Großartiges Buch, das sich mit der Reaktion des Menschen in einer Extremsituation befasst. Die Stadt Oran in Algerien ist nach dem Ausbruch der Pest versiegelt, niemand kommt mehr raus, keiner will mehr rein. Im Laufe der Geschichte erfahren wir einiges über die Bewohner.
Da hätten wir den Pfarrer, der die Pest für eine Strafe Gottes hält, denn der Mensch habe gesündigt. Seine These ist, dass man Gott nur voll und ganz akzeptieren kann oder eben gar nicht gläubig ist. In ersterem Falle müsse man auch die Pest und deren Folgen akzeptieren. Es gibt keine halbherzigen Entscheidungen.
Der Arzt Rieux ist die Hauptperson, und er opfert sich trotz diverser Schicksalsschläge für seine Mitmenschen auf. Der Ex-Soldat Tarrou ist seit einem Kindheitstrauma vom Tod fasziniert und versucht alles, diesem ein Schnippchen zu schlagen. Der kleine Rathausangestellte Grand denkt ebenfalls nur an seine Mitmenschen und nie an sich selbst. Das einzige Ziel, das er im Leben vor Augen hat, ist, ein Buch zu schreiben. Der alte Cottard ist der einzige, der von der Pest profitiert. Gegen ihn läuft eigentlich ein Haftbefehl, so aber ist die Polizei überfordert, und er profitiert vom Schmuggel. Dann wäre da noch Rambert, der Journalist, der nur zufällig in der Stadt ist. Tut er zuerst noch alles, um aus der versiegelten Pest-Stadt zu entkommen, freundet er sich bald mit dem Schicksal an und hilft in der Not. Anhand seines Beispiels stellt sich eine interessante moralische Frage: Sollte man für die Liebe seine Mitmenschen im Stich lassen? Ist dies egoistisch? Rambert jedenfalls kann letztlich nicht anders, er muss bleiben.
Eine Stadt im Ausnahmezustand. Eine Situation, unter der die Liebe stirbt, wo keine Freundschaft mehr möglich ist, kein emotionales Empfinden, keine Möglichkeit Freude zu empfinden.
Mit diesen philosophischen Gesichtspunkten beschäftigt sich das Buch. Schreibstil ist relativ normal, aber einen Spannungsbogen wie in einem "normalen" Buch darf man nicht erwarten. Hier wird einzig und allein die Reaktion der Menschen in dieser Extremsituation untersucht. Wie man sich verändert. Wie man Angst verspürt, eigensinnig wird, die Hoffnung verliert oder sich an dieser festkrallt. In meinen Augen ein ganz großes Buch, da man jede Situation, jedes Gefühl, das geschildert wird, nachempfinden kann. Die Figuren wirken absolut echt, die Dialoge sind ebenso authentisch. Von Camus werd ich sicher noch mehr lesen.