Vieleicht mögen jetzt manche denken, warum stellt der Alex denn hier jetzt ein Comic vor?
Aber hierfür mache ich jetzt mal eine Ausnahme, denn der Begriff "Comic" wird diesem erschreckenden und wahrlich umfassenden Monstrum nicht gerecht.
From Hell aus der Feder von Autor Alan Moore und visuell untermalt von Eddie Campbell ist weitaus mehr als nur ein Comic.
Seit Weihnachten gibt es dieses Meisterwerk jetzt in einer kompletten Neuauflage für den nicht ganz günstigen Preis von €49,80 zu erwerben.
Dafür bekommt man aber ein todschickes großformatiges Hardcover Buch, mit dem kompletten Comic sowie einem überquellenden Anhang aus zusätzlichen Informationen.
From Hell ist eine Geschichte über Jack the Ripper.
Der Titel bezieht sich auf die Überschrift eines damaligen Briefes an die Polizei, der Jack the Ripper zugeschrieben wurde.
Auf dieser Geschichte basiert auch die Verfilmung mit Johnny Depp und Heather Graham aus dem Jahr 2001.
Jedoch weicht der Film stellenweise sehr stark von der Vorlage ab und ignoriert die komplette Rahmenhandlung völlig.
Doch zurück zum Buch.
Auf über 600 Seiten erzählen Alan Moore und Eddie Campbell ihre Version der "Jack-the-Ripper" Geschichte in einer Tiefe und Detailgenauigkeit die Ihresgleichen sucht.
Angeblich hat Moore 10 Jahre an diesem Werk gearbeitet, so ziemlich alle verfügbare Literatur, Berichte, Fakten und Fiktionen um "Jack-the-Ripper" gesammelt und verarbeitet. Und dies ist auch vollkommend glaubwürdig, wenn man sich den ausführlichen Anhang anschaut. Zu jedem der 14 Kapitel (+Prolog und Epilog) gibt es ein extra Kapitel im Anhang in dem Moore genau erklärt, warum auf dieser Seite dies und das so passiert, wie es in seiner Geschichte dargestellt ist.
Akribisch listet Moore seine Quellen auf, vergleicht sie miteinander und erklärt, warum er sich für welche möglichkeiten entschieden hat, warum die Illustrationen jene Szenen und Gebäude zeigen, u.s.w.
Wirklich keine einzige Illustration, noch ein kleiner Nebensatz in diesem gigantischen Werk scheint einen "Füllcharakter" zu haben. Alles hat seinen tieferen Sinn, versucht verschiedene Theorien und Fakten miteinander zu verbinden.
Allein um diese wahnsinnige Fülle an Hinweisen zu verstehen, empfiehlt es sich nach jedem Kapitel den dazugehörigen Anhang zu studieren.
Die Illustrationen sind vollständig in Schwarz-Weiß gehalten und mögen auf den ersten Blick verstörend wirken, da der Stil augenscheinlich nicht in "unsere Zeit" passen möchte. Jedoch ist genau dies beabsichtigt. Die Bilder ergeben ein trostloses, erschreckend detailgetreues Bild von der Gesellschaft und deren Leben im viktorianischen London. Getragen wird die Geschichte nur durch Dialoge und Bilder die ohne den kleinsten Funken Humor auskommen.
Die Atmosphäre die hier transportiert wird, unglaublich düster, niederschmetternd und hoffnungslos.
Die Geschichte ist Moore's eigene Interpretation der Fakten, Geschichten und Mythen, die sich seit nun über hundert Jahren um die mysteriösen Morde ranken. Hauptsätzlich stützt sich Moore auf die Theorien von Stephen Knight und dessen Werk
Jack the Ripper: The Final Solution (1979),zieht jedoch auch eine Menge anderer Quellen hinzu.
Was dabei herauskam ist wohl die umfassendste Sammlung an Fakten, Hinweisen und Theorien, akribisch ausgearbeitet und zusammengefügt zu einem "möglichen" schlüssigem Ganzen.
Das ultimative Werk zum Mythos "Jack the Ripper", ohne jedoch den Anspruch auf Wahrheit zu beanspruchen.
Gerade zu den hunderten von verschiedenen Theorien, der Anhängern und Jägern hat Moore im Anhang noch ein kleinen Extra-Comic gewidmet, der sich augenzwinkernd mit der vertrackten Faktenlagen, dem Aufkommen verschiedenster Theorien, deren Urhebern im Laufe der letzten 100 Jahren befasst.
Extrem lesenswert.
Wenn sich jemand für die ganze Ripper-Thematik interessiert, kommt er an diesem Monstrum einfach nichtz vorbei. Schonungslos, brutal, niederdrückend und doch gleichzeitig erschreckend faszinierend, interessant und akribisch untermauert mit einer Fülle an Fakten und Thesen.
Ich muss wohl kaum noch erwähnen, dass auch die Lobeshymnen aller möglichen Zeitungen (NZZ, Welt, Stern, Le Monde, The Guardian, ...) so zahlreich sind, dass gar nicht alle auf den Buchrücken gepasst haben und auf der Innenseite weitergeführt werden.
Ein unbeschreibliches Meisterwerk!
Selten waren 10/10 klarer