Die Stubs'sche Familienchronik, noch etwas ungeschliffen, aber ... viel Spaß damit:
Es begab sich an einem Donnerstagmorgen, ich siechte mit einer Bronchitis vor mich hin, da wuchs mein Vatter aus dem Boden. Zum besseren Verständnis vorweg, wir haben einen Kiosk auf unserer Straße, keine 100 Meter von unserem Haus weg. Seit wir hier wohnen (Mai 2000), werden dort Kippen und die beim Einkauf vergessene Milch und andere Kleinigkeiten geholt. Als 2002 meine Eltern nebst Oma einzogen, begann Oma mit der Tradition, an eben diesem Kiosk jeden Tag die Bild und Express zu kaufen. Als meine Oma dieses Jahr starb, trat mein Vater dieses Erbe an. Jeden Morgen, wenn er die Runde mit dem Hund macht, kauft er die beiden Zeitungen, seitdem bekommt Mephisto dort von dem persischen Ehepaar Leckerchen zugesteckt. An eben diesem Kiosk hat unser Sohn mal eben für über 70 Euro Sticker umgesetzt (aber das ist eine andere Geschichte), seitdem wird der Kiosk von meiner Familie boykottiert, bis auf den Vatter, der kauft da immer noch brav jeden Morgen die Bild und die Express. Wir haben die ganze Zeit gemutmaßt, dass er das macht, weil der Hund da immer Leckerchen bekommt.
Vorgestern Morgen ... also ... es war noch ziemlich früh, da steh aufeinmal der erboste Vatter im Rahmen und erzählt mir irgendwas vom Kiosk und von Leckerchen und dass er da jetzt keine Zeitungen mehr kaufen würde ... ich hab nur halb hingehört. Na ja, Freitag war er dann morgens so schnell wieder mit dem Hund da und hat sich dann ins Auto gesetzt und ist losgedüst... und wächst 10 Minuten später wieder aus dem Boden, und macht ein triumphierendes Gesicht. Dies veranlasste mich zu der Frage, was denn los sei und er präsentiert mir stolz ne Bild und ne Express. Ich schau ihn verständnislos an und er meint "wird er schon sehen, was er davon hat.“ Ich hab ihm gesagt, ich versteh nur Bahnhof, da hat er mir folgendes erzählt:
Donnerstagmorgen, Höhenhaus, Kiosk - denkt euch ne Melodie aus nem Western, die immer beim Duell eingespielt wird. Vatter und Mephisto treffen auf den Kioskbesitzer. Vatter ordert Bild und Express, Mephisto wartet auf sein Leckerchen
Das erste Leckerchen fliegt, Zeitungen und Geld wechseln den Besitzer
Vatter wartet
*musiklauterstell*
Der Kioskbesitzer lächelt höflich.
Vatter wartet.
Lasst mich eben erwähnen, mein Vatter hat et gar nicht mit dem Hochdeutschen
Die beiden starren sich an, Mephisto sabbert glücklich vor sich hin.
*musikrunterdreh*
Vatter: "Der Hung kritt immer zwei Leckerschen"
(Übersetzung: "Der Hund bekommt immer zwei Lecherchen")
Der Kioskbesitzer wünscht Vatter einen schönen Tag!
*musikdramatischlauterdreh*
Vatter wartet immer noch.
Das war übrigens der Moment, an dem er mir mit Tränen in den Augen erzählt hat, dass der Hund so traurig geguckt habe.Der wär ja gewohnt, dass er immer zwei Leckerchen bekäm.
Vatter zieht erbost den Rückzug an und Mephisto trottet entspannt neben ihm her ...
Sie sind genau drei Meter weit gekommen.
*musikhältplötzlichan*
Vatter auch
Vatter schaut Mephisto an und (Originalton) sacht: "Nä, Jung, nit mit uns" (Übersetzung: "Nein, Junge, nicht mit uns.")
*malebensporengeklimpereinspiel*
Vatter schaut auf die Express und Bild in seiner Hand, kneift die Augen zusammen und nimmt den Kioskbesitzer ins Visir.
Das war wahrscheinlich der Moment, wo der Wind aufgefrischt ist und so ne Windhexe vor Vatter über den Weg geweht hat.
Vatter stapft auf den Kioskbesitzer zu ... Mephisto hechelnd dabei, immer treu an der Seite vom Vatter, wat soll er auch machen, der war ja angeleint.
Also Mephisto, den Vatter konnten wir noch nicht an die Kette legen *michwegschmeiß*
Verzeihung!
*duellmusikleiseeinspiel*
Der Kioskbesitzer schaut den Vatter mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Zeitung nix gut?"
Vatters Augen sprühen Funken. "He, häste dinge Driss und wennde meinst, mit dingem driss Leckerche künnste he irjentjet rieße, dann mäßte dir och de Botz mit dr Kneifzang zo"
(Übersetzung: „Hier hast du deinen Scheiß, und wenn du meinst, mit deinen scheiß Leckerchen könntest du irgendwas reißen, dann machst du dir auch die Hose mit der Kneifzange zu.“)
*grandiosesmusikalischescrescendo*
Vatter starrt den verständnislosschauenden Kioskbesitzer triumphierend an und schmeißt den Kopp in den Nacken. Dabei lösen sich ein paar Strähnen vom Haupthaar (Vatter kämmt konsequent von rechts nach links), er dreht sich schwungvoll um und stolpert fast über den Hund
verheddert sich in der Leine
greift nach dem erstbesten Halt
das war ein Stapel Colakisten
leer
also leicht
leichter, als der stolpernde Vatter
*dumpfertrommelwirbel*
Der Stapel wankt, der Vatter auch
Vatter: "Su ne Driss" (Übersetzung: „So ein Scheiß“)
Der Stappel fällt
der Vatter nich
is ja ne Jung vom Bau
Mephisto springt erschrocken nach vorne
50 Kilo Hundemasse in motion
der Vatter am anderen Ende der Leine
*ernsthaftdenkopfschüttel* er hatte keine Chance
Der Kioskbesitzer bangt um die Gesundheit seines Kunden …
stürzt aus dem Kiosk, will helfen, beugt sich über den Vatter
Das konnte Mephisto jetzt nich ganz so gut einschätzen und hat sich mal über den Vatter gestellt
Vatter hat ... öh ... er trägt kein Sixpack sondern ein gepflegtes 10 Liter Fass mit sich rum
Mephisto muss also fast auf dem druffgelegen haben
Der Kioskbesitzer weicht erschrocken zurück
Vatter versucht, den Hund von sich runter zu sortieren, ein triumphales Grinsen im Gesicht
Irgendwann hat er sich, den Hund und die Leine entwirrt
kommt hoch
*trommelwirbel*
schmeißt dem Kioskbesitzer die Bild und Express vor die Füße
"He, häste dinge Driss zoröck" (Übersetzung: „Hier haste deinen Scheiß zurück!“)
Ja, ich weiß ... das wären zwei Bild und zwei Express ... ich weiß auch nicht, der Gute war wohl ziemlich durcheinander
Man kann nur vermuten, wann die Zeitungen wieder an den Kioskbesitzer gingen
Da verliert sich die Spur *kicher*
Vatter und Mephisto treten hocherhobenen Hauptes den Rückzug an und der Kioskbesitzer schaut beiden verständnislos hinterher
Jetzt fährt der Vatter morgens immer mit dem Auto zum nächsten Kiosk und läßt keine Gelegenheit aus, egal wem ... von diesem Duell der Titanen zu erzählen
Er hat dabei Tränen in den Augen vor Wut oder Mitleid, wenn er davon spricht, wie Mephisto um sein zweites Leckerchen betrogen wurde
Und er hat Tränen der Rührung in den Augen, wenn er erzählt, wie der Hund sich vor öh auf ihn geworfen hat
Und Vatter war am Freitag kegeln ...
und war erst um drei Uhr zurück *verschwörerischschau*
der hatte getankt bis Amerika
ich seh ihn vor mir
wie er aufsteht, sein Glas ergreift und lallt "Auf Mephisto"
dabei schnieft er kurz "den treuesten Freund, den ein Vatter haben kann"
dann kippt er dat Glas auf ex
Ach ja: der abschließende Kommentar vom Vatter zu seiner Geschichte: "Dat mäht der nit mit mir" *zumephistoschau* "Ne, Jung, nit mit uns, do liehrt dr uns kenne, wa?"
(Übersetzung: „Das macht der nicht mit mir“ *zumephistoschau* „Ne, Junge, nicht mit uns, dann lernt er uns kennen, nicht wahr?“)