AUSCHWITZ - ein neuer Uwe Boll

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Ich tu mir mit Bolls Filmen meist schwer, weil viele davon meinen Geschmack halt so ganz und gar nicht treffen, nicht mal streifen, aber ein Filmprojekt wie Auschwitz, mag es noch so provokant sein, ist wichtig. Es gibt viele Filme über den Holocaust, und die Mehrzahl davon benutzen die Verbrechen der Nazis als Aufhänger für Liebesgeschichten oder Familiendramen und streifen die Thematik letztlich nur. Dokus andererseits sind nüchtern und leiern ihre Fakten runter, was von vielen Zuschauern, die wochen- und monatelang im TV mit Holocaust bombardiert wurden, irgendwann eher langweilig empfunden wird. Nicht, dass Holocaust unterhaltsam sein soll, aber bloße Fakten und Zahlen und ein paar Schwarzweißfotos von Leichenbergen - da fällt es irgendwann schwer, aufmerksam zu bleiben. Dass Uwe Boll mit seinem Auschwitz-Film einen ähnlichen Weg beschreiten wird wie die Naziploitationfilme der 70er, dürfte klar sein - dennoch unterscheidet er sich und stellt wohl das pure Ermorden Unschuldiger ungeschönt dar, um zu schockieren. Das hat nix mehr mit Sexploitation zu tun (was auch gut ist, waren die naziploitationer doch recht schwere Kost und nur schwer verdaulich), das ist meiner Ansicht nach das ungeschönte Zeigen des Horrors und Schreckens, der aus tatsächlichen Begebenheiten in unserer Vergangenheit entstand und den so nicht mal "Otto Normalverbraucher" in jener zeit sich vorzustellen vermochte. Damit führt Boll wohl nur konsequent fort, was Spielberg in "Schindlers Liste", Dan Curtis in "Feuersturm und Asche" und Brauner in "Barbi Yar" begonnen hatten.  In Zeiten, in denen auch das moderne Theater wie im Stück "Grünbaum" um den jüdischen Kabarettisten nicht vor derben und provokanten Szenen zurückschreckt und der Horrorfilm an sich in Sachen Gräueltaten, die man Menschen antun kann, so gut wie jede Grenze längst überschritten hat, musste einfach eine Holzhammer-Version des Holocaust irgendwann kommen. Gerüchte über sowas geistern ja schon seit ein paar Jahren in der Filmszene rum, wobei Namen von Ittenbach bis Schnaas genannt wurden, und nun zieht eben Uwe Boll ein paar Felder nach vorne. man kann ein solches Projekt sehen, wie man will - wichtig ist es glaub ich allemal, da sich die jüngeren Generationen weder mit den Naziverbrechen noch mit den Stasi-Verbrechen eingehender zu beschäftigen scheinen (jedenfalls erlebe ich das Desinteresse bzw. die Langeweile, die solche Themen hervorrufen, bei meinen Nachhilfeschülern). Über kurz oder lang dürfte deshalb auch ein drastischer Film, der sich mit der Stasi und ihren Methoden beschäftigt, wohl auch nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Ehrlich gesagt hatte ich ihn sogar noch eher erwartet als ein Holocaust-Projekt, da ja die DDR-Vergangenheit und Wiedervereinigung allen möglichen Filmemachern wie ein Trauma im Kopf rumspukt und wir in den letzten Monaten mit einer wahren Flut solcher Filme überschüttet wurden.
Ich bin, so schlimm oder schwer goutierbar die Inszenierung vielleicht sein mag, jedenfalls auf Bolls Film gespannt - wobei ich kaum glaube, dass es eine unzensierte Fassung in Deutschland ins Kino schaffen wird. Eher wird man Hostel 3 und Saw 8 oder 9 und ähnliche Torture Porns ungeschnitten zeigen...
Aber da ich Bolls Inszenierungen kenne, gehe ich nicht unvoreingenommen an dieses Produkt heran. Letztlich fürchte ich, wird der Film die meisten Zuschauer eher unangenehm berührt und vor allem enttäuscht zurücklassen. Wir werden sehen...

Der Lonewolf Pete   


Das sehen zumindest unsere Politiker aber anders - wenn's nach denen ginge, müsste man jede Woche drüber reden und was im TV zeigen. Und daneben dann noch die Wiedervereinigung / Vergangenheitsbewältigung der DDR, die mindestens genauso wichtig angesehen wird, so scheint's...

Der Lonewolf Pete


House of Dead fand ich auch gut. Besser als so manche Scheiße, die da draußen fabriziert wird. Seed hingegen - mit dem kann ich so gar nix anfangen, und Kriegsfilme wie Tunnel Rats sind nicht so ganz mein Ding, deswegen müssen sie aber nicht unbedingt schlecht sein.

Was mich stört ist, dass Meister Boll sich in dem Interview mehrfach wiederholt, als müsste er einfach noch mal sagen, was er grad in dem Abschnitt davor gesagt hat. Rechne ich aber mal seiner Wut und Enttäuschung zu, is mir auch schon passiert.

Ich finde nach wie vor, dass ein Film wie Auschwitz wichtig ist und bin auch mal gespannt auf die Interviews mit Schulklassen in dem Film, denn solches hab ich - im kleineren Rahmen - ja auch schon mit meinen Nachhilfeschülern erlebt. Auschwitz kann durchaus zu einem der wichtigsten Werke über den Holocaust werden - allerdings kaum in Deutschland, denn die Deutschen, insbesondere Frau Mommsen-Engberdings Truppe aus Bonn und die Verleiher, werden sich an dem Film die Zähne schärfen... Aber in den USA kann das durchaus erfolgreich werden. Und natürlich besteht die Gefahr, dass mit solch einem Film Boll zwangsläufig den Einzug als "Kult"-Regisseur in diversen Glatzen- und Braunhemden-Kreisen erleben dürfte...;-(

Der Lonewolf Pete


Im Prinzip nimmt der Trailer, der einige Zeit im Internet kursiert und dort kontroverse Meinungen hervorrief, alle harten Sznen bereits weg. Man sieht in 20 Minuten die Ankunft der Todeszüge, das Aussteigen, und eine ewig lange Sequenz, wie die Ankömmlinge schon fast im Gänsemarsch zu den Gaskammern marschieren, dann eben das, was man im Trailer sieht, und der Rest ist Dokumentarmaterial, das man in unzähligen ZDF-History-Dokus schon zig mal gesehen hat und Interviews mit Schülern, die im TV auch schon wesentlich besser liefen. Ich vermute, dass Boll diesen Film nur aus purer Geldnot drehte, um mittels eines Trailers möglichst viel für sich rauszuholen, möglichst viele DVDs abzusetzen, indem er mit der Sensationsgier des Publikums spielte. Doch der Schuss dürfte gehörig nach hinten losgegangen sein. Hinzu kommt, dass er das Set gleich noch für Bloodrayne 3 und ich denke auch für Blubberella nutzen konnte, also gleich drei Fliegen mit einer Klappe schlug. "Auschwitz" kommt ohne jegliche Dramatik, ohne jegliche Spielhandlung aus, keine Effekte (und auch keine Effekthascherei, die manche erwartet haben dürften) - und wird dadurch leider auch zum Langweiler, weil er auch keinerlei Intensität in der Schilderung des Schreckens des Holocaust bietet. Wer Bücher und Dokumaterial über den Holocaust gelesen und gesehen hat, weiß, dass sich Bolls Inszenierung gegenüber dem tatsächlichen Schrecken ausnimmt wie ein halbherzig und langatmig inszeniertes Theaterstück. Von einer Qualität der legendäören "Holocaust"-TV-Serie und einer schrecklichen Intensität einer "Schindlers Liste" oder der ebenso legendären Dan Curtis Produktion "Feuersturm und Asche aka War and Remembrance" (die streckenweise wirklich in ihrer Intensität schockiert) ist Bolls Produktion Lichtjahre entfernt. Die gute "Aufklärungs"-Absicht, die Boll immer wieder betont, zweifle ich an und unterstelle ihm, dass er einfach nur provozieren und einen schnellen Dollar auf makabre Art machen wollte. Für mich eine der großen filmischen Enttäuschungen der letzten Zeit.

Der Lonewolf Pete 


Provozieren wollte Boll, indem er den Film auf der berlinale laufen lassen wollte, und als das verwehrt wurde, regte er sich furchtbar auf. Vergleicht man den Film von Boll mit dem zu recht auf der Berlinale gelaufenen "Barbi Jar" von Arthur Brauner, dann liegen da Welten dazwischen. Barbij Jar hat zwar plakative gewalt, aber in dezentem Schwarzweiß gehalten, was dem ganzen auch einen dokumentarischen Charakter gibt, und eine dramatische Spielhandlung, die das barbarische Vorgehen der Nazis drastisch veranschaulicht. Hätte Boll ein wenig Spielhandlung eingebaut, so wie das in produktionen wie "Sobibor" geschah, dann hätte das seinem Film wesentlich weniger geschadet als altbekanntes Dokumaterial und schlechte Schulinterviews als Lückenfüller zu benutzen.

Der Lonewolf Pete


Oh ja, die Geister werden sich immer scheiden...;-)

Letztlich ist alles Geschmacks- und Ansichtsache. Ich bin kein Boll-Gegner, und einige seiner Filme sind durchaus okay, aber er hat auch schon viel Schlechtes gemacht (das von anderen wiederum hoch gelobt wird).

Na ja, Filmvergnügen und dessen Einschätzung ist eben sehr individuell.

Der Lonewolf Pete