GRAN TORINO - von und mit Clint Eastwood

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Ich hab den Screener zu dem Film aus den USA bekommen und ihn gestern nacht geschaut.

Also, vorneweg - wer hier ein Actionfeuerwerk erwartet, wird enttäuscht. Das Poster führt völlig in die Irre - denn der Film ist alles andere als ein Kracher im Stil der alten Eastwood-Streifen wie "Der Mann der niemals aufgibt" u.ä.

Gran Torino ist ein sehr leiser Film mit einer überragenden Botschaft: "Man ist nie zu alt, um noch dazu zu lernen und sein Leben in andere Bahnen zu lenken."

Walt Kowalski hasst so ziemlich alles, was ihm über den Weg läuft: Asiaten, Juden, Afro-Amerikaner, Italiener, seinen Friseur, Jugendliche, seine Söhne und deren missratene Brut, seine Nachbarn - das einzige, was er liebt, ist seine alte Hündin Daisy und sein 1972er Gran Torino, den er in Handarbeit gebastelt hat und an dem auch nur ein Stäubchen zu sehen sein darf.

Gerade hat Kowalski seine Frau zu Grabe getragen (den Pfarrer, eine "27jährige Jungfrau, die von Tuten und Blasen keine Ahnung, aber studiert hat" hasst er auch wie die Pest) und dabei schier einen Anfall bekommen, als zum einen seine missratenen Enkelkinder schon darauf warten, dass er ihr ins Nirwana folgt oder zumindest sich in einem Altersheim verkriecht und sie endlich den Torino und das Haus kriegen, und zweitens, weil im Nebenhaus ausgerechnet eine asiatische Familie einzieht. Als die Flut der zur Einzugsfeier geladenen Gäste nicht abnimmt, kotzt Kowalski schier ab. Als auch noch einer der "Zipper-Faces" bei ihm klingelt (der kleine Tao, den er später "Toad" = "Kröte" nennt), dreht er schier durch. Und für die Schlitzaugen-Oma, die auf dem Nachbarbalkon sitzt, hat er nur einen Strahl Kautabak übrig (sie kann übrigens weiter und besser spucken als er).

Kowalski will nur eines - in Ruhe gelassen werden, um seine Frau trauern, seinem Unmut über die überflüssigen Mitmenschen mit einem hundeähnlichen Knurren Luft machen, sein Bier trinken und seinen Gran Torino anschauen. Das klappt aber nicht, denn als eine Gang asiatischer Jugendlicher die Gegend terrorisiert und auf seinem Rasen den Nachbarsjungen und dessen Schwester verprügelt, wird Kowalski in Ereignisse verwickelt, die sein gesamtes Weltbild ins Wanken bringen. Er, der Ausländerhasser und Korea-Veteran, wird mit einer fremden Kultur konfrontiert, die es in den USA ohnehin schwer hat - auch ohne Eigenbrödler wie Kowalski, und dennoch die amerikanische Gesellschaft mit prägt.

Es ist ein leiser Film, den Clint Eastwood hier abliefert. Er flüstert fast nur noch, knurrt, grummelt, lächelt kaum und ist auch schon - zumindest im Film - von Schwindsucht gezeichnet. Er ist der typische alte Republikaner - griesgrämig, intolerant und patriotisch bis zum Gehtnichtmehr (selbstredend hängt auch ein Stars & Stripes Banner vor seinem Haus). Ein Mann, dessen Scheuklappendenken sein Weltbild bestimmt - und doch lehrt ihn das Schicksal, umzudenken. Das geht nicht wie ein Donnerschlag vonstatten, sondern erst allmählich.

Gran Torino ist ein Film über das Alter, über Rückgrat und über Freundschaft - und über ein Amerika, das zu Zeiten, da das Land erstmals einen farbigen Präsidenten gewählt hat, allmählich umzudenken beginnt. Wie im Film, werden auch die Menschen in Amerika, die vorher in zwei verschiedenen Lagern standen, lernen müssen, aufeinander zuzugehen. Klar, es wird immer Menschen geben, die ihr Recht und das Leben ihrer Nachbarn mit der Waffe in der Hand verteidigen, aber sie tun es jetzt auch, wenn der Nachbar ein Farbiger oder Ausländer ist.

Wie immer ist Clint Eastwood großartig und spielt routiniert. Der Film ist aber auch voll mit Anleihen aus seinen früheren großen Filmen - er spuckt Kautabak wie "Der Texaner"; er fletscht die Zähne wie früher und wenn er den bösen Buben mit einem Schießeisen vor der Nase rumfuchtelt, glaubt man, Ben Shockley aus "Der Mann, der niemals aufgibt" vor sich zu sehen - 30 Jahre später... Und wir alle erinnern uns an die letzte Szene von "Ein Mann sieht rot", als Charles Bronson auf dem Flughafen von L.A. mit dem Finger auf einige Jugendliche zielt - selbst diese Hommage an einen großen Kollegen konnte sich Eastwood hier nicht verkneifen.

Vielleicht schafft es Gran Torino (das Auto spielt nur eine untergeordnete Rolle) nicht, alle Amerikaner mit seiner Botschaft zu überzeugen, da bedarf es mehr. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Der erste?

Der Lonewolf Pete     
« Letzte Änderung: 22. Dezember 2008, 13:11:34 von Lonewolf Pete »