IrreversibleOriginaltitel: Irreversiblé
Drehort: Frankreich
Regisseur: Gaspar Noé
Darsteller: Vincent Cassel
Monica Belucci
Philippe Nahon
Story: In medias res
Eine Schwulenkneipe irgendwo im letzten dreckigen Loch Frankreichs. Zwei Leute suchen in einem Moment grösster Rage einen Mann. Sie werden fündig. Es gibt Ärger und niemand weiss bisher so recht warum. Alles endet in einem Blutbad. Was ist passiert? Warum ist es soweit gekommen? Und wer jetzt dazu neigt auszuschalten, dranbleiben, denn ansonsten entgeht im eine der genialsten Erzählstrukturen, eine super Leistung aller Beteiligten an diesem Hammersprojekt...
Kommentar: Eine Inhaltsangabe zu diesem Film zu verfassen ist mehr als nur schwer aber ich denke soviel kann ich verraten, wer den Film ganz unvoreingenommen ansehen will sollte den nächsten Abschnitt nicht weiterlesen. Es ist kein wirklicher Spoiler, denn man wird dieser Sache sowieso recht schnell auf die Schliche kommen nach ca. 25 Minuten, wird man erkennen, warum alles so verwirrt war,
denn der Film wurde rückwärts gedreht, das heisst er beginnt mit dem Ende und die Geschichte wird Stück für Stück nach vorne aufgerollt. Schlichtweg genial. In jeder Szene wird etwas neues eingeführt was den Zuschauer vor weitere Fragen stellt, wie: Wo kommt der jetzt her? Was hat der mit der Sache zu tun? Um was geht es überhaupt? Dieses sogenannte Shift of Tension stellt den verwirrten Zuschauer nicht vor die Frage, was wird passieren, sondern ändert das Tempo und die Richtung gleichzeitig um 180° hin zu: warum ist das geschehen? Oder wie ist das geschehen? Eine Erzähltechnik die es mir sehr angetan hat. Sie wurde hier zwar nicht neu erfunden, aber ausser Memento hat sich bisher im Filmgeschäft niemand an diese Technik herangewagt. Nicht eine Art Zusammenfassung am Anfang und dann eine Erzählung, sondern hier wird wirklich echt rückwärts erzählt!!
Der Film legt eine derart herbe rohe Art an den Tag, dass es nur sehr schwer erträglich ist. Dieses düstere Menschenbild, dass Gaspar Noé schon bei seinem bis Irreversiblé kaum beachteten Frühwerk Seul contre tous (a.k.a. I stand alone a.k.a. Menschenfeind) aufzeigte, ist kurz und knapp als düster, pessimistisch und von Grund auf schlecht zu bezeichnen. Aber in einer realistischen Weise, kein stereotypes, verallgemeinerndes Schwarz/Weiß Gehabe, denn gerade mit seinem Leitmotiv, dass er an Anfang und Ende des Filmes stellt, Le temps détruit tout (die Zeit zerstört alles), stellt er sich in krassem Gegensatz zu volkstümlichen Weisheiten wie Die Zeit heilt alle Wunden. In seinem Film versucht er auf seine eigene Art und Weise klar zu machen, dass Fehler die einmal begangen wurden einfach nicht rückgängig gemacht werden können, egal wie schwerwiegend, egal aus welchen Motiven und egal in welchem seelischen Zustand!! Jetzt wieder ein Quasispoiler, aber prinzipiell kann man beruhigt weiterlesen, denn der Plot ist ja im Allgemeinen recht bekannt...
...die Vergewaltigung Monica Beluccis stellt sich als eine der härtesten Szene in der Filmgeschichte heraus. 10 Minuten auf nacktem kalten Fussboden in einer Unterführung, mit dem Gesicht zu Boden gepresst, werden hier durch diese animalische abartige Szenerie dem Zuschauer, sofern er bereit ist aus sich herauszugehen und sich in die Lage des Freundes zu versetzen, Gefühle transportiert, die einfach schwer verdaulich sind. Wer wirklich sich dem Ganzen stellt und sich die Szene ansieht als wenn es die eigene Frau/Freundin wäre, der sieht sich auf einmal in einer Rage, die Cassel's nicht weit entfernt ist. Seeehr schwer zu ertragen, diese ständige kontinuierliche Malträtierung der Frau. Keine schöne Sache. Zurück zur angesprochenen Reaktion Vincent Cassel's. Diese in der Schwulenbar, zu diesem Zeitpunkt der Vergewaltigung, schon längst im Filmgeschehen abgelaufen, erweist sich als ebenso knüppelhart. Das scheinbar endlose Umhergehetze durch düstere Gewölbe, überfüllt mit dem kränksten Abschaum den die Welt je gesehen hat zeigen eine vom Sex besessene pervertierte Gesellschaft und bringt den Zuschauer mit den umherschweifenden Kamerabewegungen in einen hervorragend gelungenen aufgewühlten Zustand, bis sich die Situation brachial mit einem Feuerlöscher entlädt. Das Bild das hier gezeichnet wird ist aber keineswegs schwarz/weiss und Noé macht es sich so nicht zu leicht, rückt er das sexuelle Begehren gegen Ende des Filmes /Anfang der Handlung wieder in ein normales Licht.
Ich will nicht zu weit ausholen und zu viel schreiben, denn diesen Film muss man sich so oder so angesehen haben. Ein modernes französisches Arthaus Kino, wie man es nur sehr selten zu Gesicht bekommt!!!! Absoluter Pflichtfilm!!!
Fazit: