Ich senf dann auch mal:
Solides Debüt eines deutschen Autors, der wohl den genialen Onkel King gut leiden mag.
Man nehme Teenager, lasse sie in einer spießigen Kleinstadt leben, würze das Ganze mit straffen Vorurteilen und hauche dem Ganzen einen Flair des Unbekannten ein.
Was sich da nachts im Dunkeln durch den Wald an parkende Frauen heranschleicht, lässt Winkelmann zu Beginn im Unklaren. Ist es was Übernachtürliches oder ist es ein Mensch? Leider zu früh in der Auflösung für meinen Geschmack.
Wir erfahren, dass der vermeintliche Unfalltod von vier jungen Menschen nicht dem alkoholisierten Zustand des Fahrers zuzuschreiben ist, sondern eine andere Ursache hat. Den Spannungsbogen bis zur Auflösung, wer oder was da Frauen an der Bahnschranke auflauert, hält Winkelmann straff aber kurz.
Der panische Teenager, der von seinen Eltern kalt gestellt wird, indem sie Beweise für die Existenz des "Bösen" im wahrsten Sinne des Wortes wegwischen, war für mich ein schwarzhumoriges Highlight.
Eine lesbische Ermittlerin, die hin- und hergerissen ist von ihren Gefühlen. Hier hätte ich mir mehr Tiefe gewünscht, aber wahrscheinlich ist dies kaum möglich, wenn der Autor ein Mann ist. Mea culpa.
All das verleiht dem Debütroman Winkelmanns Flair und Atmosphäre.
Die Ermittlungsarbeit wirkt dann aber leider zufällig und unstrukturiert. Die Charaktere bleiben blass. Schade, weil Winkelmann zeigt, dass er das besser drauf hat. Mehr Liebe und Details widmet er dem Hintergrund der mordenden Kreatur, deren Leidensweg schlüssig und nachvollziehbar beschrieben wird. Die innere Zerissenheit, der Wille zu Glauben und das Scheitern an erlernten Verhaltensmustern beschreibt Winkelmann eindrucksvoll und atmosphärisch.
Leider driftet er irgendwann ab. Er scheint nicht sicher, ob er aus dem dienstlich wie privat betroffenen lesbischen Paar Helden oder Opfer zaubern soll. Zumindest wird da die Handlung etwas schwammig.
Grandios, wie er die Natur mit Worten "leben" lässt. Genial gut sind die Sequenzen zwischen Opfer und Täter
in den Katakomben einer Rüstungsanlage des zweiten Weltkriegs
. Wer Filme wie "Hostel" mag, wird hier bestens bedient. Winkelmann schafft es, dass der Leser sich mittendrin fühlt, dass er bangt, hofft und enttäuscht ist.
Grandiose Sequenzen, die teilweise durch Längen und Unlogisches unterbrochen werden. Winkelmann fängt grandios an, macht gut weiter und endet in Mittelmäßigkeit. Insgesamt eine dennoch solide, gut unterhaltende und lesenswerte Leistung. Ich finde, Winkelmann ist ein vielversprechender deutscher Autor, der es wert ist, ein Auge auf seine noch kommenden Werke zu halten. Ich wünsch ihm, dass er mehr eigenen Stil findet.
Solide 85 Punkte. Nicht zuletzt deshalb, weil ich in nächster Zeit wohl kaum an einem Bahnübergang im Wald das Auto auf ne schnelle Kippe verlassen werde.