VERGESSENE PERLE: "Count Yorga, Vampire" - Der Albtraum eines jeden Zahnarzts...

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Dieser Count Yorga stellt den ollen Grafen Dracula direkt in den Schatten, aber nur, was seine Zähne betrifft. Der Kerl hat nämlich die komplette Kauleiste angespitzt und präsentiert ein richtiges Piranhagebiss. Ansonsten konnte es ja nicht angehen, dass in Amerika seit den Universal-Klassikern kein Blutsauger auf der Leinwand sein Unwesen trieb, bei dem man die Beißer nicht sah - Bela Lugosi hatte ja vorher seine Dritten rausgenommen und in Kukident eingelegt, dafür hatte man ihm die Lippen dunkel geschminkt, und der unzüchtige Biss wurde züchtig hinter dem Mäntelchen des Grafen verborgen.

Also kam ein findiger Produzent auf die Idee, das Erotikfilm-Genre zu beleben, indem man einen untoten Adligen auf die leicht bekleideten Ladies losließ. Nur - dagegen hatte Schauspieler Robert Quarry was, der sich inmitten nackiger Ladies fehl am Platze und mimisch unterfordert sah (vielleicht auch als Mann überfordert, aber das wissen wohl nur die Götter des Filmolymps). Quarry bestand darauf, den blaublütigen Blutsauger nur zu spielen, wenn ein geradliniger Vampirfilm gedreht würde. Nun hatte der Mann eine Physiognomie, die für einen Vampir wie geschaffen ist, und wohl war auch gerade kein anderer, besserer Darsteller für die Rolle frei - und so hüllte man die Mädels in Klamotten, Robert Quarry in den samtbesetzten Umhang und griff zur Zahnfeile. Die Entscheidung erwies sich wohl als richtig, denn entstanden ist eine jener 70er Jahre Perlen, die sowohl atmosphärisch als auch darstellerisch beeindrucken - und heutzutage dennoch oftmals für unfreiwilligen Humor sorgen. Vor allem ist das so, wenn man die hanebüchene Story anschaut, die sich gar nicht lange mit Vorgeschichten aufhält. Irgendjemand labert aus dem Off über den Aberglauben, der beim amerikanischen Volk auch heute noch vorherrschen mag, und schon sehen wir einen Lieferwagen, der einen Sarg durch die überfüllten Straßen von Los Angeles kutschiert. Jedesmal, wenn ich das sehe, glaube ich Jack Webb (aus der brühmten Serie "Polizeibericht" / "Dragnet") mit seiner sonoren Stimme im Off zu hören: "THIS is the City - Los Angeles, California. Many people try to make a living here, in many ways. When they deal with the dead, it's a job for me. I carry a badge." Gefolgt von der berühmten "Dam-Da-Damm-Damm" - Titelmusik von "Dragnet" ("Stahlnetz")...
Also, kaum ist der Sarg durch den Verkehr befördert worden, treffen wir Count Yorga mit bleichem und schaurig-sympathischem Gesichte bei einer Seance. Nach dem Tischerücken wartet der Graf getrost, bis ein junges Pärchen sich in ihrem VW-Bus, dem der Graf zu einer Panne verholfen hat, vor den Toren des gräflichen Anwesens geliebt hat, um danach seinen Blutdurst zu stillen. Doch dies ruft einen Arzt auf den Plan, der um das Wohl seiner Freundin Donna besorgt ist, denn auf ihren Wunsch war die Seance abgehalten worden, und auf sie hat der Graf es abgesehen. Was folgt, ist das bekannte Psychoduell zwischen Vampirjäger und Blutsauger und natürlich der Showdown, dem Count Yorga mit gefletschten Beißern am Schluss unterliegen muss. Doch das Ende wartet noch mit einer Überraschung auf, die später als "Schlussgag" in unzähligen Horrorfilmen Verwendung finden sollte...

Abgesehen davon, dass Sets und Atmo bestechen und Count Yorga ein richtig schaurig guter Vampirgraf ist,   
lassen die anderen Vampire und so manche darstellerische Leistung ein wenig zu wünschen übrig. Vor allem aber die Vampirangriffe, die oft in Zeitlupe gedreht wurden und bei denen die Vampire direkt auf die Kamera zustürzen, sind gerade wegen der im 70er Jahre TV und Kino so beliebten Zeitlupe (wir erinnern uns an "Kung Fu" mit dem kürzlich verstorbenen David Carradine) furchtbar anzusehen. Aber dennoch ist dieser Streifen eine Perle und beweist einmal mehr, dass selbst der Vampirfilm auf Amerikanisch nicht unbedingt schlecht sein muss. Für Fans des 70er Kinos und des Vampirfilms ist der Streifen ein "Must See".



Nun war Count Yorgas erste Beißorgie so erfolgreich, dass bereits ein Jahr später Rober Quarry erneut das Samtmäntelchen überzog und die Zähne nachfeilte. Neben dem bereits aus dem ersten Teil bewährten Gegenspieler Roger Perry (der im Teil 1 leider verblich), stellte man dem Vampirmimen eine Augenweide zur Seite - die junge Schauspielerin Mariette Hartley, die bereits im Western- und Krimigenre ("Sacramento", "Die Straßen von San Francisco", u.a.) Erfahrung gesammelt und brilliert hatte, spielte diesmal die Herzdame in Nöten. Und Roger Perry muss sie natürlich wieder raushauen, und auch die Überraschung am Schluss ist einmal mehr vorhanden und fast eins zu eins aus dem ersten Yorga-Auftritt übernommen worden. Die Geschichte ist dümmer als im ersten Teil, denn ohne jede Erklärung, warum sie ihr Ende im ersten Teil überlebt haben, stehen Count Yorga und sein treuer Diener Budrah auf der Matte eines Waisenhauses und nisten sich dort ein, um sich an den lieben Kleinen und ihren Betreuerinnen gütlich zu tun. Dem üblen Treiben muss man natürlich ein ebenso übles Ende bereiten - was dann auch in bewährter Manier passiert. Vampire in Zeitlupe, Psychoduell, Showdown, alles ist wieder da. Und alles macht genauso viel Spaß wie im ersten Teil, nur Mariette Hartley macht Lust auf noch mehr. Damit war's aber nix, denn auch hier war nach zwei Teilen Schluss. Leider. Den langen Atem eines britischen Grafen Dracula (Christopher Lee) hatten die Ami-Vampire eben nicht.
Dennoch kann man auch an diesem Streifen seinen Spaß haben, und für Vampirfans ist der Film ohnehin ein Muss.

Hatte man den ersten Teil bei uns noch routiniert mit "Junges Blut für Dracula" betitelt, erfuhr die Fortsetzung mit "Die sieben Pranken des Satans" eine Titelvergewaltigung, die ihresgleichen sucht. Den Kinogängern vorzugaukeln, dass man es mit einem siebenarmigen Blutsauger zu tun haben könnte, darauf kann wohl nur ein deutscher Filmverleih kommen.. Und dafür möge den, der das verbrochen hat, ein Kollege aus Transsilvanien heute noch  kräftig in die Eier beißen...



Der Lonewolf Pete