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Themen - Janno

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Bücher & Stories / Story: Der dunkle Raum
« am: 15. Januar 2008, 23:35:18 »
TEIL 1

Es war dunkel, dass selbst die Hand vor Augen nicht sichtbar wäre. Zudem war kein Luftzug zu spüren. Nur die stickige Luft von alten Kellergewölben und pilzbefallenem Holz waberte durch den Raum.
"Wo bin ich hier?" fragte sich Justin, ein sechsundzwanzigjähriger Informatiker, leise, als er zu sich kam und die Augen öffnete. Er spürte etwas Weiches unter sich, was, wie er dachte, entweder ein Teppich oder eine Art Bett sein musste.
Er richtete sich auf und merkte, als er seine Beine nach rechts bewegte und sie ins Leere glitten, daß er auf einer Art Pritsche gelegen haben muss. Er saß nun aufrecht am Rand der angeblichen Pritsche und spürte einen festen Untergrund unter seinen nackten Füßen, der aus Stein zu bestehen schien, da er rau, uneben und kalt war.
Er wollte seine Arme bewegen und an sich heruntertasten, um zu sehen, ob alles an ihm in Ordnung war, doch hatte er keine Gelegenheit dazu, denn sie waren hinter seinem Rücken an den Handflächen zusammengeklebt. Er versuchte sie auseinanderzuziehen, doch der Kleber war so stark, dass er nur einen reißenden Schmerz verspürte, als ob ihm die Haut bei lebendigem Leibe abgezogen werden würde.
Langsam stieg Panik in ihm auf und er wusste, dass ihn jemand verschleppt haben muss, nachdem er gestern Abend neben seiner Frau Janice eingeschlafen ist.
"Hallo?! Ist da jemand?! Kann mich jemand hören?!" rief er aus vollem Hals ins Unbekannte. Doch das Einzige, was er hörte, war der einsame Hall seiner eigenen sorgengetränkten Stimme.
Justin erhob sich von seiner provisorischen Liege und erkundete den dunklen Raum. Er ging drei Schritte vorwärts und stieß mit etwas Hölzernem zusammen. Er tastete mit seinem Fuß an dem Objekt entlang und erkannte ziemlich schnell, dass es sich um einen Stuhl handelte.
Von da an ging er drei Schritte nach links und stieß auf die nasse kalte Mauer seines müffigen Gefängnisses. Er trat zweimal gegen die Wand in der Hoffnung, dass sich ein Stein lösen oder jemand das Klopfen hören würde. Doch beides war vergebens.
Er presste sich mit dem Rücken und den festgeklebten Händen etwas gegen die Wand und ging an selbiger entlang, als er an etwas Metallisches geriet. Er ließ seine Arme und Hände an dieser Veränderung in der Wand entlanggleiten und merkte schnell, dass es sich um eine Tür handelte, da er eine Art Knauf ertasten konnte.
Ein wenig Hoffnung keimte in ihm auf, als er sich in Gedanken durch diese Tür schreiten sah.
Er klemmte den Knauf zwischen seine Arme und versuchte mit all seinen gesammelten Kräften, ihn in Bewegung zu setzen. Er strengte sich so sehr an, bis sich kleine Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten, doch der Knauf bewegte sich nicht einen Millimeter.
Doch Aufgeben war keine Option.
Er begab sich auf die Knie und klemmte den Türknauf zwischen seinen Kopf und seine rechte Schulter, in der Hoffnung, dass er so zu bewegen war. Doch auch mit dieser Methode hatte Justin kein Erfolg und er ließ verzweifelt von dem Knauf ab.
Zu gerne hätte er seine zwei gesunden kräftigen Hände benutzt, doch diese befanden sich wie festgeschweißt hinter seinem Rücken.
Justin sank, erschöpft von der Anstrengung und der aufbrodelnden Verzweiflung, in sich zusammen und saß nun auf dem kalten Steinfußboden und schrie aus vollem Hals: "SCHEIßE!!! VERDAMMTE SCHEIßE!!!"
Plötzlich hörte er ein lautes Knacken und Rauschen, als ob jemand ein Radio anschalten würde, an dem kein Sender eingestellt war. Justin lauschte dem Rauschen aufmerksam, doch nach vier Minuten war nichts weiter zu hören, als dieses eine monotone Geräusch.
Als er gerade seinen Kopf auf die Knie legen wollte schallte ein weiteres Knacken durch den Raum und das Rauschen wurde durch eine verzerrte Stimme ersetzt: "Mr. Lincoln, es freut mich sie in meinem kleinen bescheidenen Heim begrüßen zu dürfen."
Eine Gänsehaut fuhr über Justins Körper und sein Unterkiefer, samt seiner Knie begannen ein wenig zu zittern.
"Wer ist da?" fragte Justin mit fordernder Stimme in die Dunkelheit. Eine Antwort folgte prompt: "Es spielt keine Rolle, wer ich bin, Mr. Lincoln. Das Einzige, was wirklich zählt ist, was ich ihnen zu sagen habe und was sie für mich tun können."
Justin kniff wutentbrannt die Augen zusammen und richtete sich an der Metalltür auf. "Ich habe keine Lust auf diese beschissenen Spielchen! Sagen sie schon, was sie wollen und dann lassen sie mich hier raus", sagte er selbstbewusst und mit solch Nachdruck, das er fast vor sich selbst erschrak.
So kannte er sich nicht, war er doch sonst immer ein friedliebender Mensch, der sich jeden noch so kleinen Ärger vom Hals gehalten hatte. Streitigkeiten oder laute Wutausbrüche kamen bei ihm so gut wie nie vor. Er hat immer versucht, alles auf einem diplomatischen Weg zu klären, ohne auch nur die Stimme zu erheben.
Selbst seine Frau Janice hat er niemals angeschrien oder beschimpft. Auch seine vierjährige Tochter Natalija kannte ihren Vater nur als liebevollen und gutherzigen Mann, der nie seine Stimme erhob oder ungerecht gehandelt hatte.
Doch von diesem durchweg positiven Menschen war in diesem Moment nichts mehr übrig. Es kochte der Zorn in ihm. Ein Gefühl, welches ihm selber völlig unbekannt war. Am liebsten hätte er mit der Faust gegen eine der feuchten Wände geschlagen, doch der Kleber an den Händen hinderte ihn abermals daran.
Er zerrte an ihnen so fest er konnte, wandte sich hin und her, doch musste er mit schmerzverzerrtem Gesicht und Tränen in den Augen feststellen, dass jede Mühe umsonst war.
Ein hämisches metallisches Lachen füllte den Raum, welches Justin an Roboter aus den alten Science Fiction-Filmen erinnerte, die er in seiner Kindheit gerne geguckt hat: "Mr. Lincoln...Justin, geben sie's auf. Versuchen sie's erst gar nicht, sich zu befreien. Sie werden es nie schaffen, es sei denn, man würde ihnen die Hände abtrennen. Sicher sehnen sie sich bereits nach Licht und Freiheit. Eines kann ich ihnen bereits jetzt gewähren."
Kaum war der Satz zu Ende gesprochen, füllte sich der Raum mit gleißendem Licht, welches Justin in den Augen schmerzte, sodass er sie schnellstmöglich schloss. Für einen kurzen Moment dachte er, er sei erblindet, als er seine Augen, die wie Feuer brannten, wieder öffnete und er nur das Rauschen der Lautsprecher wahrnahm. Doch langsam gewöhnten sie sich an das Licht, welches wie ein Blitz plötzlich den Raum erhellte.
Er konnte verschwommene Konturen des Stuhls erkennen den er bereits ertastet hatte. Zudem erkannte er noch die Pritsche, auf der er lag, als er aus der Bewusstlosigkeit erwachte. Doch das meiste war noch immer sehr verschwommen, als ob Justin zu ein paar Gläser Scotch zuviel getrunken hätte.
Er torkelte durch den Raum, um sich auf die Pritsche zu setzen, welche aus massivem Stein bestand und aus der Wand ragte und worauf eine graue raue Decke ausgebreitet war, wie er es aus den Knastfilmen der siebziger Jahre kannte. Sie roch nach Zigarettenqualm, der in Justin eine Übelkeit auslöste.
Auch in der Firma, in der er arbeitete, konnte er sich nie in den Räumen aufhalten, in denen geraucht wurde. Zu schnell wurde ihm in diesen nikotinverseuchten Zimmern, die er liebevoll "Todeszellen" nannte, speiübel.
Er sah zu der Glühbirne hinauf, die genau unter der Decke angebracht war und die den Raum mit Helligkeit flutete. Langsam sah Justin wieder klar und deutlich und er fühlte, wie ein weiteres Mal Panik in ihm aufstieg.
Tote Ratten lagen in einer Ecke des Raumes, welche von lebenden Artgenossen angenagt wurden. Im sekundentakt gaben sie piepsende Laute von sich, welche Justin eiskalte Schauer über den Rücken laufen ließen.
Die Wände waren kahl und brüchig, aber nicht so brüchig, dass man sie eintreten oder mit der Wucht des Körpers hätte zerstören können. Ein paar Risse und Kerben zierten sie. Und wie er vermutete, waren Lautsprecher an jeder Wand angebracht.
In der Mitte des Raumes stand der Stuhl, den Justin in der Dunkelheit ertasten konnte. Unter ihm war eine Art Abfluss, welcher von einer roten getrockneten Substanz umgeben war. Er sah bereits seinen leblosen Körper kauernd zusammengerollt in einer der vier Ecken liegen, während ein Dutzend kleiner Ratten sich an seinen Augen und seinen Zehen zu schaffen machten. Wie sie sich erst mit ihren kleinen Nagezähnen durch die Hautschichten bohrten, um anschließend das vielleicht noch warme Fleisch zu verschlingen und kleine Stückchen aus ihm herausrissen, bis nur noch sein fauliger, zerfressener Kadaver übrigblieb.
Diese Vorstellung ließ Justin erschaudern und am ganzen Körper zittern. Noch nie in seinem jungen Leben hatte er sich vor Ratten gefürchtet, doch in diesem engen klaustrophobischen Verlies wirkten sie auf ihn wie gierige und blutrünstige Monster.
"Was ist das für ein Raum?" fragte er sich, doch wollte er es eigentlich in Wirklichkeit gar nicht wissen, da er das Schlimmste befürchtete.
Er erkannte, dass zahlreiche kleine Fotos an der gegenüberliegenden Wand angebracht waren, welche er aus der Entfernung jedoch nicht genau erkennen konnte. So rappelte er sich auf und versuchte auf seinen zitterigen Beinen ausreichend Halt zu finden. Er ging auf die Wand mit den Bildern zu und erschrak, als er sie genau betrachten konnte.
Die ersten vier Bilder zeigten seine Frau Janice, die zu schlafen schien. Das erste Foto zeigte lediglich ihr Gesicht und ein Messer, welches an ihr rechtes Auge gehalten wurde, bereit, es ihr auszustechen. Unter dem Bild stand das Wort "Augenschmaus" geschrieben.
Das zweite Bild zeigte ihr aufgeknöpftes Pyjamaoberteil, woraufhin ihre Brüste zum Vorschein kamen. Unter diesem Bild stand das Wort "Begierde".
Justin fiel das Atmen immer schwerer, je länger er die Bilder betrachtete.
Das dritte Bild zeigte ihr Geschlecht, worauf auch ein Messer gerichtet war. Unter diesem Foto stand das Wort "Obsession" geschrieben.
Das vierte Bild zeigte seine Frau vollständig nackt auf dem Bett liegend. Sie lag auf dem Rücken, die Arme weit von sich gestreckt, die Beine zusammenhaltend und der Kopf leicht nach links geneigt. Es erinnerte Justin an Jesus, dem sein Leben am hölzernen Kreuz ausgehaucht wurde. Unter dem Bild prangte das Wort "Erlösung" in großen roten Lettern.
Das fünfte und letzte Bild zeigte das schlafende unschuldige Gesicht seiner Tochter Natalija. Auch an ihrem Hals war ebenfalls eine blitzende Klinge zu erkennen. Unter diesem letzten Foto stand "Vergeltung" geschrieben.
"Großer Gott", dachte sich Justin, der beim Betrachten dieser schockierenden Bilder einen Schritt zurücktrat.
Plötzlich schallte es wieder aus den Lautsprechern: "Ah, sie haben sie gesehen. Und, gefällt ihnen meine kleine Fotostrecke, Mr. Lincoln? Ich finde, ich habe mich selbst übertroffen. Und ihre Frau, sie schmeckt so süß und fühlt sich so gut an. Ihre Haut ist so zart und die Lippen so weich. Ihre Tochter ist ebenfalls ein wahres Goldstück. Ich bin gespannt, wie ihr junges Blut schmeckt, wenn ich ihr die Kehle durchgeschnitten habe."

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Bücher & Stories / Story: Ein letzter Blick
« am: 09. Januar 2008, 22:12:46 »
Hier also mal mein Erstling (und meine Lieblingsgeschichte  :) )

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Wie ein verliebter Teenager schaute ich in den klaren Sternenhimmel. Ich meinte sogar, eine Sternenschnuppe gesehen zu haben. Solche, die ich zuletzt vor zwölf Jahren gesehen habe, als ich mit meiner damals fünfjährigen Tochter Clara einen Spaziergang am Fluss machte.
Ich wünschte mir damals, dass meine Tochter bis in alle Ewigkeit gesund und munter bleiben wird. Clara wollte mir ihren Wunsch nicht verraten. Sie sagte, daß er sonst nicht in Erfüllung gehe. Doch dieses Mal hatte ich mir etwas anderes gewünscht, als ich meine Augen für einen kurzen Augenblick zukniff.
"Solche Wünsche gehen doch eh nie in Erfüllung" hätte mich Sabrina getadelt, denn sie glaubte nicht an solch abergläubischen Geschichten. Doch werd ich sie nie wiedersehen, da sie bei der Geburt von Clara ihr Leben lassen musste.
Sie fehlt mir. Sie fehlt mir so sehr, daß ich mich an keinen Tag erinnern könnte, an dem ich mich nicht in den Schlaf geweint habe. Dennoch hatte ich manchmal das Gefühl, als ob sie noch neben mir einschlafen würde, Tag für Tag, Nacht für Nacht. Und ich wusste, wenn ich in den Himmel starrte, schaute sie herunter und wachte über mich.
Nur heute fühlte ich sie nicht. Fühlte nicht ihren wachsamen Blick. Was ich fühlte war Trauer und Verzweiflung. Gefühle, die ich dank Clara etwas verdrängen konnte.
Doch nun kroch auch die Einsamkeit in mein Leben, denn Clara ist fort. Sie ist Sabrina gefolgt. Ich habe ihr oft von ihrer Mutter erzählt. Oft habe ich von der Person geschwärmt, die sie nie kennenlernen durfte.
Fast täglich fragte sie mich, wie die Frau war, die ihr das Leben schenkte. Jedesmal stieg der Verlust in mir hoch, als ich wieder und wieder begann, von ihr zu erzählen. Ich versuchte, die Tränen zurückzuhalten, was mir meistens auch gelang, aber dennoch war stets tiefe Trauer in meiner Stimme und in mein Gesicht geschrieben.
Ich erzählte ihr von der Zeit, als wir uns kennenlernten und wie ich bei einem sommerlichen Picknick um ihre Hand angehalten habe, als wir noch Teenager waren.
Ich konnte mich noch genau an ihr Gesicht erinnern, wie überrascht es aussah. Sie strahlte über ihr ganzes Gesicht und selbst die kleinen Sommersprossen auf ihrer Nase schienen zu tanzen. In ihren rehbraunen Augen funkelte pures Glück, während ihr langes schwarzes Haar in der Julisonne glänzte.
Ich erzählte Clara von den Pfannkuchen, die Sabrina jeden morgen für mich machte, bevor ich zur Arbeit ging und sie sich nie beschwerte, obwohl sie dafür schon um 5 Uhr morgens aufstehen musste. Ich habe noch heute diesen süßlichen Geruch von Ahornsirup in der Nase, welchen ich immer dazu aß.
Und ich erzählte ihr von den letzten Worten ihrer Mutter, die mir immernoch, egal wie sehr ich mich dagegen wehrte, erneut die Tränen in die Augen trieben.
"Kümmere dich um unser Baby. Sorg gut für sie. Ich liebe dich für immer...für immer und bis in alle Ewigkeit", sagte sie mir mit schwacher Stimme im Kreissaal, bevor sie für immer ihre Augen schloss. Ich hielt ihre Hand und versprach ihr bei meinem Leben, daß ich mich um Clara kümmern würde, so wie es die Pflicht eines Vaters ist.
Ich bin jedoch kein guter Vater, denn ich habe diese Pflicht verletzt und ein Versprechen gebrochen. Die goldene Regel, für das eigene Kind da zu sein, habe ich gebrochen.
Ich habe meine einzige Tochter auf eine dieser Technoparties gehen lassen. Und ich wunderte mich, daß sie diesen Abend nicht nach Hause kam. Die Polizei sagte, es sind Spermaspuren und Schürfwunden an ihr gefunden worden.
Zudem wurden ihr beide Arme gebrochen. Es konnten drei Männer festgenommen werden, mit denen Clara zum letzten Mal gesehen worden war.
Ich sah diese Männer auf dem Polizeirevier und wusste, daß sie meine siebzehnjährige Tochter vergewaltigt und umgebracht hatten. Ich sah es genau vor mir, wie sie sie von der Party in den nahegelegenen Wald führten und auf sie einschlugen, bis sie zu Boden ging. Wie sie ihr die Kleider vom Leib rissen, als wäre sie ein Gegenstand, den es zu benutzen galt.
Als sie sich zu wehren versuchte, brachen sie ihr die Arme, um sie ungehindert schänden und erniedrigen zu können. Ich sah alles genau vor mir. Ich sah auch die Angst der Männer, als sie ihre abscheuliche Tat vollendeten. Die Angst, ihr Opfer könnte alles der Polizei erzählen.
Sie stachen mit einem Messer siebenundzwanzig Mal auf Clara ein, bis ihr Atem langsam aussetzte und das Herz zu schlagen aufhörte. Ebenso konnte ich meine hilflose Tochter sehen, wie sie um Gnade bettelte und ihren Peinigern hilflos ausgeliefert war. Ihr tränenverschmiertes Gesicht, welches vor Schmerz grausam verzerrt war, brannte sich in meine Gedanken.
Als ich sie das letzte Mal in der Leichenhalle sah, um sie zu identifizieren, starb alles in mir.
Ich habe nicht auf sie geachtet, habe sie in den Tod geschickt. Sie musste sterben und es war meine Schuld. Ich habe Sabrina enttäuscht und unsere Tochter verloren. Ich habe sie in die Arme brutaler Triebtäter getrieben.
Nun habe ich nichts mehr. Nur die Erinnerung bleibt mir erhalten, doch schmerzt sie von Tag zu Tag mehr. Sie schmerzt so sehr, dass ich es nicht ertragen kann und schreien möchte.
Ich blickte in den Himmel und wartete auf die Stimmen meiner geliebten Familie, doch sie blieben aus. Das Gesicht gen Himmel gestreckt verlor ich den festen Boden unter meinen Füßen. Ich spürte den frischen Herbstwind auf meiner Haut, während die großen Fenster der einzelnen Stockwerke an mir vorüberzischten. Ich spürte keine Furcht, sondern fühlte mich frei. Tatsächlich hatte ich in diesem Moment den Song "Free as a bird" von den Beatles im Kopf, als irgendwelche Angst zu verspüren. Ich sah Menschen panisch in alle Richtungen laufen, die zu mir auf blickten.
Ich schloss die Augen und erwartete das Unvermeidliche. Den Lärm, den ich unter mir erst nicht wahrnahm, wurde von Sekunde zu Sekunde lauter. Die Luft wurde mir während des Fallens vollständig entrissen, so das ich nicht mehr atmen konnte.
Ein leichtes Lächeln erschien auf meinem Gesicht, während ich dem Anfang vom Ende immer näher kam. Ich breitete meine Arme aus, als könne ich wie ein Falke durch die Lüfte gleiten.
Kurz darauf wurde es dunkel um mich herum, als sei die Welt verschluckt worden. Ich hörte keinen Ton mehr, kein einziges Hupen der Autos auf der Straße, kein Geplapper der Leute, die an diesem Abend durch die Straßen wandelten. Es war totenstill. Der Versuch, meine Augen weit zu öffnen schlug fehl, denn meine Lider waren schwer wie Blei.
Doch plötzlich drang durch die Dunkelheit etwas Licht, was sich langsam ausbreitete. Nun erkannte ich vage Umrisse von Menschen, die auf mich zukamen. Eine Person kam bis auf schätzungsweise vierzig Zentimeter an mich heran und streckte mir das Gesicht entgegen, welches ich immernoch nicht erkennen konnte.
"Dad, endlich bist du bei uns. Ich habe es mir so sehr gewünscht, dich wieder in den Arm zu nehmen", schallte eine Stimme durch die ansonsten beängstigende Stille. Ich erkannte diese Stimme. Es war Clara, die vor 1,5 Monaten auf qualvolle Art und Weise ihr Leben verlor.
Dann kam die andere Person auf mich zu, legte ihre Hand auf meine rechte Schulter und flüsterte mir ins Ohr: "Du hast nichts falsch gemacht. Du warst ein guter Vater." Es war die Stimme meiner geliebten Frau, dessen Klang ich schon fast vergessen hatte. Endlich war mein Leid verflogen, denn ich konnte wieder die Nähe meiner Familie spüren.

In den Nachrichten vom 21.12.2006 hieß es, daß ein 46jähriger Mann vom Hilton-Hotel in den Tod sprang und auf der Stelle starb.
Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Gestorben bin ich bereits am 06.11.2006, an dem Tag, als meine Tochter nicht mehr nach Hause zurückkehrte. Dieser Sprung war für mich eine Fahrkarte in die Freiheit.
Nun beginnt ein neuer Abschnitt für mich und niemand wird mir das mehr nehmen können, was das Wichtigste für mich ist: meine Familie.

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Ich überlege mir dieses Bucht zu kaufen, bin mir aber nicht so sicher, da es für ein recht dünnes Buch ja recht teuer ist (20€ für 272 Seiten).

Hier man die Beschreibung:



Zitat
Eine junge Familie erfüllt sich einen Lebenstraum und zieht in eine wunderschöne alte Villa aufs Land. Doch schon bei der Renovierung bemerkt Kristin, die junge Mutter, dass mit dem vermeintlichen Traumhaus etwas nicht stimmt. Trotz des beträchtlichen Alters des Gebäudes scheint niemand etwas über die Geschichte des Hauses zu wissen. Als Mike, der Vater der kleinen Familie, von einem Bankräuber erschossen wird, bricht für Kristin eine Welt zusammen. Ihre Mutter Ilse zieht mit in das Haus am Waldesrand, in dem es zu spuken scheint. Kristin wird von Träumen geplagt, die vom grausamen Schicksal eines Scherenschleifers handeln. Als auch Ilse fast zu Tode kommt, brechen die Bewohner des Dorfes ihr Schweigen...
Hat es vielleicht schon jemand gelesen?

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Bücher & Stories / Story: Der Weg ins Unendliche
« am: 08. Januar 2008, 21:50:25 »
Eine lange Straße erstreckte sich vor meinen Füßen. Der Asphalt fühlte sich weder kalt noch warm an. Selbst die Luft schien weder Kälte noch Wärme zu besitzen. Am Straßenrand war nicht ein Grashalm, geschweige denn ein kleiner Baum zu sehen. Nur eine endlose Sandlandschaft, die durch diese eine Straße gespalten wurde. Es erinnerte mich ein bisschen an eine Wüste, in der man bei jedem Schritt auf einen Tropfen Wasser hoffte. Doch hier verspürte ich weder Erschöpfung, noch Hunger oder Durst. Ich schaute in den wolkenlosen Himmel. Keine Sonne die mich blendete, kein Mond, der wie ein wachendes Auge auf mich herunter blickte. Ich lauschte in die einsame Stille, doch alles, was ich vernahm, waren die Stimmen, die in meinem Kopf umherschwirrten. Sie sagten mir, ich solle weiter die Straße heruntergehen. Sie sagten, ich würde bald an mein Ziel kommen.
Also setzte ich mich in Bewegung und tat langsam und vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Ich spürte jedoch keinen Widerstand des Bodens, sondern es fühlte sich an, als würde ich diesen gar nicht berühren - als würde ich schweben. Ich strauchelte und dachte, ich fürde auf den rissigen Asphalt stürzen, doch ich konnte mich fangen.
Erschrocken blieb ich einen kurzen Augenblick stehen und verharrte auf der Stelle. Ich blickte über meine Schulter. Auch hinter mir teilte diese endlos scheinende Straße die Wüste in zwei Teile.
"Wo bin ich hier? Wie komme ich hierher?" fragte ich leise. Jedoch wurde mir schnell bewusst, dass ich auf diese Fragen keine Antworten erhalten würde. Plötzlich spürte ich einen stechenden Schmerz in meiner Brust, welcher mich zu Boden riss. Es war das Gefühl einer gleißenden Klinge, ein Fleischermesser, welches sich ruckartig in meinen Brustkorb bohrte.
Der Schmerz war nahezu unerträglich. Ich schrie und rechnete damit, dass meine Stimme ein Echo durch die Luft wirbeln würde. Doch es blieb still. So schnell und plötzlich dieser Schmerz auch kam, so schnell verflog er wieder. Es war, als ob er gar nicht da gewesen wäre, als sei er nur ein Produkt meiner Fantasie. Ich rappelte mich wieder auf und ging weiter Richtung Nirgendwo.
Ich sah, wie Sand über die Straße wehte, doch konnte ich nicht einen einzigen Windhauch spüren. Es schien, als würde die Welt stillstehen. Zeit würde keine Rolle mehr spielen. Doch es kam mir vor wie mehrere Stunden, bevor ich endlich etwas sah, womit ich nicht mehr rechnete. Trotz meines zügigen Tempos schien es, als würde ich auf der Stelle treten. Jeder Meter sah aus wie der andere. Doch plötzlich hatte eine besondere Sache meine volle Aufmerksamkeit. Ein Straßenschild prangte auf der rechten Seite des Weges.
Ich trat näher an das Schild heran. Es stand schief, als wäre es von einem Auto angefahren worden. Auf einem langen, leicht brüchigem Pfahl aus Holz steckte ein ovalförmiges Stück Metall. Bedeckt wurde es von etwas abgeblätterter weißer Farbe. In der Mitte stand in großen schwarzen Lettern das Wort "FREIHEIT" geschrieben. Ich wusste nicht, was es bedeuten sollte, also schenkte ich dem Schild keine weitere Beachtung und ging weiter. Nach ein paar Schritten, blickte ich ein weiteres Mal über meine Schulter, doch das Schild war verschwunden.
Gab es dieses Schild nur in meiner Einbildung? War es ein Erzeugnis meiner Fantasie?
All das waren Fragen, die mir niemand beantworten konnte. Und so blieb ich über all das im Unklaren.
Nun fühlte ich etwas, was schlimmer war, als der Schmerz, den ich in meiner Brust spürte. Ich verspürte Angst - pure Angst.
Plötzlich zuckte ein Blitz über den Himmel, gefolgt von einem gewaltigen Donnergrollen. Jedoch erschrak ich nicht, sondern schaute einfach in den Himmel, der noch immer strahlend blau war und nicht, wie ich angenommen hatte, mit Gewitterwolken überzogen. Unbeeindruckt wanderte ich weiter den Weg herunter. Ich war nicht erschöpft, doch war ich ängstlich vor dem, was vielleicht noch passieren könnte.
"VERLIEREN", sagte eine hektisch wirkende Stimme in meinem Kopf. Ich kniff die Augen zusammen und hielt mir mit den Händen die Ohren zu, blieb jedoch nicht stehen. "VERLIEREN" sagte sie ein weiteres Mal. Doch sollte es nicht alles gewesen sein, was ich zu hören bekam. "DADDY" dröhnte eine Kinderstimme in meinen Ohren. Ich öffnete meine Augen, doch ich sah noch immer nicht mehr, als die Unendlichkeit der Wüstenstraße.
Ich war zwar nicht erschöpft, dennoch setzte ich mich mitten auf die Straße und schloss die Augen, um einen klaren Gedanken fassen zu können, doch es wollte mir einfach nicht gelingen. Ein Gewirr von Stimmen schwirrten mir durch den Kopf. "SCHAFFEN", "SINKT" und "ZURÜCKHOLEN" waren nur einige Wörter von denen, die ich verstehen konnte. Mir wurde fast schwindelig. Wie aus heiterem Himmel verstummten diese Stimmen, die mich um den Verstand bringen sollten, abrupt. Ich öffnete langsam die Augen und sah in der Ferne Rauch aufsteigen.
Ich erhob mich und ging dem entgegen, was mich in dieser Landschaft wie magisch anzog. Ich hatte das Gefühl, als seien Stunden vergangen, als ich die Quelle des Rauches erreichte. Er stieg aus einem Schornstein auf, der auf einem alten Haus angebracht war. Ich kannte dieses Haus. Ich erkannte es an der Birke rechts neben dem Küchenfenster und an den Tulpen neben dem Haupteingang. Meilenweit war kein Grashalm oder sonst irgendwelche Pflanzen zu erkennen, doch hier wuchsen sie in Hülle und Fülle.
Das Haus, das wie aus einem Bilderbuch wirkte, war mein Elternhaus. Es war das Haus, in dem ich aufgewachsen bin und es stand mitten in der Leere der Wüste. In dieser trostlosen Landschaft wirkte es verloren und ein wenig befremdlich, war es doch sonst von Nachbarhäusern umgeben.
Aus dem Augenwinkel meinte ich erkannt zu haben, wie meine Mutter in einem der Fenster erschien. Ich schaute etwas genauer und angestrengt und tatsächlich war sie es. Sie hatte ihre langen braunen Haare zu einem Dutt geformt, wie sie es früher immer getan hatte, als sie uns in der Küche das Essen machte. Sie winkte mir zu und hatte dieses unverwechselbare Lächeln in ihrem Gesicht. "Mum?" fragte ich leise. Sie antwortete nicht, sondern winkte mir noch immer zu. Ich ging etwas näher an das Fenster neben der Haustür, hinter dem sie stand. Nun brach sie ihr Schweigen: "Komm herein, mein Sohn. Ich warte nun schon so lange auf dich. Ich habe dir Muffins mit Zitronenglasur gebacken. Alles ist so, wie du es magst."
Ich blickte ihr in die Augen, die trotz ihres Lächelns traurig aussahen. "Mommy, du bist...", sagte ich und brach plötzlich den Satz ab. Was ging hier nur vor? Es konnte nicht meine Mutter sein, denn diese ist bereits seit vielen Jahren an Krebs gestorben. Ich fuhr sie an: "Du bist nicht meine Mutter! Meine Mutter ist TOT!"
Kaum hatte ich den Satz beendet verformte sich ihr Gesicht zu einer hässlichen Fratze. Ihre Haut schien zu verbrennen, wurde sie doch plötzlich schwarz und spröde wie verbranntes Papier. Ich sah, wie das Haus unter lautem Getöse auseinanderbrach. Die Bruchstücke fielen jedoch nicht zu Boden, sondern wurden in den Himmel gezogen. Ich hörte die Gestalt in dem Haus nur noch einen Satz sagen, bis mich ein gleißendes Licht blendete: "Wir sehen uns wieder."

Ich öffnete langsam meine Augen und rechnete damit, wieder auf der Straße, die die Wüste zerteilte, aufzuwachen. Doch ich blickte direkt in die Augen eines kleinen Mädchens. Es war meine fünfjährige Tochter Cynthia. "Daddy, die haben dich wieder heile gemacht", prustete sie heraus und strahlte über ihr ganzes Gesicht. Ich sah mich um und sah weiße Wände. An einer Wand hing ein Bild, das eine Vase mit Obst zeigte. Ich lag in einem Bett, welches mit einem weißen Laken bezogen war. Auch die Bettwäsche war in dezentem Weiß gehalten. Zu meiner Rechten war ein großes Fenster, wodurch ich den blauen Himmel sehen konnte. Eine große Wolke, die die Form eines Hasenkopfes hatte, schwebte durch die Luft und ich war froh, wieder mehr sehen zu können, als nur das unendliche Blau.
Ich versuchte mich aufzurichten, doch der reißende Schmerz in meinem Nacken und meiner Brust hinderten mich daran. Nun trat noch eine Frau in mein Blickfeld, welche sich über mein Gesicht beugte und sagte: "Schatz? Tobin, wie fühlst du dich?"
Es war meine Frau Liz. Ich wollte ihr antworten, dass mir noch etwas schwindelig war und ich Durst hätte, doch ich brachte kein einziges Wort heraus. Mein Hals war wie zugeschnürt.
Auch das Atmen fiel mir schwer. Ich nickte ihr lediglich zu, um ihr zu zeigen, dass alles in Ordnung war.
Ich nahm alle Kraft zusammen und fragte Liz, was passiert sei. Sie schickte Cynthia für einen kurzen Moment aus dem Zimmer, sah mich betroffen an und erklärte mir, was geschehen war: "Du hattest einen Autounfall. Ein Reisebus hat dich auf der Autobahn gestreift und du bist...", Liz hielt inne.
Ich bemerkte, wie ihr eine Träne über die Wange lief und sie sich zusammenriss, nicht zu weinen. Dennoch schaffte sie es nicht, ihren Emotionen standzuhalten.
Sie Sie drehte ihren Kopf zur Seite und wischte sich mit einem Taschentuch die Tränen aus dem Gesicht, bevor sie fortfuhr: "Du bist gegen die Leitplanke geknallt und hast dich mit dem Wagen überschlagen. Die Ärzte und der Notfallhubschrauber waren sofort zur Stelle. Du hast Glück gehabt, dass sie dich noch aus dem Auto bekommen haben. Du hast Glück, dass es alles so schnell ging. Es hatte sich ein großer Glassplitter in deinen Brustkorb gebohrt, der nicht leicht zu entfernen war. Hätte man ihn rausgezogen, wärst du..." Liz hielt einen weiteren Moment inne, um sich ihre Tränen zu verkeifen, indem sie sich auf die Unterlippe biss. "Du wärst auf der Stelle verblutet, wenn sie ihn einfach so gezogen hätten. Sie mussten ihn heraus operieren. Du hättest den Eingriff fast nicht überlebt."
Geschockt von der erdrückenden Ehrlichkeit ihrer Erklärungen rann mir eine Träne die Wange entlang. Mir wurde schlagartig klar, dass ich fast gestorben wäre und meine Familie nie wiedergesehen hätte. Der Gedanke, das Cynthia ohne ihren Vater aufgewachsen wäre, war für mich unerträglich.

Ich musste noch einige Zeit im Krankenhaus bleiben, bis ich wieder vollständig genesen war. Mein gesamter Aufenthalt im betrug vier Wochen. Liz und Cynthia kamen mich jeden Tag besuchen und meine Fortschritte, wieder richtig und gleichmäßig zu atmen wurden von Tag zu Tag besser. Anfangs war ich noch etwas wackelig auf den Beinen, doch auch dieses Problem bekam ich schnell in den Griff. Ich bin sicher, dass ich meine Mutter irgendwann wiedersehen und ein weiteres Mal am Ende der Wüstenstraße stehen werde, doch all das liegt noch in sehr weiter Ferne.

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