Paprika von Satoshi Kon
"Evidence that Japanese Animators are reaching for the moon, while most of their American counterparts remain stuck in the
kiddie sandbox"
(New York Times)Dieses Zitat der New York Times sagt schon ziemlich viel über Komplexität dieses Animes aus.
Doch immer der Reihe nach.....
Inhalt:
Dr. Chiba Atsuko ist Wissenschaftlerin in einem psychotherapeutischen Institut.
Dort wurde ein experimentelles Gerät entwickelt, der DC Mini, der es dem Therapeuten nicht nur ermöglicht, die Träume seiner
Patienten aufzuzeichnen und zu analysieren, sondern auch noch direkt in die Träume des Patienten einzusteigen und diese zu erforschen.
Doch erschreckenderweise werden 3 der DC Mini Prototypen gestohlen und Panik macht sich bei den Verantwortlichen breit,
die Geräte könnten dazu mißbraucht werden um in den Gehirnen möglicher Opfer herumzupfuschen.
Schneller als es den Verantwortlichen lieb sein kann, werden schon die Träume und die Psyche mehrerer Institutsmitarbeiter
manipuliert und diese fallen in eine Art "Tagtraum" und sind schon nicht mehr ansprech- bzw. kontrollierbar.
Eine Abgrenzung zwischen Traum und Realität ist für diese Personen nicht mehr existent.
Es gibt jedoch einen Hinweis auf die Diebe, der in die Traumwelt führt.
Die Therapeutin Atsuko Chiba begibt sich als ihr Alter Ego "Paprika" selbst in die Traumwelt um herauszufinden
wer hinter den Anschlägen auf die Träume und die Psyche der Opfer steckt.
Dort begegnet sie einer rätselhaften Puppe und einer krotesken "Parade" die irgendwie mit dem Dieb in Verbindung zu stehen scheinen.
Jedoch läuft ihr die Zeit davon, denn mit jedem weiteren Traumopfer beginnen die sich die einzelnen Träume zu überschneiden
und auch die Grenze zur realen Welt zu überschreiten und sich mit dieser zu vermischen.
Wer steckt hinter dem Diebstahl der Geräte? Was bezwegt der "Traum-Terrorist" mit seinen Aktionen?
Bereit für einen surrealen Detektiv-Thriller im Reich der Träume?
Der Film:
Genretypisch lässt sich der Film nur sehr schwer einordnen, da er Elemente vieler Genres in sich vereint.
Grundsätzlich haben wir es mit einer Science-Fiction lastigen Thriller-Detektiv Story mit vielen surrealen Elementen zu tun.
Doch auch Elemente der Komödie, des Gruselfilms und des Dramas werden hier verarbeitet. Alles in einer wilden Mischung die aber so überzeugend "rüberkommt", dass man sich über diesen Umstand eigentlich keine Gedanken macht. Es passt einfach!
Das Verschmelzen von Traum und Realität war ja in gewisser Weise schon immer ein Thema in den Werken von Satoshi Kon. (mal mehr, mal weniger)
Beginnt der Film noch mit einer relativ klaren Trennung zwischen "Real" und "Fiktion" (wirklich so klar?), so beginnen
die Grenzen jedoch sehr schnell zu bröckeln und der Zuschauer, sowie die Charaktere im Film können sich bald nicht mehr
sicher sein, ob sie sich jetzt in der "Realität" oder in einem Traum befinden. Ganz zu schweigen von der Frage in welchem Traum,
welcher Person man sich gerade befindet. Das Verschmelzen von Realität, Traum und Träumen untereinander wird hier wirklich auf die Spitze getrieben. Glaubt man sich gerade irgendwie zurecht gefunden zu haben, so wird man in einen noch wilderen Strudel des Surrealismus gerissen.
War die Vermischung von Realität und Fiktion in "Perfect Blue" schon recht wild, so bekommt man hier die "Volle Packung"
serviert! Und dies in einem Tempo, das einen gar nicht erst in die verlegenheit kommen lässt, sich groß mit dem Gezeigtem auseinanderzusetzen zu können, bzw. darüber nachzudenken.
Allein das Dauer-Feuerwerk an abgedrehten und verrückten Einfällen weiß zu beeindrucken.
Was hier innerhalb von 5 Minuten an Ideen abgefackelt wird, reicht aus für die Story mehrerer Hollywood Blockbuster.
Allein die groteske "Parade" ist sowas von vollgestopft mit Anspielungen und Symbolik, sodass die bei einer einzelnen Sichtung
des Films überhaupt nicht erfasst werden kann. Hier drückt man freiwillig die Pausetaste um überhaupt nur annähernd die
tausenden Details sehen zu können.
(btw.: "lebende" Puppen sind immer noch f***ing creepy!)
Auch die Symboliken und Anspielungen des Medium Kinos (im Traum des Polizisten) sind so zahlreich, dass sie gar nicht alle
erfassbar sind. Und doch sind sie so genial in den Film miteingebunden. Wie zum Beispiel die Erklärung eines "Jump-Cuts" anhand
eines "Jump-Cuts"
Oder die "Liebeserklärungen" an das Kino.
Doch auch ethische Fragen finden ihren Platz.
Wo sind die Grenzen für den Einsatz technischer Hilfsmittel bei der menschlichen Psyche?
In wie weit, bzw. darf ich überhaupt, einem Menschen die Psyche "manipulieren" auch wenn ich damit nur seine "Heilung" ermöglichen möchte?
Was für einen Einfluss hat unser Unterbewusstsein auf unser Handeln?
"Findest Du nicht auch, dass sich Träume und das Internet in gewisser Weise gleichen? In Beiden lebt sich das unterdrückte
Unterbewusste aus …“
- Paprika in Paprika.Spielen wir unserer Umwelt ein anderes "Ich" vor?
Sind wir der, der wir vorgeben zu sein?
Wollen wir eigentlich nicht jemand anderes sein?
Der Film thematisiert also das Verhältnis von Realität und Traum nicht nur über den physikalischen Zustand von Wachen
und Träumen/Schlafen sondern bezieht auch die vom Menschen geschaffenen "künstlichen Welten", wie das Internet und das Medium Film/Kino mit ein.
Dies sind nur einige von vielen Themen die in dem Film angesprochen werden.
Überall in den Zeichnungen begegnet man versteckter Symbolik die sich wharscheinlich erst nach mehrmaligem Sichten,
dem Zuschauer nach und nach offenbaren werden.
Von der "versteckten Symbolik" kommen wir dann auch gleich zum Bild. Um diese Vielzahl an Details in "ein Bild" zu bekommen,
bedarf es natürlich einer guten Zeichenqualität. Und diese ist über jeden Zweifel erhaben.
Von Anfang an gibt der Film richtig Gas. Man weiß gar nicht auf was man alles achten soll, und schon ist man im Bildersturm
gefangen und wird mitgerissen.
Der Zeichenstil und das Charakterdesign von Satoshi Kon, welches man schon aus seinen anderen Werken kennt, ist ganz klar zu erkennen.
Die Charaktere sind auch grundsätzlich sehr vielschichtig und trotz aller Klischees, nicht in Schubladen zu sortieren.
Zu der Qualität der Animation kann man nicht viel mehr sagen als "technisch perfekt". Die Unmengen an Details der
wandelnden "Traumparade" lassen den Zuschauer nicht nur einmal staunend zurück.
Das ist Animation auf allerhöchstem Niveau.
Auch der Soundtrack weiß mehr als zu gefallen. Experimenteller poppiger Elektrokram mit einem fast schon als gefährlich
zu bezeichnenden Ohrwurmcharakter. Ich bekomm vor allem die Marschmusik der Traumparade seit gestern nicht mehr aus dem Kopf
und summe sie schon andauernd vor mich hin.
Aber auch bei den anderen Tracks breitet sich zwangsweise ein Lächeln auf dem Gesicht des Betrachters aus.
Die Kombination von Musik und Bild ist mehr als gelungen.
Man bekommt mit diesem Feuerwerk genau das geboten, was man sich von Satoshi Kon eigentlich wünscht.
Einen unkonventionellen und außergewöhnlichen Film.
Ich denke der Film ist in seiner Ganzheit mit einem einmaligen Sichten nicht zu erfassen.
Und ich werde ihn mir auf jeden Fall diese Woche nocheinmal anschauen.
Alleine schon wegen dem zauberhaften Gefühl, der Spannung, der Symbolik, des Humors, der Musik,
der ganzen wunderschönen träumerischen Atmosphäre die dieses Kleinod verbreitet.
Auch dies ist ein Punkt der die Filme von Satoshi Kon so ungemein sympathisch macht. Bei allen Verwirrungen und
realitätsverbiegenden Handlungen, bleibt doch immer ein Rest Menschlichkeit, ein Rest Liebe und Gefühl.
Schon so viel geschrieben, doch eigentlich bin ich der Auffasssung, dass ich nur ansatzweise das erzählt habe,
was ich eigentlich mitteilen wollte. Aber ich kann keinen Anfang und kein Ende finden in der Unmenge an Situationen
in dem Film die ich doch gerne noch erwähnen möchte......
Deshalb lasse ich es lieber, so Schade es auch ist.
Als Kritikpunkt kann ich jetzt eigentlich nur die verworrene Handlung nennen, die manch einem Zuschauer
zu wenig (bzw. keinen) Halt geben wird. Wer eine klare Geschichte nach Schema F erwartet ist hier falsch.
Für den Rest: Ab auf eine geniale audiovisuelle Achterbahnfahrt.
Punktevergabe:
Um möglichst objektiv zu sein, habe ich hier schon einen halben Punkt "Satoshi Kon Bonus" abgezogen.
vorläufige
9/10 Punkten mit Tendenz nach oben.
Für eine letzte Meinung muss ich mir dieses Werk auf jeden Fall nocheinmal anschauen.
(Bestell ich mir doch gleich noch die Blu-Ray???)
Aber allein schon die Tatsache, dass ich den Soundtrack nicht mehr aus dem Ohr bekomme deutet bei mir meist auf eine noch
bessere Note hin.
Der Film beschäftigt mich heute schon den ganzen Tag über.
Obwohl heute ein nerviger Arbeitstag ist, prallt dies gerade alles an mir ab.
Ich trage ein Lächeln auf den Lippen und habe gute Laune
Ich gehe jetzt weiter träumen.....