Hört sich gut an..werden wohl warten müssen bis er auf DVD erscheint
"Von Beverly Hills nach Bayern
William Friedkin wurde mit Filmen wie "Der Exorzist" zur Hollywoodlegende. Jetzt inszeniert er in München eine doppelte Opernpremiere zum Start der neuen Ära unter Dirigent Kent Nagano. Max Dax hat den Regisseur getroffen
Es ist die am fieberhaftesten erwartete Doppelpremiere dieses Herbstes. Am kommenden Freitag startet die Bayerische Staatsoper in München in die neue Spielzeit.
Noch hat niemand Bühnenbild und Ausstattung zu Gesicht bekommen, doch zeigt die Verpflichtung des US-Film- und Opernregisseurs William Friedkin, dass offenbar weder Kosten noch Mühe gescheut wurden, um den großen Auftakterfolg zu landen, der die Arbeit aller Beteiligten in ruhige Fahrwasser wird lenken können.
Besonders bemerkenswert: Mit "Das Gehege" von Wolfgang Rihm steht zu Beginn der Ära Kent Nagano eine Auftragsarbeit des wichtigsten zeitgenössischen Komponisten aus Deutschland auf dem Programm - zusammen mit Richard Strauss' Erfolgsoper "Salome". Friedkin soll für die szenische Verzahnung der Einakter sorgen.
Friedkins Stern war im Sinkflug über Hollywood
Dabei schien Friedkins Stern zumindest am Himmel über Hollywood in einem unaufhaltbaren Sinkflug begriffen. Nach schier endlosen drei Jahrzehnten, in denen die Filme des Amerikaners hinter den durch "The French Connection" (1971) und "Der Exorzist" (1973) geweckten Erwartungen weitgehend zurückgeblieben waren, wird man den 71-jährigen Regisseur am kommenden Freitag in München von seiner hierzulande bisher unbekannten Seite erleben können.
Denn William Friedkin hat sich im inter- nationalen Opern-Jetset längst als verlässlicher Auffrischer selbst schwierigster Opern einen Namen gemacht. Friedkins Inszenierungen sind puristisch-einfach und doch dank eines extremen Einsatzes des Lichts opulent.
"Wir Regisseure haben den Auftrag, die Opern in die Gegenwart zu holen", erklärt Friedkin seine Definition künstlerischer Freiheit, "und dennoch bleiben die Bühnenanweisungen der Komponisten die erste Orientierung für jede Inszenierung."
Regisseur des New-Hollywood-Kino
Der scheidende musikalische Leiter der Bayerischen Staatsoper, Zubin Mehta, hatte William Friedkin 1998 höchstpersönlich in die Welt der Oper eingeführt. Im Rahmen des Florentiner "Maggiore Musica" durfte Friedkin Alban Bergs "Wozzeck" inszenieren. Dass er ausgerechnet jetzt in München zum Zuge kommt, da Zubin Mehta geht, ist gleichwohl der neuen Intendanz zuzuschreiben.
Seit der Florentiner Feuertaufe inszeniert Friedkin mit zunehmendem Erfolg - in München jetzt seine erste Uraufführung und Strauss' Klassiker "Salome". "Beide Werke", so Friedkin, "drehen sich im Kern um den Missbrauch von Macht - und sind damit ein Spiegelbild unserer Zeit."
Der 1935 in Chicago geborene Regisseur hat sich eine Stunde Zeit für ein Interview genommen, er trägt eine silbergerandete Tropfenbrille und einen cremefarbenen Anzug. Für sein Alter sieht er wahnsinnig jung aus - unglaublich, denn als Friedkin neben Francis Ford Coppola und Martin Scorsese Anfang der 70er Jahre die Bewegung des New-Hollywood-Kinos anführte, lebte er laut Peter Biskind, dem Autor des Standardwerks "Easy Riders, Raging Bulls", ein ausschweifendes Leben.
Befragt, ob es einen speziellen Unterschied zwischen der Arbeit am Filmset und im Festspielhaus gibt, antwortet er ebenso gestenreich wie grundsätzlich: "Die Oper ist ein zutiefst künstliches Medium. Sie hat die Verpflichtung, die Wahrheit durch Künstlichkeit zu brechen: Oper ist nicht Leben, sie ist größer als das Leben."
Damit stellt die Oper die größtmögliche Entfernung zu einem Film wie "French Connection" dar, den William Friedkin 1971 gedreht hat und der bis heute als Meilenstein des New-Hollywood-Kinos gilt. "Wir haben ,French Connection" seinerzeit an Originalschauplätzen gedreht", erinnert er sich. "Wir benutzten nur natürliches Licht, und wir setzten Handkameras ein, um das improvisierte Spiel von Gene Hackman und Roy Scheider zu unterstreichen."
Während des Drehs der berühmten Ver- folgungsjagd, in der ein Auto einer U-Bahn hinterherrast, seien die Fußgänger auf den Bürgersteigen ernsthaft gefährdet gewesen. Friedkin erzählt ruhig, präzise: "So etwas würde ich heute nie wieder riskieren!"
Muss er auch nicht: Seit seinem Florentiner Operndebüt kann sich William Friedkin vor Folgeaufträgen nicht mehr retten. In Turin setzte er "Aida" in Szene, in Tel Aviv "Samson et Delia", in Los Angeles "Ariadne auf Naxos".
Der aus einfachen Verhältnissen stammende Sohn eines Verkäufers und einer Krankenschwester hatte vor seinem Engagement durch Mehta noch nie ein Opernhaus von innen gesehen. Dieser Umstand sei für ihn jedoch eher von Vorteil gewesen, die fehlende Seherfahrung habe seine jungfräuliche Herangehensweise erst ermöglicht. "Trotzdem war mir die Arbeit auf der Bühne sofort vertraut. Es ist egal, ob Sie mit Schauspielern oder mit Sängern arbeiten: Sie alle benötigen ein psychologisches Fundament für ihre Rollen - einen Unterbau, den ich zu liefern habe."
Als Friedkin vor einem Monat in Washington Puccinis komödiantische Oper "Gianni Schicchi" inszenierte, befahl er den Sängern etwa, sich die Filme der Marx Brothers so oft anzuschauen, bis sie sich auf der gleichen Humorebene bewegten. Die Laufwege auf der Bühne wurden mit Slapstick-Einlagen garniert. Seine Methode hatte System: "Näher als die Marx Brothers sind die Amerikaner nie an die italienische Commedia dell' Arte herangekommen - und auf die bezog sich Puccini nun mal mit seiner einzigen komischen Oper."
Diametral entgegengesetzt zum Ausflug ins Witzige ist der gespenstische Stoff, der Wolfgang Rihms "Das Gehege" zugrunde liegt: 100 Jahre nach "Salome" befreit eine Frau einen Adler aus einem Käfig, nur um ihn sodann zu töten. Der Kern des von Rihm nach Botho Strauss' Bühnenstück "Schlusschor" komponierten Einakters besteht aus einem einzigen beklemmenden Monolog, gesungen von Gabriele Schnaut.
Die Frau könnte Salome sein, der Adler Jochanaan. In dem von Oscar Wilde ursprünglich fürs Theater geschriebenen und von Richard Strauss 1905 für die Oper adaptierten Stück fordert Salome, die bleiche Tochter der Königin Herodias von Judäa, den Kopf des Propheten Jochanaan - um ihn lieben, um seinen Mund küssen zu können: Im fahlen Licht der Nacht ist Salome aus heutiger Sicht (siehe Rihm) eine geradezu moderne Figur: Sie ist kindlich-grausame Täterin, sie ist ein Opfer der Konsumgesellschaft, sie missbraucht ihre Macht.
"Andererseits ist Salome eine historische Figur", sagt der Regisseur, "und Jochanaan war niemand anderes als Johannes der Täufer. Ausgangspunkt war für mich daher die Frage nach der Motivation der Protagonisten. Warum verlangte Salome nach dem Kopf eines Mannes, wenn es sich nicht um ein Stück Fiktion handelt, sondern um eine wahre Geschichte?"
Für ihn sei es wichtig gewesen, dass Wolfgang Rihms "Im Gehege" mit "Salome" eine in den Stücken bereits nahegelegte Fusion eingeht. "In gewisser Weise" sagt Friedkin, "hört man in Rihms Oper den Nachhall der Gegenwart auf ,Salome". Ich habe die Nähe der beiden Stücke durch Kontinuität in der Ausstattung unterstrichen, darüber hinaus gibt es mit dem Engel des Todes eine Figur, die quasi aus dem einen Stück entsteigt und im anderen wieder auftaucht."
William Friedkin hat das nachlassende Interesse an seiner Rolle als Filmregisseur - sein neuester Horrorfilm "Bugs" läuft hierzulande gar nicht erst im Kino - umgewandelt in ein strahlendes Comeback als Opernregisseur. Zum ersten Mal wird man nun in Deutschland überprüfen können, ob der Oscar-Preisträger die an seine Person geknüpften Erwartungen auf neuer Bühne erfüllen kann.
"Salome" und "Im Gehege", Premiere am 27. Oktober"