißeln in dem Sinne wie man es in einem Horrorfilm auswalzen würde - es ist nur Mittel zum Zweck für den Ausgleich des toten Vaters.