An einem ganz normalen Frühlingsmorgen beginnt der globale Albtraum: Das weltweite Stromnetz bricht von einer Sekunde auf die andere zusammen. Sämtliche Kommunikationssysteme kollabieren, urplötzlich stürzen Flugzeuge vom Himmel, innerhalb von Stunden regieren Chaos, Gewalt und Anarchie. Es geht um das nackte Überleben in einer bis dahin unbekannten Welt - aber nur die wenigsten scheinen dieser Herausforderung gewachsen. Gibt es Hoffnung für die Menschheit oder werden am Ende nur die Ratten triumphieren?
Klingt soweit ganz ok? Finde ich auch - aber wenn ich mir diese Rezi bei amazon durchlese (hab sie überflogen falls gespoilert wird) klingt das Ganze für mich durchaus mehr als interessant!
Stephen King hat in einer seiner Kurzgeschichten einmal einen Satz geschrieben, der in meinem Gedächtnis haften blieb. "Es ist die Geschichte die zählt, nicht der Erzähler." Um zu Stephen Kings Geschichten-Erzähl-Szenario zu kommen: Bei RATTENTANZ hat man das Gefühl, es mit einer großartigen Geschichte zu tun zu haben; einer Geschichte, die man so schnell - und ich lese viel, müssen Sie wissen - nicht vergisst. Dieser subjektive Eindruck, gepaart mit zig Stunden Lesevergnügen soll Anlass sein für meine Empfehlung.
Doch worum geht's?
Ein beklemmendes und zunächst unbegreifliches Szenario, das sich, je tiefer man sich in das Buch liest, vielleicht ja doch so zutragen könnte:
Eines Morgens kommt es weltweit, aufgrund eines fehlerhaft programmierten Computer-Virus, zu einem Stromausfall - mit verheerenden Folgen. RATTENTANZ handelt, um genau zu sein, von einem nicht endenden Stromausfall, der die Menschen in und um das kleine Dorf Wellendingen (Schwarzwald) vor unlösbare Probleme stellt - und weltweit eine Hungerskatastrophe ungeahnten Ausmaßes auslöst. Ganz abgesehen von vielen anderen kleinen Katastrophen, die ihren Ursprung im Stromausfall haben: Tankerkatastrophen, Flugzeugabstürze, Reaktorkatastrophen ...
Anhand einiger Einzelschicksale werden die jäh auftauchenden und unüberwindbaren Probleme technischer, aber auch menschlicher Art, geschildert. Zentrum der Handlung ist eine dreiköpfige Familie: Susanne Seger: Mutter der kleinen Lea und Ehefrau von Hans Seger, erlebt den Zusammenbruch und seine unmittelbaren grausamen Folgen im nahegelegenen Krankenhaus, das nach der Katastrophe aber doch einige Tagesmärsche von ihrem Zuhause und vor allem ihrer Tochter entfernt sein wird. Hans Seger: Ist auf einer Geschäftsreise in Schweden, telefoniert noch mit seiner Tochter Lea, die bei benachbarten Freunden gut aufgehoben ist, während der Strom ausfällt. Seine Reise zurück nach Deutschland ist in kurzen Worten mit "Soweit die Füße tragen" zu bezeichnen und an grausamen Details, die man sonst vielleicht aus Zombiefilmen oder zeitgemäßen Filmen Splatter-Filmen kennt, bei der sich gelangweilte Erwachsene dekadente Sadismusorgien liefern, kaum zu überbieten.
Die 10-jährige Lea indes, wartet zu Hause auf Mutter und Vater und erlebt die Flugzeugabstürze, die sich an dem bewussten Morgen ereignen, aus nächster Nähe (in Wellendingen) mit - und freundet sich in deren Folge mit dem einzigen Überlebenden an.
Die Handlung wechselt zwischen dem anfangs noch 400 Einwohner zählenden Dorf Wellendingen, wo die unzähligen Probleme innerhalb dieser relativ kleinen Dorfgemeinschaft geschildert werden. Einer Gemeinschaft, die sich nach außen hin gegen Plünderer und Marodierer schützen muss, die jedoch auch im Inneren von Egoisten, Machtbesessenen und einem Wahninnigen dramatisch in Gefahr gebracht wird. Der zweite Handlungsstrang behandelt Hans Segers Reise von Schweden zurück zu seiner Familie nach Wellendingen, bei der jeder Tag eine neue Hürde für ihn - und seine Begleiter - bereit hält...
Sorgen, Nöte und Ängste der Menschen werden in RATTENTANZ in einer beklemmend niederschmetternden Leb- und Bildhaftigkeit geschildert, dass man geneigt ist sich umgehend Lebensmittelvorräte zu schaffen, sollte eine solche Katastrophe tatsächlich eintreffen!
Einige kleine Fehler im Lektorrat sind m.E. verzeihlich. Die zunächst ungewisse Handlung, mit dem RATTENTANZ langsam ins Rollen kommt, ebenso. Wenn man sich gedanklich leidiglich auf die Folgen der Katastrophe einstellt und - so wie es die Bewohner in Wellendingen auch miterleben - sich nicht den Kopf zerbricht über eine Lösung (Beendigung des Stromausfalls), oder gar eine Erklärung für die Katastrophe, dürfte es kaum Anlass zu Beschwerden geben. Was mich betrifft habe ich die anfänglichen Bedenken, warum der Autor diesen Aspekt der Handlung so vernachlässigt, sehr bald für mich damit erklärt: Es geht nur um die Folgen. (Im Nachwort wird vom Autor allerdings noch etwas Licht in die Sache gebracht.)
Während in der Anfangsphase des Romans der Figur dem schizophrenen Thomas leider etwas zu viel Platz eingeräumt wird, und dadurch nicht so klar wird, worauf die Handlung noch hinaus laufen könnte, liest sich die Geschichte ab der Hälfte nur noch schnell weg.
Dramatische Spannung mit ausgewogenen Wechseln der Handlungsorte mit kaum noch spürbaren (Lese)Längen! An der Stelle ein großes Lob für die herrliche Geschichte, die Michael Tietz mit RATTENTANZ gelungen ist.