Nr. 22 Mittwoch, 02. Juni 2010
„Die wollten mich
platt machen”
Durch das Schaufenster im Hintergrund stürzte Michael Semskij mit dem Angreifer.
Foto: mj
Es gibt sie noch, die Helden des Alltags. Diejenigen, die nicht wegschauen. Einer dieser Menschen mit Zivilcourage ist der 42-jährige Michael Semskij aus Landshut. Am vergangenen Mittwoch beobachtete der Schwerbehinderte gegen 20.30 Uhr vier junge Männer im Alter von 16 bis 22 Jahren in der Wagnergasse, wie sie in einen Hauseingang pinkelten. Semskij rief die Burschen zur Ordnung – und musste dann um sein Leben kämpfen.
„In dem Moment hab ich mir nur gedacht: Wo sind wir eigentlich? Ich bin selbst Vater und würde mich schämen, wenn mein Kind so was machen würde“, erinnert sich der 42-Jährige. Daraufhin habe er nur in einem ganz vernünftigen Ton gefragt: „Muss das jetzt sein?“ Allerdings hat er die Gefahr in der Situation wohl unterschätzt.
Denn die brutale Reaktion der vier jungen Männer ukrainischer und kasachischer Herkunft ließ nicht lange auf sich warten. Mit den Worten „Hey Alter, was willst du?“ und wüsten Beschimpfungen gingen sie auf Semskij los. Plötzlich bekam er auch schon den ersten Faustschlag ins Gesicht. Dann schlugen alle vier auf ihn ein.
„Ich habe in dem Moment gemerkt, dass die keine Hemmschwelle hatten und mich in der Gasse einfach plattmachen wollten“, so Semskij. Alles, was dann folgte, erlebte der 42-Jährige „wie in einem Traum“. Es sei alles so schnell gegangen, ein Adrenalinschub ließ ihn nur noch funktionieren und nicht mehr lange denken. „Ich wusste, jetzt geht’s um mein Leben und hab nur noch zugeschlagen.“
Dabei konzentrierte sich Semskij auf den aggressivsten der vier Raudis. Der 19-jährige Deutsch-Kasache hatte zur Tatzeit über 2 Promille im Blut, was ihn augenscheinlich noch aggressiver und unberechenbarer machte.
Alleine hätte Michael Semskij die vier Schläger jedoch nicht in Schach halten können. „Mir kam zum Glück ein Türke, der das Ganze beobachtet hatte, zu Hilfe. Der war ziemlich großgewachsen und hat mir dann zwei von denen vom Leib gehalten“, so Semskij.
„Ich kann mich nur bei dem jungen Mann bedanken. Wäre er nicht gewesen, wäre ich sicher untergegangen und die hätten mich am Boden gestiefelt“, so der 42-Jährige. Schon aufgrund seiner Erkrankung wäre er kräftemäßig irgendwann am Ende und damit auf verlorenem Posten gewesen.
Ein Ende hatte der Straßenkampf erst, als sowohl Semskij als auch sein aggressiver Widersacher durch das Schaufenster eines türkischen Kulturvereins stürzten.
Das 42-jährige Opfer zog sich dabei Schnittverletzungen an der Hand zu und kugelte sich das Daumengelenk aus. Sein Gegenüber erlitt Schnittwunden im Gesicht. „Selbst als dann alles voller Blut war, wollte der nochmal auf mich losgehen. Er wurde dann aber von Gästen des türkischen Cafés zurückgehalten, schrie mich aber noch an, er würde mich umbringen, wenn er mich das nächste Mal sieht“, so Semskij. Seit dem Vorfall gehen den 42-jährigen Landshuter viele Fragen durch den Kopf. „Ich frage mich, ob die Eltern des jungen Burschen überhaupt wissen, wie sich ihr Sohn in der Stadt aufführt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die das wissen und einfach nichts machen“.
Semskij überlegt nun, sich Pfefferspray zu kaufen um künftig besser gegen solche hemmungslose Schläger geschützt zu sein. „Wenn ich sehen würde, dass ein anderer Mensch durch solche Typen in eine bedrohliche Situation gerät, würde ich wieder dazwischengehen“, sagt er.
Die vier Schläger müssen sich nun wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Drei von ihnen fallen noch in das Jugendstrafrecht, der 22-Jährige wird separat verhandelt.
Matthias Jell
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